Wann änderte sich die Art des Kriegführens?

recognite

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Hey Leute,

ich habe mich gefragt, was wohl die letzte europ. Schlacht gewesen sein könnte, in der man sich noch auf dem Feld "traf" um dann in Blöcken schießend aufeinander zu marschieren.

Kann mir da einer was zu sagen?
 
Zwei Prozesse, die teils unabhängig verleifen, waren vermutlich wichtig für die Entwicklung.

Die Ablösung der stehenden Heere des Absolutismus und der erwachende Nationalismus, ermöglichte neue Formen der Führung von Infantrie im Felde, Stichwort Disziplin und Desertation.

In diesem Sinne ging man dazu über, Voltigeure, Jäger etc., eine lockere Gefechtsformation einzunehmen und erfolgreich und koordiniert zu kämpfen.

Eine der letzten entscheidenden Schlachten, die durch die "großen Kolonnen" gewonen wurde, war Wagram.

http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Wagram

Im 19. Jahrhunder ist es aber auch der technische Fortschritt im Bereich der Artillerie / Schrappnell etc. und ebenfalls die Zunahme automatischer Waffen, die eine "kompakte" Vorgehensweise, wie noch die Kolonnen napoleonischer Prägung, als selbstmörderisch erschienen ließen.

Mitrailleuse ? Wikipedia

Wie beispielweise auch bei der berühmen "Charge of the Light Brigade" im Krim-Krieg.

Attacke der Leichten Brigade ? Wikipedia

Und auch teilweise noch zu Beginn des WW1, das sich im Langemarck-Mythos niedergeschlagen hat.

Mythos von Langemarck ? Wikipedia

Noch im WW2 (1941 und folgende Jahre) fanden vor allem auf russischer Seite noch sehr massive Angriffe von Infantrie und teilweise auch Kavallerie-Einheiten statt, die teils in der jeweiligen ideologisch motivierten taktischen Orientierung begründet lagen, aber auch im Defizit alternativer taktischer Vorgehensweisen zu suchen ist.

Zu empfehlen wäre:
http://books.google.de/books?id=K7gNAAAAQAAJ&printsec=frontcover&dq=fuller,+the+conduct+of+war&hl=de&sa=X&ei=8Jg7T8SqIcLX0QWtsaht&ved=0CDIQ6AEwAA#v=onepage&q=fuller%2C%20the%20conduct%20of%20war&f=false
 
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Vielen Dank für die rasche Antwort.

Der Verweis der Disziplinierung erinnert mich aber eher an Lipsius, der ja diese erst so richtig eingebracht hat. Johann VIII. von Nassau-Siegen schrieb doch dann in seinem Kriegshandbuch erstmals Befehle und Kommandos nieder, die ein Vorgehen im Block effektiver machten.

Nachvollziehen kann ich den Fakt der Artillerie. Da macht ein Formaktionsgang keinen Sinn mehr.

Warum aber traf man sich auf dem Schlachtfeld um sich total sinnlos reihenweise abknallen zu lassen?
 
Sinnlos ist das Sterben auf dem Schlachtfeld für den Soldaten selbst sicherlich an irgendeinem Punkt gewesen, im Gesamtzusammenhang aber definitiv nicht.

Falls du hiermit die "Kolonnengefechte" des 18. 19. Jahrhunderts meinst ist hier der Grund wohl in der Waffentechnik zu suchen, die gezieltes Feuern nur bedingt zuließ. Steinschlossgewehre mit nicht gezogenem Lauf und Rundkugeln massiert man eben einfacher und lässt Reihen/Kolonnenfeuer los um etwas zu treffen. Dadurch lässt sich dann auch die bei früheren Schusswaffen beträchtliche Rauchentwicklung kompensieren, die gezielte Schüsse auf Einzelpersonen ohnehin eher schwierig machen würde.
 
...
Warum aber traf man sich auf dem Schlachtfeld um sich total sinnlos reihenweise abknallen zu lassen?

Eine wunderschöne philosophische Frage. Weil Krieg war, weil die taktische Schlachtordnung so befohlen und eingeübt war?

Über das Wort "sinnlos" könnte man sich unterhalten, aber das Fragewort "Warum" in diesem Frage-Zusammenhang, ist m.E. nicht, jenseits der Einzelfallbetrachtung, auflösbar.

M.
 
Warum aber traf man sich auf dem Schlachtfeld um sich total sinnlos reihenweise abknallen zu lassen?

Weil dem Kämpfen auf dem Schlachtfeld ein sehr komplizierter Prozess der Vergesellschaftung und der Bildung eines Gemein- bzw. Staatswesens vorausgeht.

Berührt wird zudem die vermutlich vorhandene anthropologisch verankerte Konstante des Homo Sapiens nach "Sicherheit".

Deren Grundlagen bei Hobbes analytisch das erste Mal beschrieben wurden.

Thomas Hobbes ? Wikipedia

Leviathan (Thomas Hobbes) ? Wikipedia

Wenngleich diese Erweiterung der Fagestellung deutlich vom ursprünglichen Thema wegführt!!!!:grübel:
 
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Weil es um "Blöcke", und ich interpretiere dieses als "Kolonne" gemeint, geht, so zumindest der Ausgang #1, wobei mir nicht klar ist, ob der Threadersteller die unterschiedlichen Formationen der damaligen Zeit kennt.

Und Wagram war für mich immer das Beispiel für eine "Super-Kolonnen-Taktik", die auf schierer Masse, die klassische "Brechstange" (um es umgangsprachlich zusagen), beruhte, und fern jeglicher anderer Überlegungen das Zentraum des Gegners punktuell zerschlug:

Wiki:
"Der entscheidende Angriff gegen das österreichische Zentrum wurde von General MacDonald geführt, der dafür später zum Marschall ernannt wurde. Er teilte seine Truppen in Formationen zu je etwa 8.000 Soldaten auf und setzte diese Truppenteile im Nahkampf ein, um das Zentrum der Österreicher aufzubrechen."

Die ungewöhnliche Aufstellung von McDonald ist relativ weit unten erklärt:

http://napoleonistyka.atspace.com/Battle_of_Wagram_1809.htm#_in_the_center_Bernadotte_vs_Bellegarde

Nebenbei ist diese Art des Einsatzes, der tiefen und punktuellen Staffelung von Streitkräften, eine Idee, die im "Blitzkrieg-Konzept" des WW2 eine Auferstehung feierte.
 
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Also kurz zusammengefasst kann man sagen, dass es sich durch die verbesserte Waffentechnik ergab, nun nicht mehr in Formation zu kämpfen, sondern einzeln, u.a. hinter Deckungen etc..
 
Weil es um "Blöcke", und ich interpretiere dieses als "Kolonne" gemeint, geht, so zumindest der Ausgang #1, wobei mir nicht klar ist, ob der Threadersteller die unterschiedlichen Formationen der damaligen Zeit kennt.

Und Wagram war für mich immer das Beispiel für eine "Super-Kolonnen-Taktik", die auf schierer Masse, die klassische "Brechstange" (um es umgangsprachlich zusagen), beruhte, und fern jeglicher anderer Überlegungen das Zentraum des Gegners punktuell zerschlug:
....

Die ungewöhnliche Aufstellung von McDonald ist relativ weit unten erklärt:

Battle of Wagram 1809 : Schlacht : Bataille : Batalla : Bitwa

Zunæchst mal vielen Dank fuer den Link! Interessant, was sich im Netz so alles findet.
Beim Lesen habe ich spontan an d'Erlon's Angriff in tiefer Kolonne bei Waterloo gedacht, und siehe da, es wurde in diesem Link weiter unten auch als weiteres (wenn auch nicht erfolgreiches) Beispiel genannt.

Mehr "Brechstange" als bei Waterloo geht vermutlich auch gar nicht,
erst d'Erlon, dann einer der grøssten Kavallerieangriffe der Geschichte, und schliesslich der Angriff der alten Garde...

Ich vermute aber, dass dem Threadersteller die unterschiedlichen Aufstellungsarten gar nicht so bekannt sind, und es einfach nur um "Aufmarschieren, Schiessen, Kæmpfen in festgelegten Formationen" geht, sei es nun in der Linie oder Kolonne oder gar Karree.

Und das haben wir eindeutig noch in der napoleonischen Epoche, ich meine auch noch 1866 und 70/71 - aber da bin ich mir gar nicht so sicher, inwieweit man da schon die Formationen im Gefecht aufgeløst hat.

Also kurz zusammengefasst kann man sagen, dass es sich durch die verbesserte Waffentechnik ergab, nun nicht mehr in Formation zu kämpfen, sondern einzeln, u.a. hinter Deckungen etc..

Das ist sicherlich ein Grund. Ein zweiter Grund ist der weitgehende Wegfall von unerwuenschten "Rueckzuegen" und møglichen (Massen-)Dessertationen bei næchst bester Gelegenheit. Einheiten unter Friedrich dem Grossen oder auch zur napoleonischen Zeit konnte man nicht einfach wild in's Gelænde schicken, zu gross war die Gefahr, dass sich die vielfach gepressten, zwangsrekrutierten, teils auslændischen Soldaten einfach aus dem Staub machten.

Gruss, muheijo
 
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Es ist nicht nur die Waffentechnik, sondern auch die Disziplin.

Große Blöcke hat man gebildet um sich gegenseitig Schutz zu bieten (z.B. gegen Kavallerie, die lange gefährlicher war als die Artillerie), um zu vermeiden dass die Soldaten davon liefen und um die Armee überhaupt führen zu können.

Bis wann das so ging? Ist eine Definitionsfrage. Sprechen wir nur über geschlossene Blöcke oder Riegel mit einem Abstand von einem halben Meter von Mann zu Mann, dann bis 1870.

Wenn es jedoch etwas lockerer sein kann, aber immer noch in großen Menschenmengen in direkter Rufweite voneinander, dann zählen noch die menschlichen Wellen im 1. Weltkrieg, an der Ostfront oder im Pazifik im 2. WK, in Korea oder sogar im ersten Golfkrieg durch die Iraner.
 
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Und das haben wir eindeutig noch in der napoleonischen Epoche, ich meine auch noch 1866 und 70/71 - aber da bin ich mir gar nicht so sicher, inwieweit man da schon die Formationen im Gefecht aufgeløst hat.
70/71 ging man noch Schulter an Schulter in mehreren Wellen zum Sturmangriff. Als Beispiel fällt mir da die Erstürmung des Roten Berges in der Schlacht bei Spichern, 6. August 1870, ein. Die Preußen rannten unter hohen Verlusten gegen die französischen Stellungen an. Es fiel bei den Angriffen sogar ein General, Bruno von François.
Mitrailleusen hatten keine wirklich effektive Wirkung. Ihre Streuung war zu gering, so dass getroffene Soldaten zum Teil von mehreren der schweren Geschosse regelrecht zerrissen wurden. Links und rechts von ihnen aber niemand in Mitleidenschaft gezogen wurde.
 
Mir fällt zur Änderung einer Taktik noch folgendes ein: In der Schlacht bei Langensalza, am 27. Juni 1866, bildeten die Preußen beim Angriff der Cambrige-Dragoner der hannoverschen Armee ein Karree, wie zu Napoleons Zeiten. Im Krieg 1870/71 taten sie dies dann nicht mehr, sondern gaben aus der Schützenlinie heraus Schnellfeuer. Das bedeutet, jeder lud und schoss für sich so schnell er konnte. So wie in der Schlacht bei Wörth am 6. August 1870.
 
nun, ich glaube es gab immer 2 verschiedene taktische Konzepte, die stets miteinander konkurrierten - die geschlossene Formation und die aufgelöste Formation im 18.Jahrhundert z.B. hatten wir einerseits die Linieninfanterie und andererseits die Jägereinheiten als Antipoden beider Konzepte und beide Konzepte existieren bisheute nebeneinander- heute geht zwar die Infanterie nicht mehr geschlossen vor,aber geschlossene Panzerangriffe gab es noch im Irakkrieg bei Khafji und in Kuwait
 
70/71 ging man noch Schulter an Schulter in mehreren Wellen zum Sturmangriff. Als Beispiel fällt mir da die Erstürmung des Roten Berges in der Schlacht bei Spichern, 6. August 1870, ein. Die Preußen rannten unter hohen Verlusten gegen die französischen Stellungen an. Es fiel bei den Angriffen sogar ein General, Bruno von François.
Mitrailleusen hatten keine wirklich effektive Wirkung. Ihre Streuung war zu gering, so dass getroffene Soldaten zum Teil von mehreren der schweren Geschosse regelrecht zerrissen wurden. Links und rechts von ihnen aber niemand in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Alte Gewohnheiten ändern sich nur langsam.

Zur Jahrhundertwende hatte man die Notwendigkeit der aufgelösten Schützenlinien schon längst begriffen. Man ging jedoch davon aus, dass durch Feindeinwirkung die vorderen Linien sich schnell lichten würden und man einen steten Nachschub an Soldaten nachschieben müsste. Man errechnete also den erforderlichen Wechsel.

Bei Manövern fürte dieses dazu, dass die vorderen Linien wieder recht dicht gedrängt waren, weil natürlich niemand tatsächlich verletzt oder getötet wurde und alle vorne blieben. Die Schützenlinien sahen dann teilweise so massiv aus, wie 150 Jahre früher. Bis 1914 scheint man dieses aber halbwegs unter Kontrolle gebracht zu haben. Vor dem Feind waren die Linien dann nicht ganz so dicht wie die französischen oder russischen.
 
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