Vereinigte Niederlande - Königreich?

romanus00I

Aktives Mitglied
Hallo!

Ich kenne mich zwar mit der neuzeitlichen Geschichte der Niederlande (vor allem nach 1814/15) gar nicht aus, aber gerade deshalb beschäftigt mich ein Thema. In ganz Europa fand damals eine Restauration der alten Ordnung statt.

Andererseits wurden die alten Vereinigten Provinzen von vor 1789 um das heutigen Belgien, d. h. die alten österreichischen Niederlanden erweitert und die alte republikanische Staatsform gestürzt. Warum? Mit welchem Recht haben die doch so auf Legitimität bedachten Fürsten Europas den "Statthalter", offiziell eigentlich nur ein Amtsträger einer Republik, noch dazu einer protestantischen, zum König erklärt?

Würde mich auf Antworten freuen.
 
Hallo!

Ich kenne mich zwar mit der neuzeitlichen Geschichte der Niederlande (vor allem nach 1814/15) gar nicht aus, aber gerade deshalb beschäftigt mich ein Thema. In ganz Europa fand damals eine Restauration der alten Ordnung statt.

Andererseits wurden die alten Vereinigten Provinzen von vor 1789 um das heutigen Belgien, d. h. die alten österreichischen Niederlanden erweitert und die alte republikanische Staatsform gestürzt. Warum? Mit welchem Recht haben die doch so auf Legitimität bedachten Fürsten Europas den "Statthalter", offiziell eigentlich nur ein Amtsträger einer Republik, noch dazu einer protestantischen, zum König erklärt?

Würde mich auf Antworten freuen.

Das sollte man im Kontext der Zeit sehen. Durch den Wiener Kongress, der die Neuaufteilung Europas nach den Napoleonischen Kriegen festlegte, wurden überall wieder Monarchien installiert ("Restauration"). Auch Frankreich wurde wieder eine Monarchie unter den Bourbonen.

Die Niederlande bis 1795 die Republik der vereinigten sieben Provinzen hatte trotz ihre Namens eine monarchische Komponente: das Amt des Statthalters war im Hause Oranien-Nassau erblich. Übrigens regiert diese Dynastie immer noch.

Zwischen 1795 und 1815 waren die Niederlande kurfristig Republik, Königreich und Teil des Französischen Kaiserreichs. Die politischen Landkarten Europas hatten in diesem Zeitraum eine recht kurze Lebensdauer.
 
Okay danke. Hatte mir bereits gedacht dass die reaktionären Monarchen Europas bei der Restauration keine Republik wiederhergestellt hätten. Aber diese Dynastie? Warum hat man beispielsweise nicht zumindest das heutige Belgien wieder Österreich oder gar Spanien zugeschlagen?
 
Hallo!
Andererseits wurden die alten Vereinigten Provinzen von vor 1789 um das heutigen Belgien, d. h. die alten österreichischen Niederlanden erweitert und die alte republikanische Staatsform gestürzt. Warum? Mit welchem Recht haben die doch so auf Legitimität bedachten Fürsten Europas den "Statthalter", offiziell eigentlich nur ein Amtsträger einer Republik, noch dazu einer protestantischen, zum König erklärt?
Na, ja, die Batavische Republik wurde 1806 in das Königreich Holland unter Louis Bonaparte umgewandelt. Als dieser begann, eigenständige Politik zu machen, wurde sein Königreich dem franz. Empire einverleibt, wie diese Karte zeigt:

Empire 1812.jpg

Streng genommen, gehörte Holland damit zu den Gebieten, die Frankreich im Zuge der Niederlage Napoleons und des 1. Pariser Friedens hatte abtreten müssen, über deren Verteilung auf einem Kongress in Wien bestimmt werden sollte. (Artikel XXXII)

Dem Pariser Frieden und dem Wiener Kongress vorausgegangen war dieses Ereignis:

"Am 2. Dezember 1813 proklamierten die Niederlande ihre Unabhängigkeit von französischer Herrschaft und den am 30. November zurückgekehrten Wilhelm Friedrich, Prinz von Oranien-Nassau als souveränen Fürsten. Er war der Sohn des letzten Statthalters Wilhelm V."

Geschichte der Niederlande ? Wikipedia

Wilhelm I. (Niederlande) ? Wikipedia

Mit dem Wiener Kongress wurde Holland um Belgien vergrößert und konnte so seine angestammte Rolle als Pufferstaat sowohl gegen Frankreich als auch gegen Preußen "spielen".
Dass diese Lösung nicht funktionierte, zeigte sich in der belg. Revolution 1830, in deren Ergebnis Belgien unabhängig von den Niederlanden wurde.

Du fragst mit welchem Recht die Fürsten dies taten. Die Fürsten der Großmächte hatten Napoleon geschlagen. Sie bestimmten damit die Landkarte des nachnapoleonischen Europas.

Grüße
excideuil
 
Hatte mir bereits gedacht dass die reaktionären Monarchen Europas bei der Restauration keine Republik wiederhergestellt hätten. Aber diese Dynastie? Warum hat man beispielsweise nicht zumindest das heutige Belgien wieder Österreich oder gar Spanien zugeschlagen?
Na, na, langsam: Fürstenschelte ist völlig unangebracht. Begib dich einmal in die Rolle eines Vertreters des Wiener Kongresses und versuche - im historischen Kontext betrachtet - die Interessen dieser Macht zu vertreten!

Das europäische Gleichgewicht war das Ergebnis von vielen Monaten Verhandlung. Warum sollte also Belgien an Österreich gehen, dessen Verzicht in Italien entschädigt wurde? Warum Spanien und damit Frankreich stärken?
Die gefundene Lösung in der Neutralität Belgiens war zudem eine alle Großmächte zufriedenstellende Lösung.

Grüße
excideuil
 
Entschuldige mich für meine revolutionäre Gesinnung - aber für mich ist die Restauration eben schlicht und ergreifend die Vernichtung großer Teile der 1789 - 1799 erreichten Fortschritte. Aber darüber will ich mich ja gar nicht streiten: auch ich bestreite nicht, dass der Wiener Kongress Europa Friede und Gleichgewicht bringen sollte; und vielleicht auch gebracht hat.

Aber Österreich hätte doch sicher zur Eingrenzung Frankreichs Belgien sehr gerne erlangt? Oder lasse ich da einen Aspekt außen vor?
 
Ich denke man wollte vor allem eine "Restauration" der Erbfeindschaft zwischen Habsburg-Österreich und Frankreich vermeiden, die ja eine maßgebliche Ursache für die Kriege nach der franz. Revolution und schon davor gewesen war. Mit dem Verzicht auf die beligischen Provinzen hat sich Wien potentielle Reibungspunkte mit Frankreich für die Zukunft ersparrt. Ob diese Provinzen nun den Niederlanden zugeschlagen oder am Ende einen eigenen neutralen Staat bildeten war daher eher eine sekundäre Frage.
 
Aber Österreich hätte doch sicher zur Eingrenzung Frankreichs Belgien sehr gerne erlangt? Oder lasse ich da einen Aspekt außen vor?
Betrachtet man die Landkarte, dann wird deutlich, dass die Rückführung der ehemaligen Provinzen an Österreich schwierig zu verteidigen gewesen wären. Fraglich daher, ob in Wien tatsächlich an eine solche Lösung gedacht wurde.

Der Schlüssel liegt wohl hier:

"Die eigentlichen Niederlande, die ehemaligen Vorlande des alten Reiches einschließlich der bis 1797 habsburgischen Besitzungen in Belgien und des alten Reichsbistums Lüttich, konnten bei der gesonderten politischen und kulturellen Entwicklung, die sie seit dem 16. Jahrhundert genommen hatten, nicht mehr einem unter irgendwie nationalem Vorzeichen stehenden deutschen Staat oder Staatenbund eingefügt werden. Dass sie - ebenso wie die Schweiz an der südlichen Reichsgrenze - als Sonderstaat abgeschlossen wurden und damit dem vorwiegenden Einflußbereich der Westmächte zufielen, war nicht nur das besondere Werk der britischen Politik, welche die "Vereinigung der belgischen Provinzen mit den Vereinigten Niederlanden" herbeigeführt hatte, sondern auch ein an sich wohl unvermeidliches Ergebnis der allseitigen einzelstaatlichen Verfestigung." [1]

Deutlich wird damit, dass der Wunsch/die Forderung Englands, seinen Vorposten Holland (neben Hannover) zu vergrößern durchaus auch der erfolgten historischen Entwicklung Rechnung trug.
Betrachtet man noch die Anbindung Luxemburgs an die Niederlande, dann war es sogar Frankreich zufrieden, das weder Luxemburg (noch Mainz) in preußischer Hand wissen wollte.

Grüße
excideuil

[1] Griewank, Karl: Der Wiener Kongress und die europäische Restauration 1814-15, Koehler & Amelang, Leipzig, 1954, Seite 263
 
Hallo,

wie Excideuil schon richtig bemerkt, hängt es mit der Landkarte zusammen. Aus Gründen der territorialen Abrundung haben die Habsburger schon öfters versucht, die (ehemals spanischen, nun österreichischen) Niederlande "loszuwerden" und z.B. gegen Bayern einzutauschen (siehe auch Zwetschkenrummel oder Kartoffelkrieg).
Bereits in den Friedensschlüssen mit Napoleon war man recht froh, die Enklaven wie die NL oder vorderösterreichische Gebiete gegen eine Vormachtstellung an der Adria austauschen zu können, ebenso dann am Wiener Kongress.

Vor allem England wollte 1814/15 starke vereinigte Niederlande als Bollwerk gegen Frankreich, aber unabhängig von einer Europäischen Großmacht; eine Monarchie erschien den Monarchen der damaligen Zeit nach der Überwindung der Revolution von 1789 und den Umwälzungen des Napoleonischen Zeitalters naturgemäß als ideale Staatsform. ;-))

lg, Marie Luise
 
Zurück
Oben