Bei den „Zigeunern“ kam als weiteres „Problem“ hinzu, dass sie außerhalb der etablierten sozialen Ordnung standen und sich nicht an deren Spielregeln hielten. In einer Gesellschaft mit relativ festen sozialen Schranken und vielfachen Normen, an die sich die Masse der Bevölkerung zu halten hatte (durch die sie aber zum Teil auch geschützt wurde), konnte das schnell zum Problem werden (bzw. von den Einheimischen als solches wahrgenommen werden).
Z.B. übten sie vielfach handwerkliche Tätigkeiten aus, ohne den entsprechenden Zünften anzugehören und ohne sich an deren Reglements zu halten; dadurch konnten sie die etablierten Handwerker vielfach zumindest preislich unterbieten (durch ihre in der halben bekannten Welt gesammelten Erfahrungen mitunter vielleicht auch qualitativ überbieten). (Heute würde man sagen, sie „pfuschten“ bzw. betrieben „Schwarzarbeit“; man könnte auch sagen, sie betrieben „unlauteren Wettbewerb“.) Ein derartiges Verhalten wird auch heutzutage zwar von vielen Kunden geschätzt, vom Staat und den eingesessenen Gewerbetreibenden aber nicht gerade gerne gesehen - egal ob es ein Einheimischer oder ein Fremder ausübt.
Die Bauern, die sich ihrer Dienste bedienten, mögen profitiert haben, die eingesessenen Handwerker (und diejenigen, die in Form von deren Abgaben profitierten) aber nicht. Deren Ressentiments muss man also nicht zwingend mit „Rassismus“ erklären.
Also auch in dieser Hinsicht hinkt der Vergleich mit reisenden Pensionisten, die nicht als Störung und Konkurrenz wahrgenommen werden.
Fairerweise wird man feststellen dass die Möglichkeiten ein Gewerbe auszuüben, ja schon für Juden sehr begrenzt waren. Juden durften keinen Grund erwerben, durften keiner Zunft beitreten, durften nicht Getreide auf dem Halm kaufen. Schutz galt nur für eine bestimmte Zeit, häufig konnte dann nur ein Sohn "Schutzjude" werden, und etliche Juden konnten sich ohnehin keinen Schutzbrief leisten. Ein einigermaßen auskömmliches Einkommen boten eigentlich auf dem Land nur der Vieh und Häutehandel, und Aufstiegsmöglichkeiten im Juwelen- und Münzhandel.
Immerhin aber waren die Juden in das Wirtschaftsleben eingebunden, man brauchte sie. Die Klein- und Kleinstkredite, die auf dem Land so stark benötigt waren, boten nur Juden an, und das waren oft durchaus riskante Geschäfte, Zeitgenossen fiel auf, dass das Vorurteil vom judischen Wucher nicht so recht zog und Juden selbst oft geprellt wurden. Juden lebten seit Jahrhunderten in Europa, und sie wurden ziemlich ausgeplündert von den Obrigkeiten, aber zumindest prinzipiell geschützt.
Die Zigeuner wurden dagegen seit ihrem ersten Erscheinen kriminalisiert. Die Kleinkriminalität hat es natürlich auch bei Zigeunern gegeben. Auch wenn in obrigkeitlichen Mandaten nicht zwischen Räubern, Gaunern und Zigeunern differenziert wurde, waren Räuberbanden, die von Zigeunern dominiert wurden selten.
In den 100-150 Jahren des Bandenwesens gab es in Mitteleuropa nur zwei, die bekannt wurden. Die des Hemperla und des Großen Galantho um 1720 und die von Hannikel um 1770-80. Beide zeichneten sich durch ein außergewöhnliches Maß von Brutalität aus. Morde waren relativ selten. Für die Morde an dem Landleutnant Emmeraner war immerhin noch Rache im Spiel, der Mord an dem Pfarrerehepaar Heinsius war dagegen völlig grundlos.
Bei Zigeunern war man weit eher bereit, die brutalen Mandate tatsächlich mit voller Konsequenz auszuführen, und die Möglichkeiten der legalen Ansiedelung und der Gewerbsarbeit waren für Zigeuner sehr begrenzt.
Aber die Unterdrückung war auch nur eine Seite, eine gewisse Faszination eine andere. Viele Obrigkeiten machten dann doch Ausnahmen, und dort wo sie geduldet wurden, da versuchten sie auch, sich an die Spielregeln zu halten, bzw. die Einhaltung gewisser Regeln durchzusetzen.
Schon im Mittelalter wurden aus den Zigeuner "Herzöge" oder Zigeunergrafen ernannt, die für Ordnung sorgen sollten n und die Einhaltung von Regeln überwachten auch haftbar gemacht werden konnten.
Zu den Sentiments der Bevölkerung ist zu sagen, dass deren Reaktion vor allem von der großen Armut bestimmt war.
Es gibt von Zeitgenossen Berichte, dass jeder Hauseigentümer am Tag oft 10- 15 Bettler beköstigten. Die jüdischen Gemeinden wurden von Schnorrern und Betteljuden regelrecht überschwemmt. Sie halfen wo sie konnten, aber in Judenherbergen wurden oft von 50 Menschen am Tag besucht.
Es gibt Schätzungen dass zwischen 5-10 Prozent der Bevölkerung Vaganten oder sogenanntes "herrenloses Gesindel" waren, und die mussten natürlich von etwas leben.
Für Zigeuner boten eigentlich nur der Pferdehandel und das Schaustelllergewerbe eine Subsistenzmöglichkeit. Seit Ende dem 18. Jahrhundert gelangten Musiker, in Spanien Matadore ein gewisses Ansehen.
Bei den obrigkeitlichen Mandaten gegen Räuber, Gauner und Vaganten wäre es aber verfehlt, die oft brutalen Mandate allzu wörtlich zu nehmen.
Bei Zigeunern war man allerdings vielfach geneigt, da wirklich knallhart vorzugehen, ja sogar darüber hinaus zu gehen, wie beim Zigeunermord in Berneck, wo man 17 junge Frauen, darunter Minderjährige und Kinder oder bei einer Treibjagd im Rheinland wo man eine Zigeunerin mit einem Kind erschoss und sie auf der Strecke auflistete.
Auch nach den Reichsgesetzen war die Tat von Berneck ein Justizmord.
Da würde ich schon von Antiziganismus ausgehen. Es waren auch meistens Frauen und Kinder, die man bei Razzien oder Streifen erwischte. Es war durchaus nicht die Norm, Zigeuner niederzuschießen oder sie zu lynchen, es ließen aber obrigkeitliche Mandate durchaus das zu, und es hatte so etwas nicht unbedingt Sanktionen zu befürchten.
Im Verlauf des 18. Jahrhunderts machte sich aber auch in der Justiz der Einfluss der Aufklärung bemerkbar.
Die schon erwähnten Autoren Wittich und Schöll haben nie rassistisch- antiziganistisch argumentiert wie der zitierte Weißenbruch es tat oder wie es Hermann Arnold und Robert Ritter im 20. Jhd. taten. Wittich erkannte, dass Leute wie Hannikels oft nach dem Motto der Bremer Stadtmusikanten leben mussten. In der schweren Kriminalität, im Bandenwesen waren Zigeunerbanden recht selten. In dem Zeitraum zwischen 1700 und 1820 gab es in Mitteleuropa nur zwei. Eben die beiden Banden von Anthoine la Grave der Große Galantho und Jean le Fortune alias Hemperla, die in den 1720er Jahren in Hessen und Kurmainz aktiv war und die von Hannikel, der fast 20 Jahre Schwaben, das Elsass und die Schweiz unsicher machte. Eigentümlich bei diesen Banden war auch, dass die meisten Mitglieder miteinander verwandt waren. Hannikels bevorzugte Opfer waren übrigens Juden, die er oft furchtbar malträtierte, wobei er fand, dass das keine Sünde sein kann.
Andererseits gab es aber auch so etwas wie romantische Faszination und durchaus auch Mitgefühl. Es war vielerorts die Vorstellung verbreitet, dass ihr Erscheinen auf bessere Zeiten deutete.