Waisenkinder - was geschah mit ihnen?

Deserta

Mitglied
Hi,

ich setze mich augenblicklich mit der Frage auseinander, was mit Waisenkindern in der Frühen Neuzeit geschah. Woher kamen sie? Wer nahm sie auf? Mussten sie dafür irgendetwas leisten? Wurden sie auch in Kolonien geschickt, wie später Verbrecher aus England nach Australien?
Wäre toll, wenn mir jemand dazu etwas erzählen könnte. Mich interessiert besonders, ob ihre Elternlosigkeit ausgenutzt wurde, um sie wirtschaftlich auszubeuten.
Danke schon mal im Voraus!:winke:
 
Hi,

ich setze mich augenblicklich mit der Frage auseinander, was mit Waisenkindern in der Frühen Neuzeit geschah. Woher kamen sie? Wer nahm sie auf? Mussten sie dafür irgendetwas leisten? Wurden sie auch in Kolonien geschickt, wie später Verbrecher aus England nach Australien?
Wäre toll, wenn mir jemand dazu etwas erzählen könnte. Mich interessiert besonders, ob ihre Elternlosigkeit ausgenutzt wurde, um sie wirtschaftlich auszubeuten.
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Im Buch "Das Parfüm" von Patrick Süsskind landet der "Held" als Säugling nach dem Tod der Mutter in einer Art Waisenheim und wird von der "Heimleiterin" später als Arbeitskraft an einen Gerber verkauft.
Ich nehme mal an, das es in anderen europäischen Ländern ähnlich gehandhabt wurde. Das waren ja billige Arbeitskräfte.
 
Hi,

ich setze mich augenblicklich mit der Frage auseinander, was mit Waisenkindern in der Frühen Neuzeit geschah. Woher kamen sie? Wer nahm sie auf? Mussten sie dafür irgendetwas leisten? Wurden sie auch in Kolonien geschickt, wie später Verbrecher aus England nach Australien?
Wäre toll, wenn mir jemand dazu etwas erzählen könnte. Mich interessiert besonders, ob ihre Elternlosigkeit ausgenutzt wurde, um sie wirtschaftlich auszubeuten.
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Es gab seit dem Mittelalter Findelhäuser, und in der frühen Neuzeit wurden nach Amsterdamer Vorbild seit dem frühen 17. Jahrhundert Waisenhäuser oft in Kombination mit Arbeitshäusern betrieben. Die Zustände in diesen Einrichtungen waren nicht selten unbeschreiblich, wogegen u. a. die Pietisten vorgehen wollten. Ein Musterbeipiel wurde die Einrichtung von August Herrmann Francke in Halle, die Vorbild für andere, teils noch heute existierende, wurde. Trotzdem waren die Zustände in Armen- und Waisenhäusern im 18. und 19. Jahrhundert häufig erbärmlich. Findel- und Waisenkinder waren totale außenseiter der Gesellschaft, denen häufig gar keine andere Wahl blieb, als kriminell zu werden, wobei sie in Arbeits und armenhäusern ohnehin oft mit Kriminellen zusammenkamen, da häufig gar keine Differenzierung der Insassen bestand.

Ein fränkischer Schäfer trug den Namen Friedrich Findling, einem Leidensgenossen, der später gehängt wurde, gab man den bezeichnenden Namen Georg Nichts.


Vielleicht noch ein paar Literaturtipps:

Ernst Schubert, "Arme Leute, Bettler und Gauner im Franken des 18. Jahrhunderts Neustadt/Aisch 1983
Kathrin Lange, "Gesellschaft und Kriminalität"

Martin Lange, Räuber und Gauner ganz privat- Räuberbanden und die Justiz im 18. und frühen 19. Jahrhundert Marburg 2007.
 
Zwar schon frühes 19. Jhdt., nichtsdestotrotz: Charles Dickens, Oliver Twist!
Desweiteren Christoffel von Grimmelshausen, Simplicissimus. Wobei hier ein absoluter Sonderfall beschrieben ist, der während des 30jähirgen Krieges spielt.
 
Grüezi

In der Schweiz gab es "Kinder der Landstrasse"...
http://de.wikipedia.org/wiki/Kinder_der_Landstrasse

Gruss Pelzer

Das waren aber keine Waisenkinder.

Über die Verdingkinder hab ich hier mal was geschrieben:

http://www.geschichtsforum.de/f73/verdingkinder-ein-dunkles-kapitel-der-schweizer-geschichte-1541/

Aber weder Kinder der Landstrasse noch die Verdingkinder waren eigentliche Waisenkinder, sie wurden den Müttern weggenommen und in Heimen gebracht oder wie bei den Verdingkindern verkauft.

Literatur zu den Verdingkindern:

http://www.amazon.de/Gestohlene-See...=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1226138824&sr=8-1

http://www.amazon.de/Versorgt-verge...=sr_1_2?ie=UTF8&s=books&qid=1226138824&sr=8-2

http://www.amazon.de/Stillen-klagte...=sr_1_6?ie=UTF8&s=books&qid=1226138824&sr=8-6
http://www.amazon.de/Aufwachsen-ohn...=sr_1_4?ie=UTF8&s=books&qid=1226138824&sr=8-4
 
Zuletzt bearbeitet:
Was hier noch gar nicht zur Sprache gekommen ist,
die Paten!

Der Grundgedanke der Patenschaft ist oder war zumindest, dass es außer den Eltern, falls denen etwas passiert, nochmal jemanden gibt, der sich um die Kinder kümmert.
Was in der Regel und in den mir aus der Ahnenforschung bekannten Fällen auch funktioniert hat.
 
Hi,

ich setze mich augenblicklich mit der Frage auseinander, was mit Waisenkindern in der Frühen Neuzeit geschah. Woher kamen sie? Wer nahm sie auf? Mussten sie dafür irgendetwas leisten? Wurden sie auch in Kolonien geschickt, wie später Verbrecher aus England nach Australien?
Das war sicher unterschiedlich. Im Idealfall hatte der Vater schon einen Vormund bestimmt, der sich kümmern sollte, dafür aber auch aus dem Erbteil entschädigt wurde.
Näheres dazu in einer datei zur historischen Betrachtung des Betreuungsrechts: http://www.kfhnw.de/koeln/bindata/hub.doc

Nicht selten entschied der Vormund wen das Mädchen zu heiraten hatte. Dabei konnten die Kinder in jeder Gesellschaftschicht an den Falschen geraten, sprich einen Vormund, der ihre Lage ausnützte. Gab es keinen testamentarischen Vormund, wurde staatlich einer bestellt, bisweilen übernahm die Kirche die Vormundschaft.
Geschichten und Infos über Kinder in Arbeitshäusern sind ja leider meist nur aus dem Ausland bekannt. Im übrigen landeten in den Arbeits- und Armenhäusern nicht nur Waisenkinder, sondern auch Kinder von ledigen Müttern, oder wenn die Eltern sie einfach loswerden wollten.

Es gibt z.B. Informationen über die Workhouses von Galway, Irland wo bis zu 8 Kinder ein Bett teilen mussten.

Habt ihr gewusst, dass man bei den Zwergen von Schneewittchen davon ausgeht, dass es sich bei den Zwergen in Wahrheit um Kinder, sprich Jungen, handelte, die im Bergwerk arbeiten mussten. Die Gänge bzw. Schächte waren oft so niedrig, dass auch die Kinder nur kriechen konnten. Oft schliefen die Kinder in Holzhütten im Wald bzw. in umittelbarer Nähe der Bergwerke.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi,

ich setze mich augenblicklich mit der Frage auseinander, was mit Waisenkindern in der Frühen Neuzeit geschah. Woher kamen sie? Wer nahm sie auf? Mussten sie dafür irgendetwas leisten? Wurden sie auch in Kolonien geschickt, wie später Verbrecher aus England nach Australien?
Wäre toll, wenn mir jemand dazu etwas erzählen könnte. Mich interessiert besonders, ob ihre Elternlosigkeit ausgenutzt wurde, um sie wirtschaftlich auszubeuten.
Danke schon mal im Voraus!:winke:

In den üblichen Findel- und Arbeitshäusern wurden Waisenkinder tatsächlich häufig ausgebeutet, und der schlechte Ruf vieler solcher Einrichtungen und die mangelnden sozialen Chancen der Insassen waren bereits den Zeitgenossen bekannt, so dass man zumindest den Kindern von Soldaten und Offizieren bessere Chancen schaffen wollte. Aus diesem Grund wurden Militärwaisenhäuser gegründet, wo Kindern von Soldaten zumindest Obdach und eine schulische Ausbildung garantiert wurde. In Kassel gibt es heute noch eine Waisenhausstraße, die daran erinnert, dass sich dort einmal ein Militärwaisenhais befand.
 
Nachtrag:
Ab dem 13. Jahrhundert hatte der König die Obervormundschaft auf alle Mündel und konnte einen Vormund bestimmen, was er natürlich bei Aristokraten auch tat.
Dies führte tatsächlich dazu (ich hatte es nicht glauben wollen), dass er entschied, wen sein Mündel, egal ob Junge oder Mädchen heiratete. :weinen:
 
Was sonst die Eltern gemacht hätten...
Im Übrigen war das auch sonst üblich, dass der König beim Adel Hochzeiten "vermittelte".
 
Nachtrag:
Ab dem 13. Jahrhundert hatte der König die Obervormundschaft auf alle Mündel und konnte einen Vormund bestimmen, was er natürlich bei Aristokraten auch tat.
Dies führte tatsächlich dazu (ich hatte es nicht glauben wollen), dass er entschied, wen sein Mündel, egal ob Junge oder Mädchen heiratete. :weinen:

Das war durchaus nicht nur bei Waisen der Fall. So benötigten in Preußen die Offiziere eine Heiratserlaubnis des Königs, die durchaus von Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. restriktiv gehandhabt wurde, die ihnen unpassende, nicht standesgemäße Bewerberinnen ablehnten. Jedenfalls mussten sich die Offiziere auf diesem Gebiet Bevormundungen des Landesherrn gefallen lasse. Es konnte aber für eine Waise auch durchaus von Vorteil sein, wenn der König oder Landesherr die Vormundschaft annahm und für eine angemessene Ausbildung sorgte. Das war durchaus ein wechselseitiges Geben und Nehmen. Der Landesherr sicherte sich potenziell fähige Köpfe als Offiziere und Beamte, während minderbemittelte Offiziere damit rechnen konnten, dass ihr Nachwuchs im Todesfall versorgt wurde und eine angemessene Ausbildung erhielt.

Bei Kindern von Offizieren war es vielen Fürsten durchaus wichtig, dass man sich dieser Kinder annahm und nicht zuletzt ihre Väter enger an die Herrschaft zu binden, indem ihrem Nachwuchs Versorgung und ausbildung garantiert wurde.
 
Ihr habt ja Recht.:friends:
Ich hatte das bisher halt für eine Erfindung der Romanschreiber gehalten ...
 
Leider habe ich wenig Ahnung von Deutschland und Waisenkindern, aber in England kommt es auf das Jahrhundert an. Im 17. Jahrhundert war es meistens so, daß Waisekinder erstmal 'Ward of the Parish' wurden- gleichfalls wenn es uneheliche Kinder waren. Will heißen, daß Waisenkinder ohne Verwandte erstmals unter die Vormundschaft der Gemeinde gestellt wurden, die meistens dafür gesorgt hat, daß die Kinder in Pflege genommen wurden (was nicht immer ganz problemlos war, da einige Leihmütter dazu tendierten die Kinder zu misshandeln) und später in Lehre gegeben wurden (Für verschiedene Einzelfälle ist die Website des 'Old Bailey' nützlich: Old Bailey Online - The Proceedings of the Old Bailey, 1674-1913 - Central Criminal Court). 'Wards ot the parish' mussten normalerweise ein Abzeichen am Ärmel tragen, daß sie kennzeichnete ( File:Cruelty1.JPG - Wikipedia, the free encyclopedia).

In London gab es außerdem noch andere Waisenhäuser wie z.B. eine zu St Paul's Cathedral zugehörige Schule. Normalerweise wurden diese Waisen jedoch erst aufgenommen wenn sich ein reicher Sponsor finden konnte.

Im 17. Jhd war es in London durchaus üblich, daß Kinder auf der Straße eingefangen wurden um sie als 'Bond Servants' nach Amerika zu schicken, egal ob elternlos oder nicht. Ein üblicher Vertrag erstreckte sich über 7 Jahre, konnte aber verlängert werden, besonders im Falle von Schwangerschaft.


In Schottland verhielt sich die Situation ähnlich, wenn dort auch im 17. Jhd die Sitten etwas rauher waren. Will heißen, daß in Notzeiten durchaus Kinder im Alter von 5 Jahren auf die Straße gesetzt wurden zum Betteln. Die Entscheidungsgewalt oblag den 'Kirk Elders'. (Mitchinson & Lehnemann 'Sexuality and Social Control: Scotland 1660-1780, Basil Blackwell 1989)
 
Ich habe eine verdammt wichtige Frage: wo werden Waisenkinder heute untergebracht? (Ich meine damit jetzt speziell in Amerika, genau genommen Chicago, aber egal)
Es ist sehr wichtig, da ich diese Info für mein Buch benötige und schon Ewigkeiten gegoogelt habe...
LG,
Simone
 
Ich habe eine verdammt wichtige Frage: wo werden Waisenkinder heute untergebracht? (Ich meine damit jetzt speziell in Amerika, genau genommen Chicago, aber egal)
Es ist sehr wichtig, da ich diese Info für mein Buch benötige und schon Ewigkeiten gegoogelt habe...
LG,
Simone

Das gehört eig nicht hierher, da es imho nichts geschichtliches ist.
Aber wenn man bei google einfach nur "orphanage chicago" eingibt kommen doch schon einige vielversprechende Ergebnisse.:grübel:

Google
 
Nachtrag:
Ab dem 13. Jahrhundert hatte der König die Obervormundschaft auf alle Mündel und konnte einen Vormund bestimmen, was er natürlich bei Aristokraten auch tat.
Grundsätzlich müsste man fragen, um welche Waisen es hier gehen soll. Für Waisen adeliger Familien gab es, glaube ich, auch Unterstützung von anderen Adeligen.

Auf dem Land kamen die Kinder in die Obhut der Gemeinde bis sie sich verdingen mussten.
Um etwas Genaueres zu sagen, muss man wirklich eingrenzen wo und wann hier gemeint ist.
 
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