Hab da auch noch so ein Artikel gefunden, der zur eigentlichen Kernfrage führt:
Verstand sich Margaret Thatcher mit Helmut Schmidt besser als mit einem "konservativen" Helmut Kohl ?-
"Verstehen" ? Folgt man Schmidt (S. 90 ff) dann hatte er in der Regel zwar Verständnis für die Forderungen, war auch bereit, ihr entgegen zu kommen. Aber er lehnte in der Regel die Härte und die geringe Kompromissbereitschaft von ihr ab. Auch deswegen, weil er ihre Strategie als anti-europäisch wahrnahm.
Es ist jedoch explizit zu betonen, dass Schmidt sich selber als anglophil bezeichnet hatte und eine sehr hohe Meinung von GB hatte, sowohl vom politischen System wie der Gesellschaft. Was vielleicht auch durch seine hanseatische Herkunft zu erklären ist.
Ansonsten war er politischer Realist und in seiner Rolle als Bundeskanzler verpflichtet, die Interessen der Bundesrepublik (was immer das sein soll) wahr zu nehmen. So wie Thatcher die Interessen von GB (wer immer diese definier) wahrnahm.
Das Verhältnis zu Thatcher ist jedoch auch in den jeweiligen Zeitkontext einzubetten und, wie Wiegrefe es für das Verhältnis zu den USA beschreibt, ergaben sich vielfältige Irritationen, die nicht einfach nur nach dem "Links-Rechts"-Muster organisiert waren. Für einen Mann wie Schmidt ohnehin nicht. Es stand der Europäer - zusammen mit den Franzosen etc.- gegen die isolationistische Britin.
Ich frage das vor allem , weil mich diese Frau beeindruckt, wie sie gegen dem Strom Großbritrannien wieder zur freien Marktwirtschaft geführt hat.(vorher war das doch ein halb sozialistisches Land mit zu starken Gewerkschaften)
Ein starkes, provozierendes Statement. Wenn ich es nett formuliere. Thatcher hatte die britische Gesellschaft an den "Rande eines Bürgerkriegs" geführt. Kann man bewundern oder auch nicht. Mir kommen da so meine Zweifel.
Ansonsten ist die negative Konnotation der Errungenschaften einer sozialstaatlichen Gesellschaft schwer nachvollziehbar. Der Imperativ "Bereichert Euch" war eines der zentralen Paradigmen der neo-liberalen Strategie von Thatcher und Reagan. Ergänzt durch das ideologische Feigenblatt, des "Trickle down" - Effekts, bei dem genügend "Brotsamen" vom Tisch der Reichen herunterfallen, um "Einkommenseffekte" in den unteren Schichten zu erzeugen.
Thatcher und Reagan haben aus egoistischen Interessen, um vor allem die Klientel der Reichen und Superreichen zu bedienenen, der "Kernschmelze" der Sozialstaaten eingeleitet und die Umverteilung von "Unten" nach "Oben" begünstigt. Mit dem Effekt, dass die Verteilung von Reichtum in diesen Ländern zunehmend ungleich wird und vor allem die die Mittelschicht davon negativ betroffen ist.
Was diese ja auch als reale oder antizipierte Deprivation erlebt und teilweise bereits heute entsprechende radikale politische Antworten an der Wahlurne gibt. In diesem Sinne ist - verkürzt - die neoliberale Restrukturierung die Ursache für diese Angst vor dem sozialen Abstieg. Dass dann diejenigen, die dieses "Angst-Syndrom" zeigen, ausgerechnet sich zu Parteien hingezogen fühlen, deren politische - extrem neo-liberale und extrem nationalistische - Programmatik diesen Prozess eher beschleunigen, kann man wohl als Beleg irrationaler politischer Orientierungen interpretieren.
Im Ergebnis der neo-liberalen Restrukturierung - sehen wir eine zunehmende Ungleichheit in den Einkommens- und Vermögensverhältnissen in den westlichen Industriestaaten, die sich dem neoliberalen Paradigma verschrieben haben. Die Reichen sind reicher geworden und die Gesellschaften in der Folge der Reagonomics bzw. des Thatcherismus "ungleicher" geworden.
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/reiche-aller-lander-bereichert-euch
Dass Schmidt, (S. 118) Frau Thatcher aufklärt, wie moderne Sozialpartnerschaft zwischen Regierung, Unternehmen und Gewerkschaften funktioniert, und bei ihr lediglich auf komplettes Unverständnis bzw. Ablehnung gestoßen ist, sei am Rande erwähnt.
Überflüssig zu sagen, dass derartige radikale Egoisten, wie Thatcher, kaum bewunderungswürdig sind, sondern in ihrer Borniertheit die Auslöser weiterer Probleme sind, da im Rahmen von Verhandlungen kein für alle Seiten zufriedenstellender Kompromiss möglich ist.
Radikale Maximalforderungen und Kompromisslosigkeit, für die Thatcher wesentlich deutlicher wie Reagan stand, sind eine schlechte Ausgangsbasis für eine verständigungsorientierte Außenpolitik.
Schmidt, Helmut (1990): Die Deutschen und ihre Nachbarn. Menschen und Mächte II. Berlin: Siedler (Menschen und Mächte, 2).
Wiegrefe, Klaus (2005): Das Zerwürfnis. Helmut Schmidt, Jimmy Carter und die Krise der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Berlin: Propyläen.