Vorbehalte gegenüber Juden im Spätmittelalter

Upps,habe oben was von Thomas von Aquin geschrieben,aber natürlich Bernhard von Clairvaux gemeint.:autsch:

@ursi ,das ist recht einfach
die Daten für die Progrome im erweiterten Rhenland sind für das Jahr 1096
Metz im April
Speyer am http://de.wikipedia.org/wiki/Rouenhttp://de.wikipedia.org/wiki/Jüdische_Gemeinde_Speyer3. Mai ,
Worms 5.–18. Mai,
Mainz 27. Mai ,
Trier ,Köln,Neuss,Altenahr,Xanten und Moers im Juni

Ursache und Anlass war der Durchzug eines Volkskreuzzugsheeres unter Führung von Emicho von Leiningen und Wilhelm von Melun sowie der Mönche Gottschalk und Volkmar.
Auslöser war das von den Kreuzzugspredigern ausgelöste Gerücht,die Juden hätten dem Kalifen Al-Hakim 1007 bei der Eroberung Jerusalems und der Zerstörung der Grabeskirche geholfen.Daneben erfolgte eine religiöse Kriminalisierung durch die Unterstellung von Hostienschändungen ,Ritualmorde bis zum Kannibalismus und Gotteslästerung. http://de.wikipedia.org/wiki/Neuss
 
@Hulda
das ist mir schon klar,daß die Enstehung der Evangelien 65- 120 .Chr. weit vor der Erhebung zur Staatsreligion im Jahre 380 lag. Aber die Kanonisierung erfolgte später und wir haben auch nicht unbedingt die Gewähr ,daß genau diese Passage,die die Rolle der Römer betrifft, nicht später abgemildert oder modifiziert wurde.
Darüber hinaus könnte die Verharmlosung der römischen Rolle auch damit zu erklären sein,daß bei der Erstellung der evangelien gerade der jüdische Krieg zu Ende war und man sich mit dem verschieben der Verantwortung von den Römern zu den Juden von letzteren distanzieren wollte um römischen Sanktionen gegenüber den Juden zu entgehen.
 
das ist mir schon klar,daß die Enstehung der Evangelien 65- 120 .Chr. weit vor der Erhebung zur Staatsreligion im Jahre 380 lag. Aber die Kanonisierung erfolgte später
Die Kanonsierung des Neuen Testaments insgesamt war ein langer Prozeß; die Kanonisierung der Evangelien war de facto schon im 2./3. Jh. vollzogen, jedenfalls lange vor der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion.

und wir haben auch nicht unbedingt die Gewähr ,daß genau diese Passage,die die Rolle der Römer betrifft, nicht später abgemildert oder modifiziert wurde.
Doch, diese Gewähr haben wir - soweit man für historische Ereignisse überhaupt eine Gewähr geben kann.

Siehe z. B.:
Papyrus 66 ? Wikipedia
 
Wichtig wäre zu schauen, warum ein so brutaler Mensch wie Pontius Pilatus in den Evangelien so gut "weggekommen" ist.

Dieser Punkt war mir in einem Aufsatz auch besonders aufgefallen. Schön, dass Du diesen Aspekt noch einmal mit einer anderen Quelle bestätigst, da mir der Aufsatz nicht 100%ig objektiv vorkam.
http://fowid.de/fileadmin/textarchi..._gegen_Juden__Gerhard_Czermak___TA-2000-8.pdf

Wohlgemerkt wird in den Evangelien wegen Menschenmordes angeklagt.

Was konnte es Schlimmeres geben als ein Volk, das sich kollektiv(!!!) des Gottesmordes schuldig gemacht hatte?

Kann man in Bezug auf das NT denn zwischen Gottesmord und Menschenmord unterscheiden? :grübel:
Das scheint doch eine Frage des Glaubens zu sein. Den Satz „Ihr habt Jesus Christus ermordet.“ kann ich als Vorwurf des Gottesmordes verstehen, wenn ich Christ bin, oder eben nur als Vorwurf des Menschenmordes, wenn Jesus für mich nur ein Mensch war. Und wenn ich nicht nur die Evangelien, sondern das NT insgesamt betrachte, wird an einigen Stellen deutlich, dass nach Auffassung der „Ankläger“ Jesus mehr als nur ein Mensch war.

„So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Christus gemacht hat.“
Apostelgeschichte 2,36

Ich hatte angenommen, dass der Unterschied zwischen den Quellen im NT und späterer Literatur gerade im Aspekt der Kollektivschuld liegt. Es gibt im NT nur eine Stelle, in der alle Juden des Mordes angeklagt werden (1Thess 2,15).
Die Vorwürfe an anderen Stellen richten sich an bestimmte Gruppen, wie den Hohen Rat oder die Gemeinde in Jerusalem. Die Differenzierung zwischen dem Vorwurf, Jesus ausgeliefert zu haben, also Mitschuld an seinem Tod zu tragen und dem Vorwurf, ihn ermordet zu haben, hebt sich bereits im NT auf. Erst später wurde dieser Vorwurf auf von den Zeitgenossen Jesu, die direkt an den Ereignissen beteiligt waren, auf alle Juden und deren Nachfahren erweitert. So z.B bei Augustinus:
Karfreitagspredigt
Bedeutsam ist, dass der „Gottesmord“ nicht nur den jüdischen Zeitgenossen Christi vorgeworfen wird. Den Juden zur Zeit des Augustinus wird unterstellt, sie zögen „es vor, Christus zu verleugnen, weil sie ihn nicht mehr töten können.“
Bei der Argumentation des Augustinus finde ich bemerkenswert, wie er argumentiert. Ich verstehe das so: Die Juden ermordeten (ind. Rede) Jesus durch ihre Weigerung, seine Rolle als Messias und Sohn Gottes anzuerkennen, immer wieder aufs Neue.

Daneben scheint die in der Antike verbreitete Idee, ein Volk könne kollektiv Schuld auf sich laden und erleide dann auch kollektiv die Strafe dafür, eine Rolle gespielt zu haben. So wurde ja die Diaspora als Strafe Gottes für den angeblichen Mord an Jesus gedeutet.
 
Kann ein Mensch überhaupt einen Gott gebären? Wenn ja, ist er dann ein Gott, oder ein Halbgott, wie in der griechischen Mythologie?

Desweiteren stellt sich mir immer noch die Frage, warum Christen überhaupt die Schuldfrage stellen und zu beantworten suchen. Die Heilsgeschichte und "Menschwerdung des Sohnes" ist Dreh- und Angelpunkt der Religion. Einerseits ist man bemüht den Sohn als Mensch darzustellen, dann wieder das Göttliche in ihm, um die Verwerflichkeit gegen ihn in den Vordergrund zu rücken.

Man darf sich die Frage stellen, wurde auch heftig diskutiert, warum Gott Vater seinem Sohn nicht beisteht. Vielmehr noch, wenn Jesus ein Gott war, warum konnte er selbst sich nicht helfen?

Gerade hier sehe ich die Probleme: Warum wird Jesus und die christliche Religion so sehr personifiziert, warum will man mit aller Macht den Menschen Jesus finden, um sein Leben und Wirken zu beweisen? Religion heißt Glauben, nicht Wissen.

Hm, irgendwie finde ich jetzt nicht die richtigen Worte, um klarzustellen, was ich meine. Sorry.
 
Ich denke, wir sollten hier nicht in den Bereich des Glaubens abschweifen.

Um zum Ursprung des Threads zurückzukommen, nämlich der Frage nach den Gründen für den spätmittelaterlichen Judenhass, versuche ich den roten Faden wieder aufzunehmen:

1. Ausgehend von der seit den Anfängen des christlichen Glaubens getätigten Falschaussage, die Juden hätten Gott ans Kreuz geschlagen, kam ein dadurch begründeter Hass auf.
Der Ursprung für diese falsche Darstellung liegt meines Erachtens- wie schon dargelegt- in der Angst der jungen Christen vor Rom.
Die Christenverfolgungen dürfen in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden. Es wäre demnach aus christlicher Sicht höchst gefährlich gewesen, Pontius Pilatus als den Lumpen darzustellen, der er war.
(In dem Zusammenhang möchte ich nochmals auf den von mir bereits zuvor erwähnten Pinchas Lapide verweisen.)

2. Verflucht waren die Gottesmörder auf ewig in alle Winde verstreut zu leben. Selbst Gott hatte sie verurteilt.
Vom Gottesmordmythos und seinen Folgen ließen sich viele weitere Vorurteile Juden gegenüber begründen. Wer Gott ermordet hat, ist zu anderen Schandtaten ohnehin fähig. Und wer so abgrundtief schlecht ist, bedarf auch keines Schutzes (nicht zu verwechseln mit Schutzbrief!!!).

3. Wer Gott für 30 Silberlinge verrät, tut für Geld alles.

Vergessen wurde dabei stets,
dass der, in dessen Namen Juden Unrecht getan wurde, selbst einer war,
dass das Vaterunser ein jüdisches Gebet ist,
dass im Glaubensbekenntnis gesprochen wird: "...gelitten unter Pontius Pilatus...",
dass (nach christlicher Lehre) Jesus das Opfer auf sich genommen hat zur Erlösung,
dass zu dieser Erlösungstat auch Judas gehört.

Thomas von Aquin und andere haben dafür gesorgt, dass die Anklagen gegen Juden an Aktualität nichts einbüßten.

In einem früheren Beitrag hatte ich für das Mittelalter relevante Stichworte aufgeschrieben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich denke, wir sollten hier nicht in den Bereich des Glaubens abschweifen.

Nur noch ein Minischweif.:winke:

Die Behauptung von Kobi (#5,11,15,20), dass die Juden in den Evangelien als Gottesmörder bezeichnet würden, hat Scorpio (#18) mit Recht bestritten. Dazu muss man in andere Teile des NT schauen: Als Gottesmörder werden die Juden explizit in Apostelgeschichte 7, 52 genannt ("dessen Verräter und Mörder ihr nun geworden seid") mit der Variante in 3,15 ("den Fürsten des Lebens habt ihr getötet").

Von den Evangelisten nennt Matthäus 27,23 nennt "nur" die Forderung der jüdischen Volksmenge an PP ("Laß ihn kreuzigen"), verbunden mit dem Wunsch in V.25 ("Sein Blut komme über uns und unsere Kinder"), der auch im Mittelalter mit am häufigsten zitiert wurde. Johannes 8,44 stellt ergänzend klar, dass die Juden dabei als Werkzeuge des Teufels agierten ("Ihr seid von dem Vater, dem Teufel, und nach eures Vaters Lust wollt ihr tun.")

Um zum Ursprung des Threads zurückzukommen, nämlich der Frage nach den Gründen für den spätmittelaterlichen Judenhass, versuche ich den roten Faden wieder aufzunehmen:
Jawoll. Zu diesem Behufe möchte ich den Versuch machen, auf einen historischen Abschnitt näher einzugehen.

Wir sind uns ja wahrscheinlich einig, dass es für die europäischen Juden, speziell die deutschen, am Ende des 11. Jahrhunderts zu den ersten Katastrophen kam, nämlich in Verbindung mit dem Kreuzzugsgedanken.

Als eine Art Zwischenschritt/Vorboten kann man die judenfeindliche Bewegung ansehen, die im Anschluss an die Zerstörung der Jerusalemer Grabeskirchen durch den - geistesgestörten? - Kalifen Al-Hakim im Jahre 1007 sich entfaltete.

Davor aber scheint es den europäischen Juden relativ gut gegangen zu sein. Heinrich Graetz schreibt: "Die günstige Lage der Juden im fränkischen Reiche, welche von Karl dem Großen begründet und von seinem Sohne Ludwig (814-40) erhöht wurde, spornte sie zu einer Art Geistestätigkeit an, und sie legten soviel Eifer für das Judentum an den Tag, daß sie auch Christen dafür zu begeistern vermochten." Die Juden genossen "eine ausgedehnte Religionsfreiheit ..., wie kaum in unseren Tagen. Die gehässigen kanonischen Gesetze gegen sie waren stillschweigend außer Kraft gesetzt. Die Juden durften ungestört neue Synagogen bauen und frei über die Bedeutung des Judentums in Gegenwart christlicher Zuhörer sprechen..." [1]

Es drängt sich also die Frage auf: Welche Faktoren haben zwischen 800 und 1000/1100 die offensichtliche "historische Wende" im Verhältnis der Christen zu den Juden in Europa herbeigeführt? Sicher wurden von den Judenfeinden viele der Vorurteile/Vorbehalte, die hier schon genannt worden sind, neu aktiviert. Aber wie kam es, dass sie sich schließlich - gegen alle Humanität, ökonomische Vernunft usw. - durchsetzen konnten? Wer trägt dafür die Verantwortung? Wer hat einen "Nutzen" davon gehabt?


[1] Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Bd. 5, 4. Aufl. Leipzig 1909, S. 230, 233
 
Es drängt sich also die Frage auf: Welche Faktoren haben zwischen 800 und 1000/1100 die offensichtliche "historische Wende" im Verhältnis der Christen zu den Juden in Europa herbeigeführt? Sicher wurden von den Judenfeinden viele der Vorurteile/Vorbehalte, die hier schon genannt worden sind, neu aktiviert. Aber wie kam es, dass sie sich schließlich - gegen alle Humanität, ökonomische Vernunft usw. - durchsetzen konnten? Wer trägt dafür die Verantwortung? Wer hat einen "Nutzen" davon gehabt?

Sind das nicht auch regionale Faktoren bzw. als Bezug wichtig?

Die Juden in Spanien sind zunächst zu nennen
Massaker von Granada ? Wikipedia

In dieser Zeit kann man Siedlungsschwerpunkte im übrigen Europa in Lothringen und der Rheinschiene (auch bzgl. der jüdischen Gelehrten) ausmachen, bzgl. der osteuropäischen Juden setzen die Berichte wohl noch später an.
Deutscher Kreuzzug von 1096 ? Wikipedia
sowie die von Dir zitierte Literatur (2. Auflage), Band 6, S. 72, 89 (1096), 248.

In Speyer fällt der Bau der ersten Synagoge mit dem Progrom 1096 zusammen.
Juden in Deutschland - Speyer
 
Die osteuropäischen Juden sind die Nachkommen von vor den Kreuzzugspogromen geflohenen deutschen Juden. Deshalb sprachen sie auch Jiddisch, das sich aus dem mittelalterlichen Deutsch entwickelte. Die Verfolgungen im Zarenreich (woher auch das Wort Pogrom kommt) begannen erst später.
 
Sind das nicht auch regionale Faktoren bzw. als Bezug wichtig?

Die Juden in Spanien sind zunächst zu nennen
Massaker von Granada ? Wikipedia

Zu diesem Massaker gibt es ja einige Quellen, die Erinnerungen von 'Abdallah Ibn Buluggin z.B. oder die daraus schöpfende 'Amal al-'alam von Ibn al-Khatib bzw. die anonyme al-Hulal al-Mawashiyya, außerdem das sephardische Sefer ha-Kabbalah. Die meisten dieser Quellen geben Yehosef ibn Naghrellah, dem jüdischen Wesir der Ziriden die Schuld an diesem Massaker. 'Abdallah berichtet sogar, Yehosef habe seinen Vater vergiftet, um an dessen Stelle das Erbe seines ('Abdallahs) Großvaters Badis anzutreten. Bei mir hat sich der Eindruck festgesetzt, dass man nach dem Pogrom Yehosef, der ziemlich sicher ein Verbrecher war, noch so einiges in die Schuhe geschoben hat, was er nicht verbrochen hat. Insbesondere die Ermordung von Buluggin, der im Clinch mit den Frauen seines Vaters Badis und den Granden des Reiches lag, scheint mir nicht von Yehosef durchgeführt worden zu sein. Bezeichnenderweise hat am dies auch erst nach dem Pogrom behauptet, wobei zwischen der Ermordung Buluggins und dem Pogrom wohl einige Monate ins Land geflossen sind, während derer Yehosef in Amt und Würden blieb.
 
Sind das nicht auch regionale Faktoren bzw. als Bezug wichtig?
Selbstverständlich! Dass ich das Fränkische Reich als erstes angesprochen habe, ist einer gewissen Bequemlichkeit geschuldet.:winke:

Die Juden in Spanien sind zunächst zu nennen
Ja, der jüdische Wesir Joseph hatte sich in politische Händel zwischen islamische Fürsten verstricken lassen und Neid auf sich gezogen. Da reichte offenbar die Agitation gewisser Hassprediger aus, wobei ich über sonstige Motive nicht viel weiß.

Es war freilich nicht der erste Vorfall dieser Art. Graetz (Bd. 6, S. 50 f.) erwähnt "Lyon (1049), wo die Juden erschlagen wurden, und ihre Habe an die Geistlichkeit überging. Die französischen Krieger, welche nach Spanien zogen, um einen Kreuzzug gegen die Mohammedaner zu eröffnen, töteten unterwegs manchen unschuldigen Juden (1065)..."

PS: Sehe gerade, dass ElQ mehr Infos hat.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zu diesem Massaker gibt es ja einige Quellen, die Erinnerungen von 'Abdallah Ibn Buluggin z.B. oder die daraus schöpfende 'Amal al-'alam von Ibn al-Khatib bzw. die anonyme al-Hulal al-Mawashiyya, außerdem das sephardische Sefer ha-Kabbalah. Die meisten dieser Quellen ...

Schau mal unter Band 6, S. 51ff. Da würde mich Deine Meinung interessieren.
[digital zu finden bei Geschichte der Juden : von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart : Graetz, Heinrich, 1817-1891 : Free Download & Streaming : Internet Archive ]

Als Begründung/Voraussetzung wird ein Machtverfall des Wesirs etc. angegeben.
 
Ich bin erstaunt über das Wissen welches Graetz vorliegt, da die Hauptquelle zu den Ereignissen, die Schrift von 'Abdallah ibn Buluggin, erst in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts in einem vermauerten Gewölbe einer Moschee in Marrakush wieder aufgetaucht ist. Bis dahin kannte man nur wenige kurze Passagen daraus, die Ibn al-Khatib und die anonyme al-Hulal al-Mawshiyya zitierten. Ibn al-Khatib scheint im Übrigen genau mit dem Exemplar gearbeitet zu haben, welches Levy-Provençal dann fand, denn er sagt, dass es sich um eine HS handele, welche in der Bibliothek eben dieser marrakusher Moschee zu finden sei. Möglicherweise handelt es sich sogar um einen Autographen 'Abdallahs.
 
Ich bin erstaunt über das Wissen welches Graetz vorliegt, da die Hauptquelle zu den Ereignissen, die Schrift von 'Abdallah ibn Buluggin, erst in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts in einem vermauerten Gewölbe einer Moschee in Marrakush wieder aufgetaucht ist.
Kannst Du mit seinen Quellenangaben etwas anfangen?
 
Kannst Du mit seinen Quellenangaben etwas anfangen?

Abraham ibn Dawud ist der Verfasser des von mir erwähnten Séfer ha-Kabbalah, liegt in spanischer Übersetzung als Libro de la tradición o.ä. vor. Almakkari bzw. al-Maqqari, vorliegend in einer sehr modern anmutenden Übersetzung aus dem 19. Jhdt. von Gayangos ins Englische, ist ein Autor des 17. Jahrhunderts, dank dem wir manch ältere Quelle überhaupt erhalten haben. Ein sehr gewissenhafter Kompilator!
Ibn Alfara (al-Fara?) sagt mir im Augenblick nichts. Reinhard Dozy († 1883), den Graetz häufiger zitiert, muss man als Pionier der Erforschung der Geschichte al-Andalus' schätzen (ebenso wie Évariste Levy-Provençal) aber seine Forschungsergebnisse sind heute in weiten Teilen nicht mehr haltbar. Ähnliches gilt selbst für den 1956 verstorbenen Levy-Provençal, dem wir die Entdeckung und Edition vieler arabischer Quellen zu verdanken haben. Aber wie das eben häufig bei Sprachforschern ist, geht ihnen der Sinn für die Q-Kritik leider ab. Die glauben den Quellen so, wie es niedergschrieben ist. (Vor einigen Jahren bin ich über ein Buch gestolpert, in dem ein deutscher Herausgeber Ende der 90er Jahre andalusische Quellen in deutscher Übersetzung herausgegeben hat. Naja, es war keine Direktübersetzung aus dem Arabischen, sondern aus dem Französischen von Levy-Provençal. Daneben waren dann Texte von Levy-Provençal welche als Kommentar zu den Übersetzungen diene sollten. Damit stellte der deutsche Herausgeber den Forschungsstand der dreißiger/vierziger Jahre dar.)
 
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Nur noch ein Minischweif.:winke:

Die Behauptung von Kobi (#5,11,15,20), dass die Juden in den Evangelien als Gottesmörder bezeichnet würden, hat Scorpio (#18) mit Recht bestritten. Dazu muss man in andere Teile des NT schauen: Als Gottesmörder werden die Juden explizit in Apostelgeschichte 7, 52 genannt ("dessen Verräter und Mörder ihr nun geworden seid") mit der Variante in 3,15 ("den Fürsten des Lebens habt ihr getötet").

Wenn ich dem Minischweif noch einen Minischweif anfügen darf: In keiner der beiden Stellen sehe ich den Vorwurf des Gottesmordes, wenn ich mir den Textzusammenhang ansehe (Zitate nach der relativ eng dem griechischen Text folgenden Übersetzung von Fridolin Stier):

Apg 3,14-15:
Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet und gefordert, euch einen Mörder gnadenhalber zu überlassen. Den Führer zum Leben aber habt ihr getötet. Ihn hat Gott von den Toten erweckt - des sind wir Zeugen.


Apg 7,52:
Welchen der Propheten haben eure Väter nicht gejagt? Und getötet haben sie die Vorbotschafter vom Kommen des Gerechten, dessen Verräter und Mörder ihr jetzt geworden sind.


Jesus wird in beiden Stellen als "Heiliger", "Gerechter" und "Führer zum Leben" bezeichnet, jedoch nicht als "Gott" - in Apg 3,15 wird er sogar explizit von Gott unterschieden.
 
Interessant scheint auch diese zu sein: The Jews of Arab lands: a history ... - Google Bücher (zu Joseph S. 211 ff., seine Ermordung S. 217 ff., die "poetical attack" gegen ihn S. 214 f.).

Das ist - also nicht das Gedicht des im Übrigen aus Granada verbannten Abu Ishaq, der wohl ein richtiger Querulant war - die Fassung von 'Abdallah Ibn Buluggin, der seine Großvater als Shaykh und seinen Vater als Saif ad-Dawla ('Schwert des Staates') bezeichnet.
 
Wenn ich dem Minischweif noch einen Minischweif anfügen darf: In keiner der beiden Stellen sehe ich den Vorwurf des Gottesmordes...
Strenggenommen kann man den jüdisch-christlichen Gott natürlich gar nicht ermorden, derweil man ihn (a) nicht zu fassen bekommt und er (b) ewig und allmächtig ist.

Ich spitze unsere Abschweifungen auf folgende Frage zu: Wie rasch schritt der Prozess der "Vergottung" des fassbaren Jesus fort? In Philipper 2,6 ff. ist Jesus ein präexistenter ("in Knechtsgestalt") Sohn Gottes, des Vaters; bei Matthäus 1, 23 heisst er Immanuel = Gott mit uns; in Johannes 20,28 spricht Thomas ihn an als "Mein Herr und mein Gott!"; In Kolosser 1,15 ist Jesu das Ebenbild Gottes; bei Markus 16,19 sitzt er zur rechten Hand Gottes usw. [1]

Die Gleichung Jesus=Gott war, so meine These, derart früh präsent, dass der "Mord an Jesus" auch sehr früh als "Mord am Gottessohn" gelesen - und verkündet! - werden konnte.


[1] Dass es auch Stellen gibt, die etwas anderes aussagen, sei unbestritten. Das macht ja gerade die Beliebtheit der Bibel aus...
 
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