"Verweichlichten" die Awaren?

Wobei gerade bei den Namen das Problem besteht, dass wir bei den meisten nicht einmal wissen, ob es sich um Eigennamen oder Titel handelt. Viele Titel waren gleich- oder ähnlichlautend bei diversen Völkern im Gebrauch, prominentestes Beispiel der Khan/Kha'an/Khagan.
Für viele der mit den Namen bezeichneten gibt es auch noch Alternativnamen (etwa Ellac/Ilek).

Wenn Sprachwissenschaftler eine Hypothese aufstellen, müssen sie sich an dem Material orientieren, das zur Verfügung steht. Und nach diesen Sprachüberresten gehen viele von einer turkstämmigen Herkunft aus. Für entsprechende mongolische Sprachreste gibt es keinen Nachweis und im übrigen bedeutet eine Hypothese nicht Gewissheit!
 
Ich bestreite die primär turkstämmische Herkunft der Hunnen gar nicht. Aber für wahrscheinlich halte ich auch, dass sie unterwegs auf der "Steppenautobahn" allerlei "fremdes Gesindel" aufgesammelt haben.
 
Es stellt sich ohnehin die Frage, ob eine Unterscheidung der zentralasiatischen Bewohner in türkische und mongolische Stämme überhaupt sinnvoll ist, da die Übergänge mehr als fließend sind, etliche Gruppen heutzutage einfach als "Turkmongolen" bezeichnet werden. Es spielt letztlich keine Rolle, und ist auch nicht mehr nachzuvollziehen, ob es sich um mongolisierte Türken oder turkisierte Mongolen handelte.
Dazu kommen noch in erheblichem Maße ugrische und iranische Elemente, die die Sache noch verkomplizieren.
Wir wissen nicht einmal, ob es überhaupt eine einheitliche hunnische Sprache gab, ebenso wenig wie eine awarische oder protobulgarische Sprache.
Auch bei den Chasaren finden sich neben türkischen viele iranische und kaukasische Elemente. Die Kyptschaken gelten als Turkvolk, "Kipchak" ist aber wohl iranisch.
Die Saken, Skythen usw. haben sich auch nicht in Luft aufgelöst, sondern sind in den späteren Konföderationen aufgegangen.

Die Steppe war ein riesiger Schmelztiegel, das künstliche auseinanderklamüsern von Ethnien ergibt hier wenig Sinn.
 
Es stellt sich ohnehin die Frage, ob eine Unterscheidung der zentralasiatischen Bewohner in türkische und mongolische Stämme überhaupt sinnvoll ist, da die Übergänge mehr als fließend sind,.

Es geht hier in erster Linie um Sprachen und zweifellos unterscheidet sich die mongolische Sprache von den türkischen Idiomen. Dass die Hunnen auf ihrem Weg durch Asien auch andere ethnische Gruppen mit sich gerissen haben, davon muss man ausgehen. Dennoch wird es einen Traditionskern gegeben haben und dessen Führer trugen alttürkische Namen. Bevor man also den Hunnen eine iranische oder mongolische Identität bescheinigt, greift die näherliegende der turkstämmigen.

Wir wissen nicht einmal, ob es überhaupt eine einheitliche hunnische Sprache gab, ebenso wenig wie eine awarische oder protobulgarische Sprache.
Auch bei den Chasaren finden sich neben türkischen viele iranische und kaukasische Elemente. Die Kyptschaken gelten als Turkvolk, "Kipchak" ist aber wohl iranisch.
Die Saken, Skythen usw. haben sich auch nicht in Luft aufgelöst, sondern sind in den späteren Konföderationen aufgegangen.

Etwas mehr haben Ethnologen, Historiker und Sprachwissenschaftler schon herausgefunden. So waren die Protobulgaren ein Turkvolk, das gegen Ende der Antike geschichtlich bezeugt ist. Die Kumanen oder Kiptschaken waren unzweifelhaft ein Turkvolk und ihre Sprache ist durchaus in einigen Texten überliefert. Die nomadischen iranischen Reitervölker haben sich nicht in Luft aufgelöst, sondern sind teilweise in den nachfolgenden Turkstämmen aufgegangen, die seit der frühen Neuzeit weite Teile Asiens dominierten. Andere Teile siedelten nördlich und östlich des Iran, wo sie den Grundstock der Bevölkerung Afghanistans und Tadschikistans ausmachen.

Dass im übrigen die Forschung Identitäten und Sprachen der asiatischen Steppenvölker erkundet, halte ich für eine ganz normale Tatsache.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dieter schrieb:
Die Hunnen auf ihrem Weg durch Asien

Wir wissen nicht, wie weit der war

Dieter schrieb:
Dennoch wird es einen Traditionskern gegeben haben

Der schon multiethnisch gewesen sein kann

Dieter schrieb:
und dessen Führer trugen alttürkische Namen.

Was nicht wirklich klar ist, wie oben beschrieben. Sonst wäre Attila wohl ein Gote.

Dieter schrieb:
Bevor man also den Hunnen eine iranische oder mongolische Identität bescheinigt, greift die näherliegende der turkstämmigen.

Genau darum geht es doch - es gibt hier keine türkische, mongolische, iranische, sondern höchstens eine hunnische Identität.
 
Genau darum geht es doch - es gibt hier keine türkische, mongolische, iranische, sondern höchstens eine hunnische Identität.

Sprachliche und ethnische Identität sind nicht in jedem Fall deckungsgleich. Hier geht es um die vermutlich von den Hunnen gesprochene Sprache und die wird von der Forschung überwiegend als Türkisch betrachtet, zumindest was den Traditionskern angeht. Es bleibt dir völlig unbenommen, eine eigene Hypothese darüber zu entwickeln.
 
Sprachliche und ethnische Identität sind nicht in jedem Fall deckungsgleich. Hier geht es um die vermutlich von den Hunnen gesprochene Sprache und die wird von der Forschung überwiegend als Türkisch betrachtet, zumindest was den Traditionskern angeht. Es bleibt dir völlig unbenommen, eine eigene Hypothese darüber zu entwickeln.

Auch wenn du es so oft wiederholst, es ist völlig unklar, ob es überhaupt einen einzigen Traditionskern gab. Zumindest die an Wolga und Don überlieferten Hunnen hatten keine einheitliche Führung, über ihre Traditionen wissen wir gar nichts.

Timo Stickler sieht den Hunnennamen - ähnlich wie es Pohl bei den Awaren anführt - als alten Prestigenamen, der auf etliche Völker angewandt wurde. Die Hephtalitischen "Hunnen" werden meist für ein iranisches Volk gehalten, dennoch gab es bei ihnen die "typisch hunnischen" Schädeldeformationen.

Vermutlich gibt es auch keine Sprache "der" Hunnen, weil es "die" Hunnen eben gar nicht gab, sondern eine Konföderation verschiedenster Steppenvölker, die eben auch verschiedenste Sprachen sprachen.
Dass dabei auch türkisch vertreten war, verwundert nicht, sagt aber auch nicht viel aus.
 
Solche Begriffe wie Turkomongolen sind letztendlich nichts anderes, als das Eingeständnis, dass man etwas nicht besser eingrenzen kann oder es einfach nicht weiß.
 
Solche Begriffe wie Turkomongolen sind letztendlich nichts anderes, als das Eingeständnis, dass man etwas nicht besser eingrenzen kann oder es einfach nicht weiß.
Na ja, Turkomongolen ist ein Standardbegriff, der gerade für ein paar Jahrhunderte nach Dschingis Khan die einzige Möglichkeit ist, bestimmte Stämme zu bezeichnen. Eben weil die totaler ethnischer und sprachlicher Mischmasch waren bzw. sich in einer Übergangsphase befanden. Für die vor-dschingisidische Zeit wird der Begriff eigentlich nicht verwendet.
Es ist ein Unterschied, ob man überhaupt nicht weiß, woher ein Volk kam und welche Sprache es hatte oder ob man weiß, daß ein Volk ursprünglich mongolisch war, sich später aber mit den türkischen Stämmen x und y vereinigt hat und dabei gleich noch sprachlich türkisiert wurde.
 
Na ja, Turkomongolen ist ein Standardbegriff, der gerade für ein paar Jahrhunderte nach Dschingis Khan die einzige Möglichkeit ist, bestimmte Stämme zu bezeichnen. Eben weil die totaler ethnischer und sprachlicher Mischmasch waren bzw. sich in einer Übergangsphase befanden. Für die vor-dschingisidische Zeit wird der Begriff eigentlich nicht verwendet.

Die turkstämmigen Völker nördlich des Schwarzen und Kaspischen Meers, die im 13. Jh. von der mongolischen Goldenen Horde überschichtet wurden, sind uns durchaus aus diversen zeitgenössischen Quellen bekannt. Es handelt sich - aufeinander folgend - um Bulgaren, Onoguren, Petschenegen und vor allem um Kumanen, deren Reich 1240 von den Mongolen zerstört wurde. Mit diesen Turkstämmen vermischte sich die dünne mongolische Erobererschicht ziemlich rasch, sodass man bereits im 15. Jh. von einem neuen Turkvolk sprechen muss, das aus dieser Verschmelzung hervorging.

Die entsprechen Staaten wie die Khanate von Astrachan, Kasan oder das Krim-Khanat waren bereits im 14./15. Jh. turksprachig und die heutigen Kasan-Tataren gelten als Turkvolk und nicht als "Turkomongolen". Es hat sich noch nicht einmal ein mongolisches Substrat in der tatarischen Sprache erhalten.
 
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