Waren die Mexikaner gegen die Indios?

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Gast

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Ich schreibe bald eine Spanisch-Klausur und wollte mich mal informieren, wie das mit den Mexikanern und den Indios so um 1910 (ungefähr zur zeit der mexikanischen revolution) war! Warum waren die Indios innerlich zerrissen? Wie war die Gesellschaft aufgebaut und was waren die Gründe für deren schwere Lebenslage??

Über Antwort würde ich mich sehr freuen!
 
100 Jahre früher könnte ich Dir zuverlässiger helfen. Also bevor Napoleon Spanien besetzte und im Zuge dessen allen Einwohnern der spanischen Königreiche - also auch Mexiko - von der liberalen spanischen Verfassung (La Pepa, 1812) die Bürgerrechte zugeteilt wurden (Ausnahme: die Schwarzen, denn mit denen hätten die 15.000.000 Amerikaspanier die 10.000.000 Europaspanier an Stimmen überflügelt) wurde das alte Kastensystem (tatsächlich ist der spanische Fachbegriff las castas) aufgehoben. Die erste eigenständige mexikanische Verfassung von 1824 orientierte sich an der spanischen von 1812, nahm aber auch die Schwarzen als Vollbürger an. Man kann also sagen, dass es 1824 staatsrechtlich keinen Rassismus gab. Nur leider weiß ich nicht, was im folgenden genau passierte, denn die mexikanischen Verfassungen nach 1824 kenne ich leider nicht. Kann also sein, dass in ihnen der ein oder andere Rückschritt zu finden ist.
Was die Ereignisse um die mexikanische Revolution und die Indios - besser Indígenas, Indios gilt heute in Teilen LAs als rassistischer Begriff - angeht, so sollte man sich die Forderung Emiliano Zapatas anschauen: Tierra y Libertad. Für mich stellt sich die mexikanische Revolution jedenfalle mehr als Klassen- als als Rassenproblem dar. Aber, wie gesagt, ich weiß nicht, wie rassistisch der mexikanische Staat um 1910 war.
 
Ich schreibe bald eine Spanisch-Klausur und wollte mich mal informieren, wie das mit den Mexikanern und den Indios so um 1910 (ungefähr zur zeit der mexikanischen revolution) war! Warum waren die Indios innerlich zerrissen? Wie war die Gesellschaft aufgebaut und was waren die Gründe für deren schwere Lebenslage??

Mal auf die Schnelle ein paar Stichworte:
Die Indianer waren kolonisiert - Menschen zweiter Klasse im eigenen Land, wenn nicht völlig rechtlos, teils Ausbeutung auf Plantagen (selbst bei Mitarbeit aller Arbeitsfähigen in der Familie konnte der tägliche Lebensunterhalt nicht erarbeitet werden). Die Gesellschaft war weitgehend undurchlässig strukturiert: Indianer ganz unten, etwas darüber Halbindianer, ganz oben Weiße. Zu Kolonialzeiten waren Indianer u.a. in Missionen oder Haciendas zur Zwangsarbeit herangezogen worden, wo die Aufrechterhaltung von Traditionen nicht oder kaum möglich war, weil Angehöriger mehrerer/vieler Völker zusammenlebten; dadurch entstand eine relativ breite Schicht Indianer/Halbindianer, die ihrer traditionellen Kultur entfremdet waren. Ein sozialer Aufstieg durch Bildung war weitgehend unmöglich; höhere Bildung für Indianer nur in Ausnahmefällen zu realisieren. Die wirtschaftliche Ausbeutung ging auch nach der Unabhängigkeit Mexikos weiter, wie auch Landenteignungen/diebstahl. Politische Einflußnahme der indianischen/gemischt-indianischen Mehrheit war nicht gegeben.

'Ideologisch' untermauert war das System durch rassistische Einstellungen gegenüber Indianern: Indianer sind minderwertig, faul und arbeiten nicht 'von allein', Indianer sind schmerzunempfindlich (und können daher erbarmungslos geprügelt werden). Das ist nicht nur 'kolonial', sondern auch nach der Unabhängigkeit prägend für die Lebensbedingungen der Indianer.

Anmerkung zu Quijotes Antwort: staatsrechtlich und verfassungsmäßig gesehen ist das richtig, die Praxis war häufig genug völlig anders. Tierra y Libertad als Forderung beinhaltete politische Freiheit, Freiheit als Staatsbürger mit allen Rechten und Pflichten, Sicherheit vor Willkür, aber auch sicherer Landbesitz ohne die Gefahr der Enteignung, wenn zb ein weißer Mexikaner das Land beanspruchte, war Vertreibung eher üblich und der juristische Weg wenig erfolgversprechend (neben der Kostenfrage). Getragen wurde mW die Revolution insbesondere von der Schicht der Halb-Indigenas. Die Klassenfrage war schon (bzw immer noch) eng mit der 'Rassenfrage' verknüpft.
 
Zusatzbemerkung:
Du überschreibst deine Anfrage mit:
Waren die Mexikaner gegen die Indios?

Den Gebrauch des Wortes 'Indios' hat Quijote bereits angesprochen. Aber aus deiner Frage ergibt sich, daß du einen Unterschied zwischen Mexikanern und Indianern machst - die aber waren in dem Land zu Hause, sprich früher da. Die Formulierung spricht den Indianern jedoch die Staatsbürgerschaft ab. Ansonsten: die Kolonialherren sind in aller Regel nicht unbedingt 'für' die Kolonisierten und Beherrschten.
 
"Die Mexikaner" - das sind 60% Mestizen, 30% Mayas, Azteken und andere indigene Völker. Der Rest sind Weiße und kleine Splittergruppen "sonstige".

Deine Frage "Waren die mexikaner gegen die Indios?" ist daher nicht sehr konkret.
 
Was ich heute lese (Virginiea Guedea: [FONT=&quot]The First Popular Elections in Mexico City, 1812 – 1813. In: Rodríguez O., Jaime E.: The evolution of the Mexican political system. Wilmington, Delaware 1993. S. 45 – 69.) haben wohl die mexikanischen Gemeindepriester, welche für die Durchführung der Wahl der Deputierten [/FONT][FONT=&quot]für die Ständeversammlung in Cádiz[/FONT][FONT=&quot] am 29. November 1812 [/FONT][FONT=&quot] verantwortlich waren, die Bestimmung der spanischen Verfassung zum Teil unterlaufen: sie ließen, entgegen der Verfassung, auch Mexikaner afrikanischer Herkunft wählen. Auf den Gesamtstaat hatte das allerdings keine Auswirkungen, weil die Anzahl der Deputierten und damit der zu wählenden Wahlmänner festgelegt war auf die Anzahl der wahlberechtigten Bevölkerung.
[/FONT]
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich schreibe bald eine Spanisch-Klausur ...

Mir ist völlig unklar, ob "bald" nicht schon vorbei ist und dass unser anonymer Gast noch mitliest möchte ich fast bezweifeln, wenn dem aber doch so ist und "bald" noch nicht vorbei ist, hätte ich noch einen Gedanken beizusteuern, der allerdings kürzer ist als diese ellenlange Vorrede.

Jacobum hatte ja schon darauf hingewiesen, dass 90 % der mexikanischen Bevölkerung indianisch oder indianischstämmig sind.
1810 gab es eine Revolte, die mit dem Grito de Dolores (zu Übersetzen mit 'Schrei von Dolores' nicht mit 'Schmerzensschrei', Dolores ist ein Dorf) begann. Es war eine Revolte von vorwiegend indianischen Landarbeitern, geführt von einem Priester, Miguel Hidalgo y Costilla. Nachdem die royalistischen Behörden von Neuspanien Hidalgo besiegt hatten,übernahm ein anderer Priester die Führung der Revolte, José María Morelos. Dieser schrieb einen Verfassungsentwurf und dieser Verfassungsentwurf nennt das erste Mal die spanische Kolonie Nueva Espa[FONT=&quot]ñ[/FONT]a als "México", was sich seinerseits aus einer Namensform für die Azteken ableitete: "Meschika".

Allein der Staatsname México ist demnach ein Bekenntnis zur präkolumbianischen Ära.
 
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