Vertreibung der Juden zur NS-Zeit

Simon

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Kam es zwischen 1933 und 1945 zu großangelegter Vertreibungspolitik der Nazis gegen die Juden-und wenn ja wie zeigte sie sich.
Oder war es ehr eine Flucht der Juden in Folge der Rassengesetze und Verfolgung?
 
Kam es zwischen 1933 und 1945 zu großangelegter Vertreibungspolitik der Nazis gegen die Juden-und wenn ja wie zeigte sie sich.
Oder war es ehr eine Flucht der Juden in Folge der Rassengesetze und Verfolgung?

Lies mal diese Seiten durch:

http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/antisemitismus/ausgrenzung/index.html

http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/holocaust/index.html

http://www.shoa.de/content/section/2/46/

http://www.shoa.de/content/view/123/201/

http://de.wikipedia.org/wiki/Holocaust
 
Eine Vertreibungspolitik gab es von 1933 - 38. Es gab den Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933; das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, welches Juden verbot, als Beamte zu arbeiten und somit Juden aus Ämtern, Schulen und Universitäten vertrieb, folgte wneige Tage später. Mit der Zeit kamen immer mehr Gesetze hinzu, die den Juden weitere Berufe verboten und sie vom zivilen Leben ausschlossen. Sie durften nicht Bus fahren, nicht auf Parkbänken sitzen, nicht ins Kino gehen, hatte keine freie Lebenspartnerwahl mehr (Nürnberger Rassegesetze), ergo man machte den Juden in D das Lben schwer. Allerdings wollten die Nazis auch mit der Auswanderung der Juden Geld verdienen, weshalb sie eine Auswanderungssteuer erhoben.

Mit der Reichskristallnacht // Reichspogromnacht Nov. '38 kam es meiner Meinung nach zu einem Paradigmenwechsel, der schließlich zur physischen Vernichtung der Juden führen musste.
Und spätestens mit der Wannseekonferenz Ja. '42 war die physische Vernichtung der Juden beschlossen.

http://www.holocaust-chronologie.de/
 
Und spätestens mit der Wannseekonferenz Ja. '42 war die physische Vernichtung der Juden beschlossen.

http://www.holocaust-chronologie.de/

An der Wannseekonferenz wurde die physische Vernichtung nicht beschlossen, das geschah schon früher.

An der Wannseekonferenz wurde die Probleme besprochen, die während den Deportationen aufkamen. Es ging vor allem um die Diskrepanzen zwischen der Planung in Berlin und den Ralitäten vor Ort.

http://www.ghwk.de/deut/startneu0.htm
 
Kam es zwischen 1933 und 1945 zu großangelegter Vertreibungspolitik der Nazis gegen die Juden-und wenn ja wie zeigte sie sich.
Oder war es ehr eine Flucht der Juden in Folge der Rassengesetze und Verfolgung?
Natürlich beides. Aber bis Kriegsbeginn stand die Vertreibungspolitik im Vordergrund. Vertreibung definiere ich als eine Politik des Terrors gegen eine Bevölkerungsgruppe, um deren Ausreise zu erzwingen, weil die Lebensbedingungen einen Verbleib unmöglich machen.

Neben den Terror hat man aber eben auch eine Politik betrieben, die diese Ausreise ermöglichen sollte. Nach den Nürnberger Gesetzen beispielsweise war es erlaubt, daß Juden und jüd. Organisationen sg. "jüd. Farben" zeigen, um zionist. Organisationen die Arbeit zwecks Ausreise (besser: Vertreibung) nicht zu erschweren. Das Haavara-Abkommen ist ein weiteres Beispiel.

Ab Kriegsbeginn spielte Vertreibung kaum noch eine Rolle, weil es kriegsbedingt nicht zu erreichen war, weil man auf die Mitarbeit der jetzt verfeindeten Staaten angewiesen war (Transit-Visa z. B.).

Ab 1939 bis in etwa Sommer 1941 gab es versch. Versuche der Umsiedelung (am bekanntesten: Madagaskar), ab Sommer 1941 schlug die Judenpolitik eindeutig um in systematischen Mord.

Ciao,

Thomas
 
An der Wannseekonferenz wurde die physische Vernichtung nicht beschlossen, das geschah schon früher.

An der Wannseekonferenz wurde die Probleme besprochen, die während den Deportationen aufkamen. Es ging vor allem um die Diskrepanzen zwischen der Planung in Berlin und den Realitäten vor Ort.

http://www.ghwk.de/deut/startneu0.htm

Das ist richtig. Deshalb setzte ich den Paradigmenwechsel auch schon mit Ende 1938 an.

Man kann natürlich auch als endgültige Entscheidung zum Massenmord Hitlers Rede am 30. Januar 1939 sehen:
Hitler schrieb:
Wenn es dem internationalen Finanzjudentum inner- und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergbnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdsichen Rasse in Europa.
Die Wannseekonferenz machte aber erst diese Form des Massenmordes möglich.
 
Hallo,

die Abgrenzung der Vertreibungspolitik würde ich erweitert auf das Jahr 1939 beziehen. Nach der Besetzung der polnischen Gebiete setzten im Oktober und November 1939 Vertreibungsmaßnahmen gegen polnische Juden ein, die ausgewiesen und über die russische Grenze (resp. in das russisch besetzte ostpolnische Gebiet) verbracht wurden. Danebn kam es auch zu Flüchtlingsströmen.

Diese massiven Vertreibungensmaßnahmen führten sogar auf diplomatischer Ebene zu Verwicklungen, da es zu russischen Rückabschiebungen kam (vgl. die Aktennotiz zur Beschwerde Keitels, über Verstimmungen der russischen Militärs wegen der Abschiebungen vom 5.12.1939, ADAP, Band D VIII).

Zahlen müßte ich einmal nachschlagen, ich habe aber einige Hunderttausend, die von den Ausweisungen betroffen waren, in Erinnerung.

Grüße
Thomas
 
Das ist richtig. Deshalb setzte ich den Paradigmenwechsel auch schon mit Ende 1938 an.

Man kann natürlich auch als endgültige Entscheidung zum Massenmord Hitlers Rede am 30. Januar 1939 sehen:
[...]

Dann hätte man sich aber den Streß mit Hans Frank sparen können, der kein sg. "Judenreservat" im Generalgouvernement haben wollte, Eichmann hätte nicht nach Paris in die Archive fahren brauchen, um sich über Madagaskar sachkundig zu machen. Die Deportation Baden-Badener Juden und aus dem Saarland ins unbesetzte Frankreich 1940 macht auch keinen Sinn, wenn Vernichtung im Sinn von Umbringen bereits Priorität hätte.
Ergänzung:

Am 6. Dezember 1938 fand unter Görings Leitung die zweite Konferenz statt "mit den Gauleitern, Oberpräsidenten und Reichsstatthaltern über die Judenfrage", also mit Parteimitgliedern. In diesem Zusammenhang viel auch erstmals das Stichwort "Madagaskar".

Ergänzung Nr. 2:

"An der Spitze all unserer Überlegungen und Maßnahmen steht der Sinn, die Juden so rasch und effektiv wie möglich ins Ausland abzuschieben, die Auswanderung mit allen Nachdruck zu forcieren, und hierbei all das wegzunehmen, was die Auswanderung hindert."

Susanne Heim ind Götz Aly: Staatliche Ordnung und 'organische Lösung'. Die Rede Hermann Göring übder die "Judenfrage", in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 2 (1993), S. 382-402
Ciao,

Thomas
 
Zuletzt bearbeitet:
Man kann natürlich auch als endgültige Entscheidung zum Massenmord Hitlers Rede am 30. Januar 1939 sehen:
diese "Prophezeiung" wird von P. Burrin in "Hitler und die Juden – Die Entscheidung für den Völkermord" auch als sehr wichtig eingeschätzt. Wobei er diese und ähnliche Äußerungen immer als eine Art Option bezeichnet, die aber unter Voraussetzung steht, dass es zu einem derart gewaltigen Krieg kommt. Das schien aber erst mit dem sowjetischen Widerstand 41 gegeben. Vorher schien die Situation den Nazis wohl soweit gewogen, dass sie eine Zwangsumsiedlung favourisiserten.
Zu dem Umschwung von Terror zu Umsiedlung kam es laut Burrin, weil die Judenfrage nicht mehr als nationales, sondern internationales Prblem gesehen wurde (Man plante ja, dass fürher oder später Deutsch und Welt deckungsgleich wären) und dass man mit dem Krieg (inklusive Sieg über Europa) die Juden doch wieder im Reich hätte.
 
Hallo,

zum Thema "Frank" zwei Zitate:
16.12.1941 IMT, III, S. 599-600:
Schlusswort Frank, Kabinettssitzung Krakau: Mit den Juden, das will ich ganz offen sagen, muss so oder so Schluss gemacht werden. Bezug auf Hitler-Rede zur Judenvernichtung in einem Weltkrieg 1939. .. Ich weiß, es wird an vielen Maßnahmen, die jetzt im Reich gegenüber den Juden getroffen werden, Kritik geübt. Aufruf zur Härte ... Ich werde den Juden gegenüber grundsätzlich nur von der Erwartung ausgehen, dass sie verschwinden, sie müssen weg. Ich habe Verhandlungen zu dem Zwecke angeknüpft, dass sie nach dem Osten abgeschoben werden. Im Januar findet über diese Frage eine große Besprechung in Berlin statt, zu der ich Herrn Dr. Bühler entsenden werde. Diese Besprechung soll im RSHA mit Heydrich gehalten werden. ... Aber was soll mit den Juden geschehen? Glauben Sie, man wird sie im Ostland in Siedlungsdörfern unterbringen? Man hat uns in Berlin gesagt: Weshalb macht man diese Scherereien. Wir können im Ostland und im Reichskommissariat auch nicht mit ihnen anfangen, liquidiert sie selber. Meine Herren, ich muss sie bitten, sich gegen alle Mitleidserwägungen zu wappnen: Wir müssen die Juden vernichten, wo immer wir sie treffen. .. anders ... Man kann bisherige Anschauungen nicht auf solche gigantische einmalige Ereignisse übertragen. Jedenfalls müssen wir aber einen Weg finden, der zum Ziele führt, und ich mache mir darüber meine Gedanken. ... Diese 3,5 Mio. Juden (im GG) können wir nicht erschießen, wir können sie nicht vergiften, werden aber trotzdem Eingriffe vornehmen können, die irgendwie zu einem Vernichtungserfolg führen, und zwar in Zusammenhang mit den vom Reich her zu besprechenden großen Maßnahmen.

(die von Frank zitierte Konferenz ist vermutlich die Wannsee-Konferenz)

30.5.1940 IMT, VII, S. 516
Rede Franks zum GG: Am 10.5.1940 begann die Offensive im Westen, d. h. an diesem Tage erlosch das vorherrschende Interesse der Welt an den Vorgängen hier bei uns. … Aber mit dem 10. Mai ist uns diese Greuelpropaganda in der Welt vollkommen gleichgültig. Jetzt müssen wir den Augenblick benutzen, der uns zur Verfügung steht. Ich gestehe ganz offen, dass das einigen Tausenden von Polen das Leben kosten wird, vor allem aus der geistigen Führerschicht Polens. … Aber noch mehr: SS-OGrfü Krüger und ich haben beschlossen, dass die Befriedungsaktion in beschleunigter Form durchgeführt wird. … Wir werden diese Maßnahme durchführen, und zwar, wie ich ihnen vertraulich sagen kann, in Ausführung eines Befehls, den mir der Führer erteilt hat. … Er drückte sich so aus: Was wir jetzt an Führerschicht in Polen festgestellt haben, dass ist zu liquidieren, was wieder nachwächst, ist wieder wegzuschaffen. Wir brauchen diese Elemente nicht in die KZ des Reiches zu schaffen, … sondern wir liquidieren die Dinge im Lande. Wir werden es auch in der Form tun, die die einfachste ist.

Die polnische Führungsschicht umfaßt, wie aus anderen Aussagen ersichtlich ist, im wesentlichen die polnischen Juden. Der Übergang zur Vernichtungspolitik wird mit den im Mai/Juni 1941 eingesetzten Sonderkommandos im Ostfeldzug abgeschlossen, die Einsatzgruppen ermordeten bis Ende 1942 rd. 900.000, vorwiegend Juden (den Vernichtungsaktionen in Polen fielen rd. 60.000 zum Opfer).
 
Könnte man also sagen dass es eine territoriale und eine soziale Vertreibung-eben aus Berufsfeldern usw- gab?
 
Könnte man also sagen dass es eine territoriale und eine soziale Vertreibung-eben aus Berufsfeldern usw- gab?
Das kann man so sagen, wenn man Berufsverbote als soziale Vertreibung definiert. Allerdings gab es ein problem: Berufsverbote bedeuten kein bzw. geringeres Einkommen, Auswanderung widerum kostet Geld.

Ab 1938 dann zunehmend Enteignung durch sg. "Arisierungen", Inhaber von Geschäften u. ä. mußten ihr Gewerbe für einen lächerlichen Betrag an sg. "Arier" abgeben.

Allerdings beinhaltet m. E. der Begriff "sozial" noch etwas mehr, man spricht ja nicht umsonst von "sozialer Ausgrenzung". "Juden unerwünscht" war ein häufig zu lesendes Plakat vor Schwimmbädern, Bibliotheken, Theatern, Lokalen usw.

All diese Schikanen sollten Juden dazu bringen, Deutschland zu verlassen bis September 1939. Nach Kriegsbeginn funktionierte das kaum noch aus den schon dargelegten Gründen.
in diesem Zusammenhang eine Ergänzung: ein bekanntes Beispiel ist de familie Frank (die mit der Tochter Anne Frank und dem Tagebuch).

Der Vater emigrierte bereits 1933 in die Niederlande, die Ehefrau und Tochter 1934. Als die Niederlande dann von Deutschen besetzt worden sind, sind die Franks dort gefaßt worden in ihrem Versteck und deportiert worden. Emigration hieß noch lange nicht, den Deutschen zu entkommen. Man konnte ja kaum wissen, was in der Zukunft geschieht.

Ciao,

Thomas
 
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