Wäre eine Invasion in Mittelfrankreich erfolgreicher gewesen?

N

Nils

Gast
Hallo Leute,

ich stell mir immer die frage, ob nich eine landung in der Mitte frankreichs 1944 besser gewesen wäre als der angriff auf die am stärksten befestigte küstenline europas. hätten nicht durch eine landung von südenfrankreich aus(zb. vom Mittelmeer) viele tausende soldaten überlebt und wären nich an den barikaden an den stränden und im hinterland gefallen? gerade die ersten wellen der invasion, eingeschlossen die Luftlandedivisionen in der vornacht hatten heftige verluste einzu stecken. ich würde mich sehr freuen wenn sich auch geschichtsinteressierte mit der frage auseinander setzen=)

schöne grüße nils
 
Die Verluste der Allierten sind für den gigantischen Umfang der Landung geringer als häufig dargestellt:

Ellis, Victory in the West, Vol.I:
Die britisch-kanadischen Verluste am 6.6.44 betragen ca 600 Tote und Verwundete sowie 600 Vermißte. Die RAF verlor rund 100 Gleiterpiloten. Die gesamten amerikanischen Verluste werden auf allen Landungsstellen zusammen inkl. der Luftlandeeinheiten mit 6000 angegeben. Entsprechende Angaben zu Ellis bei Morison, US-Navy in WW II, The Invasion of France and Germany, 1944-1945, Band 11.

Die Wahl des Landungsgebietes erfolgte einerseits unter dem Aspekt, leistungsfähige Hafenanlagen gewinnen zu können (->Cotentin, später Bretagne) und um den "schnellsten" Weg zum Rhein/Ruhrgebiet einzuschlagen. Die Entwicklung nach der siebenwöchigen Schlacht um den Brückenkopf gibt dem wohl recht.

Eine Landung in Südfrankreich wurde erwogen, verschob sich jedoch u.a. wegen der Schwierigkeiten in Italien; das Schiffsmaterial für Landungen reichte nicht für mehr, insbesondere nicht für zwei Großlandungen im Juni 1944.
 
Man darf auch die Nachschubfrage nicht vergessen. Der Weg über den Ärmelkanal ist nunmal wesentlich kürzer als außenrum durch die Straße von Girbaltar.
 
Der Normandie - Küstenabschnitt war bei weitem nicht der der am stärksten
ausgebaute und verteidigte Abschnitt des Westwalls.

Eine allierte Landung bei Calais- Boulogne -Dünkirchen wäre auf eine wesentlich stärkere Verteidigungsstellung getroffen.

Insofern war der Ort der Landung gut gewählt und der Gegner wurde
vom Ort tatsächlich überrascht.
 
Insofern war der Ort der Landung gut gewählt und der Gegner wurde vom Ort tatsächlich überrascht.

Und da kommt man dann auf die Frage, inwieweit ein Einsatz der Panzerreserven was genutzt hætte...
Ich habe da immer diesen Filmausschnitt ueber den D-Day im Kopf:
"Wenn Sie Hitler persønlich vielleicht anrufen wuerden, um die Panzerreserven einsetzen zu duerfen..."
"Anrufen? Ich soll in anrufen, diesen bøhmischen Gefreiten?"

Ist das historisch, und: hætte der Einsatz was genutzt?

Gruss, muheijo
 
Soweit ich weiß wurde die "Panzer-Lehrdivision" eingesetzt und erzielte auch Erfolge. Angesichts der alliierten Luftherrschaft konnte sie aber nichts Grundsätzliches bewirken.
 
Und da kommt man dann auf die Frage, inwieweit ein Einsatz der Panzerreserven was genutzt hætte...
Ich habe da immer diesen Filmausschnitt ueber den D-Day im Kopf:
"Wenn Sie Hitler persønlich vielleicht anrufen wuerden, um die Panzerreserven einsetzen zu duerfen..."
"Anrufen? Ich soll in anrufen, diesen bøhmischen Gefreiten?"
Ist das historisch, und: hætte der Einsatz was genutzt?

Das hat einen historischen Hintergrund.

Am Landungstag 6.6.1944 stand die 21. Panzerdivision im Bereich des englischen Landungskopfes um Caen. Teile der Division griffen im Verlauf des Tages in die Kämpfe ein, gelangten dabei bis an den Strand. Das Panzerregiment der 21. prallte (wegen der Verzögerungen) nachmittags auf eine britische Abwehrstellung nördlich Caen im Vormarsch auf den Strandbereich und erlitt hohe Verluste.


Am Folgetag erreichte die etwas abstehende 12. SS-Panzerdivision den Bereich, es folgten weitere Verbände in den nächsten Tagen (Panzerlehrdivision, 17. SS-PGD usw.). Hitler wurde wohl tatsächlich erst morgens unterrichtet, obwohl Marine und Luftwaffenmeldungen die Invasion bestätigten, was dann einiges Hin und Her bezüglich der Freigabe der 21. PD bewirkte. Die Division war zu schwach, um allein eine Abwehr zu leisten.
 
Am Folgetag erreichte die etwas abstehende 12. SS-Panzerdivision den Bereich, es folgten weitere Verbände in den nächsten Tagen (Panzerlehrdivision, 17. SS-PGD usw.). Hitler wurde wohl tatsächlich erst morgens unterrichtet, obwohl Marine und Luftwaffenmeldungen die Invasion bestätigten, was dann einiges Hin und Her bezüglich der Freigabe der 21. PD bewirkte. Die Division war zu schwach, um allein eine Abwehr zu leisten.

Wobei mW die Panzerdivisionen , welche in F standen , hier jeweils neu
ausgerüstet, mit Entsatz aufgefüllt und auch an neuen Waffensystemen ausgebildet wurden - meist nach Ostfront-Einsätzen.
Ich bin nicht informiert , ob die og. Einheiten bereits wieder einsatztauglich
waren - sie mussten eben so ins Gefecht , wie sie waren.

Für die eigentliche Abwehr von Landungen waren ja Infanterie-Divisonen
vorgesehen , welche die Stellungen entlang der Küste besetzten.

Gab es eigentlich Abwehrpläne für den Fall von Landungen an den ver-
schiedenen Küstenabschnitten ?
Die Aktionen Rommels - dh. Anordnung von Abwehrverstärkungen wie
neue Stellungen , Draht - und Panzerhindernisse , Rommelspargel usw.
scheinen darauf zu deuten , das es so richtige Pläne nicht gab.
 
Wobei mW die Panzerdivisionen , welche in F standen , hier jeweils neu ausgerüstet, mit Entsatz aufgefüllt und auch an neuen Waffensystemen ausgebildet wurden - meist nach Ostfront-Einsätzen.
Ich bin nicht informiert , ob die og. Einheiten bereits wieder einsatztauglich
waren - sie mussten eben so ins Gefecht , wie sie waren.

Die Divsionen waren in den Panzerstärken nahezu aufgefüllt, Stand 1.6.1944 (Zetterling, Normandy 1944, statistische Analysen):

1. SS-PD: 42 P IV, 38 P V, 44 StuG III
2. PD: 94 P IV, 73 P V
2. SS-PD: 54 P IV, 39 P V, 41 StuG III
9. PD: 78 P IV, 0 P V (55 bis Ende Juni)
9. SS-PD: 41 P IV, 0 P V (Training Mailly; 79 P IV bis 9. Juni), 38 StuG III
10. SS-PD: 39 P IV, 0 P V, 38 StuG III
12. SS-PD: 91 PIV, 66 P V (erst am 10. Juni)
17. SS-PGD: 42 StuG III, Panzerjäger-Abteilung fehlt.
21. PD: 98 P IV-lang, 6 P IV-kurz, 35 Somua S-35, 2 Hotchkiss H-35, Beute-StuG
116. PD: 86 P IV, 0 P V (im Juni)
PLD: 99 P IV, 5 P V (89 ab 10. Juni)

bei den übrigen Ausrüstungen gab es starke Defizite, insbes. Fahrzeuge:

1. SS-PD: kein SPW, 2800 LKW fehlen, 4000 Mann fehlen
2. SS-PD: nur 617 LKW (am 7.6. in Marsch gesetzt !)
9. SS-PD: keine Panzerjäger
17. SS-PGD: 40% der Offz. und Uffz. fehlen, PzJäger fehlen
116. PD: Juli-Bewertung: "nicht ausreichend trainiert" (erste Teile setzten am 20. Juli über die Seine)


Situation nach 2 Tagen, US-Lagekarte:
http://img513.imageshack.us/img513/240/normandie16cw.jpg
 
Der Normandie - Küstenabschnitt war bei weitem nicht der der am stärksten
ausgebaute und verteidigte Abschnitt des Westwalls.

Eine allierte Landung bei Calais- Boulogne -Dünkirchen wäre auf eine wesentlich stärkere Verteidigungsstellung getroffen.

Insofern war der Ort der Landung gut gewählt und der Gegner wurde
vom Ort tatsächlich überrascht.

Man vermutete den Angriff an der schmalsten Stelle des Kanals. Deshalb dort auch am stärksten ausgebaut.
Selbst die ersten Meldungen über den Angriff in der Normandie nahm man ungläubig auf. Schon in der Nacht zum 6. Juni abgefangene Funksprüche wurden als Ablenkungsmanöver gedeutet.
Selbst Ende Juni 1944 hielt Hitler eine Verstärkung der kämpfenden Truppe in der Normandie für überflüssig, weil er dies immer noch als Ablenkungsmanöver deutete.
 
Es gab für die Wehrmacht ohnehing genügend Probleme, um die Invasion abzuwehren:

Die meisten Geschütze des Atlantikwalls waren gar nicht in der Lage Seeziele zu bekämpfen.

Mit der Luftwaffe sah es ganz dürftig aus, denn von einer kampfkräftigen Luftwaffe im Westen konnte in Sommer 44 nicht die Rede sein.

Bei der Marine sah es nicht besser aus.

Die Reserven an Panzerverbänden waren viel zu gering. Lediglich ein paar Verbände in Norden Frankreichs oder Belgien waren in Reserve.

Die Wehrmacht hatte im Westen zum Zeitpunkt der Invasion knapp 2 Millionen Mann zur Verfügung, aber von welcher Güte waren diese?
 
Der erste Tag der Landung war ja höchst erfolgreich und die Brückenköpfe waren nie so in Gefahr, wie es in Salerno und Anzio und teilweise auf Sizilien der Fall war. Nur blieb die Offensive relativ lange stecken, nachdem die Brückenköpfe gesichert waren - auch weil die britischen Offensiven bei Caen immer wieder scheiterten.

In Südfrankreich standen zwar weniger Truppen, aber diese hätten ja leicht von Norden oder Italien her verstärkt werden können. Zudem war ja ein Sinn der Offensive, nach Deutschland durchzubrechen, was mit einem Stoß von Süden her wesentlich schwerer zu bewerkstelligen gewesen wäre.
 
Ein entscheidender Punkt war m.E. auch, daß die Normandie noch in der Reichweite der südenglischen RAF-Basen lag, was bedeutete , daß man ohne Zwischenstützpunkte und Feldflughäfen nahezu die gesamte Bandbreite der eigenen AirForces zur Erringung der Lufthoheit und der Bekämpfung von Bodenzielen einsetzen konnte. In Süd- und Mittelfrankreich wäre das problematischer gewesen.
Außerdem war der Nachschubweg kürzer, in der Normandie existierten Tiefwasserhäfen .Zur Not hätte man außerdem von der frontabgewandten Seite der Halbinsel durch maritime bzw. amphibische Operationen ebenfalls Entsatz schaffen und Nachschub liefern können , während der gegnerische Nachschub und Entsatz nur von der Landseite, also durch einen engen Zugang zum Kampfgebiet kommen konnte.Das Verhältnis Küstenlinie/ Landzugang beträgt etwa 80% zu 20 %. Bei einer "geraden" Küste ist das Verhältnis bestenfalls umgekehrt.Deshalb war die Normandie das ideale Ziel zur Errichtung eines Brückenkopfes
 
zaphodB. schrieb:
Zur Not hätte man außerdem von der frontabgewandten Seite der Halbinsel durch maritime bzw. amphibische Operationen ebenfalls Entsatz schaffen und Nachschub liefern können , während der gegnerische Nachschub und Entsatz nur von der Landseite, also durch einen engen Zugang zum Kampfgebiet kommen konnte.Das Verhältnis Küstenlinie/ Landzugang beträgt etwa 80% zu 20 %. Bei einer "geraden" Küste ist das Verhältnis bestenfalls umgekehrt.Deshalb war die Normandie das ideale Ziel zur Errichtung eines Brückenkopfes

Als Laie stellt sich mir in diesem Zusammenhang die Frage, ob man dann genau diesen Brückenkopf nicht sehr gut abriegeln kann? Den Vorteil bei der Landung erkauft man sich auf Kosten der guten Abwehrposition des Verteidigers am landseitigen Ende der Halbinsel? Den Ausbruch aus dieser Position ins Landesinnere hinein erscheint mir für den Landenden schwierig.
:grübel:
 
Den Ausbruch aus dieser Position ins Landesinnere hinein erscheint mir für den Landenden schwierig.
:grübel:

Das war vom Zeitplan her auch anders gedacht. Es gab geplante 30/45/60-Tage-Linien, die nicht erreicht wurden.

Der Ausbruch sollte einmal über die Gewinnung des Raums südlich Caen, zum anderen bei Avranches erfolgen (letzteres ist dann erfolgt, nachdem die Briten 4/5 der gepanzerten Streitkräfte auf sich gezogen haben und mehrfach gescheitert sind). Beide theoretischen Durchbruchspunkte würden sicherstellen, dass man ins "freie Operieren", also in eine Bewegungsschlacht übergehen konnte, bei der die Wehrmacht schon wegen der Luftunterlegenheit nichts entgegen zu setzen hatte.
 
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