Völkermord in Gallien?

Beging Cäsar in Gallien Völkermord?


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    70
Interessant finde ich, dass in diesem Strang zunächst einmal der Versuch unternommen wurde, die Diskussion begrifflich zu erledigen - zum Beispiel:
  • @Pope 08.09.2005 11:41 Uhr: „Völkermord ist ein moderner Begriff.“.
  • @~YpY~ 10.09.2005 16:33: „Genau aus diesem Grund, stößt deine Argumentation so vielen hier etwas auf, du versuchst Geschehnisse der Antike mit heutigen Begriffen zu bewerten.“
  • @Germanicus 12.09.2005 18:38: „Wie Tib. Gabinius schon sagte, ist die Anwendung dieses modernen Begriffs für Cäsars Gallienfeldzug schlicht und einfach falsch.“
  • @Ashigaru 06.10.2005 16:58: „… ich halte den Begriff allerdings für falsch gewählt, dazu komme ich gleich.“
Das zu diesem Versuch gehörende Argumentationsmuster lautet:
  1. Der Begriff Völkermord stammt aus der Moderne.
  2. Der Gallienfeldzug Cäsars fand in der Antike statt.
  3. Also darf dieser Feldzug nicht als Völkermord bezeichnet werden.
  4. Ansonsten wird das rechtsstaatliche Verbot, Strafgesetze rückwirkend anzuwenden, verletzt.
Dabei wird jedoch übersehen, dass es zum Wesen der Geschichtswissenschaft gehört, aus der Gegenwart heraus, Fragen zu stellen, die die Vergangenheit betreffen. Mithin muss es also auch möglich sein, das soziologische Phänomen „Völkermord“ in der Geschichte zurückzuverfolgen. Im Fall Gallien geht es dabei um die Frage, bei welchen Handlungen wie viele Gallier (Krieger, Frauen, Kinder, Alte) umgekommen sind, wie es zu diesen Handlungen gekommen ist, ob diese zur Erreichung militärischer Ziele notwendig waren, ob man diese Ziele auch anders (insbesondere mit milderen Mitteln) hätte erreichen können, etc…

Natürlich wird man dabei auch der Frage nachzugehen haben, wie diese Erscheinungen damals ethisch bewertet wurden. Immerhin bildeten sich in der antiken Welt die Grundlagen heraus für die Lehre vom gerechten Krieg. Und möglicherweise setzten sich eines Tages einige Historiker und Juristen zusammen und führen einen „Strafprozess“ gegen Cäsar durch, so wie es schon „Strafprozesse“ gegen Max und Moritz und andere Literaturgestalten gab. Was der Erkenntnisgewinn solcher Aktionen sein soll, wird sich zeigen. Bei den Literaturprozessen bestand der Erkenntnisgewinn für die Anhänger der Literatur wohl in einem besseren Verständnis der Figuren und für die Juristen hatte die ganze Sache einen Schulungscharakter, weshalb es Professoren geben soll, die ihre Studenten mit Klausuren plagen, deren Sachverhalte aus der Literatur stammen.

Also: wenn hier behauptet wird, dass sich „Vergleiche über die Jahrtausende (…) sich nicht nur (verbieten), sie (…) einfach unmöglich“ sein sollen (so @Tib. Gabinius 08.09.2005 13:29), ist dies Unsinn. Die Historiker stellen ständig derartige Vergleiche an; auch in diesem Forum. Vorsicht: Genozide miteinander zu vergleichen bedeutet nicht diese miteinander gleichzusetzen!

Der rechtsstaatliche Grundsatz, dass Strafgesetze nicht rückwirkend angewendet werden dürfen, gilt logischerweise nur für den Strafprozeß und nicht für Fragen, die Historiker an die Geschichte stellen.:autsch:

Übrigens folgendes sei off topic mitgeteilt: Dieser Grundsatz kann logischerweise nur dann gelten, wenn es zur Zeit der Tatbegehung auch eine umfassende Strafrechtsordnung gab, aus der sich der Anspruch der abschließenden Regelung des Strafrechts ergeben konnte. Zu Zeiten Cäsars gab es eine solche abschließende Strafrechtsordnung nicht. Zudem befand sich das Völkerrecht damals sowieso noch im Werden. Selbst 1945 gab es noch keine umfassenden Konventionen, die den Völkermord abschließend unter Strafe gestellt hätten. Aus„ne bis in idem“ würde wohl trotz Popes "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ARTIKEL 11, 2" kein Freispruch für Cäsar erwachsen. Wer nun einen Strafprozess gegen Cäsar befürchtet, mag sich mit folgendem trösten: gegen Tote werden schon aus Kostengründen keine Strafprozesse durchgeführt und das ist auch gut so!
 
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Da ich mit gequotet wurde:

mir geht es nicht darum irgendwelche "Strafprozess"-Ansätze und/ oder -Theorien zu negieren sondern lediglich darum, daß bei der Befassung mit Themen der Geschichte

begriffliche Klarheit zu herrschen hat, was hier mit dem Begriff "Völkermord" nicht der Fall ist.

 
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Also auch auf die Gefahr hin, daß ich mich wiederhole.

Wenn ihr herausfinden wollt, ob Cäsar Völkermord beging oder nicht, braucht ihr 1) eine von allen anerkannte Definition von Völkermord und 2) müßtet ihr dann Cäsars BG nach Fakten absuchen, die diesen Völkermord belegen oder nicht.
Dann könnt ihr immer noch streiten, ob man heutige Begriffe in die Antike verlegen kann oder nicht. Ihr stellt die Behauptung/These auf er hätte Völkermord begangen. Das müßte aber ersteinmal bewiesen werden.
 
stellt die Behauptung/These auf er hätte Völkermord begangen.

Das Gegenteil müsste auch bewiesen werden.
Aber da meine Aussage zu Caesar in Gallien untergegangen ist :

Die Massenmorde in Gallien durch Caesar befohlen erfüllen für mich nicht Meine Definition von Völkermord. Sie stellen aber durchaus ein Verbrechen dar !

Völkermord, dazu ist für mich die Absicht notwendig, ein ganzes Volk eben als ganzes ausrotten zu wollen (das wollen muß nicht können bedeuten). Diese Absicht war bei Caesar sicher nicht gegeben, so weit man dies rekonstruieren kann.
 
@ Gandolf: Ich finde es unfein, mich hier falsch zu zitieren. Du führst diesen Satz vom 6.10, 16:58 an … ich halte den Begriff allerdings für falsch gewählt, dazu komme ich gleich.“ Darin habe ich mich überhaupt nicht zum Begriff "Völkermord" geäußert, sondern zu dem des "moralischen Nihilismus" der Historiker, den Quintus Fabius verwendete. Daher möchte ich auch nicht als "Beweisstück" für deine vierschrittige Theorie herhalten und am besten ist, du haust das Zitat da schnell wieder raus. Ich vermute sogar, du hast den relativ nichtssagenden Satz aufgenommen, der keine Argumente für deine Theorie enthielt, weil du bei mir etwas gesucht, aber nicht gefunden hast.
Hättest du die älteren Beiträge gelesen, wüßtest du, dass ich zweimal über einen Vorfall des gallischen Kriegs, der Vernichtung der Eburonen, geschrieben habe und dabei bemerkte, dass man hier im Gegensatz zur Belagerung von Avaricum eher den Begriff des Völkermords anwenden könnte - wobei mir die ausreichende Quellenkenntnis sowohl zu dem Rechtsbegriff als auch zum gallischen Krieg fehlt, um das wirklich zu ergründen. Allein von daher finde ich etwas frech, mir zu unterstellen, ich wolle die Diskussion "begrifflich erledigen".

Gandolf schrieb:
Im Fall Gallien geht es dabei um die Frage, bei welchen Handlungen wie viele Gallier (Krieger, Frauen, Kinder, Alte) umgekommen sind, wie es zu diesen Handlungen gekommen ist, ob diese zur Erreichung militärischer Ziele notwendig waren, ob man diese Ziele auch anders (insbesondere mit milderen Mitteln) hätte erreichen können, etc…


Schon die Frage nach den Opfern wird sich aufgrund der Quellen wohl nie beantworten lassen. Ansonsten ist das ja nicht verkehrt. Das entscheidendste fehlt aber wohl - hat es bei den Römern vorab Pläne gegeben, ein bestimmtes Volk vollkommen zu vernichten.

Gandolf schrieb:
Und möglicherweise setzten sich eines Tages einige Historiker und Juristen zusammen und führen einen „Strafprozess“ gegen Cäsar durch, so wie es schon „Strafprozesse“ gegen Max und Moritz und andere Literaturgestalten gab.


Möglicherweise aber auch nicht... Ich kenne einen solchen "literarischen" Prozess aus den antiken Quellen nicht, und auch keine Hinweise dazu.
Zum Rest habe ich mich, wie ich meine schon ausreichend geäußert.

@ Quintus Fabius: mir fehlen leider die Details zum Nürnberger Prozess, und der Fall ist insofern schwer zu beurteilen, als dass es der erste Prozess dieser Art und völlig neue Tatbestände, z.B. Vorbereitung eines Angriffskriegs verhandelt wurde. Allerdings beschlossen die Alliierten schon 1943, dass ein solcher Prozess nach dem Krieg veranstaltet werden soll.

Quintus Fabius schrieb:
Nur darf man mMn nicht sagen, daß sind KEINE Verbrechen. Man kann es weglassen diese Dinge zu bewerten, also nur nüchtern die Fakten hinlegen (wie gesagt aus praktischen Gründen) aber zu sagen daß diese Dinge Nicht falsch waren, daß darf man mMn nicht.


Da stimme ich dir zu. Es wäre ja auch ein falscher Schluss zu sagen, weil damals bestimmte Verbrechen legitimiert waren, könne diese Sicht auch heute noch gelten.

 
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~YpY~ schrieb:
mir geht es nicht darum irgendwelche "Strafprozess"-Ansätze und/ oder -Theorien zu negieren
darauf kommt es hier eigentlich ohnehin nicht an
~YpY~ schrieb:
sondern lediglich darum, daß bei der Befassung mit Themen der Geschichte

begriffliche Klarheit zu herrschen hat, was hier mit dem Begriff "Völkermord" nicht der Fall ist.
:confused:
Begriffliche Klarheit ist ein selten erreichtes Ideal, weil es häufig verschiedene Auffassungen über den Inhalt von Begriffen gibt.;) Dennoch kann man der Frage nachgehen, ob es damals in Gallien einen Völkermord gab. Man muss eben dann die Bandbreite der möglichen begrifflichen Inhalte bei seiner Untersuchung berücksichtigen.
 
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Ashigaru schrieb:
@ Gandolf: Ich finde es unfein, mich hier falsch zu zitieren. Du führst diesen Satz vom 6.10, 16:58 an „… ich halte den Begriff allerdings für falsch gewählt, dazu komme ich gleich.“ Darin habe ich mich überhaupt nicht zum Begriff "Völkermord" geäußert, sondern zu dem des "moralischen Nihilismus" der Historiker, den Quintus Fabius verwendete.
Ashigaru schrieb:
(...)
Hättest du die älteren Beiträge gelesen, wüßtest du, dass ich zweimal über einen Vorfall des gallischen Kriegs, der Vernichtung der Eburonen, geschrieben habe und dabei bemerkte, dass man hier im Gegensatz zur Belagerung von Avaricum eher den Begriff des Völkermords anwenden könnte - wobei mir die ausreichende Quellenkenntnis sowohl zu dem Rechtsbegriff als auch zum gallischen Krieg fehlt, um das wirklich zu ergründen. Allein von daher finde ich etwas frech, mir zu unterstellen, ich wolle die Diskussion "begrifflich erledigen".
Sorry! In meinem Beitrag sollte eigentlich nicht „… ich halte den Begriff allerdings für falsch gewählt, dazu komme ich gleich" sondern "Wenn man schon von einem Völkermord in Gallien spricht, ..." (@ashigaru 08.09.2005 16:14) stehen.
Ashigaru schrieb:

Schon die Frage nach den Opfern wird sich aufgrund der Quellen wohl nie beantworten lassen. Ansonsten ist das ja nicht verkehrt. Das entscheidendste fehlt aber wohl - hat es bei den Römern vorab Pläne gegeben, ein bestimmtes Volk vollkommen zu vernichten.

Nun finde ich mich aber unfein von Dir verstanden.:D Die Fragestellungen, die von Dir zitiert wurden, dienten allein der Untermauerung meiner These, dass man sehr wohl das Phänomen Völkermord in der Geschichte untersuchen kann. Mit ihnen sollte keineswegs ein Versuch unternommen werden, den Begriff des Völkermordes hinreichend oder abschließend zu klären, wie sich ja aus der Formulierung "etc." ergibt.
Des weiteren möchte ich Dir widersprechen, dass das "entscheidenste" Kriterium eines Völkermordes darin bestünde, dass "vorab Pläne" existieren müssten, "ein bestimmtes Volk vollkommen zu vernichten". Jedenfalls scheint der deutsche Strafgesetzgeber von diesem "entscheidensten" Kriterium keine Ahnung zu haben. In § 6 Völkerstrafgesetzbuch hat er es für die Verurteilung wegen Völkermord genügen lassen, dass bestimmte Massnahmen (Tötungshandlungen, körperliche Mißhandlung, Verhinderung von Geburten, Kindesentführung, etc.) in der Absicht durchgeführt werden, eine nationale, rassische, religiöse oder ethnische Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören, vgl. http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/vstgb/__6.html.
Ashigaru schrieb:
Möglicherweise aber auch nicht... Ich kenne einen solchen "literarischen" Prozess aus den antiken Quellen nicht, und auch keine Hinweise dazu.
Es würde mich auch sehr wundern, wenn es in der Antike einen Prozeß gegen die Literaturgestalten Max und Moritz gegeben hätte.:rolleyes:
Aber warum sollten nicht eines Tages Historiker, Juristen und Rechtsphilosophen eine fachübergreifende Arbeitsgruppe bilden, um die Geschehnisse in Gallien ihrem Sachverhalt nach zu ordnen und zu untersuchen sowie nach damaligen und heutigen Verständnis zu bewerten?
Ashigaru schrieb:
@ Quintus Fabius: mir fehlen leider die Details zum Nürnberger Prozess, und der Fall ist insofern schwer zu beurteilen, als dass es der erste Prozess dieser Art und völlig neue Tatbestände, z.B. Vorbereitung eines Angriffskriegs verhandelt wurde. Allerdings beschlossen die Alliierten schon 1943, dass ein solcher Prozess nach dem Krieg veranstaltet werden soll.
Dabei kann man zu diesem Prozeß sogar Hinweise im Internet finden:
"Die Vorwürfe, die gegenüber den Nürnberger Urteilen erhoben wurden, gipfelten darin, dass das Verbot rückwirkender Strafrechtsanwendung missachtet und damit gegen den Rechtsgrundsatz „nullum crimen sine lege, nulla poena sine lege“ verstoßen worden sei. „Zwar hatte der Nazi - Gesetzgeber mit dem Gesetz vom 28. Juni 1935 das Rückwirkungsverbot selbst aufgehoben, Unrecht durfte aber mit einem Verfahren, das der Rechtsordnung wieder Geltung verschaffen sollte, nicht mit Unrecht vergolten werden.“Es ist schon frag­lich, ob der Grundsatz „nulla poena sine lege“ überhaupt im Völkerrecht so existiert. Im anglo-amerikani­schen Rechtsraum, insbesondere dem englischen common law ist dieser Grundsatz fremd. Nach den Grundsätzen des common law kann im Gegenteil eine Tat ein Verbrechen sein, ohne dass ein besonderes Gesetz zu schaffen ist.Einige Völkerrechtler sprachen zwar von „ex post facto law“, sahen dieses jedoch nicht als völkerrechtswidrig an. Der Gerichtshof selbst war auch der Meinung, dass der Grundsatz „nulla poena sine lege“ nicht dem Völkerrecht als Rechtssatz angehöre. Bei der Eröffnung des Prozesses hat die Gesamtverteidigung den Einwand gegen alle drei Tatbestände des Statuts des IMT und gegen die Strafbar­keit von Organisationsverbrechen vorgebracht." (http://www.shoa.de/content/view/341/45/).
 
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@ Gandolf: könntest du für deine Posts bitte wieder Schriftgröße 2 verwenden? Dann wird das Zitieren nicht so zur Fummelei.

Sorry! In meinem Beitrag sollte eigentlich nicht „… ich halte den Begriff allerdings für falsch gewählt, dazu komme ich gleich" sondern "Wenn man schon von einem Völkermord in Gallien spricht, ..." (@ashigaru 08.09.2005 16:14) stehen.
Zwar eine etwas merkwürdige "Verwechslung", besonders wenn man bedenkt, wie penibel du dich, wie in deinem vorigen Beitrag zu sehen, mit der Wortwahl anderer Leute beschäftigst, und weil das betreffende Posting nicht wirklich zu deiner Theorie passt, aber was solls: Entschuldigung akzeptiert :hoch:

Die Fragestellungen, die von Dir zitiert wurden, dienten allein der Untermauerung meiner These, dass man sehr wohl das Phänomen Völkermord in der Geschichte untersuchen kann
Schon klar, und ich habe eben noch diesen Gedankengang zugefügt. Ob man es jetzt "Pläne" nennt oder Absicht - dass ist zumindest für mich Wortklauberei, ich denke wir meinen hier dasselbe. Das "vollkommen" kann man bei mir natürlich selbstverständlich streichen, natürlich ist auch ein "teilweiser" Völkermord ein Völkermord.

Zu deinem Literatur-Prozess: Da du den Imperfekt "setzten" verwendest, ging ich davon aus, es handle sich um eine Hypothese von Dir. Die Idee an sich: ist halt so "History-Fiction", wie man aus meinen anderen Ausführungen hier entnehmen kann, "not my cup of tea".

Nürnberger Prozess lass ich mal beiseite, hat seine Richtigkeit, was du schreibst. ich hätte dazu zwar noch was anzumerken. Aber ich wollte eigentlich vermeiden, auch noch das Dritte Reich in diesen Thread zu zerren. Klappte bisher nicht ganz, ich will jetzt aber nicht erst recht ausschweifend in diesem Punkt werden. Auf Wunsch per PN oder in einem anderen Thread.
 
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Ashigaru schrieb:
@ Gandolf: könntest du für deine Posts bitte wieder Schriftgröße 2 verwenden? Dann wird das Zitieren nicht so zur Fummelei.
Ich will ja schon, aber das Programm halt nicht.
Ashigaru schrieb:
Schon klar, und ich habe eben noch diesen Gedankengang zugefügt. Ob man es jetzt "Pläne" nennt oder Absicht - dass ist zumindest für mich Wortklauberei, ich denke wir meinen hier dasselbe.
Plan und Absicht kann man in der Tat synonym verwenden. ABER Du hast von einem "vorab Plan" gepostet. Und ein solcher vor der Tat bestehender und gefaßter Plan ist weder erforderlich noch hinreichend. Die Absicht zum Völkermord muss im Zeitpunkt der einzelnen Tathandlungen (Tötungshandlungen, Mißhandlungen, Entführungen, etc.) bestehen.
Ashigaru schrieb:
Das "vollkommen" kann man bei mir natürlich selbstverständlich streichen, natürlich ist auch ein "teilweiser" Völkermord ein Völkermord.
Von Deinem "entscheidenden" Kriterium bleibt also nichts mehr übrig!=)
Ashigaru schrieb:
Zu deinem Literatur-Prozess: Da du den Imperfekt "setzten" verwendest, ging ich davon aus, es handle sich um eine Hypothese von Dir.
Ziemlich rabulistisch aus meinem offenkundigen Schreibfehler darauf zu schließen, ich hätte behauptet, dass in der Antike ein Prozeß gegen Max und Moritz stattgefunden hätte.
Ashigaru schrieb:
Die Idee an sich: ist halt so "History-Fiction", wie man aus meinen anderen Ausführungen hier entnehmen kann, "not my cup of tea".
Letzteres mag ja sein. Aber fächerübergreifende Zusammenarbeit ist doch keine "History-Fiction".
 
Von Deinem "entscheidenden" Kriterium bleibt also nichts mehr übrig!
Falsch: ich halte es immer noch für entscheidend, ja sogar am entscheidendsten. Denn einen Völkermord gibt es nicht ohne die Absicht zum Völkermord. Und in irgendeiner Weise vorbereitet werden muss er wohl auch.

Ziemlich rabulistisch aus meinem offenkundigen Schreibfehler darauf zu schließen, ich hätte behauptet, dass in der Antike ein Prozeß gegen Max und Moritz stattgefunden hätte.
Du hältst mich offenbar für polemischer und bosartiger als ich tatsächlich bin. Ich habe daraus nur geschlossen, dass deine Hypothese wäre, in der Antike habe es solch einen Prozess gegeben - auch ohne Max und Moritz. =) Und die Rabulistik scheint dir zumindest nicht ganz fremd zu sein...

Letzteres mag ja sein. Aber fächerübergreifende Zusammenarbeit ist doch keine "History-Fiction".
Ich bin sogar ein großer Fan der fächerübergreifenden Zusammenarbeit, z.B. zwischen Archäologen und Historikern. Aber ein fiktiver Prozess, in dem Julius Cäsar für seine Taten im Gallischen Kireg belangt werden würde, ist "History Fiction".
 
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Gandolf schrieb:
Begriffliche Klarheit ist ein selten erreichtes Ideal, weil es häufig verschiedene Auffassungen über den Inhalt von Begriffen gibt.;)

Begriffliche Klarheit ist nicht nur ein Ideal sondern relativ einfach zu erreichen indem man vorher seine verwendeten Begrifflichkeiten definiert und darlegt.
Dies ist hier nicht passiert.
Zudem können wir den Begriff des Völkermordes nicht in die Antike transferieren, da es sich eindeutig um einen Begriff der Neuzeit/ Zeitgeschichte handelt, da erst hier der Begriff geprägt wurde.

Es läßt sich darüber streiten, ob Caesar vorhatte die Gallier oder das was er als Gallier verstand im Ganzen zu vernichten, dafür finden sich aber in den Quellen die uns für diese Zeit zur Verfügung stehen keine Hinweise, die diese These absolut bestätigen würden. Somit wäre diese These nicht beweisbar - wobei ich hier für Gegenargumente offen bin.

Wissenschaftlich gesehen ist jedoch die Frage ob Caesar einen Völkermord beging absolut verfehlt und daher zumindest von meiner Seite aus nicht Diskussionswürdig - einzig darum geht es mir.


Das andere Leute, die sich mittlerweile nicht mehr melden hier zweifelhaft formulierte Beiträge erstellten, in denen eine gewisse Voreingenommenheit zu erkennen war die schon ideologischen Denkmustern gleichkam ist nur meine persönliche Ansicht - dies mag jeder für sich bewerten.
 
Ashigaru schrieb:
Falsch: ich halte es immer noch für entscheidend, ja sogar am entscheidendsten. Denn einen Völkermord gibt es nicht ohne die Absicht zum Völkermord. Und in irgendeiner Weise vorbereitet werden muss er wohl auch.
Soll doch der Leser nachlesen, was Du ursprünglich unter dem "entscheidendsten" Kriterium verstanden hast. Ich nenne da nur die Stichworte "vorab Plan" und "vollkommene" Vernichtung und verweise auf Deinen Beitrag vom 7.9.05 20:13 Uhr. Übrigens setzt die "Absicht" keine irgendwie geartete Vorbereitung voraus. Es genügt, wenn sie im Tatgeschehen spontan gebildet wird.

Das Erfordernis der Absicht ist eigentlich ein eher zweifelhaftes Kriterium. Warum soll für Völkermord nicht bedingter Vorsatz genügen? Dieser genügt doch auch beim Totschlag und beim Mord.

Mit dem Erfordernis der Absicht wird die Meßlatte für das Vorliegen eines Völkermordes so hoch gehängt, dass unterhalb dieser Latte noch genügend "Schweinerein" praktiziert werden können, ohne dass diese - rechtlich betrachtet - gerissen wird, die Genozid-Konvention anwendbar wird, der Weltsicherheitsrat sich mit dieser Angelegenheit befassen muss, effektive Gegenmaßnahmen ergreifen muss, Truppen entsenden muss, etc... Wie immer bei Angelegenheiten der Internationalen Politik musste auch beim Formulieren der Genozid-Konvention auf die Interessen der Politik Rücksicht genommen werden. Um die schlimmsten Auswüchse, die sich aus dieser Rechtslücke ergeben, zu bekämpfen, versucht man diese mit Hilfe der Konstruktion von den "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" (vgl. § 7 Völkerstrafgesetzbuch - http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/vstgb/__7.html) zu schließen.

Will man das Phänomen des Völkermordes mit Hilfe der heutigen juristischen Begriffe in früheren Zeiten untersuchen, muss man die Verrenkungen, die sich aus diesen Begriffen ergeben, mehr oder weniger in der Geschichte mitvollziehen, was sich natürlich verkomplizierend auf das Ergebnis dieser Betrachtung auswirken wird. Da halte ich es doch für besser, das Phänomen soziologisch zu defineren. Dies hat den Vorteil, dass man für die begriffliche Fassung dieses Phänomens rein fachliche Kriterien entwickeln kann, die sich ja auch aus der "Geschichte des Völkermordes" ergeben können, und man bei seinen Untersuchungen nicht die von den rechtspolitischen Interessen geprägten Verrenkungn der juristischen Begriffe mitberücksichtigen muss. Auf das in der Praxis ohnehin schwer nachzuweisende Merkmal der Absicht, ein Einfallstor für Ausreden, sollte dabei ganz verzichtet werden.
Ashigaru schrieb:
Du hältst mich offenbar für polemischer und bosartiger als ich tatsächlich bin. Ich habe daraus nur geschlossen, dass deine Hypothese wäre, in der Antike habe es solch einen Prozess gegeben - auch ohne Max und Moritz. Und die Rabulistik scheint dir zumindest nicht ganz fremd zu sein...
Fehlanzeige! Ich schätze eigentlich Deine Beiträge sehr, auch wenn mir Deine Standpunkte nicht immer gefallen. Und für bösartig halte ich Dich auch nicht.
Ashigaru schrieb:
Ich bin sogar ein großer Fan der fächerübergreifenden Zusammenarbeit, z.B. zwischen Archäologen und Historikern. Aber ein fiktiver Prozess, in dem Julius Cäsar für seine Taten im Gallischen Kireg belangt werden würde, ist "History Fiction".
"belangt"? Wer spricht denn von "belangen"? Gepostet wurde "bewerten".;)
 
@ Gandolf:
belangt"? Wer spricht denn von "belangen"? Gepostet wurde "bewerten".
Da hast du freilich recht.

zum Thema Völkermord/Vorsatz: ich bin kein Jurist, habe mich aber studienbedingt mit den psychologischen Vorbedingungen zu einem Völkermord in letzter Zeit ziemlich intensiv beschäftigt.

" Mit dem Erfordernis der Absicht wird die Meßlatte für das Vorliegen eines Völkermordes so hoch gehängt" - diese Ausführungen finde ich sehr logisch, dazu später gleich mehr...
Zum Begriff "bedingter Vorsatz" kann ich leider nicht viel sagen.
Aufgrund der psychologischen Dispositionen halte ich einen "spontanen" Völkermord für unwahrscheinlich - wobei entsprechende Handlung, wie bei Pogromen natürlich spontan auftreten können. Ein Völkermord verlangt aber von den Tätern Handlungen, die oft die Grenzen der individuellen Wertevorstellungen und persönlichen Verhaltensweisen sprengen. Um diesen inneren Konflikt aufzuheben, muss ein Täter aufgrund seiner Rolle (z.B. als Legionär) seine persönliche Verantwortlichkeit aufgeben könne und /oder glauben, mit seinen Handlungen einem übergeordneten Ideal/Zielen zu handeln. Natürlich wären auch psychopathologische Motive zu erwägen, aber aufgrund der Vielzahl der "Gehilfen" bei einem Völkermord können diese nicht für alle der Täter gelten.
Handeln wir also fest: die Täter eines Völkermords handeln als Gruppe in einem sozialen Kontext. Deswegen halte ich es nicht für möglich, dass ein Völkermord "einfach so" auftritt, sondern weil entweder über Jahre über die Gesellschaft entsprechende Feindbilder bedient wurden, die es möglich machen die Opfergruppe zu entmenschlichen und auszulöschen. Oder - und das passt jetzt besser auf den Gallischen Krieg, weil sie auf Befehl handeln und es im Machtinteresse bestimmter Gruppen oder Personen liegt, hier wäre es Julius Caesar, ein Volk auszulöschen. Begünstigt werden kann in einem Krieg solche Vorgehensweise zusätzlich durch Rache- und Vergeltungsmotive.

Jetzt noch mal zu folgendem:
" Mit dem Erfordernis der Absicht wird die Meßlatte für das Vorliegen eines Völkermordes so hoch gehängt"...

Du beschreibst natürlich die Mechanismen und Funktionsweisen des heutigen Völkerrechts.
Es gab in der Antike weder die entsprechenden Institutionen noch Rechtsformen, die in dem Abschnitt beschrieben werden, und das Problem der von dir erwähnten "Verrenkungen" wird sich über eine simple Rückübertragung nicht auflösen lassen. Richtig ist aber der im nächsten Abschnitt (" Will man das Phänomen des Völkermordes mit Hilfe der heutigen juristischen Begriffe in früheren Zeiten untersuchen...")
zugrundeliegenden Gedankengang, dass man andere Kriterien, z.B. soziologische entwickeln müsste.

Das ist jedoch meiner Meinung nach nicht das Entscheidende, die Kriterien (Ermordung von Zivilisten, Entwicklung von Feindbildern, Versklavung Kriegsgefanger und Zivlisten) wären schnell gefunden.

Ich sehe da eher zwei Probleme:
- zum einen jenes, mit dem ich schon über Quintus Fabius diskutierte:
man käme schnell zum Urteil, dass viele, wenn nicht alle oder die allermeisten antiken und mittelalterlichen Staaten nach den Maßstäben der Menschenrechte oder eines Völkerrechts zuwider handelten. Mit so einem Urteil, wie in der Grundtendenz des Eingangspostings ("Julius Cäsar/die Römer sind Verbrecher") käme man nicht weiter. Man prägt sich dann halt ein von den modernen Zuständen geprägtes, aber letztendlich banales Urteil mit einer einseitigen Schuldzuweisung. Interessanter ist doch vielmehr, nach Erklärungen zu suchen, warum es in der Antike nichts gab, was dem "Internationalen Recht" oder den "Menschenrechten" vergleichbar wäre, warum sich auch keine Kritik an der Kriegsführung entwickeln konnte (wie das ab dem Hochmittelalter immer stärker der Fall wurde) - und nicht zuletzt auch die Erklärung nach der Mentalität antiker Machthaber, die es ihnen leicht machte, die Entscheidungen für ein Massaker zu treffen.

Und jetzt noch mal, endlich zum römischen Kriegsführung bzw. dem Gallischen Krieg:
hier (wie auch bei anderen Quellen) ist es natürlich besonders schwer, irgendwelche Aussagen dazu zu treffen, warum die Römer die Kriege auf diese Art führten.

Erstens: gibt es nur die römischen Quellen, und wir wissen wenig über die Strategien und Kriegsführung der Kelten - immerhin einigermaßen etwas über die Pläne des Vercingetorix.
Zweitens: "Bellum iustum" hin oder her, beim römischen Reich, das ab dem 2. Jh. v. Chr. meist als Aggressor auftrat, fehlen uns bisher wichtige Kenntnisse über die Planungen und Entscheidungsprozesse aus politisch-moralischer Sicht, und auch über den Moralkodex römischer Soldaten oder Politiker. Wir wissen wenig darüber, was im Krieg erlaubt war und was für die Römer besondere Exzesse darstellten. Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Römer bei der Eroberung von Provinzen etc. die ehtische Überlegungen gar nicht anstellten. Die Quellen geben da wenig her, einie der wenigen Ausnahmen stellt Tacitus dar, der in zwei mir bekannten Fällen bedeutenden gegnerischen Heerführern Reden in den Mund legt, die die römische Eroberungspolitik kritisieren. Häufig liest sich das ganze aber wie die Stelle bei Sueton über Claudius' Britannienfeldzug: "Er unternahm nur einen Feldzug... und der war nicht eben bedeutend."
 
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Ashigaru schrieb:
zum Thema Völkermord/Vorsatz: ich bin kein Jurist, habe mich aber studienbedingt mit den psychologischen Vorbedingungen zu einem Völkermord in letzter Zeit ziemlich intensiv beschäftigt.

" Mit dem Erfordernis der Absicht wird die Meßlatte für das Vorliegen eines Völkermordes so hoch gehängt" - diese Ausführungen finde ich sehr logisch, dazu später gleich mehr...
Zum Begriff "bedingter Vorsatz" kann ich leider nicht viel sagen.
Aufgrund der psychologischen Dispositionen halte ich einen "spontanen" Völkermord für unwahrscheinlich - wobei entsprechende Handlung, wie bei Pogromen natürlich spontan auftreten können. Ein Völkermord verlangt aber von den Tätern Handlungen, die oft die Grenzen der individuellen Wertevorstellungen und persönlichen Verhaltensweisen sprengen. Um diesen inneren Konflikt aufzuheben, muss ein Täter aufgrund seiner Rolle (z.B. als Legionär) seine persönliche Verantwortlichkeit aufgeben könne und /oder glauben, mit seinen Handlungen einem übergeordneten Ideal/Zielen zu handeln. Natürlich wären auch psychopathologische Motive zu erwägen, aber aufgrund der Vielzahl der "Gehilfen" bei einem Völkermord können diese nicht für alle der Täter gelten.
Handeln wir also fest: die Täter eines Völkermords handeln als Gruppe in einem sozialen Kontext. Deswegen halte ich es nicht für möglich, dass ein Völkermord "einfach so" auftritt, sondern weil entweder über Jahre über die Gesellschaft entsprechende Feindbilder bedient wurden, die es möglich machen die Opfergruppe zu entmenschlichen und auszulöschen. Oder - und das passt jetzt besser auf den Gallischen Krieg, weil sie auf Befehl handeln und es im Machtinteresse bestimmter Gruppen oder Personen liegt, hier wäre es Julius Caesar, ein Volk auszulöschen. Begünstigt werden kann in einem Krieg solche Vorgehensweise zusätzlich durch Rache- und Vergeltungsmotive.

Jetzt noch mal zu folgendem:
" Mit dem Erfordernis der Absicht wird die Meßlatte für das Vorliegen eines Völkermordes so hoch gehängt"...

Du beschreibst natürlich die Mechanismen und Funktionsweisen des heutigen Völkerrechts.
Es gab in der Antike weder die entsprechenden Institutionen noch Rechtsformen, die in dem Abschnitt beschrieben werden, und das Problem der von dir erwähnten "Verrenkungen" wird sich über eine simple Rückübertragung nicht auflösen lassen. Richtig ist aber der im nächsten Abschnitt (" Will man das Phänomen des Völkermordes mit Hilfe der heutigen juristischen Begriffe in früheren Zeiten untersuchen...")
zugrundeliegenden Gedankengang, dass man andere Kriterien, z.B. soziologische entwickeln müsste.
So unterschiedlich sind unsere Positionen eigentlich nicht. Wir stimmen wohl darin überein, dass das Phänomen „Völkermord“ mittels soziologischer Kriterien, etc. und weniger mittels Subsumtion unter einen juristischen Begriff untersucht werden sollte.

Was die Planungen/Vorbereitungshandlungen angeht, stimme ich dir zu, dass diese häufig der Tatausführung vorausgehen und bei der Tatausführung, z.B. als Verhaltensmuster, wahrzunehmen sind. Ich würde jedoch diese Typizität nicht als Kriterium für das Vorliegen eines Völkermordes (im Sinne einer Voraussetzung) verstehen wollen, sondern nur für eine mehr oder weniger typische Erscheinungsform des Völkermordes.

Bei solchem Verständnis wäre man auch noch offen für andere Fallgruppen wie zum Beispiel für den „spontan“ verübten Völkermord oder für den fahrlässig verursachten Völkermord.
  • Beim spontan verübten Völkermord wird im Gegensatz zum voraus geplanten Völkermord nicht plangemäß eine Situation geschaffen, in der der geplante Völkermord verübt werden kann, sondern eine sich zufällig ergebene Situation wird zur Begehung eines vorsätzlichen Völkermordes ausgenutzt (z.B. eine Armeeeinheit befindet sich zufällig in der Nähe einer Ansiedlung und begeht dann in dieser ein Massaker unter der Zivilbevölkerung).
  • Beim fahrlässigen Völkermord werden Teile eines Volkes fahrlässig zerstört, ohne dass bekannt oder gewollt war, dass dieses Resultat eintritt, wobei freilich bekannt war, dass dieses Ergebnis eintreten wird – z.B. Kriegsführung entzieht vorsatzlos einem Teil eines Volkes die Lebensgrundlage, so dass dieser Teil im Winter verhungern wird.
Der Vorteil bei dieser Vorgehensweise wäre einfach der, dass man sich nicht in juristische Begrifflichkeiten verrennt, und man zugleich offen ist, für die in der Praxis anzutreffenden Formen des Völkermordes - unabhängig davon, ob und wie diese bestraft werden.
Ashigaru schrieb:
Ich sehe da eher zwei Probleme:
- zum einen jenes, mit dem ich schon über Quintus Fabius diskutierte:
man käme schnell zum Urteil, dass viele, wenn nicht alle oder die allermeisten antiken und mittelalterlichen Staaten nach den Maßstäben der Menschenrechte oder eines Völkerrechts zuwider handelten. Mit so einem Urteil, wie in der Grundtendenz des Eingangspostings ("Julius Cäsar/die Römer sind Verbrecher") käme man nicht weiter. Man prägt sich dann halt ein von den modernen Zuständen geprägtes, aber letztendlich banales Urteil mit einer einseitigen Schuldzuweisung. Interessanter ist doch vielmehr, nach Erklärungen zu suchen, warum es in der Antike nichts gab, was dem "Internationalen Recht" oder den "Menschenrechten" vergleichbar wäre, warum sich auch keine Kritik an der Kriegsführung entwickeln konnte (wie das ab dem Hochmittelalter immer stärker der Fall wurde) - und nicht zuletzt auch die Erklärung nach der Mentalität antiker Machthaber, die es ihnen leicht machte, die Entscheidungen für ein Massaker zu treffen.
Das ist ein durchaus interessanter Gedanke. Ich schlage folgende Vorgehensweise vor, um diesen am Beispiel des Völkermordes zu realisieren:
  1. Festlegung der soziologischen Kriterien des Phänomens Völkermord.
  2. Prüfung der Frage, ob sich in Gallien derartige Phänomene überhaupt ereignet haben.
  3. Prüfung der Frage, wie in der Antike die sich in Gallien ereigneten Phänomene – nach damaligem ethischen Verständnis – beurteilt wurden.
  4. Prüfung der Frage, wie nach unserem Verständnis die sich in Gallien ereigneten Phänomene zu beurteilen wären.
  5. Beurteilung der ethischen Unterschiede im Sinne einer sich veränderten Ethik zum Phänomen "Völkermord".
An den Schritten 1 bis 4 führt also kein Weg vorbei, wenn man Deiner Forschungsidee - am Beispiel des Völkermord-Phänomens - nachgehen möchte.
 
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Darf ich hinzufügen: Was ist ein "Volk" im Sinne eines Völkermords?

Oder bin ich zu penibel? :grübel:
 
Ich ignoriere ganz bewußt die Diskussion um Wortwahl. Es bringt rein gar nichts, die Details abzuklären um zu versuchen heutige Rechtsnormen anzulegen.

Quintus Fabius schrieb:
Moralisch kann man sehr wohl Vergleiche anstellen. Und muß dabei feststellen, daß die damaligen Geschehnisse Verbrechen waren.
Diese Tendenz in der Geschichtswissenschaft im Sinne eines moralischen Nihilismus nichts geschichtliches moralisch Bewerten zu wollen, finde ich falsch bzw sogar bedenklich. Was für Maßstäbe sollen denn überhaupt stimmen, bzw was sollen Menschenrechte, wenn man sie in der Geschichte mit der Begründung anderer Kultur als irrelevant ansieht?! Dann kann man auch heute diese Dinge als irrelevant sehen. Der Mensch hat sich geistig-emotional seit der Steinzeit nicht verändert. Er hat nur mehr Wissen erlangt, und Kultur, aber die ist nur eine ganz dünne Firniß über dem was immer noch in jedem Volk und Menschen vorhanden ist.

Aus unserer heutigen Sicht, das wurde schon mehrfach festgestellt, hast du recht, Mord an Zivilisten ist nunmal eben dieses.
Aber genau da liegt das Problem, alles folgende, von einer einheitlichen Moral und vor allem einem gleichmäßigen "Geistig-emotionalen" Horizont seit der Steinzeit ist eindeutig falsch.

Die Moral ist ebenso Schwankungen und Entwicklungen unterworfen, wie dies die Technik uns wesentlich sichtbarer vorführt.
Um einmal kurz von Mord und Totschlag weg zu kommen, führe ich die wesentlich besser erforschte Sexualmoral an. Der menschliche Standpunkt dazu hat sich offensichtlich immer und immer wieder geändert und befindet sich auch heute in verschiedenen Kulturen auf verschiedenen Ebenen, von denen sich keine als richtig oder falsch abtun lassen kann.
Polygamie, Monogamie, Treue, Partnertausch, einseitige Treue, Ehe, wilde Ehe, Homosexualität, Heterosexualität, Pädophilie, Sadomasochismus, Fetische... Was in der Antike geduldet wurde wäre heute undenkbar und umgekehrt.
Daraus wird eines ersichtlich: der Mensch befand sich moralisch wie emotional eben nicht schon immer auf einer Ebene und wird auch nicht darauf beharren.


Gleiches gilt für sein Wertesystem. Wie gesagt, aus unserer heutigen Sicht kann es nur falsch sein Sklaven zu halten, zu Gladiatorenspielen zu gehen, eine Stadt zu entvölkern, ein Volk zwangsumzusiedeln usw.
Aus damaliger Sicht gab es sichtliche Grenzen. Was nun aber Völkermord angeht war dies an gänzlich anderer Stelle, dies demonstrieren ALLE Völker der damaligen Zeit, indem sie Stämme, Städte oder Bevölkerungen vernichten und versklaven. Daraus wird dann klar ersichtlich: recht und unrecht wurden seinerzeit deutlich anders gesehen als heute, woraus klar wird, wenn wir sie verurteilen, dann ist das ausschließlich die heutige Sicht der Dinge, die für eine Verurteilung nicht ausreichen kann und darf.

Betrachten wir also die heutigen Maßstäbe so sehen wir auch die Unterschiede. Vietnam wurde nach Veröffentlichung der Morde und Gewalt an der Bevölkerung die Unterstützung durch die Menschen daheim genommen, und noch heute ist es möglich hin und wieder eine Anklage zu beobachten.
Oder den letzten Golfkrieg: die Mißhandlungen an Gefangenen Irakis führte zu einem Protestschrei der ganzen Welt und Prozessen gegen die Ausführenden.
Auch finden keine Geiselerschießungen dort mehr statt (nicht von Seiten der westlichen Nationen ist damit gemeint).

Es gibt diese Unterschiede, sie zu ignorieren bedeutet Ignoranz und den Historikern, die moralische Wertung als viel mißbrauchtes und teilweise sogar rassistisches Mittel erkannt haben, vorzuwerfen, sie würden damit irgendeinen falschen Hintergrund verfolgen verschließt die Augen vor Bildern nationaler "Ursprünge" und "gerechter Vergeltungskriege" wie sie in der Vergangenheit geführt wurden (Stichworte wie "Erbkrieg" müssen da hochkommen).

Also nochmal: aus unserer heutigen Sicht handelt es sich bei jeder Art antiker Kriegsführung um Massenmord (um den Begriff Völker mal rauszulassen) und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Versklavung, Vergewaltigung, "Kidnapping" usw. usf.).
Aus damaliger Sicht war dies die Realität und Notwendigkeit der Kriegsführung an sich.
Nur aus all diesen Entwicklungen heraus konnte unsere Sicht der Dinge überhaupt entstehen.

es handelt sich hier um andere Kulturen, sowohl auf der Verlierer wie auf der Gewinnerseite (die oft genug wechselten). Sie einfach als Verbrecher abzuurteilen entspricht absolut nicht dem, was wir heute als Toleranz bezeichnen oder auch nur als Versuch betrachten könnten, zu verstehen (sowohl Kultur als auch Geschichte).
Man macht es sich viel zu einfach.
 
Nach einer Definition im Bertelsmann Lexikon (Entschuldigung hab gerade kein besseres zur Hand) ist Völkermord die völlige und teilweise Ausrottung einer nationalen, rassischen, religiösen oder ethnischen Gruppe durch Tötung, Aufzwingen schlechter Lebensbedingungen etc.

Nach Cäsar wurden solche Maßnahmen gegen die Veneter und Eburonen angewandt. Auch wurden die Nervier angeblich dezimiert.
Doch zuerst müssen wir mal die Frage stellen, sind die Veneter, Eburonen, Nervier etc. eine solche Gruppe oder sind sie bloß Teil der Gallier, der Belgen. War die Bombardierung Rotterdams, Dresdens, Guernicas etc. Völkermord? Ich denke, dies würde man rechtlich nicht so sehen. Allenfalls wären es Kriegsverbrechen. Sieht man also die gallischen und belgischen civitates nicht als ethnische Gruppe, sondern lediglich als Teil der Gallier/Belgen wäre der Vorwurf von vorn herein hinfällig.
 
beorna schrieb:
Nach einer Definition im Bertelsmann Lexikon (Entschuldigung hab gerade kein besseres zur Hand) ist Völkermord die völlige und teilweise Ausrottung einer nationalen, rassischen, religiösen oder ethnischen Gruppe durch Tötung, Aufzwingen schlechter Lebensbedingungen etc.

Nach Cäsar wurden solche Maßnahmen gegen die Veneter und Eburonen angewandt. Auch wurden die Nervier angeblich dezimiert.
Doch zuerst müssen wir mal die Frage stellen, sind die Veneter, Eburonen, Nervier etc. eine solche Gruppe oder sind sie bloß Teil der Gallier, der Belgen. War die Bombardierung Rotterdams, Dresdens, Guernicas etc. Völkermord? Ich denke, dies würde man rechtlich nicht so sehen. Allenfalls wären es Kriegsverbrechen. Sieht man also die gallischen und belgischen civitates nicht als ethnische Gruppe, sondern lediglich als Teil der Gallier/Belgen wäre der Vorwurf von vorn herein hinfällig.
1. Um die Frage zu beantworten, ob in Gallien ein Völkermord geschah, muss man nun wirklich nicht über die Bombardierung Rotterdams, Dresdens oder Guernicas diskutieren.
2. Für das Vorliegen eines Völkermordes genügt die teilweise Zerstörung einer ethischen Gruppe. Mithin muss man sich auch nicht in den Formalismus ergehen, ob die Veneter, Eburonen, Nervier etc. eine solche Gruppe waren oder bloß Teil der Gallier bzw. der Belgen gewesen sind, weil im letzterem Fall eben ein Teil der gallischen Gruppe zerstört wurde.
 
Gandolf schrieb:
1. Um die Frage zu beantworten, ob in Gallien ein Völkermord geschah, muss man nun wirklich nicht über die Bombardierung Rotterdams, Dresdens oder Guernicas diskutieren.
2. Für das Vorliegen eines Völkermordes genügt die teilweise Zerstörung einer ethischen Gruppe. Mithin muss man sich auch nicht in den Formalismus ergehen, ob die Veneter, Eburonen, Nervier etc. eine solche Gruppe waren oder bloß Teil der Gallier bzw. der Belgen gewesen sind, weil im letzterem Fall eben ein Teil der gallischen Gruppe zerstört wurde.

1)Ich will auch gar nicht über Dresden, Rotterdam oder Guernica diskutieren. Diese Erwähnung moderner Kriegsgeschehnisse sollte bloß verdeutlichen, daß man nicht automatisch Völkermord begehen muß, wenn man eine Stadt ausradiert. D.h. , daß was einige als Völkermord bezeichnen, könnte ebendso gut bloß als Kriegsverbrechen bezeichnet werden.
2) Mich stört ein wenig, daß einige von Völkermord ausgehen, ohne überhaupt diesen bewiesen zu haben, zumindest einer sogar davon ausgeht, daß es so war und es überhaupt nichts zu diskutieren gibt. Ich nannte als Beispiel schon die Nervier. Cäsar "rottet" sie bis auf wenige aus. Ein paar Kapitel später stellen sie schon wieder tausende von Kriegern. Ich hielt Nervier bislang für Belger und nicht für eine belgische Kaninchenrasse. Wo kommen also diese Krieger her, wenn sie doch ausgerottet wurden?
3) Mein Vorschlag lautet also, wer Cäsar Völkermord beweisen möchte, sollte doch erst einmal Stellen aufzeigen womit man dies beweisen möchte. Dann diskutiert man über den Wahrheitsgehalt der Stellen und dann kann man darüber diskutieren ob und überhaupt...
 
Und nun ein Artikel, der meinen Standpunkt unterstreicht. Die darin hervorgehobene Definition von Völkermord (den Begriff gab es bis vor kurzem noch garnicht?!), enthält eine sehr kritische Dimension, die da lautet: organisierte Vernichtung für dessen, was sie sind.

Völkermord

"Um einen Menschen zu töten, reicht Hass. Das Töten von einer Million Menschen erfordert Organisation. Bei einem solchen Vorgehen muss ein Verbrechen als Völkermord bezeichnet werden. Der Völkermord ist eine organisierte Vernichtungsaktion, bei der Menschen nicht wegen ihrer Taten, sondern wegen dessen, was sie sind, vernichtet werden. Der Völkermord ist eine endlose Spirale, in deren Sog jeder Mensch geraten kann.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs sagte Winston Churchill: "Wir stehen einem unsäglichen Verbrechen gegenüber." Nach Auschwitz wurde ein neues Wort erfunden, um das Unsägliche zu benennen: Völkermord, Genozid. Doch auch dieses Wort wird die Haufen von Haaren, von Kinderschuhen und Brillen, die Millionen von in Rauch und Asche aufgegangenen Körpern niemals erklären können; niemals wird es dem Unfassbaren einen Sinn geben können. Völkermord: ein Substantiv, mit dem das Unsagbare benannt werden soll, ein Wort, um etwas zu bezeichnen, das mit keinem der grausamsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte vergleichbar ist."

Françoise BOUCHET-SAULNIER
Maudits soient les yeux fermés, ARTE Editions, J-C Lattès, 1995

Die Definition von Völkermord als rechtlichem Tatbestand geht auf das Jahr 1944 zurück. Erarbeitet wurde sie von dem amerikanischen Juristen Raphaël Lemkin angesichts des Ausmaßes der Judenvernichtung, deren einziger Grund das Judentum der Opfer war. 1948 wurde die "Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords" angenommen. Danach erfolgte die Anwendung des Tatbestandes manchmal berechtigt, manchmal umstritten, manchmal auch fälschlich. [...].
Koné Dramane

Quelle


Also, hier die Fragen: 1. Wurden die Gallier "sinnlos" getötet, nur weil sie Gallier waren? 2. War es eine organisierte Tötungsaktion?

(Nein, ich erwarte jetzt keine abschließende Antwort, sondern möchte der Diskussion eine neue Dimension aufgeben)
 
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