Vergleich Selbstverständnis der DDR/Österreich

Liputin

Neues Mitglied
Im Strang zum Selbstverständnis der BRD wurde kurz die Abkehr der DDR von der Idee einer gemeinsamen deutschen Nation angeschnitten. Dazu gehörte auch die Änderung der Verfassung im Jahre 1974. Fortan galt die These von einer sozialistischen und einer bürgerlichen deutschen Nation. Vielleicht wär es interessant, das mit der Entwicklung zu Vergleichen, die ab 1945 in Österreich stattfand, und zwar auf zwei Ebenen. Erstens der Haltung der jeweiligen Eliten zu der Frage und zweitens der Durchsetzung der Idee einer eigenständigen österreichischen/DDR-Nation in der Bevölkerung. Glücklicherweise gibts da zumindest für Österreich mehrere Umfragen, die einen Hinweis darauf geben, wie weit sich die Idee einer eigenständigen österreichischen Nation jeweils schon durchgesetzt hat. Soweit ich mich erinnere war erstmals in den 60ern eine Mehrheit davon überzeugt. Für die DDR fehlen solche Zahlen logischerweise, man müsste sich überlegen, wie man der Sache indirekt auf die Schliche kommen könnte.
PS.: Ich weiß nicht, ob ich in diesem Themenfeld richtig bin, schließlich hat das ganze bestenfalls indirekt mit der BRD zu tun. Bitte im voraus um Entschuldigung, falls es eine bessere Kategorie gibt.
 
Noch eins: Vergleichen könnte man auch den Einfluss der Besatzungsmächte bzw der Sowjetunion (vor allen Dingen im Fall der DDR) und die Unterschiede in der Radikalität des jeweiligen Kurswechsels (damit meine ich, dass zb die DDR das D hat stehen lassen).
 
Noch eins: Vergleichen könnte man auch den Einfluss der Besatzungsmächte bzw der Sowjetunion (vor allen Dingen im Fall der DDR) und die Unterschiede in der Radikalität des jeweiligen Kurswechsels (damit meine ich, dass zb die DDR das D hat stehen lassen).

Nunja, die Besatzungsmächte verließen Österreich schon 1955 (und das, zumindest in der Öffentlichkeit, Dank dem Betreiben der Österreicher selbst), während die Besatzungsmacht der DDR doch ein Weilchen länger blieb. In den westwärts orientierten Besatzungszonen wurden - ähnlich wie in Deutschland - demokratische Einrichtungen wie eine unabhängige Presse gefördert. Und bezüglich des Kurswechsels: Österreich verlor sein Deutsch- schon viel früher, da hatte man fast 20 Jahre Zeit, sich an sein Fehlen zu gewöhnen.
 
Im Strang zum Selbstverständnis der BRD wurde kurz die Abkehr der DDR von der Idee einer gemeinsamen deutschen Nation angeschnitten. Dazu gehörte auch die Änderung der Verfassung im Jahre 1974. Fortan galt die These von einer sozialistischen und einer bürgerlichen deutschen Nation...
Leider konnte ich mich in dem angesprochenen Pfad nicht mehr äußern, da er da schon geschlossen war, aber hierzu möchte noch etwas einwerfen:
Deutschland war noch immer eine Nation.
Ich weiß noch genau, daß es in der Mitte der ´80er Jahre eine Deutsch-Deutsche Diskussion um dieses Thema gab, in der es um die Bezeichnung ging:
Die SED meinte, es gebe "zwei deutsche Staaten" und die BRD-Regierung war der Meinung, es gebe "zwei Staaten in Deutschland".
 
Man darf ja auch nicht ausser Acht lassen das Österreich schon am 29. April 1945 wieder bestand, an diesem Tag konstituierte sich die provisorische Staatsregierung. Am 25. November 45 gabs die ersten Wahlen zum Nationalrat, dh. Österreich hatte schon im Jahr 45 demokratisch legitimierte staatliche Organe, die Vefassung von 1920 in der Fassung von 1929 war wieder in Kraft. Von einer originären Entstehung ist da keineswegs zu sprechen.
Schini hats ja ohnehin schon angesprochen, der Weg zur Nation (was immer das auch ist) wurde schon früher eingeschlagen (auch wenns sies 38 zum großen Teil vergessen hatten)
 
die deutschsprachigen österreicher fühlten sich ja noch zu kaisers zeiten als deutsche und nach dem ersten weltkrieg wäre es ja schon zu einer vereinigung mit dem deutschen reich gekommen, wenn die siegermächte es zugelassen hätten. die deutschsprachigen österreicher fühlten sich einfach zu schwach, um alleine bestehen zu können. ob diese vereingung 1918 erfolgreich gewesen wäre, ist spekulation.

es ist auch spekulation, ob der anschluss an nazi-deutschland 1938 auch bei einer wirklich freien entscheidung der österreicher stattgefunden hätte, vieles spricht dafür.

aber, dazwischen lagen schon mehr als 70 jahre getrennter entwicklung. es gab jede menge reibereien zwischen dem "altreich" und der "ostmark", die aber in einer diktatur natürlich nicht offen ausgetragenn wurden (es gab "ventile" dafür, wie den sport).

der krieg und die niederlage haben das entstehen einer eigenständigen österreichischen identität noch verstärkt, wozu sicher auch das selbstbild als "erstes opfer" hitler zu zählen ist. dazu kam, dass es im gegensatz zu deutschland nie zu einer trennung des gesamtstaates kam und kein west- und ost-österreich entstanden.

einen gewichtigen unterschied habe ich schon genannt: die "wiedervereingung" österreichs mit dem deutsch reich erfolgte 72 jahre nach der trennung. das sind 2 generationen, da gab es kaum jemanden mehr, der den deutschen bund bewusst erlebt hatte.

die ddr existierte "nur" 41 jahre, und zwischen mauerbau und mauerfall lagen "nur" 28 jahre. nicht nur politiker wie brandt oder honecker hatten all die jahre bewusst erlebt, viele "einfache" bürger eben auch. es gab noch genug gemeinsamkeiten.

das selbst diese zeit ausgereicht hat, um sich einander fremd zu werden, können wir heute noch erleben.
 
Glaubst du wirklich, dass irgendjemand seine ethnische Identität mit dem Bestehen oder Erleben des Deutschen Bundes verknüpft hat?
 
Man darf ja auch nicht ausser Acht lassen das Österreich schon am 29. April 1945 wieder bestand, an diesem Tag konstituierte sich die provisorische Staatsregierung. Am 25. November 45 gabs die ersten Wahlen zum Nationalrat, dh. Österreich hatte schon im Jahr 45 demokratisch legitimierte staatliche Organe, die Vefassung von 1920 in der Fassung von 1929 war wieder in Kraft. Von einer originären Entstehung ist da keineswegs zu sprechen.
Schini hats ja ohnehin schon angesprochen, der Weg zur Nation (was immer das auch ist) wurde schon früher eingeschlagen (auch wenns sies 38 zum großen Teil vergessen hatten)
Ich glaube, dass du hier Staat und Nation verwechselst. In der ersten Republik galt dieselbe Verfassung und trotzdem bestand offenbar kein Bedarf an einer eigenständigen österreichischen Nation. Demokratische Wahlen und einen Nationalrat gabs in der ersten Republik auch. Aber eigentlich wollte ich die erste Republik gar nicht mit der zweiten vergleichen, sondern die DDR und Österreich.
 
Leider konnte ich mich in dem angesprochenen Pfad nicht mehr äußern, da er da schon geschlossen war, aber hierzu möchte noch etwas einwerfen:
Deutschland war noch immer eine Nation.
Ich weiß noch genau, daß es in der Mitte der ´80er Jahre eine Deutsch-Deutsche Diskussion um dieses Thema gab, in der es um die Bezeichnung ging:
Die SED meinte, es gebe "zwei deutsche Staaten" und die BRD-Regierung war der Meinung, es gebe "zwei Staaten in Deutschland".
Die DDR ging nicht von einer gemeinsamen Nation aus, sondern von zwei getrennten. Zwar sei die ethnische Basis in etwa die gleiche, aber das reiche für eine Nation nicht aus, unter anderem weil das Gesellschaftssystem völlig unterschiedlich sei. Außerdem wurde darauf verwiesen, dass auch die Elsässer, Österreicher und Schweizer ethnisch mit den Deutschen verwandt seien, ohne dass alle zu einer gemeinsamen Nation gehören würden. So stands jedenfalls in den achtziger Jahren im "kleinen politischen Wörterbuch".
 
Glaubst du wirklich, dass irgendjemand seine ethnische Identität mit dem Bestehen oder Erleben des Deutschen Bundes verknüpft hat?

ich wollte mit diesem hinweis deutlich machen, dass zwischen 1866 und 1938 eben sehr viel passiert ist, und dass der letzte gemeinsame"staat" (was er nicht war) der österreicher und deutschen eben der deutsche bund war.

ich bin mir nicht sicher, aber war die im pass eingetragene nationalität auch in der ersten republik "deutsch"?
 
Wäre mir neu, dass überhaupt jemals in Österreich die Nationalität im Pass festgehalten worden wäre. Der einzige Staat von dem ich weiß, dass er neben der Staatsangehörigkeit und anderen Angaben die Nationalität in den Pass packte, war die UdSSR.
 
Bin mir sicher, dass auch vor 1918 die Nationalität der Staatsangehörigen nicht festgehalten wurde. Wobei ich da unter Vorbehalt eine Ausnahme für möglich halte, weil ich die dunkle Erinnerung daran hab, dass für einen Landtag, ich glaube es war der mährische, nationale Wahlkurien eingerichtet wurden, in die man sich eintragen musste. Aber dafür übernehme ich keine Gewähr.
 
Die DDR ging nicht von einer gemeinsamen Nation aus, sondern von zwei getrennten. Zwar sei die ethnische Basis in etwa die gleiche, aber das reiche für eine Nation nicht aus, unter anderem weil das Gesellschaftssystem völlig unterschiedlich sei...So stands jedenfalls in den achtziger Jahren im "kleinen politischen Wörterbuch".
Eben genau da bin ich mir jetzt nicht ganz sicher. Ich glaube, mich erinnern zu können, daß ich Ende der ´80er Jahre einen Artikel in der Zeitung gelesen habe, in dem man uns langsam darauf vorbereiten wollte, daß Deutschland nicht nur in zwei Staaten sondern man auch sehr bald sagen könne, daß auch die Nation geteilt sei. Aber ich glaube, dazu kam es dann nicht mehr. In meinem Personalausweis von damals stand jedenfalls: "Staatszugehörigkeit - DDR" / "Nationalität - Deutsch". Ich weiß jetzt jedoch nicht genau, ob daß das selbe ist... :grübel:

Kann uns jemand aus dem Dilemma herausholen?
 
In meinem Personalausweis von damals stand jedenfalls: "Staatszugehörigkeit - DDR" / "Nationalität - Deutsch". Ich weiß jetzt jedoch nicht genau, ob daß das selbe ist... :grübel:

Kann uns jemand aus dem Dilemma herausholen?
Was hast Du denn für einen Ausweis gehabt? In meinem steht davon gar nichts. Nur eben "Personalausweis für Bürger der Deutschen Demokratischen Republik". Kann aber sein, daß man es im Antrag mit ausfüllen mußte. Ich weiß nur, daß in der BRD auf die Frage Staatsangehörigkeit in der Regel "deutsch" eingetragen wurde/wird. Eigentlich müßte da die Bezeichnung des Staates stehen.
 
...Mich würde nur interessieren was die Nationenfrage nun bei diesem ohnehin schon seltsam genug seienden Thread soll?
Nun ja, ich denke, es geht dabei hauptsächlich um die Frage, wie sich die Bürger beiden Staaten selbst definierten. Einerseits natürlich als Österreicher, andererseits als Ostdeutsche, DDR-Bürger, oder auch als Deutsche, die in dem SED-Staat eingesperrt waren. Ich denke, das Verhältnis zu diesem Staat war tatsächlich so gespalten. Interessant ist dabei, zu welcher Nation sich beide zählten. Eine der Fragen wäre dabei: Gibt es eine österreichische Nation? Und wenn ja, seit wann?
Und die Frage, um die es jetzt gerade geht, lautet: War die DDR bereits eine eigene Nation?
Meine Antwort auf die letzte Frage wäre nein. Und zwar aus dem Grunde, weil die Zeit dafür, aus der Sicht eines Historikers, zu kurz war. Aus dessen Sicht sind 40 Jahre eine äußerst kurze Zeit. In der Geschichte gab es viele Staatsteilungen, die viel länger andauerten und bei denen trotzdem keine neue Nation entstanden ist - immerhin sind 40 Jahre nur ein halbes Menschenleben, d. h. wer 1949 20 Jahre alt war, war bei Beginn der Wende 60- und bei der Einheit 61 Jahre alt. Er ist somit in einem einheitlichen Deutschland erwachsen geworden und hat nach der Wiedererlangung der Einheit noch gute 15, 20, 25...(?) Jahre vor sich.
 
Zurück
Oben