Vordenker des deutschen Nationalstaats als Vordenker der NS-Ideologie?

rukelie

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Was haltet ihr von diesem Artikel, bin mir da nicht so ganz sicher was ich davon halten soll. Der Autor hat ja nicht ganz unrecht, lässt aber meiner Meinung nach viel zu sehr die geschichtlichen Zusammenhänge die dahin geführt haben außen vor.

Einheit durch Reinheit
Noch immer werden deutsche Frühnationalisten wie Ernst Moritz Arndt als aufrechte Patrioten verehrt. Dabei nehmen ihre Schriften schon in vielem die rassistisch-völkische NS-Ideologie vorweg.

Geschichte: Einheit durch Reinheit | Wissen | ZEIT ONLINE
 
Dem Artikel kann und muss man eigentlich nicht viel hinzufügen.

Als "mildernde Umstände" ließen sich vielleicht die napoleonische Besatzung und die sog. "Befreiungskriege" anführen. Aber mit Befreiung war es für die Mehrheit der Bevölkerung nicht weit her.

Kürzlich wurde diskutiert, ob das sog. "deutsche Übel" schon 1871 angefangen habe. Vielleicht nicht erst dann.
 
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Nun, Nationalisten gabs ab 1800 zu Hauf in jedem Land und gibts auch noch heute.
Das die Nationalsozialisten so ziemlich alles vereinnahmt haben, was in ihren Kram passte, wurde hier schon oft diskutiert.
Diese im Artikel genannten allerdings für das 3. Reich verantwortlich zu machen ist m.E. genauso falsch, wie sie für die Nationalstaatlichkeit Deutschlands zu verehren.
Sie waren auch schon in ihrer Zeit Extremisten.
 
Deutschland war unter französischer Besetzung, da ist es meiner Meinung nach doch normal das mann einen Hass bekommt!
Ich denke diese Besetzung hat das Nationalbewustsein massiv gestärkt, natürlich nicht bei allen. Natürlich gab es auch zur der Zeit sehr Extreme Nationalisten.
Den Nationalismus Anfang der 1800er Jahre mit dem Nationalsozialismus von 1933-45 zu vergleichen, halte ich für übertrieben!
 
Der Artikel - wenn man ihn liest - spricht nicht von Vergleichen, sondern von Wurzeln des (modernen) völkisch-eliminatorischen Antisemitismus (im Gegensatz im älteren religiös-geprägten.

Im langen Jahrhundert waren dabei diverse Wirtschaftskrisen die eigentlichen Treiber. Nimmt man zB diejenige Krise nach der Reichsgründung 1873, den Börsen- und Gründerkrach, sprechen auch damalige gemäßigt/sachliche Standardwerke von der "Krankheit", und von den jüdischen "Hintergründen".

Die einen lieferten die gedankliche Basis, die Krisen die Anwendungsfälle und auch die Verbreitung, man kann wie hier im Wiki-Artikel von einer "Etablierung" sprechen.
Antisemitismus (bis 1945) ? Wikipedia
 
Was haltet ihr von diesem Artikel, bin mir da nicht so ganz sicher was ich davon halten soll. Der Autor hat ja nicht ganz unrecht, lässt aber meiner Meinung nach viel zu sehr die geschichtlichen Zusammenhänge die dahin geführt haben außen vor.
Geschichte: Einheit durch Reinheit | Wissen | ZEIT ONLINE

Ich halte die Ausführungen von Chrstian Staas, Verfasser des Artikels, für unredlich. Er begeht den für Historiker unverzeihlichen Fehler, Menschen nicht aus ihrer Zeit heraus zu beurteilen und sie durch die moralische Brille der Gegenwart zu betrachten.

Wenn es während der napoleonischen Epoche in Deutschland einen zuweilen übersteigerten Nationalismus und Franzosenhass gab, so lwar das geschuldet der französischen Besetzung aller linksrheinischen deutschen Gebiete, dem französischen Königreich Westphalen, das vor allem durch die Verschwendungssucht des unfähigen Jerome Bonaparte glänzte, an der temporären Besetzung Preußens und schließlich am Rheinbund mit seinen Potentaten von Napoleons Gnaden. Es ist absurd, von Menschen jener Zeit Völkerfreundschaft und basisdemokratische Grundsätze einzufordern und ihnen Nationalismus vorzuwerfen, den es gewiss gab - aber in anderer Konnotation als heute!

Natürlich waren die Deutschen in ihrer überwältigenden Mehrheit aus heutiger Sicht "nationalistisch", aber das war zum einen ein Zug der Zeit, der auch andere europäische Völker betraf, und es ist zu bedenken, dass Deutschland den Status eines souveränen Nationalstaats überhaupt noch nicht erreicht hatte, anders als die alten Nationalstaaten Westeuropas wie Spanien, Frankreich oder England.

Zum Antisemitismus ist zu sagen, dass er im 19. Jh. in Europa beklagenswerterweise noch sehr verbreitet war. In einigen Staaten mehr, in anderen weniger. Auch das darf man nicht durch die Brille des heutigen aufgeklärten Menschen sehen, der Holocaust und millionenfache Ermordung erlebt hat. Der Antisemitismus bildete in Antike, Mittelalter und der Neuzeit eine schwärende Wunde und wo gab es um 1800 führende Köpfe, die ihn verurteilten? Gewiss, es gab einige, aber es waren nur wenige und ihre Mahnungen verhallten und wurden nicht für voll genommen.

All das, was Christian Staats da in seinem Artikel aufspießt, hätte 100 Jahre später einen Vorwurf bilden können, nicht aber in der Phase der napoleonischen Epoche und der nächsten Jahrzehnte bis zum Vormärz. und noch darüber hinaus. Deutschland war in politischer Hinsicht eine "verspätete Nation" und das sowie den Zeitgeist muss man bei allen moralischen Urteilen in Rechnung stellen.
 
Der Artikel - wenn man ihn liest - spricht nicht von Vergleichen, sondern von Wurzeln des (modernen) völkisch-eliminatorischen Antisemitismus (im Gegensatz im älteren religiös-geprägten.

Im langen Jahrhundert waren dabei diverse Wirtschaftskrisen die eigentlichen Treiber. Nimmt man zB diejenige Krise nach der Reichsgründung 1873, den Börsen- und Gründerkrach, sprechen auch damalige gemäßigt/sachliche Standardwerke von der "Krankheit", und von den jüdischen "Hintergründen".

Die einen lieferten die gedankliche Basis, die Krisen die Anwendungsfälle und auch die Verbreitung, man kann wie hier im Wiki-Artikel von einer "Etablierung" sprechen.
Antisemitismus (bis 1945) ? Wikipedia
Danke für die Klarstellung.

Was für mich auffällt ist, dass man zumindest heute Brüder im Geiste wie Körner, Jahn, Arndt etc. deutlich kritischer sieht. Das hängt m.E. mit einer Sensibilisierung zusammen, man setzt sich mit der nationalistischen Vergangenheit auseinander und schaut eben weiter zurück als nur bis 1933. Und das finde ich richtig.
Es ist doch schon interessant, welcher Vorbilder sich die Nazis bedienten. Viele hist. Persönlichkeiten mussten dafür verbogen werden, dass sie in das nationalsozialistische Geschichtsbild passten. Manche hielt man gleich ganz für ungeeignet, v.a. Weltbürger, welche sich nie ausdrücklich in ihrem z.B. dichterischen Schaffen zu einer deutschen Nation bekannten. Bemerkenswert sind dann eben die frühen Nationalisten wie Körner, die aber von den Nationalsozialisten nicht verbogen werden mussten, da sie schon wie sie waren (mit antifranzösischen und bei einigen mit antisemitischen Parolen) sehr gut ins nationalsozialistische Selbstverständnis passten.

Vergleichen darf man freilich grundsätzlich meinetwegen Nationalisten von 1813 und welche von 1933 schon, aber bei Gleichsetzungen muss man vorsichtig sein.

Zum Thema früher Nationalismus haben wir schon einige Threads:
http://www.geschichtsforum.de/f16/d...-die-entstehung-der-liberalen-bewegung-16272/
http://www.geschichtsforum.de/f130/brandstifter-im-biedermeier-31404/ (schöner Artikel dazu)
 
Es ist doch schon interessant, welcher Vorbilder sich die Nazis bedienten. Viele hist. Persönlichkeiten mussten dafür verbogen werden, dass sie in das nationalsozialistische Geschichtsbild passten. Manche hielt man gleich ganz für ungeeignet, v.a. Weltbürger, welche sich nie ausdrücklich in ihrem z.B. dichterischen Schaffen zu einer deutschen Nation bekannten. Bemerkenswert sind dann eben die frühen Nationalisten wie Körner, die aber von den Nationalsozialisten nicht verbogen werden mussten, da sie schon wie sie waren (mit antifranzösischen und bei einigen mit antisemitischen Parolen) sehr gut ins nationalsozialistische Selbstverständnis passten.

Da sprichst Du einen wichtigen Punkt an, der auch schon bei Dieter aufscheint: natürlich ist zu beachten, dass frühe Nationalisten auch von den Nazis auch benutzt und in das Weltbild "eingebaut" worden sind.

Als weiteres Beispiel - die Ökonomielastigkeit bitte ich nachzusehen, es ist aber mE plakativ - ist das nationalsozialistische Schlagwort von der Brechung der Zinsknechtschaft zu sehen, angelehnt an uralte Zinskritik.

Zins ? Wikipedia
Brechung der Zinsknechtschaft ? Wikipedia
 
Da sprichst Du einen wichtigen Punkt an, der auch schon bei Dieter aufscheint: natürlich ist zu beachten, dass frühe Nationalisten auch von den Nazis auch benutzt und in das Weltbild "eingebaut" worden sind.

Wohl wahr. Aber dennoch: Wenn ich z. B. lese:
Sein Hauptwerk erscheint nach jahrelangem Arbeiten 1819 und erreicht eine fünfstellige Gesamtauflage: Der Judenspiegel. In diesem Hasspamphlet erwägt Hundt nicht nur, die Juden auszusondern und zu kennzeichnen, sondern auch, sie zu kastrieren, zu deportieren und schließlich – zu vernichten.
dann scheint es mit Literaten, wie z. B. Hartwig von Hundt-Radowski schon am Angang des 19. Jh. Vordenker auch für die Schoa gegeben zu haben. Auf alle diese Vordenker baut die NS-Ideologie auf. Und das scheint mir hier die entscheidende Frage zu sein: Benutzte die NS-Ideolgie diese Vordenker nur oder baut sie auf deren Gedanken auf?
Allerdings sind Judenprogrome aber auch keine Erfindung der Neuzeit. Es hat sie bereits im Mittelalter spoadisch immer wieder gegeben, aber diese detailgenaue Beschreibung, wie man mit Juden verfahren sollte, das hat für mich schon eine neue Qualität. Oder sehe ich da was falsch?

Ich möchte diesen Pfad noch erweitern. Ich möchte auf der anderen Seite aber auch Marx, Engels, Lenin und die deutschen Kommunisten der Kaiserzeit und der weimarer Zeit erwähnen, deren Vordenkertum im "real existierenen Sozialismus"/Stalinismus endeten.

Wie sind solche Vordenker zu bewerten, die ja nicht wissen konnten, was sich aus ihren Ideen einmal entwickelt. Wir wissen es heute.
 
Zuletzt bearbeitet:
Man lese nur was Martin Luther über die Juden geschrieben hat! Die Nationalsozialisten haben sich auch auf ihn berufen! Soll mann Martin Luther dann auch als Vordenker der Nazis sehen? Ich denke nicht!
 
Andererseits sind Judenprogrome aber auch keine Erfindung der Neuzeit. Es hat sie bereits im Mittelalter spoadisch immer wieder gegeben, aber diese detailgenaue Beschreibung, wie man mit Juden verfahren sollte, das hat für mich schon eine neue Qualität. Oder sehe ich da was falsch?

Kein Widerspruch, siehe #5. Ich würde noch ein "insgesamt" vor dem "verfahren" ergänzen, um den schon zitierten völkisch-eliminatorischen Ansatz zu kennzeichnen.

Auf die Blut-und-Boden-Eskalation sind viele Nationalisten aufgesprungen, nicht nur im Deutschen Reich:
Karl Lueger ? Wikipedia

Deutschland war unter französischer Besetzung, ...
Man lese nur was Martin Luther über die Juden geschrieben hat!

Hast Du den verlinkten Beitrag überhaupt durchgelesen? Dann wären mir die beiden Bezüge unerklärlich, denn sie werden abgegrenzt.

Es geht dort gerade
- bzgl. Antisemitismus um neue Qualitäten
- um die Konservierung nationalistischer Extreme nach 1815 und nach Besetzung
 
Zuletzt bearbeitet:
Dieser Thread kann sehr emotional werden.

Natürlich haben die Nationalsozialsten sich die "Versatzstücke" aus dem deutschen Nationalismus a la Körner, Arndt, Jahn zusammen gesucht.

Bei Luther fanden sie antisemitische Ansatzpunkte, jetzt ein Zeitsprung, bei Treitschke auch. Der nächste Zeitsprung gleichsam zurück, religiös motivierter Antisemitusmus, zieht sich durch die ganze Kirchengeschichte. Der nächste Zeitsprung, bei F. II. finden sich staatstheoretische Ansatzpunkte, die auf einen "totalen Staat" abzielen, auch der gute alte Hegel lieferte "Material". Machiavelli auch? Klar, der auch. Nietzsche, yep. Spengler, yep. Wagner? Der sowieso. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Will sagen, der Nationalsozialismus ist in allen seinen Erscheinungsformen nicht erklärbar ohne seine historischen Wurzeln, aber der Nationalsozialismus ist eine Erscheinung des 20. Jh. und es macht aus meinem beschränkten Blickwinkel wenig Sinn, die Wurzel für das "Übel" verantwortlich zu machen.

O.K., jetzt gehe ich in einen virtuellen Bunker.


M.
 
Eine Frage an alle, die wie ich finde von enormer Wichtigkeit ist:

Ist Nationalismus gleich Nationalsozialismus?

Und ist Nationalismus nicht von zeitlichen Rahmenbedingungen abhängig?
 
Ich hab mal nach den Definitionen gegurgelt:

Nationalismus bezeichnet eine politische Ideologie, die auf ein Zusammenfallen zwischen einer Nation und einem Staatsgebilde abzielt. Nach herrschender Meinung liegt Nationalismus dem Entstehen moderner Nationen zugrunde.
Nationalismus ? Wikipedia

oder:
Der Nationalismus ist eine soziale Krankheit. Der Nationalismus wird oft als ein übersteigerter Bezug zur eigenen Nation definiert, was jedem freiläßt, sich für gerade noch gesund zu erklären. Eine unbefangene Definition lautet dagegen, daß jeder positive Bezug zu einer sogenannten Nation schon Nationalismus ist. Dann kommt aber gleich die entscheidende Frage: Was ist eine Nation?
Nationalismus

und:
Der Nationalsozialismus ist eine radikal antisemitische, antikommunistische und antidemokratische Weltanschauung[1] und politische Bewegung.
Nationalsozialismus ? Wikipedia

bzw:
Nationalsozialismus oder Radikalfaschismus basiert auf dem Faschismus. Die grundlegenden Elemente des Faschismus sind aber radikalisiert und brutalisiert.
Grosse Bedeutung für den Nationalsozialismus hatten (haben) Antimarxismus, Rassismus, das Streben nach Weltherrschaft und die organisierte Ausschaltung (Ermordung) anderer Völker. .
DEFINITION

"radikal", "rassistisch", "antidemokratisch", "Streben nach Weltherrschaft" und "Ausschaltung anderer Völker" stehen einem "übersteigerten Nationalbewusstsein" gegenüber. Ist es das?
 
Ich kenne viele Amerikanische Patrioten. Da würde ich gerne von euch wissen, ob ein Patriot ein Nationalist ist.
Wenn nicht, was ist der Unterschied?
 
Ich kenne viele Amerikanische Patrioten. Da würde ich gerne von euch wissen, ob ein Patriot ein Nationalist ist.
Wenn nicht, was ist der Unterschied?
Aus der Wikipedia ( Patriotismus ? Wikipedia ):

In der Bundesrepublik Deutschland wurde Patriotismus nach dem Zweiten Weltkrieg infolge der Verbrechen des Nationalsozialismus vom negativ konnotierten Nationalismus unterschieden und bot eine Zuflucht für das gestiegene Heimatgefühl, das Vertreibung und Identitätsverlust hervorgerufen hatten.
Auch im 19. Jahrhuindert konnte man schon ein anderes Verhältnis zum Nationalismus haben als Arndt und Co., z.B. ein gewisser Schopenhauer:
Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein. Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen
 
Ich kenne viele Amerikanische Patrioten. Da würde ich gerne von euch wissen, ob ein Patriot ein Nationalist ist.
Wenn nicht, was ist der Unterschied?

Also für mich gibt es zwischen Nationalismus und Patriotismus einen entscheidenden Unterschied:

- Als Patriotismus bezeichne ich den Stolz auf die eigene Nation bzw. Nationalität.

- Beim Nationalismus kommt die Verachtung oder sogar der Haß auf andere Nationen hinzu. Dies geht meist damit einher, seine eigene Nation als "höherwertig" gegenüber anderen zu betrachten.

- Vom Nationalismus zum Nationalsozialismus ist es aus meiner Sicht dann nur ein kleiner Sprung, wenn man die Angehörigen seiner Nation/Nationalität als ein Kollektiv sieht. Ein wie auch immer gearteter "Sozialismus" soll nur innerhalb der eigenen Nationalität verwirklicht werden. Das wiederum bedeutet, Angehörige anderer Nationalitäten (auch nationale Minderheiten bzw. religiöse Minderheiten, wie eben z. B. Juden im eigenen Land) werden aus diesem Kollektiv ausgeschlossen und diskriminiert und letztlich auch getötet.
Sowohl Nationalismus wie auch Nationalsozialismus sind bisher immer inhuman und undemokratisch in Erscheinung getreten.


Eine Frage an alle, die wie ich finde von enormer Wichtigkeit ist:

Und ist Nationalismus nicht von zeitlichen Rahmenbedingungen abhängig?

Was meinst du mit "zeitlichen Rahmenbedingungen", von denen der Nationalismus abhängig ist?
 
Zuletzt bearbeitet:
Nun, auch mir fällt auf, das der von Dir beschriebene Sprung irgendwie ( unschönes Wort) nahezu überall in Europa zeitgleich stattgefunden hat.
 
Zeitgeistmäßig ist das 19. Jhd eine spannende Zeit. Ich würde gern etwas tiefer in die Ideen und Motive der Vordenker einsteigen, vor allem aber interessiert mich die Interessenlage der normalen Bürger und Bauern.
Die kleinräumigen mittelalterlichen Gefolgschaften und Loyalitäten waren lange vergessen. Das religiöse Fundament der Reiche mit absoluten Herrschern von Gottes Gnaden war unter Aufklärung und französischer Revolution zusammengebrochen.
Suchte man neuen Gesellschaftskitt in der Abgrenzung gegenüber anderen?
Die französische Revolution muß gerade für die unteren Schichten ein wichtiges Signal gewesen sein. Grob vereinfachend könnte es den Eliten und besitzenden Gruppen gut gepaßt haben, dass Napoleon es dem Rest von Europa durch seine Eroberungszüge so leicht gemacht hatte, ein Feindbild gegen Frankreich aufzubauen.
Gibt es Erkenntnisse darüber, welchen Anteil die Angst der Besitzstände vor einer großen Revolution am Franzosen- und Judenhass hatte?

Könnte man diesen Mechanismus auch in der Abgrenzung der Nationalsozialisten vom Kommunismus des 20. Jhd. sehen?
 
Die kleinräumigen mittelalterlichen Gefolgschaften und Loyalitäten waren lange vergessen. Das religiöse Fundament der Reiche mit absoluten Herrschern von Gottes Gnaden war unter Aufklärung und französischer Revolution zusammengebrochen.

So lang war das zur Zeit der napoleonischen Epoche keineswegs vergessen. In Ostdeutschland existierte noch an zahlreichen Orten die Gutsherrschaft mit Erbuntertänigkeit und teilweose leibeigenmäßigen Strukturen. Der Gutsherr bewirtschaftete den Grundbesitz selbst und war in Preußen bis ins 19. Jahrhundert Gerichtsherr innerhalb seines Gutsbezirks. Die Epoche der Aufklärung lag nicht weit zurück und mit Sicherheit gab es noch alte Denk- und Verhaltensmuster - vor allem auf dem Land - die Zeiten vor der Aufklärung verhaftet waren.

Ich will damit sagen, dass sich nicht schlagartig neue Denk- und Herrschaftsstrukturen bildeten, denn das war ein längerer Prozess mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten in der Stadt und auf dem Land. Und die weitaus größere Bevölkerung saß zu Beginn des 19. Jh. und auch noch später zweifellos auf dem Land.

Was wir von den berühmten Salons gebildeter Schichten in Städten wie Berlin und Paris und aufklärerischen Vordenkern wissen, bildete eben auch nur eine dünne Schicht der Bevölkerung, die sich nur langsam nach unten verbreiterte.
 
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