Ergänzend:
Wichtig ist, dass in Osnabrück die innereichischen Gravamina (pol. Hauptprobleme) des "corpus evangelicorum" verhandelt wurden:
Da der Kaiser auf Augenhöhe verhandeln wollte, vertrat Schweden diese Reichsstände gegenüber dem Kaiser:
Deshalb ist aus der APW v.a. Trauttmansdorf (
https://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_von_und_zu_Trauttmansdorff ), der kaiserliche Chefunterhändler, der Dreh und Angelpunkt:
An ihn wurden die Gravamina der katholischen Reichsstände herangetragen, der sie in Osnabrück mit den schwedischen Unterhändlern ausmachte, bei denen die konfliktträchtigeren Gravamina der protestantischen und neugläubigen Reichsstände gebündelt wurden.
Wichtig ist nach der Frage der Entscheidung für Osnabrück als Verhandlungsort des Corpus Evangelicorum die Frage der prinzipiellen "Zulassung" welcher "Reichsstände" zum Kongress:
Da steckte schon die Brisanz im Vergleich zum kaiserlich-autoritären Prager Frieden von 1635.
Die Reichsstädte wurden gar nicht eingeladen und kamen auf eigene Initiative und zwar auch in Konkurrenz zu den Reichsrittern: mit beiden wollte der Kaiser selber nicht reden, so dass die Schweden letztendlich z.B. entschieden, ob wie sie eher die Reichsstädte-Gravamina oder die der Ritterschaft zur Geltung bringen wollten, die beide ihre Gravamina an die Schweden gerichtet hatten: die Verhandlungsziele der neugläubigen Reichsstände standen im Wesentlichen seit 1582 (sehr schwach ediert, weil der RT platzte und die Brisanz über dem Kölner Krieg erstickt wurde), 1618 und in einer sonst nicht so fassbaren Klarheit im
Frühjahr 1633 fest: Den Anlass für die tatsächlich offen ausgesprochene und fassbare Sammlung der politischen Vorstellungen des Corpus Evangeliucorum gab, als Oxenstierna den Heilbronner Bund ausverhandelte und dort seinen künftigen Bündnispartnern im Reich versprach, die von ihnen geforderten Gravamina seit 1555 zu vertreten, falls es zwischen Schweden und dem Kaiser zu Friedensverhandlungen kommen sollte, was erst im Westfälischen Frieden erfolgte.
Gemessen an den Vorstellungen der neugläubigen Gravamina 1633, die Kretschmann in seiner Arbeit zum Heilbronner Bund einzeln aufführt, kann man dann sehr genau und scharf sehen, was das Corpus Evangelicorum in Reinform wollte und was dann aus tagespolitischen Gründen so kaum mehr am Stück zu sehen ist.
Vor dem Hintergrund kann man bzgl. den Verhandlungen zum IPO sehen, welche der Reichsständegravamina überhaupt von den Schweden erreicht werden konnte:
Das verwischt durch das stetige Hin- und Her in den 1640er Jahren und ist sehr zerstückelt, wenn du die APW durchsiehst und kommt in der Regel in der Schärfe nicht mehr so zum Ausdruck; ausgehend von den Positionen auf dem
Esslinger Konvent 1633 kann man aber dann sehen, was wann wie zum tragen kommt: Naturgemäß kommt wieder ein Schwung neuer Forderungen, wenn wieder eine Schlacht gut ausfiel usw.
Bzgl. des Gewichts der Forschungen zu den Reichstagen (1636/37) (1640/41) ist so, dass die Gravamina da zwar auch gesammelt sind, aber nicht in der konzeptionellen Schärfe von 1633 - und zwar aus tagespolitischen Erwägungen in einer Zeit, als der Kaiser derart mächtig dastand, dass man das Konzept von 1633 kaum mehr bringen konnte. Wenn man die Vorstellungen des Corpus Evangelicorum von 1633 im Hintergrund hat, die übrigen fast durchweg dieselben von 1582 und 1618 sind (weil das Machtgewicht im Reich das zu formulieren erlaubt) sieht man dann gut, wo die zum Zug kommen und wo nicht.
Der Teufel steckt hier oft im Detail, was die Akten oft nicht von sich verraten:
Wenn man von Kretschmar ausgeht, wird das viel klarer, sonst schwerer. Etwa z.B. bei der Beschickung des Kongresses, wer überhaupt als "Reichsstand" definiert wird und welche Ansprüche mit der Definition des Reichsstands verbunden sind - etwa Vorstellungen von "Souveränität" incl. Ius Reformandi für nicht-Fürsten - wobei der Begriff Souveränität in der Verhandlungsstrategie gemieden und aus verhandlungstechnischen Gründen aus einer eine Summe von Einzelrechten zusammengestückelt wird, die ingesamt sowas wie die vom Corpus Evangelicorum am Heilbronner Bund recht allgemein geforderten de facto Souveränität ergeben. Die Schwedische Verhandlungsdelegation versucht dann nur, ohne das im Einzelnen zu sagen - auch weil man sonst zu keinem Frieden kommen würde usw.
Lg
Von Archivaufenthalten möchte ich in der Phase abraten und sogar selbst dann, wenn es um eine Magisterarbeit gehen sollte - selbst wenn du noch soviel Biss hast. Auch wenn es gut gemeint ist, ist das für diese Zeit nur mit professionellen Absichten und Hintergründen ratsam.
1.
Du würdest wahrscheinlich im Material ersticken und es dauert gut 1-3 Monate, die Schrift zu lesen. Und wenn du sie lesen kannst, dann braucht es 3 Jahre, um zu wissen, was genau Rechtsbegriffe meinen wie etwa possesio naturalis und possessio civilis und was das mit dem alles oder nichts in der Frage des Besitzes der Kirchengüter zu tun hat usw. Heißt: Die Juristerei war damals extrem differenziert und ist schlichtweg auch noch nicht erforscht: Das Handwörterbuch für Rechtsgeschichte (
Suche - Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte ) scheint jetzt schon bei M zu sein und das ist wichtig, um da nicht auf Zufallsfunde angewiesen zu sein.
2.
Du würdest in Ortsarchiven rein gar nichts ausgewogenes finden, sondern nur das, was man dem Ort von oben ohne Erklärungen oder Begründungszusammenhänge mitteilen wollte und zu tun erwartet wurde. Dagegen gibt es dann eine Fülle von Proteste oder taktischen Anfragen, wenn die sich weigern wollen usw., dass erst in der Gesamtschau deutbar ist. Dieser Punkt des bewussten Affekteinsatzes in der Politik damals kann der heutige Forscher erst mit Erfahrung bzw. aus der Funktion der Affekte im Gesamtkontext herauslesen.
3.
Kann man im Archiv lange voller Erstaunen bleiben, über die völlige politische Ahnungslosigkeit der Chronisten, welche von der Tatsache Zeugnis geben, dass man Bürgerschaften in politischen Sachen seitens der Fürsten rein gar nichts mitgeteilt hat.
Politik war "Herrn gewerp" - Adelsache und die Bürger hatten sich rauszuhalten: Selbst als die Schweden durchgesetzt hatten, dass die Ritter und Städte auf dem Reichstag Sitz und Stimme bekommen, setzte man die ganz hinten hin und redete vorne so leise, dass die Vertreter letzter Stände voller Klagen waren, zwar am Reichstag gewesen zu sein, aber nichts gehört zu haben, weil die Fürsten so leise sprechen. Im Wesentlichen ändert sich das nicht mehr zugunsten der Bürgerschaften, nicht einmal unter Napoleon. Im Gegenteil werden Ritter und Städte dann mediatisiert und hatten - vergleichsweise aus reichspolitischer Sicht - alles in allem noch mehr theoretische Mitgestaltungsmöglichkeiten als nachher.