Vinland?

Thirk, ein Sachse habe den Wein gefunden. Das klingt wie eine Rechtfertigung der skandinavischen Grönländer, die keine Weinpflanze kannten, was Misstrauen weckt. Andererseits bedeutet die Nachricht, dass der wichtige Essig vor Ort hergestellt werden konnte, also einen Wirtschaftsfaktor. Es kann also tatsächlich Wein der Namensgeber gewesen sein. Jedenfalls nach diesem Aspekt.
Bei Tyrkir handelt es sich um eine Sagenfigur aus Graenlendinga Saga, überliefert in einer isländischen Handschrift aus dem 14. Jahrhundert.
Als die Sage entstanden ist und aufgeschrieben wurde, bestanden die Grönland-Siedlungen immerhin noch, befanden sich allerdings im Niedergang.

Zu Tyrkirs Herkunft heißt es in der Sage nur, dass er ein Südländer (Suðrmaðr) gewesen sei. Ob er jetzt ein Sachse, ein Ungar oder gar ein Türke gewesen sein soll, bleibt offen. Eigentlich ist er nur eine klischeehafte Sagenfigur.

Ich halte es für wahrscheinlich, dass in dieser Episode der Sage der Namen der Insel "Vinland" erklärt werden sollte. Pseudoetymologien sind ein beliebtes Thema in Sagen.
 
Ich sehe es nur als sicher an, dass Vinland in jedem Fall ein größeres Gebiet als Neufundland umfasste.
Ich bin mir da nicht so sicher.
Helluland - Markland - Vinland - - - das ist doch ziemlich viel, auch wenn den seefahrenden Nordmännern nur die Küstenlinien halbwegs bekannt waren und "erschlossen", gar ins Hinterland hinein, war das alles nicht. Das ist auch kein Wunder, denn es waren nur salopp gesagt dreieinhalb Handvoll "Wikinger", die sich da zeitweilig aufhielten: was hätte diese verschwindend kleine Schar von der riesigen Insel Neufundland entdecken, wissen, erforschen können? Es war ihnen vermutlich nicht einmal klar, dass ihr "Vinland" eine Insel war. Ich kann aus dem wenigen, was wir über die is- bzw. grönländischen Wikinger in Nordamerika wissen, nicht entnehmen, dass ihnen die geografische Größe dessen, wo sie da waren, auch nur halbwegs klar war - warum sollten wir heute nun den in den Sagas überlieferten Ortsnamen riesige Gebiete zuweisen?
Island war schon nicht gerade dicht besiedelt, Grönland war nur sehr spärlich besiedelt - und die wikingische Demografie in der "Neuen Welt" war daran gemessen schlichtweg verschwindend klein. Und sie führte zu keinem Boom, d.h. da folgte keine Besiedlungswelle. (mag sein, dass da mehr drin gewesen wäre, wenn die Demografie nicht so gering gewesen wäre - aber aus Grönland und Island (wo kaum wer weg wollte!) hatte sich kein stattlicher exercitus rekrutieren lassen) Mit anderen Worten: die "Größe" von Helluand, Markland, Vinland ist völlig irrelevant, denn da kamen nur dreieinhalb Handvoll Nordleute hin - und sie blieben da nicht lange.
 
Es war ihnen vermutlich nicht einmal klar, dass ihr "Vinland" eine Insel war.
Im 16. Jahrhundert wurde im isländischen Skalholt basierend auf den isländischen Sagen eine Karte gezeichnet - die sogenannte Skalholt-Karte.
Auf dieser Karte sind Grönland, Helleland, Markland, Skraelingeland und Vinland nur Halbinseln einer größeren Landmasse, die anscheinend gar keinen Namen hat.
 
Neufundland liegt auf gleicher geografischen Breite wie Frankreich (Paris), d.h. die Sonneneinstrahlungsdauer ist dort wie hier gleich. Daraus ergibt sich auch eine ähnlich lange Wachstumsperiode, wenn auch wahrscheinlich etwas langsamere. Und weil komplett vom Wasser umgeben, sinkt die Temperatur an Neufundlandküsten auch im Winter kaum unter 0° C. In der sog. mittelalterlichen Klimaanomalie, in der die Wikinger diese Reisen unternahmen, dürften die Temperatur sogar höher gewesen sein. Also wäre ein Weinanbau an Neufundlandküsten möglich gewesen.

Nein, nicht wirklich. Nur weil zwei Orte in etwa auf demselben geographischen Breitengrad liegen, bedeutet das noch lange nicht, dass das Klima vergleichbar ist. Westeuropa profitiert ganz erheblich vom Golfstrom.

Du kannst ja auch mal die Klimadiagramme von Paris und St. John's (ziemlich im Süden der Insel) vergleichen.

Paris hat eine Jahresdurchschnittstemperatur von 15,5°C, St. John's von 8,6°C.

Die Sonneneinstrahlungsdauer ist übrigens auch nicht gleich. Zwar ist die Tageslänge vergleichbar, aber Paris hat trotzdem deutlich mehr Sonnenstunden, weil es seltener bewölkt ist.

Klima Paris, Frankreich - Klimadiagramm, Klimatabelle - WetterKontor

Klima St. John's, Neufundland, Kanada - Klimadiagramm, Klimatabelle - WetterKontor
 
Dion, wenn Du die beiden Diagramme vergleichst, dann sieht man auch klar die Unterschiede in der möglichen Wachstumsphase und den tatsächlichen Sonnenscheinstunden. Beide Standorte unterscheiden sich hier erheblich.
 
Breitengradvergleiche sind immer schwierig, da das örtlich Kleinklima von sehr vielen Faktoren abhängig ist, die Lofoten sind z. B. eine Region mit einem extremen Unterschied beim realen Klima im Vergleich zur Breite. Hier ist der Einfluß des Golfstromes sehr erheblich.
 
Dazu kommt auf der nördlichen Halbkugel noch, das es da erhebliche Klimaunterschiede zwischen Westküsten- und
Ostküstenlagen gibt.
 
Dion, wenn Du die beiden Diagramme vergleichst, dann sieht man auch klar die Unterschiede in der möglichen Wachstumsphase und den tatsächlichen Sonnenscheinstunden. Beide Standorte unterscheiden sich hier erheblich.
Klar unterscheiden sich die beiden Orte, aber das sind heutige Werte. Um 1000 herum war die klimatischen Verhältnisse offenbar anders, sonst hätten die Wikinger Grönland nicht so genannt – als grünes Land. Und Wikinger kannten Wein, schließlich haben sie auf ihren Fahrten auch die Küsten des Mittelmeers kennengelernt.

Ob sie mit Winland Neufundland meinten, ist natürlich Spekulation, aber andere bekannten Wikinger-Siedlungen auf dem amerikanischen Kontinent befinden sich weiter nördlich und sind deswegen für Winland noch weniger geeignet.
 
Umgelegt auf die damalige Zeit ändert sich signifikant nichts und Grönland könnte heute auch wieder so genannt werden, da die klimatischen Werte sich gerade an diese Zeit angleichen.
Beschäftige Dich bitte mal etwas ausführlicher mit physiologischen Bedingungen des Pflanzenwachstums. Hier spielen soviel Parameter eine Rolle, das eine leichte Erhöhung der jährlichen Durchschnittstemperatur alleine wenig aussagekräftig ist.
 
da die klimatischen Werte sich gerade an diese Zeit angleichen
Ja, sie gleichen sich gerade an, aber damals waren sie dort schon länger höher – es müssen sich Pflanzen erst ansiedeln, sprich von irgendwo herkommen, damit ein Land als grün wahrgenommen werden kann. Man darf nicht vergessen, dass man noch Mitte des 20. Jahrhunderts bis in die 1980er Jahre glaubte, Europa stünde eine neue Eiszeit bevor, weil es einige sehr harte Winter (1939/40, 1941/42, 1947, 1962, 1985) gab. Der IPCC attestierte 2007 für 1950-60e Jahre eine globale Abkühlung – Zitat:

Bei der Erforschung der Ursachen für die Klimaänderungen des 20. Jh. mittels Klimamodellen stellten die menschlichen Aerosolemissionen, laut viertem Sachstandsbericht des IPCC (2007), eine wichtige Quelle von Unsicherheit dar. Speziell für die 1950er und 1960er Jahre hielt der IPCC aber fest, dass die in der Zeit rasch zunehmenden Aerosolkonzentrationen die Erde abkühlten.[5] Tatsächlich stiegen die globalen Schwefelemissionen seit 1950 enorm an, um erst seit den 1980er Jahren wieder zu sinken.*

In der Wikingerzeit kann man dagegen von einem anthropogenen Klimawandel nicht sprechen, der vollzog sich ganz von allein. Jedenfalls war es schon 985 auf Grönland warm genug, um dort zu siedeln. Diese Siedlungen prosperierten und wuchsen auf 3000 Personen an, auch weil es stetigen Einwandererzufluss aus Island gab. Es muss sich also herumgesprochen haben, dass es auf Grönland gut leben lässt, was fast zwangsläufig auf ein günstiges Klima dort hinweist.

Ähnlich warm war es in dieser Zeit auch in Nordamerika, deshalb glaube ich, dass Leif Eriksson um das Jahr 1020 dort wilde Weinreben gesehen hat. Ob das aber auf Neufundland war oder weiter südlich, wissen wir nicht, aber die südlichste Spur der Wikinger auf amerikanischen Boden ist eben Neufundland.

* Man könnte jetzt als advocatus diaboli sagen: Hätten wir die Schwefelemissionen durch Filtereinbauten ab den 1970er Jahren nicht minimiert, wäre der Temperaturanstieg durch das CO2 nicht so stark ausgefallen. Aber das nur nebenbei, weil hier nicht das Thema.
 
Moin

Mir geht es hier nur um die Reben in Neufundland.
Unzweifelhaft wuchsen die sicherlich auf dem südwestlich davon gelegenen Festland und auch westlich der Mündung des St. Lorenz. Dies nur noch mal zu Erinnerung

Stellt sich für uns hier die Frage, wollen wir das Thema noch weiterführen?
Im Prinzip besteht hier ja Einigkeit.
Ich bezweifle die Reben auf Neufundland, halte sie aber nicht generell für unmöglich, andere halten sie für wahrscheinlich, schließen aber wohl ein nicht vorhanden sein auch nicht generell aus!??
 
Mir geht es hier nur um die Reben in Neufundland.
Da "Vinland" in seiner Bedeutung nicht einzig Weinland, sondern ebenso wahrscheinlich auch Weideland bedeuten kann, verstehe ich das insistieren auf Weinreben nicht so ganz.

Was Klima und Grönland betrifft: die nachgewiesenen "wikingischen" Siedlungsplätze waren nicht gerade viele, und ein paar von diesen wenigen wurden recht bald aufgegeben - Klima hin, "Grün"land her: das boomte nun wahrlich nicht...
 
Da "Vinland" in seiner Bedeutung nicht einzig Weinland, sondern ebenso wahrscheinlich auch Weideland bedeuten kann, verstehe ich das insistieren auf Weinreben nicht so ganz.

Was Klima und Grönland betrifft: die nachgewiesenen "wikingischen" Siedlungsplätze waren nicht gerade viele, und ein paar von diesen wenigen wurden recht bald aufgegeben - Klima hin, "Grün"land her: das boomte nun wahrlich nicht...

Ja, das war mein Fehler beim Threadtitel.
Zur Erklärung:
Davon ausgehend, das einige "Freizeitwikinger" Vinland mit Neufundland gleichsetzen und von daher auch auf den durchaus anzweifelbaren "Weinreben" beharren, versuchte ich denen zu erklären, das diese Interpretation so nicht einfach im Raum stehen kann.

Und noch zu Dions Aussage/Interpretation, das es sich auf Grönland gut leben läßt, ich denke mal, wir können in diesem Fall die Motive und was die dortigen Siedler unter eventuell gut leben verstanden, sicherlich nicht so einfach nachvollziehen, zumal bei den Siedlern unter Umständen auch von Sippen die flüchten mußten, Ärger hatten oder einfach nur unzufrieden mit den aktuellen Verhältnissen waren, auszugehen ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist das mittlerweile Weltkulturerbe L’Anse aux Meadows – Wikipedia nicht die einzige wirkliche und unstrittig "Spur"? Andere archäologisch gesicherte Siedlungen in Nordamerika fallen mir nicht ein.
Es ist gewissermaßen die einzige unstrittige Spur.

Es gibt allerdings eine spannende Diskussion um in L'Anse Aux Meadows gefundene Holzfragmente und eine Nuss. Holz und Nuss stammen vom Butternussbaum (Juglans cinerea), der auf Neufundland nicht heimisch ist, sondern erst ca. 1000 km weiter südlich.
Es spricht jedenfalls vieles dafür, dass die Wikinger das Land der Butternussbäume erreicht haben, aber davon steht in den isländischen Sagas nichts.
 
Beim dem Können dieser Seefahrer bin ich persönlich immer davon ausgegangen das die auch über Long Island hinaus gekommen sind, ebenso auch den St. Lorenz herauf gefahren sind.

Aber!! die Siedler/Entdecker waren einfach zahlenmäßig extrem wenig.

Viele Nahrungsmittel könnten auch von Einheimischen eingetauscht worden sein, allerdings sollten wir hier schon auf die Transportwege achten.
 
Ein Beispiel aus Deutschland zu "Vin": Nördlich der Dörenschlucht im Teutoburger Wald liegt das Winfeld, dass Melanchthon wegen Waffenfunden* mit der Varusschlacht in Verbindung brachte. Tatsächlich ist der Name mittelalterlichbund bezieht sich auf die Nutzung als Sommerweide.

Daher rekurriere ich immer wieder auf die Angaben zur Weidewirtschaft.

* Heute wird vermutet, dass die Waffen damals gerade mal hundert Jahre alt waren.
 
Was Klima und Grönland betrifft: die nachgewiesenen "wikingischen" Siedlungsplätze waren nicht gerade viele, und ein paar von diesen wenigen wurden recht bald aufgegeben - Klima hin, "Grün"land her: das boomte nun wahrlich nicht
Dass Erik, der Rote, Grönland so benamste, dürfte eher ein Marketingtrick des 10. Jahrhunderts sein. Wenn ich damals auswandern wollte ohne weitere Informationen über das Ziel, würde ich eine Gegend, die impliziert sie sei grün vorziehen gegenüber einer Insel, die als riesige, menschenleere, eiskalte Einöde, beschrieben wird.
 
Daher rekurriere ich immer wieder auf die Angaben zur Weidewirtschaft.
Dazu ein Zitat (Fettschreibung durch mich):

In jüngster Zeit sind Diskussionen über den Ursprung des Namens entstanden. Vin hat im Altnordischen zwei Bedeutungen: Mit einem Akzent auf dem i (also í) bedeutet es „Wein“, ohne Akzent „Weide“ oder „Farm“ (der Sprachwissenschaftler Einar Haugen meinte, dass die Bedeutung „Weide“ im 10./11. Jahrhundert auf Island und in den meisten Teilen der nordischen Welt wahrscheinlich sehr ungebräuchlich bis unbekannt gewesen sei).
 
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