Wallfahrtsort, ein Jahrtausende altes Kontinuum?

Dieses Thema im Forum "Religionsgeschichte" wurde erstellt von Dion, 17. April 2015.

  1. Dion

    Dion Aktives Mitglied

    Da handelte sich aber hauptsächlich nicht um Menschen aus dem Binnen-, sondern aus dem Ufer-Norikum, d.h. um die zwischen der Donau und dem Hauptkamm der Alpen wohnenden.


    Stimmt. Allerdings waren die Noriker in Europa wohl die einzigen, die nicht besiegt, d.h. nicht erobert worden sind. Aus diesem Grund haben sie auch lange Zeit eine Art Autonomie innerhalb des römischen Reiches gehabt. Was bedeuten könnte: Weniger Assimilierungsdruck.


    Das glaube ich weniger, denn die Zerstörungen gingen gleich nach dem Verbot der heidnischen Religionen durch Theodosius 391/392 los, die Völkerwanderungen begann erst später und spielten sich zunächst im Osten, nördlich der Alpen (Donauprovinzen) und im Westen des RR ab.


    Das sieht die neuere Forschung anders – siehe dazu bitte meinen Beitrag vom 16.05.2015, 13:26, in dem ich Stefan Eichert zitiere.
     
  2. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Da ist die Frage, wie man "nennenswert" definiert.
    Nach meinen Begriffen gab es schon noch eine nennenswerte Bevölkerung.

    Es ist aber auch offensichtlich, dass es schon vor dem Eindringen der Slawen einen drastischen Bevölkerungsrückgang in Noricum gegeben hat.

    Viele der größeren Siedlungen in den Tälern wurden aufgegeben, die übriggebliebene Bevölkerung zog sich auf höhergelegene Orte zurück.

    Ein paar Beispiele:

    Aguntum:
    Aguntum ? Wikipedia

    Teurnia:
    Teurnia ? Wikipedia

    Virunum:
    Virunum ? Wikipedia

    Flavia Solva:
    Flavia Solva ? Wikipedia


    Andererseits muss es doch eine romanische Bevölkerungskontinuität gegeben haben, da sich nicht wenige romanische Orts-, Flur- und Bergnamen erhalten haben, auch in Kärnten:

    "Romanische Ortsnamen finden sich im gesamten Altsiedelland Kärntens"
    (Heinz Dieter Pohl, Romanische Ortsnamen Kärntens. In: Akten der Theodor Gartner-Tagung, Innsbruck 1987)


    "Die romanische Bevölkerung findet im Ostalpenraum auch in den sog. Latinus-, Walchen-, Vlahi- und Laschitz-Namen ihren Niederschlag.
    ...
    Der Flurname Laschitz (windisch: Lašica = Walchengegend) haftet an einer Gegend nordwestlich von Teurnia (St. Peter in Holz). Das zeigt deutlich romanische Bevölkerungskontinuität im Nahbereich der antiken Römerstadt an.
    ...
    Im Gail- und Lesachtal spiegelt sich das romanische Element vornehmlich in Flur- und Bergnamen, wie Kornat aus cornu (= Horn) oder wie Monsell aus monticellu (= kleiner Berg)"
    (Paul Gleirscher, Karantanien, Klagenfurt 2000)
     
  3. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    jetzt muss ich dumm fragen:
    - wenn die nie "erobert" wurden, warum haben die dann ihre romanita nicht bewahrt?
    - betrafen die von Odovakar angeordneten Bevölkerungsverschiebungen nicht den norischen Raum? (wenn ich mich richtig erinnere: vita Severini)

    (ich bin mir da jetzt wirklich nicht sicher, habe unterwegs auch keine Möglichketi zum nachschauen - aber ich habe den Eindruck, dass im Noricum während der Völkerwanderungszeit/"Barbarenepoche" durchaus einiges los war, d.h. dass von einem "eroberungs-" oder "kriegsfreien" Raum nicht die Rede sein kann)
     
  4. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Da hast Du Dion wahrscheinlich falsch verstanden.

    Noricum ist von den Römern nicht gewaltsam erobert worden.
    Die Noriker schlossen sich den Römern freiwillig an.

    Dion meint, deswegen sei der Assimilationsdruck vielleicht nicht so hoch gewesen.
    Ein Argument ist das nicht, denn man kann genausogut das Gegenteil behaupten:
    Bei den Norikern war die Bereitschaft besonders groß, sich freiwillig zu assimilieren.
     
  5. Dion

    Dion Aktives Mitglied

    Eben. Selbst wenn die romanische oder nur romanisierte Bevölkerung Binnen-Norikums sich auf besser zu befestigende Berge zurückzog, es blieben bis zur Ankunft der Slawen Ende des 6. Jahrhunderts genug Leute da, um den Neuankömmlingen die Orts-, Flur- und Bergnamen nicht nur zu übermitteln, sondern diese auch zu veranlassen, sie weiter zu verwenden.

    Und nicht nur das: In meinem Posting vom 08.05.2015, 19:18 habe ich bereits Sabine Ladstätter zitiert, die u.a. Folgendes sagt - Zitat:

    Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass die spätantike Siedlung auf dem Hemmaberg in den letzten beiden Jahrzehnten des 4. Jh. gegründet und kontinuierlich bis in die 1. Hälfte des 7. Jh. besiedelt blieb.
    (…)
    Die Landnahme der einwandernden Slawen und der Verbleib romanischer Bevölkerungsgruppen an Ort und Stelle ist einerseits durch das Auftreten fremder keramischer Formen, andererseits durch die rasche Übernahme romanischer Fertigungstechniken archäologisch nachgewiesen.


    Alles sprich dafür, dass die autochthone Noriker von den Slawen weder niedergemetzelt, noch wurden ihre Bauten zerstört. Die Slawen übernahmen die Zentren/Organisation des Landes und verdrängten bzw. ersetzten die Eliten. Sie majorisierten damit – und in der Folge vermutlich auch aufgrund der größeren Zahl – die vorhandene Bevölkerung und verdrängten nach und nach das Romanische bzw. Ostgotische. Zitat aus Wikipedia:

    Zu Beginn der Völkerwanderung gab es eine ostgotische Oberschicht mit römischer Verwaltungs- und Militärstruktur. Nachdem die Slawen diese Oberschicht um das Jahr 600 ersetzten und einen eigenen Staat Karantanien mit dem Zentrum in Karnburg gebildet hatten, verdrängte die slawische Sprache bis zum 8. Jahrhundert die übrigen Sprachen unter Fortbestand der norischen, römischen und slawischen Bevölkerung. (Hervorhebungen durch mich)


    Exakt.


    Warum sollte die Bereitschaft, sich zu assimilieren, besonders groß sein? Das erschließt sich mir nicht.
     
  6. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Die Römer haben doch niemand gezwungen, Latein zu lernen, mit Fischsoße zu kochen und in der Freizeit Thermen oder Amphitheater aufzusuchen.

    Wer wird wohl eher bereit sein, den römischen Lebensstil zu übernehmen?

    Eine Gruppe, die sich widerstandslos ins Römische Reich eingliedern lässt - oder eine Gruppe, die sich gegen die Eingliederung mit Zähnen und Klauen wehrt?
     
  7. Ravenik

    Ravenik Aktives Mitglied

    Auch wenn Noricum nicht mit Waffengewalt unterworfen wurde, bedeutet das nicht gleich, dass es quasi freiwillig dem Römischen Reich beigetreten wäre. Wenn man angesichts der Aussichtslosigkeit von Widerstand die Waffen streckt, ist das keine Freiwilligkeit der Unterwerfung.
    Im Übrigen ist vieles in Hinblick auf die Eingliederung Noricums ins Reich sehr unklar und zweifelhaft, was an der absolut mangelhaften Quellenlage liegt. Ganz so friedlich verlief die Eingliederung jedenfalls nicht: In ihrem Vorfeld waren die Pannonier und die Noriker in Istrien eingefallen, aber von Publius Silius und seinen Legaten geschlagen worden. Die Unterwerfung Noricums war eine Folge davon. Unter dem Eindruck der Niederlage mag den Norikern das Interesse an bewaffnetem Widerstand abhanden gekommen sein.
     
  8. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Vielen Dank für den Hinweis. Da habe ich gleich noch etwas gefunden:

    "Noricum: "Eroberung war nicht friedlich"



    Wie schon gesagt: Niemand hat behauptet, dass die einheimische Bevölkerung einfach massakriert wurde.
    Aber Zerstörungen hat es gegeben, nicht nur auf dem Ulrichsberg, sondern auch auf dem Hemmaberg. Dort wurden mehrere Gebäude (darunter auch die Kirchen) in Schutt und Asche gelegt.

    http://www.geschichtsforum.de/743544-post43.html
     
  9. Ugh Valencia

    Ugh Valencia Aktives Mitglied

    Das verstehe ich nicht. Romanische Orts- oder Flussnamen haben sich doch auch außerhalb Noricums erhalten.
    Flußnamen wären Rhenus/Rhein, Danuvius/Donau, Mosella/Mosel, Moenus/Main, etc.
    Ortsnamen gibt es ebenfalls en masse Castra Regina/Regensburg oder Bingium/Bingen, usw.
    Muss ich dort überall ebenfalls von einer Bevölkerungskontinuität von der Spätantike über die Völkerwanderung bis mglw. ins Frühmittelalter ausgehen?
     
  10. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Zumindest in dem Rahmen, dass ein Name von Bevölkerung A an Bevölkerung B weitergegeben werden konnte.
     
  11. Heine

    Heine Aktives Mitglied

    Flussnamen sind oftmals sehr alt, vorrömisch, ja sogar voreinzelsprachlich indoeuropäisch in Mitteleuropa, sofern man Hans Krahe, Wolfgang Schmid und Jürgen Udolph folgt.

    Jürgen Udolph: Alteuropäische Hydronymie und urslavische Gewässernamen
     
  12. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Flussnamen können wir außen vorlassen. Die sind meist überregional und halten sich generell sehr hartnäckig.

    Regensburg dürfte durchgehend besiedelt gewesen sein, die Römerstädte am Rhein ebenfalls.

    Am Mittelrhein hat sich die lateinische/romanische Sprache auch nach dem Ende der römischen Herrschaft eine Zeitlang gehalten, an der Mosel sogar bis ins 13. Jahrhundert:
    Moselromanisch - eine weitere kleine Tochter von Mutter Latein? | Suite101


    Geschichte der Stadt Köln ? Wikipedia

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    Neue Seite 2

    Gerade sehe ich, dass es einen älteren Thread zum Thema gibt:
    http://www.geschichtsforum.de/f28/e...-siedlungskontinuit-t-oder-neugr-ndung-17491/
     
  13. Dion

    Dion Aktives Mitglied

    Diese geplante Stadt könnte aber auch beweisen, dass die Römer Angst hatten, keltische Noriker würden weiter nach Westen dringen und den Alpenübergang Brenner gefährden. Ähnliches spielte sich schon 100 Jahre zuvor ab: Die Römer gründeten Äquileia, um weiteres Vordringen der Noriker in die Poebene zu verhindern, was auch gelungen ist.

    Dem stehen die Aussagen von Helge Gerndt und Stefan Eichert (siehe meinen Beitrag vom 16.05.2015, 13:26) entgegen.

    Doch das ist nicht entscheidend, sondern allein die Frage, ob es eine Siedlungskontinuität – und damit die Weitergabe der Sitten und Gebräuche – gegeben hatte. Und hier stimmen alle Fachleute überein: Die hat es auf dem Hemmaberg und auch später im Tal gegeben.

    Erstens, weil – Zitat Sabine Ladstätter:

    Nach der Machtergreifung Odoakers wurde 488 per Beschluss die Provinz Noricum Ripense geräumt. – d.h. nicht Noricum Mediteraneum!

    Und zweitens - weiter Ladstätter:

    Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass die spätantike Siedlung auf dem Hemmaberg in den letzten beiden Jahrzehnten des 4. Jh. gegründet und kontinuierlich bis in die 1. Hälfte des 7. Jh. besiedelt blieb.

    Für mich, der ja nach Anzeichen nach Kontinuitäten bei Wallfahrten sucht, bedeutet das bisher Gesagte zum Hemmaberg:

    1. Auf dem Hemmaberg könnte es „bis zumindest 400 n. Chr“ einen heidnischen (keltischen) Iouenat-Tempel geben, weil dort ein diesbezüglicher Weihealtar gefunden wurde.

    2. Dem folgen ab Ende des 4. Jh. frühchristliche Kirchen (insgesamt 5 Kirchen!) mit Pilgerhäusern und einer Siedlung mit Werkstätten. Warum zu dieser Zeit dorthin in so großer Zahl gepilgert wurde, ist nicht bekannt, eine Verbindung zu einer Wasserquelle etwas unterhalb der antiken Siedlung (heute Rosaliengrotte genannt) in der Nähe wird vermutet.

    3. Die Siedlung besteht mit autochthoner romanischer und slawischer Bevölkerung bis in die 1. Hälfte des 7. Jh., danach verlieren sich die Spuren.

    4. Am Anfang der Neuzeit wurde die Wallfahrtskirche der heiligen Hemma (Patrozinium 27. Juni) und Dorothea (Patrozinium 6. Februar) errichtet.

    Ob zwischendurch auf Hemmaberg weiter gepilgert wurde, habe ich bisher nicht entdecken können, allerdings auch noch nicht richtig gesucht. Die anscheinend mehr als 800 Jahre dauernde Pause zwischen dem letzten Leben auf dem Hemmaberg und der Errichtung der Wallfahrtskirche machen es aber beinahe unmöglich, an eine dortige Wallfahrtskontinuität zu glauben.
     
  14. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Sie beweist, dass die Römer eine erhebliche militärische Präsenz für angebracht hielten.

    Alles andere ist Spekulation.


    Ich schrieb:

    Aber Zerstörungen hat es gegeben, nicht nur auf dem Ulrichsberg, sondern auch auf dem Hemmaberg. Dort wurden mehrere Gebäude (darunter auch die Kirchen) in Schutt und Asche gelegt.

    Wer schreibt denn Gegenteiliges?


    Meines Wissens sind die Doppelkirchenanlagen erst im frühen 6. Jahrhundert errichtet worden (Gleirscher, S. 52)

    Falls das wirklich ein Wallfahrtszentrum war, war es nur kurze Zeit in Betrieb. Die Kirchen wurden anscheinend schon im 6. Jahrhundert profan genutzt.

    Und dann wurden sie auch noch abgefackelt.

    Wer das Feuer gelegt hat - Militärs oder Zivilisten, Romanen oder Slawen, die Einwohner der Siedlung oder Zuwanderer, das verraten die Brandspuren natürlich nicht.

    homepage.univie.ac.at/stefan.eichert/pdfs/EichertSAFM3.pdf


    Da sind wir uns wohl einig.
     
  15. Ugh Valencia

    Ugh Valencia Aktives Mitglied

    @ElQ, Heine und Sepiola: Danke für eure Antworten. Mir war eine dermaßen langanhaltende Kontinuität neu, isb. bei Moselromanisch.
     
  16. Dion

    Dion Aktives Mitglied

    Das mit dem Verschwinden der keltischen Sprache bzw. dem Romanisierungsgrad der Bevölkerung in den „eroberten“ Provinzen hat mir keine Ruhe gelassen. So habe ich noch einmal das Buch "Kulturhistorische und archäologische Probleme des Südalpenraumes in der Spätantike“ in die Hand genommen und Folgendes (von Adolf Lippold, Regensburg: „Romanisierung und Christianisierung des Ostalpenraumes um 400 n.Chr.“) gefunden - Zitat:

    Immerhin reicht das Material hin, um festzustellen, daß es doch Aquileia schon in ganz anderem Maß eine römische Stadt gewesen ist als selbst Emona oder Poetovio, die ihrerseits wieder vor Orten wie Virunum, Teurnia und Aguntum rangierten.

    Und Fritz Lochner von Hüttenbach sagt in dem gleichen Buch zur Herkunft der römerzeitlichen Personennamen in der Steiermark – Zitat:

    Wenn im ostnorischen Raum rund 60 Prozent des römerzeitlichen Namensbestandes aus dem Mittelmeerraum herzuleiten sind, darf das nicht so aufgefaßt werden, daß mehr als die Hälfte der ostnorischen Bevölkerung eingewanderte Italiker sind oder Leute aus der Ägäis. Sie sind nicht einmal romanisierte Einheimische. Romanisiert wurden lediglich ihre Namen, doch dies ist bloß eine äußere Erscheinung. Für ein wirkliches Eindringen einer romanitas fehlt jeder Beweis. Die römische Besatzungsmacht ist im Norikum nur im Bereich der Verwaltung, im politischen und militärischen Sinn, in Steinbauten und Straßenanlagen stärker in Erscheinung getreten. Ein tieferes Bekanntwerden römischen Geistes, römischer Kultur und römischer Bildung in der Masse der Provinzialen, im einheimischen Volkstum, hat nicht stattgefunden. Dies zeigt auch die Tatsache, daß kein Ortsname aus der römischen Zeit unseres Landes, die immerhin Jahrhunderte gedauert hat, auf uns gekommen ist, zum Unterschied vom rätischen Gebiet.
    […]
    Aus den Inschriften darf ferner nicht geschlossen werden, daß die einheimische Bevölkerung, die sordida plebs, Latein zu lesen und zu schreiben imstande war oder daß sie lateinisch gesprochen hat.
    [...]
    Dafür sprechen auch unbeholfen geschriebene Buchstaben und orthographische Fehler. Daß damals von Latine loqui in den Provinzen des imperium Romanum nicht gesprochen werden darf, lehrt uns etwa der Bericht, wonach der hl. Irenaeus von Lyon zu Ende des 2. Jahrhunderts das Keltische erlernen musste, um in Gallien von den Einheimischen verstanden zu werden, wenn er predigte. In gleichem Maß gilt dies auch für den Osten Norikums.


    Wenn schon die fremde Sprache nicht oder nur teilweise übernommen wurde, so darf man fragen, in wie weit dann fremde Götter übernommen wurden. Daraus folgt eine weitere Frage: Haben auf dem Hemmaberg – und anderen einschlägigen Bergen mit keltischen Tradition – Einheimische dort tatsächlich Christus angebetet oder nur so getan als ob, sprich weiter ihren Iouenat oder einen anderen keltischen Gottheit angebetet?
     
  17. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    das ist eine hübsche Idee, dass die unrömischen Noriker in den Kirchen heimlich ihre alten Götter anbeten :) (mir ist vergleichbares heimlich den verbotenen Göttern in der Kirche (sic!) opfern von "wodanistischen" Sachsen oder Friesen nicht bekannt)

    Aber trotz der Zitate bin ich skeptisch, was die nur oberflächliche bis gar nicht vorhandene Romanisierung betrifft: immerhin zählte das Gebiet einige Jahrhunderte zum römischen Imperium. Und die Häufigkeit von Ortsnamen römischer (lateinischer) Herkunft ist nicht zwingend ein Indikator: der romanisierte (größere) Teil der britischen Insel verfügt über keltische, lateinische und angelsächsische Ortsnamen; von Caesar bis in die Spätantike währte dort die Romanisierung, und sie kämpfte tapfer aber vergeblich gegen die angelsächsische Eroberung im 5./6. Jh.
     
    Zuletzt bearbeitet: 28. Mai 2015
  18. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied



    Wo hier das Argument sein soll, sehe ich nicht, vielleicht steckt es im weggelassenen Text?

    Wenn ein Text in Satzbau, Grammatik und Wortwahl ganz normales (Vulgär)-Latein ist, kann man davon ausgehen, dass der Schreiber fließend Latein gesprochen hat.

    Krakelige Buchstaben und orthographische Fehler zeigen lediglich, dass da jemand geschrieben hat, der nicht sehr geübt im Schreiben war.



    Jedenfalls haben sie zur Zeit der Spätantike in ihren Grabsitten keinerlei keltische Spuren hinterlassen.

    "Alle bekannten Friedhöfe des 4., 5., und 6./7. Jahrhunderts in Norikum zeigen romanisches Totenbrauchtum, was bedeutet, daß die romanisierte und weitgehend bzw. in zunehmendem Maße christianisierte Bevölkerung in der Regel beigabenlos und ohne Trachtausstattung bzw. Schmuck beigesetzt wurde.
    ...
    Der Ritus der spätrömischen Bestattung war der der Körperbestattung. Bei unterschiedlicher Armhaltung lagen die meisten Toten am Rücken. Wenn sich die Arme im Beckenbereich kreuzen oder die Hände gefaltet erscheinen, dürfte dies Ausdruck einer christlichen Bestattungsform sein. Dem entspricht das flächendeckende Netz christlicher Kirchen bereits im 4. Jahrhundert.
    ...
    Gewichtige Merkmale spätrömischen Bestattungsbrauchtums sind im weiteren steinumstellte Gräber, Gräber mit Steinplatten als Kopfauflage und gemauerte, innen verputzte Grüfte bzw. Marmorsakophage oder aus Steinplatten zusammengefügte Sarkophage, ja auch regelrechte Grabbauten." (Gleirscher, Karantanien, S. 85f)

    Auch Franz Glaser meint, man könne aus den Gräberfeldern "auf eine christliche romanische Bevölkerung schließen". (Über das Christentum im Alpen-Adria-Raum nach archäologischen Zeugnissen, in: Günther Hödl/Johannes Grabmayer, Karantanien und der Alpen-Adria-Raum im Frühmittelalter. Wien/Köln/Weimar 1993)
     
  19. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Das wäre übrigens ein Kultplatz mit Spuren keltisch-römisch-christlicher Kontinuität bis zur Spätantike:
    Geschichte des Frauenberges - Tempelmuseum Frauenberg

    Wie an anderen Orten enden die Belege dann mit der Slawisierung. Erst über 500 Jahre später lässt sich wieder eine Kirche belegen.
     
  20. Ravenik

    Ravenik Aktives Mitglied

    Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun. Auch heute sprechen nur die wenigsten Christen Aramäisch, ohne dass das indizieren würde, dass sie in Wahrheit noch ihre alten Götter verehren.

    Ansonsten zu Deinem Zitat:
    Wenn die Namen romanisch sind, die archäologisch fassbaren Äußerlichkeiten romanisch sind und schlecht aber doch lateinisch geschrieben wurde, beweist das zwar tatsächlich nicht zwingend ein wirkliches Eindringen der romanitas, aber das Gegenteil noch viel weniger: Dafür, dass das nur Äußerlichkeiten waren, fehlt erst recht jeder Beweis.
     

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