Verfassung "Deutschlands" um das Jahr Null bis Ende des 1 Jhd.

Serafim87

Neues Mitglied
Hallo Leute,

ich hab ne ziemlich verzwickte Hausaufgabe bekommen. Ich soll mich über die damalige Verfassung und Menschenrechte im deutschen Raum erkundigen und finde nicht all zu viel im Netz. Hat vielleicht jemand ein Nachschlagewerk zuhause oder nen Tipp was ich mir für ein Buch mal anschauen sollte? Oder vielleicht gleich die Lösung :D.

Ich weiß, dass damals der deutsche Raum von Römern, Germanen und Kelten besiedelt war, aber zu Germanen und Kelten finde ich keine wirklichen Fakten. Und was die Römer angeht bin ich bei meinen bisherigen Nachforschungen auch leider immer in der falschen Zeitperiode gelandet bzw. ist über diesen Zeitraum nicht viel zu sagen.

Die Geschichte der Menschenrechte habe ich soweit komplett. Aber falls ihr nen guten Link oder ein nettes Nachschlagewerk dazu kennt, dann gern her mit den Tipps.

Ich danke euch schinmal im vorraus für die Antworten


MFG Serafim
 
Man sagt ja, es gäbe keine blöden Fragen. Das stimmt nicht, was hier verlangt wird, ist eine. Ein Konzept der Menschenrechte gab es in dieser Zeit nämlich nicht, weder bei Römern noch bei Germanen.
Ebenso kann man bei den Germanen nicht von einer Verfassung sprechen - erstens haben wir so gut wie keine näheren Kenntnisse über deren politische Struktur, zweitens kann man beim besten Willen nicht von einem germanischen Staatswesen im 1. Jahrhundert nach Christus reden.

Ich kann dir nur raten, vielleicht so vorzugehen:

Die Germania von Tacitus ist nahezu die einzige Schrift des 1. Jahrhunderts, die uns das Zusammenleben der Germanen näher bringt. Der Text mit deutscher Übersetzung ist im Internet leicht zu finden.
1. würde ich dort nachschauen, wie die dort geschilderten Germanen Rechtsprobleme lösten und wie und auf welche Art von der Gemeinschaft Beschlüsse gefällt wurden, Entscheidungen getroffen und Strafen verhängt.
2. was die Menschenrechte betrifft, so kannst du höchstens einige Lebensbereiche mit unseren heutigen Standards vergleichen. Zum Beispiel waren die Germanen der damaligen Zeit (wie allerdings auch die meisten anderen Völker) Sklavenhalter und -händler, was in unserem Grundgesetz gegen Artikel 2,2 (unverletzliche Freiheit der Person) und 3 (Gleichheit vor dem Gesetz) verstossen würde.
 
Verfassung und Individulrechte auf deutschem Boden von Christi Geburt bis 100 jahre später ist ne Frage wie wie war die Verfassung und Menschenrechte im 20.
Für einer Zeit des Umbruchs wie die des Arminius eine war, ist die Beantwortung dieser Frage ein Thema für 3 Doktorarbeiten und 1000 Beiträgen hier oder es wird ein Holzschnitt nach Tacitus. Wo kein Staat, da auch keine Verfassung, wo keine Exekutive, da auch kein Menschenrecht.
 
Ich kann mich den Kollegen ("blöde Frage" - "Thema für 3 Doktorarbeiten") anschließen.

Sollte die Aufgabe wirklich ernst gemeint sein (um welche Art von "Hausarbeit" geht es eigentlich?), müsste man auf Leute wie Georg Waitz zurückgehen, die jeden Krümel an Information aufgelesen und verarbeitet haben.


[1] Deutsche Verfassungsgeschichte. Band 1: Die deutsche Verfassung in der ältesten Zeit. 2. Aufl. Kiel 1865 (gibt's sicher irgendwo online) - was freilich im 1. Jh. als "deutsch" bezeichnet werden darf, ist eine Frage für sich.
 
Wo kein Staat, da auch keine Verfassung, wo keine Exekutive, da auch kein Menschenrecht.
Vielleicht sollte man das nicht so eng sehen. Man sollte sich im Wege der Auslegung fragen, was der Fragesteller vernünftigerweise gemeint hat. Das bedeutet, dass nicht die Menschenrechte der heutigen UN-Charta gemeint sein müssen, sondern ihre Keime, Ansätze und Vorläufer.

Man spricht z.B. von einer "Stammesverfassung" für die früheste Zeit - ganz ohne Staat.

Zu den Menschenrechten gehört auch "Keine Strafe ohne Gesetz". Dazu braucht es - wie die früheste Zeit in Island und wohl auch in Norwegen zeigt - keiner Exekutive. Dieser Grundsatz galt auch da, wenn es auch keine geschriebenen Gesetze gab, so doch verbindliche Regeln, die vom Gesetzessprecher auf der Thingversammlung vorgetragen wurden und später in der Graugans wiedergegeben wurden. Das gleiche wird man wohl für Mesopotamien in der Zeit Hammurapis sagen dürfen. Da gab's sogar einen gesetzlichen und unabhängigen Richter, aber keine Exekutive.

Wenn der Mord seit jeher strafbar war, so bedeutet dies im Umkehrschluss, dass Menschen ein Recht auf Leben und Unversehrtheit hatten, wenn auch noch nicht alle. Ohne gewisse grundlegenden Schutzrechte wäre eine stabile Stammesstruktur gar nicht denkbar.

Als Lit. vielleicht auch: Georg Scheibelreiter: Die barbarische Gesellschaft.
 
Nur leider weiß man über das Recht der Germanen im 1. Jhdt. auch fast gar nichts, eigentlich nur, was von fremden Schriftstellern wie Tacitus berichtet wurde. Die "Volksrechte" wurden erst sehr viel später aufgeschrieben und standen bereits unter einem gewissen christlichen und römischrechtlichen Einfluss. Das, was man über das Recht in Skandinavien und Island zur Wikingerzeit weiß, sollte man erst recht nicht aufs Kontinentaleuropa ein Jahrtausend früher rückprojizieren.
 
nun, ein Stamm mit Anführer und Ratsversammlung ist ein "Staat" und Helfer, einen Gerichtsspruch durch zu setzen sind eine rudimentäre Exekutive.
Auf deutschem Boden existierten SEHR viele rudimentäre Staaten mit ganz unterschiedlichen "Verfassungen" und Rechtsauffassungen.
Somit keine Verfassung auf Deutschem Boden, sondern Cheruskische Staatsform, Chaukische .... etc

Und Menschenrechte in einer Sklavenhaltergesellschaft? Alle Menschen haben ein Recht auf Leben, das wichtigste für mich, gabs nicht! somit kein Recht des Menschen , das aus sich heraus galt und durchgesetzt werden konnte, weil es Recht war. Haste Familie, haste Rechte, haste keine, haste keine


Okay, nun habe ich doch GANZ GROB und überzeichnet ne Antwort auf die Frage gegeben
 
Zuletzt bearbeitet:
nun, ein Stamm mit Anführer und Ratsversammlung ist ein "Staat" und Helfer, einen Gerichtsspruch durch zu setzen sind eine rudimentäre Exekutive.
Man sollte Begriffe nicht beliebig machen. Zum Begriff "Staat" gehört ein Staatsgebiet. Bei der Stammesverfassung gibt es kein Staatsgebiet. Es gibt nur einen Raum, in dem Macht ausgeübt wird, und der Einfluss verliert an der Peripherie allmählich an Intensität. Definierte Staatsgrenzen gibt es in der Stammesverfassung nicht.

Bei der Rechtsprechung ohne Exekutive gab es auch keine "Helfer", einen Gerichtsspruch durchzusetzen. Der Einzelne stand unter dem Schutz der allgemein anerkannten Rechtsordnung. Eine Verurteilung erschöpfte sich ausschließlich darin, dem Verurteilten ganz (vogelfrei) oder teilweise (Erlaubnis des obsiegenden Klägers, seinen Anspruch durchzusetzen) den Schutz der Rechtsordnung zu entziehen. Die obsiegende Partei musste dann selbst sehen, wie sie das Urteil umsetzte. Natürlich gab es (auch) Offizialdelikte, die von der Gemeinschaft geahndet wurden, besonders im Sakralrecht oder der Totschlag auf der Thingversammlung. Aber diese bilden eine Ausnahme.
 
Ein "Staatsgebiet" im völkerrechtlichen Sinn muss aber nicht exakt umrissen sein. Es reicht, wenn es ein Kerngebiet gibt, das unzweifelhaft zum Staat gehört. Z. B. galt auch Polen bereits 1918 als Staat, obwohl seine Grenzen noch jahrelang schwankten.
 
Wenn in dieser Frage "Verhältnis des Individuums zur Gesellschaft" und "Rechtsordnung" oder "Regeln des Zusammenlebens" stehen würde, okay. Aber "Menschenrechte" und "Verfassung", Begriffe, die fast 1800 Jahre später überhaupt erst allgemein bekannt sind und auch heute noch nicht mal in einer Mehrheit aller Staaten durchgesetzt sind, dann erscheint mir die Frage ahistorisch und auch tendenziell manipulierend. Da kann doch nur rauskommen, das für heutige Begriffe das Leben "völlig undemokratisch" war. Was das dann mit Geschichte zu tun hat?

Zum Thema: Die Rechtsordnung bildete damals Gewohnheitsrecht, also Traditionen und Werte, die mündlich überliefert wurden und von den meisten Mitgliedern eines Stammes akzeptiert und angewandt wurden. Da es bekanntlich kein deutsches Staatswesen gab, unterschieden sich die "Rechtsordnungen" von Stamm zu Stamm.

Die Römer, die ja nur einen kleineren Teil "Deutschlands" hielten, hatten ihr römisches Recht. Hier kann die Fragestellung eher angewandt werden. Von einer Verfassung kann man zum damaligen Zeitpunkt nicht wirklich sprechen, da Institutionen der römischen Republik wie Senat entmachtet waren und eine Diktatur herrschte. Rechtssicherheit gab es nur für römische Bürger, Sklaven usw. waren vom römischen Recht ausgeschlossen, es galt nicht für sie. Es gab also keine "universellen Menschenrechte". Unabhängig davon konnten auch gegen Römer drakonische Strafen verhängt werden, wie Todesstrafe usw. Trotzdem war das römische Recht vorbildhaft und bildet auch die Grundlage für viele heutige Rechtssysteme, wie ein Vorredner schon angeführt hatte, z.B. mit dem wichtigen Grundsatz "Nulla poena sine lege".

Das heißt natürlich nicht, dass es auch keine Rückfälle gab und gibt. Genannter Grundsatz wurde z.B. im Nationalsozialismus ausgehebelt. Z.B. standen die Gebrüder Götze vor Gericht, weil sie auf den neuen Reichsautobahnen mehrere Raubüberfälle exerziert hatten. Nur einer der Brüder ging dabei jedoch mit brutaler Gewalt vor, der andere nicht. Man wollte aber beide hinrichten. Also stellte man nachträglich die Mitwirkung des anderen Bruders beim Autobahnüberfall unter Todesstrafe und tötete beide.
 
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