Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges

Liafduae

Neues Mitglied
Hallo,
Ich bereite mich auf eine Prüfung zu dem oben genannten Thema vor und habe da ein paar Fragen...
1. Wieso gab es so ein stabiles Bündnis zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn, obwohl die beiden noch 1866 gegeneinander Krieg geführt hatten?
2. Wie war das Verhältnis zwischen Österreich und Großbritannien?
3. Warum entschied sich das Dt. Reich bei der Balkanfrage für Österreich und nicht für Russland?
Ich hoffe, ihr könnt mir da weiterhelfen!
 
Danke für die schnelle Antwort, leider bin ich damit noch nicht viel weiter... :grübel:

Zu 1.: Österreich hat 1866 gegen Deutschland verloren und schon 1879 kam der Zweibund zwischen den beiden Ländern zustande. Fühlte sich Österreich nicht gedemütigt, warum wollten sie keine Rache?

Zu 2.: Über die Beziehung zwischen GB und Österreich finde ich nichts. Liegt das einfach daran, dass die beiden keine gemeinsamen/aufeinander stoßende Interessen hatten?

Zu 3.: Russland war die stärkere Macht, Österreich hatte innenpolitisch alle Hände voll, wieso entschied sich Deutschland in der Balkanfrage dennoch für die Donaumonarchie? (Ja, auch Russland hatte zu dem Zeitpunkt innenpolitische Probleme, war aber dennoch mächtiger als Österreich)
 
Gehen wir es Punkt für Punkt durch

Zu 1.)
Versetze dich doch mal in die Rolle von Bismarck im Jahre 1871. Du hast Preußen erfolgreich durch drei Kriege (1864, 1866 und 1871) geführt. Unter deiner Führung wurden die Deutschen Einzelstaaten zu einem Deutschen Reich zusammengefasst.
Österreich-Ungarn gehört nicht mehr zum Reich und ist entsprechend sauer auf Preußen.
Frankreich hat Elsass-Lothringen verloren und will Revanche gegen das Deutsche Reich.
Und dann sind da noch Rusland und Großbritannien, die eine zu große Macht Deutschlands nie dulden würden.

Welche außenpolitischen Gefahren siehst du? Welche außenpolitischen Ziele für das DR formulierst du?
 
Zu 1.: Die größte außenpolitische Gefahr für das DR war, dass Frankreich Rache nehmen würde und dass sich die anderen europäischen Großmächte Frankreich anschließen würden, weil sie kein starkes Deutschland wollten.
Allerdings wundert es mich, dass Österreich bereit war ein Bündnis mit dem DR einzugehen. Weißt du zufällig wieso? Ich meine, Österreich war eine Großmacht, wieso degradierte es sich zum Juniorpartner des Deutschen Reiches?
 
zu 1.) Richtig! Eine Revancekrieg seitens Frankreich musste um jeden Preis verhindert werden! Deshalb mussten die anderen Großmächte davon abgehalten werden, ein Bündnis mit Frankreich zu schließen.

Nun zu Österreich. Österreich hatte erkannt, dass es in Deutschland nichts mehr zu sagen haben würde. Dafür richtete sich Österreichs Aufmerksamkeit auf den Balkan. Hier gehörten bereits mehrere Völker zu Österreich-Ungarn, darunter viele slawische Völker, die Rußland nahe standen.
Gleichzeitig war das Haus Habsburg sehr reaktionär, d.h. gegen Demokratie und Republik eingestellt.

Formuliere bitte die außenpolitischen Ziele Österreichs und überlege dir, welcher dieser drei möglichen Bündnispartner am besten zu Österreich passen würde:

Frankreich, seit 1871 wieder eine Republik

Rußland, eine autokratische Monarchie - jedoch ein Unterstützer der slawischen Völker auf dem Balkan.

Das Deutsche Reich, eine konstitutionelle Monarchie, die den deutschen Österreichern kulturell sehr nahe steht. Die Hohenzollern sind ebenfalls anti-demokratisch eingestellt.
 
(Anmerkung am Rande: Das fängt an Spaß zu machen, du wirst ein guter Lehrer ;-) )

Österreich war ein Vielvölkerstaat und hatte eine steigende Anzahl innenpolitischer Probleme, verschiedene Minderheiten wollten ihre Unabhängigkeit. So kam es dazu, dass sich Österreich auf seine Probleme im Inneren konzentrierte und die Außenpolitik vernachlässigte. Österreichs Interessen auf dem Balkan waren mit denen Russlands unvereinbar, da konnte also schon mal kein Bündnis zustande kommen. Italien war ein frischgebackener Staat und hatte Gebietsforderungen an Österreich, also auch kein guter Partner.
Blieben nur noch GB, Frankreich und DR. Gegen DR hatte Österreich erst vor kurzem im Krieg verloren. Frankreich war eine Republik, daher politisch gesehen weit entfernt von Österreich. Und GB...?
 
(Ich bin Geschichtslehrer! :))

Großbritannien verfolgte zu dieser Zeit noch die Politik der "splendid isolation", d.h. solange das Gleichgewicht der Mächte nicht nachhaltig gestört wird, würde GB kein Bündnis mit einer anderen europäischen Macht eingehen. Zudem hatte GB eigene Interessen im Mittelmeer (Ägypten), die eventuell mit denen Rußlands und Österreichs auf dem Balkan kollidieren könnten. GB war für Österreich einfach zu weit entfernt (sowohl geographisch als auch von seinen eigenen Interessen) um ein sinnvoller Bündnispartner zu sein.

Nehmen wir mal an, Österreich verbündet sich mit F. Was wäre wohl über kurz oder lang die außenpolitische Konsequenz eines solchen Bündnisses gewesen? Und welche Folgen hätte dies für Österreich mit seinen innenpolitischen Problemen?
Wer bleibt denn dann noch als Bündnispartner übrig?
 
Danke! Die Punkte mit GB und Österreich haben mir echt weitergeholfen!

Was wäre denn passiert, wenn sich Österreich mit Frankreich verbündet hätte? Deutschland hätte sich bedroht gefühlt. Aber bei einem möglichen Krieg hätten sich Russland und GB doch heraus gehalten, sie wollten doch eh kein starkes Deutschland.
 
Was wäre denn passiert, wenn sich Österreich mit Frankreich verbündet hätte? Deutschland hätte sich bedroht gefühlt. Aber bei einem möglichen Krieg hätten sich Russland und GB doch heraus gehalten, sie wollten doch eh kein starkes Deutschland.

Das denke ich so nicht. Ein Vorgehen Ö-U + F gegen das DR hätte das von TG beschriebene Gleichgewicht gestört, was imho GB zum Eingreifen auf deutscher Seite veranlaßt hätte. (Im Kriegsfalle dürfte F bei einer Niederlage einigen Kolonialbesitz an GB verloren haben... ;))
 
(Darf ich fragen, in welcher Klasse du bist? Du kannst auch per PM antworten, wenn dir das lieber ist!)

In wieweit sich GB und Rußland aus einem Krieg gegen das DR herausgehalten hätten, ist so eine Sache. Bei einer Niederlage des DR hätte sich F mindestens Elsass-Lothringen wiedergeholt, wenn nicht gleich die ganze Rheingrenze. Eine Zersplitterung Deutschlands hätten GB und R vielleicht noch hingenommen, eine Ausweitung F bis zur Rheingrenze sicherlich nicht, da dann F zu stark geworden wäre.

Für Österreich hätte ein Bündnis mit F jedoch bedeutet, dass es gegen das Deutsche Reich zu Felde hätte ziehen müssen. Und das mit aufständischen Balkanvölkern im eigenen Land? Ob das so eine gute Idee gewesen wäre?
Ich denke, für Österreich ist die Frage des geeignetsten Bündnispartners somit geklärt.

Nun zu deiner These, das ÖU der Juniorpartner des DR geworden wäre: Das DR war auf der internationalen Bühne noch ein unbeschriebenes Blatt. Flächenmäßig war es etwa so groß wie ÖU. Militärisch war es zwar etwas stärker, doch es war nicht starkt genug um ÖU zu dominieren (zumindest noch nicht 1871). ÖU und das DR sahen sich eher als gleichberechtigte Partner, zumal sich ihre außenpolitischen Ziele ergänzen konnten:
Das DR wollte eine Isolation F, ÖU wollte außenpolitische Sicherheit um sich ungestört um die innenpolitischen Probleme kümmern zu können.

Versetze dich jetzt wieder in die Rolle von Bismarck. Wie müßte ein Bündnis mit ÖU aussehen, damit ÖU und das DR davon profitieren? Vielleicht kannst du sogar noch weitere Großmächte in das Bündnis einbinden.
 
Stimmt, ich hab die Kolonien vergessen...

Aber warum entschied sich das Dt. Reich bei der Balkanfrage für Österreich und nicht für Russland?
 
Gehen wir als zu Punkt 3 über:
Hier musst du ganz deutlich zwischen der Bündnispolitik unter Bismarck und der unter Wilhelm II. unterscheiden. Deutsch-russische Spannungen entstanden bereits unter Bismarck. Du solltest sie wirklich hier nachlesen. Danach analysieren wir, wie sich Bismarck gegenüber Rußland verhalten hat.
Ein weiterer Grund könnte die kulturelle und nationale Vebundenheit zwischen ÖU und dem DR gewesen sein. Recherchiere doch mal, wie groß der Anteil der Deutschen Bevölkerung in ÖU und wie groß der Anteil in Rußland war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die kulturelle Verbindung zwischen DR und Österreich war natürlich viel größer als die zu Russland, aber war Russland aus machtpolitischen Gründen nicht interessanter? Oder brachte eine Verbindung mit Russland zu viel Konfliktpotenzial, Stichwort Balkan? Das wird es vermutlich gewesen sein, Bismarck verfolgte am Ende ja eine eher friedliche Bündnispolitik, das Deutsche Reich war ja "saturiert"...
 
Ich denke auch, das Bismarcks Außenpolitik auf Ausgleich ausgerichtet war, unter der Prämisse, dass die Deutsche Sicherheit nicht gefährdet wird. Als das Dreikaiserbündnis 1887 aufgrund des Balkankonfliktes zw. ÖU und R nicht mehr verlängert wurde, schloß Bismarck den Rückversicherungsvertrag mit R, um einen Zweifrontenkrieg für Deutschland auszuschließen.

Der entscheidende Bruch zwischen DR und R kam ja dann erst 1890, nachdem Bismarck gegangen wurde und Wilhelm II. in absoluter Selbstüberschätzung den Rückversicherungsvertrag nicht verlängerte, obwohl Rußland das ja eigentlich wollte.

Versetze dich doch nun in die Rolle des Russischen Zaren: Wilhelm II. läßt Rußland abblitzen. Mit ÖU schwelt der Balkankonflikt. In Asien prallen britische und russische Kolonialinteressen auf einander. Welchen Bündnispartner sucht sich Rußland nun?
 
Russland blieb nur noch Frankreich und da kam es ja auch 1894 zur Militärkonvention. Macht ja dann auch irgendwie Sinn.

Übrigens, vielen lieben Dank für die Hilfe, die Antworten hier (abgesehen von der ersten ;-) ) haben mich wirklich weitergebracht!
 
Hast du noch Fragen zum Thema? Die Frage nach dem Österreichisch-Britischen Verhältnis haben wir ja nur angerissen.
 
Also, zum Ö-GB Verhältnis kann ich nur sagen, dass die beiden Länder keine gemeinsamen Interessen hatten. Gibt es da noch mehr, also irgendwelche früheren Ereignisse, die eine längere Auswirkung hatten?
 
Zum österreichisch-britischen Verhältnis wäre noch das Mittelmeerabkommen zu nennen. Es ist ein weiterer Baustein in Bismarcks Bündnissystem, das nunmal nicht leicht zu durchschauen ist.

Für deine Prüfung zum Thema Vorgeschichte 1. WK ist die europäische Bündnispolitik seit 1871 von zentraler Bedeutung. Der Schwerpunkt dürfte jedoch auf Wilhelm II. und seiner Weltpolitik liegen.
 
(...) Der Schwerpunkt dürfte jedoch auf Wilhelm II. und seiner Weltpolitik liegen.

Warum wird eigendlich immer die Weltpolitik die in einem Weltkrieg endete immer als erstes mit Kaiser Wilhelm II. in Verbindung gebracht?

Das zieht dann so eine "Spitzenreiterfunktion" auf sich, was m.E. nicht richtig ist, denn man sollte die gesamte Entwicklung ab dem Zeitraum 1890 bis 1914 betrachten.
Und da führte nicht nur die deutsche Politik zu dem offen Konflikt 1914!

Ach und weiter oben las ich:
Zu 1.: Österreich hat 1866 gegen Deutschland verloren (...)

Das ist so nicht richtig, da es noch kein Deutschland gab, Preußen war es, die in diesen Krieg 1866 gewannen. Und man darf nicht vergessen, das auch Italien zu diesen Zeitpunkt mit Österreich-Ungarn im Krieg stand.:scheinheilig:
 
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