Verbrannte Erde als Strategie im 30jährigen Krieg?

recognite

Mitglied
Hey Leute,

durch den Krieg waren ja weite Teile des HRR komplett zerstört. Durch die ständigen einzelnen Schlachten und Teilkriege, durch Plünderung und Ausbeutung.

Aber wurde von Schweden, Dänemark, Frankreich auch die Taktik der verbrennten Erde angewendet?
 
dazu fällt mir ein, dass die Umgebung der berühmten fossa Carolina nach dem 30jährigen Krieg ziemlich entvölkert war und sich davon sehr lange Zeit nicht erholte.
 
Das zieht sich durch die ganze Menschheitsgeschichte hindurch. Nimmt man die vollkommene Zerstörung von Städten wie Babylon, Niniveh und Jerusalem oder das spurlose Austilgen von Karthago, wo die Römer nichts mehr übrig ließen und sogar das Land umpflügten und mit Salz unfruchtbar machten. Kriege ohne das Niederbrennen von ganzen Dörfern und dem Diebstahl der ganzen Habseligkeiten der gegnerischen Bevölkerung gab es wohl nur selten. Das Verhehrendste am dreißigjährigen Krieg war seine lange Dauer.
 
naja entvölkert waren viele Teile des HRR, Mecklenburg und Vorpommern, Nordböhmen, das Rheingebiet bis an die französische Grenze wiesen teilweise bis zu über 60% Bevölkerungsverlust auf.

Die Frage war, ob die Verwüstung, Hungersnot und damit evtl verbunden die Entvölkerung auch auf Grund der Taktik der verbrannten Erde entstand.
 
Für die Söldnerheere gab es nur unzureichende logistische Versorgung. Feldmarschall von Gronsfeld berichtete dem bayrischen Kurfürsten, er versorge 40.000 Mann, die Armee habe aber 180.000 Mann. Wie die übrigen überleben können, gehe über seinen Verstand. (GEO Epoche 29 Der Dreißigjährige Krieg").
Eine Front oder auch nur darstellbare Kriegsziel gab es nicht. Die Heer zogen kreuz und quer durch das Land. Oft schlicht dahin, wo es Futter für Mensch und Vieh gab. Die Truppen plündern erst und im Abzug brennt die Ernte, damit der Feind sie nicht bekommt.

Das Resultat war "Verbrannte Erde". Das als "Taktik" zu beschreiben würde aber jedem Soldaten die Zornesröte ins Gesicht treiben.

Deswegen Antwort auf deine Frage: Nein. es war einfach ein fürchterlicher blutiger Schlamassel.
 
Das verstehe ich nicht. Erst sagst du, sie verbrannten die Erde, DAMIT der Feind sie nicht mehr gebrauchen kann und dann dementierst du, dass es eine Taktik sei?!
Das Ergebnis der Kriegsführung oder vielmehr der ständig knappen Kassen war, dass die Söldner plünderten. Dadurch trat der Effekt ein, dass die Gegenden verwüstet waren, was wir bei einer geplanten Vorgehensweise als "Strategie der verbrannten Erde" bezeichnen würden. Hier war es aber überwiegend nicht beabsichtigt, sondern eine Begleiterscheinung, die man oftmals zu vermeiden suchte.
Mal ein Beispiel aus dem Anfang des Krieges. Die bayerischen und kaiserlichen Truppen verheerten weite Teile der protestantischen Gebiete Niederösterreichs und Böhmens, durch welche sie kamen. Da der Kaiser dem Herzog Maximilian von Bayern die Einnahmen aus diesen "rebellierenden" Territorien versprochen hatte, hatte der Herzog, der bei seinem Heer mitreiste, natürlich kein Interesse an der Zerstörung dieser Landstriche. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass bspw. mitreisende Geistliche bemerkten, wenn sie von den Zerstörungen berichteten, dass dies alles zwar schrecklich anzuschauen sei, aber andererseits den rebellischen Bewohnern v.a. deren Anführern von Stand nur ganz recht geschähe, weil sie es nicht anders verdient hätten.
Und das traf bei vielen Aktionen zu. Bis zu einem gewissen Grad sahen die Feldherren selber durchaus ein, dass das Brandschatzen und dergleichen ihren eigenen Heeren die Ernährungsgrundlage entziehen würde, wenn man auf einem Rückzuge wiederum durch die Gegend müsse. An Exempeln, die gegen Plünderer bisweilen auf grausame Weise vollzogen wurden, hat es auch nicht gemangelt. Woran es offenbar oftmals mangelte, war aber eine ausreichende Versorgung der Heere und eine Disziplin, wie man sie dann von den Heeren schon des späten 17.Jh. her kennt.
Die Zerstörung von Städten hingegen, welche belagert wurden, rührte nicht selten von den militärischen Gepflogenheiten der Zeit und war somit gewissermaßen schon geplant oder zumindest billigend in Kauf genommen. Städte, die im Sturm genommen wurden, wurden nicht selten der Plünderung frei gegeben. Wobei das leider nicht bedeutete, dass eine förmliche Übergabe eines Ortes bzw. eines Schlosses unbedingt gewährleistete, dass dieser unbeschädigt blieb.

Nun ist das alles aber, wie man zugeben muss, keine "Spezialität" des Dreißigjährigen Krieges. Übergriffe auf die Zivilbevölkerung in unvorstellbarem Maße war damals leider eher die Regel als die Ausnahme. Auch vom Englischen Bürgerkrieg ist ähnliches durch Tagebücher einfacher Kriegsteilnehmer überliefert und das, obwohl diese Soldaten ja mehr oder weniger "daheim" kämpften. Und das schloss nichtmal die Soldaten des Parlaments aus.
 
Ich danke vielmals für diese detailierte Schilderung des Unterschieds zwischen Plünderung und Taktik mit demselben Resultat der "verbrannten Erde".
 
und natürlich Callots Kupferstiche
Jacques Callot ? Wikipedia
Wobei Callot stark von den Ereignissen rund um La Rochelle beeinflusst war. Es gab auch viele Künstler in Dtl. wie Hans Ulrich Franck (auch künstlerisch sehr sehenswert), die sich intensiv mit dem Krieg beschäftigten.
Hans Ulrich Franck ? Wikipedia

Auch in England machte der 30-jährige Krieg einen tiefen Eindruck, wo er den Puritanern, aber auch generell den Protestanten Auftrieb verschaffte, schien es doch so, als ob in Dtl. die Katholiken obsiegen und die Protestanten bald unterdrücken würden, was auch in England für Zündstoff sorgte. Denn man unterstellte dem König Charles I. auch eine Nähe zum Katholizismus. Besonders wirkungsvoll war das Werk "The Lamentations of Germany", das 1638 erschien.
Alle erdenklichen Greuel, welche die Soldateska anrichtete, wurden darin in Wort und Bild vorgeführt.
 
Das verstehe ich nicht. Erst sagst du, sie verbrannten die Erde, DAMIT der Feind sie nicht mehr gebrauchen kann und dann dementierst du, dass es eine Taktik sei?!


Brissotin hat es ausführlicher dargelegt.

Kurz: Taktik oder Strategie erfordern Willen und Planung. Das sollte man in dieser Ära nicht unterstellen.

Für das gemeine Volk, ob Bauer oder Landsknecht war das Ergebnis natürlich dasselbe.
 
Die Frage ist unbedingt mit Ja zu beantworten.Insbesonders die Franzosen unter Turenne betrieben bewußt die Taktik der verbrannten Erde.Der mit Frankreich verbündete Lothringerherzog zerstörte Im Elsaß Dorf für Dorf.Seitdem sagen unsere Elsäßer Vettern von uns-"Wo ein Lothringer gesch...hat wächst kein Gras mehr".


Henri de La Tour d?Auvergne, vicomte de Turenne ? Wikipedia
In dem Text auf Wikipedia steht aber nichts zu einer gezielten Vernichtung der Gebiete durch Turenne während der Endphase des 30-jährigen Krieges.

Gibt es eine Quelle - am Besten sowas wie einen konkreten Befehl von Louis XIII, der das anordnete?

Das Zerstören von den und den Orten wurde ja in den Medien, wenn man sich viele Abbildungen mit dem Feldherrn in der Mitte und den von ihm eroberten bzw. vernichteten Ortschaften (oft in Flammen aufgehend in den kleinen Darstellungen rund um), stark ausgeschlachtet.

Einen ähnlichen Eindruck wie die Franzosen/Lothringer, den Du schilderst, haben die Schweden allerorten, v.a. aber in Brandenburg und Sachsen hinterlassen. Von einer groß angelegten und geplanten Zerstörung auf der Schneiße ihres eigenen Versorgungsweges zur Ostsee ist mir aber auch nichts bekannt.

Erhellender als der deutsche Eintrag in Wikipedia momentan ist der im Englischen zu Turenne:
[zum Feldzug in Bayern 1648: ] "Troops subsequently wasted Bavaria with fire and sword until a second and more secure pacification was obtained. This devastation, for which many modern writers have blamed Turenne, appeared no more harsh a measure than the spirit of the times and the circumstances of the case permitted.

...

[und zu Turennes Charakter im Allgemeinen:]
In his personal character Turenne showed little more than the nature of a simple and honourable soldier, endowed with much tact; but in the world of politics and intellect he seemed almost helpless in the hands of a skilful intriguer or casuist. His morals, if not beyond reproach, were at least more austere than those prevalent in the age in which he lived. He operated essentially as a commander of regular armies. He spent his life with the troops; he knew how to win their affection; he tempered a severe discipline with rare generosity, and his men loved him as a comrade no less than they admired him as a commander. Thus, though Condé's genius appeared far more versatile, Turenne's genius best represents the art of war in the 17th century. For the small, costly, and highly trained regular armies, and for the dynastic warfare of the age of Louis XIV, Turenne functioned as the ideal army leader.http://en.wikipedia.org/wiki/Henri_...e_Turenne#cite_note-FOOTNOTEChisholm1911414-5"
http://en.wikipedia.org/wiki/Henri_de_la_Tour_d'Auvergne,_Vicomte_de_Turenne
 
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In dem Text auf Wikipedia steht aber nichts zu einer gezielten Vernichtung der Gebiete durch Turenne während der Endphase des 30-jährigen Krieges.

Gibt es eine Quelle - am Besten sowas wie einen konkreten Befehl von Louis XIII, der das anordnete?

Das Zerstören von den und den Orten wurde ja in den Medien, wenn man sich viele Abbildungen mit dem Feldherrn in der Mitte und den von ihm eroberten bzw. vernichteten Ortschaften (oft in Flammen aufgehend in den kleinen Darstellungen rund um), stark ausgeschlachtet.

Einen ähnlichen Eindruck wie die Franzosen/Lothringer, den Du schilderst, haben die Schweden allerorten, v.a. aber in Brandenburg und Sachsen hinterlassen. Von einer groß angelegten und geplanten Zerstörung auf der Schneiße ihres eigenen Versorgungsweges zur Ostsee ist mir aber auch nichts bekannt.

Hier Stichwort-Metzger von Türkheim.

Internationale Minderheitenkonferenz - Düsseldorf , 23. und 24. Februar 2012 - Beitrag : Die Elsässer in Frankreich Unser Land

Mein Heimatdorf wurde auch durch die Schweden zerstört.Das geschah aber eher beiläufig.
 
Bei uns dauerte der besagte Krieg etwas länger.Wir konnten einfach nicht genug davon kriegen.
Die "Verlängerung" gab es auch in Sachsen, wo dies daher rührte, dass die Schweden auch nach 1648 noch mehrere Jahre blieben.
Frankreich führte den Krieg gegen Spanien weiter.

Die anderen Kriege des 17.Jh. aber auch irgendwie dem 30-jährigen zuzuschlagen, egal ob zwischen Schweden und Brandenburg oder Frankreich und dem Reich, Schweden und Polen etc., fände ich übertrieben. Natürlich lagen die Wurzeln in den Friedensschlüssen von Münster und Osnabrück sowie in den expansiven Plänen der verschiedenen Seiten begründet.
Wie sagte mal ein entfernterer Zeitgenosse im 18.Jh.? Wenn im Friedenschluss etwas von einer ewigen Dauer die Rede ist, sollte man demselben am wenigsten trauen. :still:
 
Nicht zu vergessen sind neben den Schweden die kroatischen Söldner unter ihrem Anführer Graf von Isolani die einen wahren Alptraum für die Bevölkerung darstellten und sich plündernd, mordend und folternd durchs Land zogen.
 
Nicht zu vergessen sind neben den Schweden die kroatischen Söldner unter ihrem Anführer Graf von Isolani die einen wahren Alptraum für die Bevölkerung darstellten und sich plündernd, mordend und folternd durchs Land zogen.
Ich war auch immer versucht die Schweden in Anführungsstriche zu setzen. Rasch war ja bereits ab 1631 ein großer Teil der "Schweden" mehr oder weniger ein Gemisch an Söldnern verschiedensten Herkunft, von ein paar Eliteeinheiten abgesehen.

Mir scheint es eher so, dass nicht diejenigen ausdrücklich erwähnt wurden, die sich schlecht aufführten, sondern eher diejenigen, welche ein gewisses Maß an Disziplin bewahren konnten.

Vielleicht trug zum besonders negativen Bild der "Schweden" bei, dass sie anfangs zumindest in den protestantischen Medien als Befreier begrüßt wurden. Zumindest die betroffene Bevölkerung dürfte aber recht rasch erkannt haben, wer mit den "Schweden" da ins Land kam.

Siehe unten, eine typische Darstellung eroberter und offenbar abgebrannter Städte eines Feldherrn - hier Spinola - also sozusagen, der Krieger und seine Opfer:
30-jhriger Krieg - Bilder - auch unbekannte -
 
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