Einige Nachträge:
Zur Funktion und Positionierung der Zeitungswelt in Öst.:
Vilsmeier, Deutscher Antisemitismus im Spiegel der österreichischen Presse, dort wird die Landschaft vor 1933 beschrieben und die Zeitungen werden den großen Gruppen zugeordnet. Eine beachtliche Trennungslinie verlief zwischen den christlich-sozialen und den nationalen sowie den monarchistischen Blättern seit 1920, insbesondere ab S. 41 und 46.
Ein Zitat: Nach Pulzer, Die Entstehung des politschen Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1867-1914, S. 109 war deutsche Nationalmus in seiner - in Österreich und anderen deutschen Gebieten so empfundenen Grobheit und Arroganz - der Anlass für die endgültige Loslösung der "Deutschen in Österreich" von der Hauptmasse der Nation.
Nun sollte man die Haltung der Deutschen zur Nation nicht simplifizieren und etwa die Haltung der Deutschen in Österreich als "natürlich positiv" im Sinne der Deutschen Nation und unbedingten Anschlußwillen an die Berliner Republik unterstellen (hier felht nämlich selbst bei den Seiten, die damit symphatisierten, jedes Konzept, wie dieser Anschluß praktisch aussehen soll). Zeitgleich gab es genau die andere Richtung, zeitgleiches Beispiel:
Bischhof, Rheinischer Separatismus 1918-1924
und die Rheinstaatbestrebungen als "Los von Berlin"-Bewegung. Das preußisch geprägte Deutsche Reich ist nicht nur in nationalen österreichischen Kreisen mit Vorsicht betrachtet worden. Wie sehr dass mit politischen Parteienmeinungen konträr gehen kann, zeigt die einheitliche reichstreue Haltung der rheinischen Parteiableger 1923.
Konfessionelle Bedenken: ein Meinungs-Schlaglicht zur preußischen Deutschen Nation: "Ich sage Euch, die Franzosen sind Menschen, die Preußen sind Barbaren. Im Krieg haben die Preußen die rheinischen katholischen Regimenter zuerst an die Front geschickt, um sie zu opfern und damit den Katholizismus zu vernichten. " Smeets, 27.8.1922. Hier wird ein Bild geprägt, dessen Schärfe vom Rheinland über Bayern bis nach Wien in ähnlicher Weise vertreten wurde (auch wenn es nicht richtig sein mag, aber steht hier nicht zur Debatte).
Mit weiteren Vergleichen zu behauptetem mehrheitsfähigen österreichischem Anschlußwillen sollte man ebenfalls vorsichtig sein. Beispiel Elsaß:
Hochstuhl, Zwischen Krieg und Frieden, Das Elsaß 1938-1940.
Die Dinge sind hier viel komplizierter. Das Elsaß hatte bereits dem Deutschen Reich nach der Annektion 1971 eine parlamentarische quasi-Autonomie abgetrotzt. Durch die frz. Abwanderungen von Eliten wurden viele Lücken durch katholischen Klerus ausgefüllt, was dazu führte, dass das Elsaß 1918 eine Hochburg des politischen Katholizismus darstellte. Auch nach der annektion durch Frankreich war man nicht bereit, auf Sondergesetzgebung und wirtschaftliche Eigenständigkeit zu verzichten. Nach 1924 gibt es auch hier starke Separatisten-Bewegungen, die wenig mit Heim-ins-Reich am Hut hatten. Im übrigen sicherte später der Bau der Maginot-Linie beachtlichen Wohlstand und wirtschaftliche unabhängigkeit. Parteipolitisch war vor 1933 die Macht des Linkskartells beachtlich. Der Ausgang des Referendums im saarland wurd im Elsaß mit Enttäuschung aufgenommen, mit dem einzigen Pluspunkt, das brächte Vorteile für eine dt-frz. Entspannung. Die Haltung des Elsaß ist wohl am besten mit Separatismus beschrieben, sowohl ggü. Frankreich als auch (potentiell) ggü. dem Deutschen Reich.
Die Bewertung der Tiroler Volksabstimmungen ist durchaus umstritten:
"Einzelne länderweise Abstimmungen, die in Tirol und Salzburg im Frühjahr 1921 ein überwältigendes Votum für den Anschluß an Detuschland ergaben, hatten mehr als Druckmittel für die Erlangung einer Geldanleihe Österreichs bei den Westmächten Bedeutung als im Sinne ihrer tatsächlichen Durchführung."
In der Meinungsbildung ist schließlich innerhalb Österreichs mindestens zwischen den agraischen Gebieten und der Hauptstadt mit dem Einfluß der Arbeiterschaft zu unterscheiden. Im übrigen sind vorhandene deutschnationale Bestrebungen nicht isoliert entstanden, sondern stehen vor dem Hintergrund der zusammengeschnittenen, lebensschwachen neuen Österr. Republik ohne eigenes wirtschaftliches Umfeld und Märkte. Hieraus wurde in Österreich ein genereller, wenig konkretisierter "Anlehnungs"gedanke geboren, der in seinen Varianten nicht nur das Deutsche Reich berücksichtigte. Der schließlich in dem Parteienspektrum breit und lange diskutierte Anschlußgedanke (auch bei dn Sozialdemokraten), und das ist oben richtig dargestellt worden, erfuhr dann aufgrund des Nationalsozialismus ab 1933 eine krasse Umbewertung. Auf die "Europabewegung" wäre abschließend hinzuweisen, mit Österreich als Achse.
Ansonsten zum Parteienspektrum und zu den Meinungen zB: Rolf Bauer, Österreich, ab S. 382: "In Armut und Hass"
EDIT: Zu der Diskussion um Stresemann:
Die Frage Österreichs ist ein absolutes Randproblem der Außen- und Wirtschaftspolitik und der Lage der Weimarer Republik. Da gab es wichtigeres in politisch erzielbarer Revision der Versailler Vertrages sowie in Lösung der wirtschaftlichen Probleme des Deutschen Reiches. Wahlkampfseitig trat das mW. nie mit wesentlicher Bedeutung in Erscheinung. Im übrigen hätte man sich mit einem Anschlußgedanken weitere wirtschaftliche Probleme hereingeholt.
Der Anschluß Österreichs hatte in der Wichtigkeit sicher einen Platz beim Kamingespräch mit gepflegtem Nationalträumen, nicht bei den Tagesproblemen in Deutschland.
Zur Funktion und Positionierung der Zeitungswelt in Öst.:
Vilsmeier, Deutscher Antisemitismus im Spiegel der österreichischen Presse, dort wird die Landschaft vor 1933 beschrieben und die Zeitungen werden den großen Gruppen zugeordnet. Eine beachtliche Trennungslinie verlief zwischen den christlich-sozialen und den nationalen sowie den monarchistischen Blättern seit 1920, insbesondere ab S. 41 und 46.
Ein Zitat: Nach Pulzer, Die Entstehung des politschen Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1867-1914, S. 109 war deutsche Nationalmus in seiner - in Österreich und anderen deutschen Gebieten so empfundenen Grobheit und Arroganz - der Anlass für die endgültige Loslösung der "Deutschen in Österreich" von der Hauptmasse der Nation.
Nun sollte man die Haltung der Deutschen zur Nation nicht simplifizieren und etwa die Haltung der Deutschen in Österreich als "natürlich positiv" im Sinne der Deutschen Nation und unbedingten Anschlußwillen an die Berliner Republik unterstellen (hier felht nämlich selbst bei den Seiten, die damit symphatisierten, jedes Konzept, wie dieser Anschluß praktisch aussehen soll). Zeitgleich gab es genau die andere Richtung, zeitgleiches Beispiel:
Bischhof, Rheinischer Separatismus 1918-1924
und die Rheinstaatbestrebungen als "Los von Berlin"-Bewegung. Das preußisch geprägte Deutsche Reich ist nicht nur in nationalen österreichischen Kreisen mit Vorsicht betrachtet worden. Wie sehr dass mit politischen Parteienmeinungen konträr gehen kann, zeigt die einheitliche reichstreue Haltung der rheinischen Parteiableger 1923.
Konfessionelle Bedenken: ein Meinungs-Schlaglicht zur preußischen Deutschen Nation: "Ich sage Euch, die Franzosen sind Menschen, die Preußen sind Barbaren. Im Krieg haben die Preußen die rheinischen katholischen Regimenter zuerst an die Front geschickt, um sie zu opfern und damit den Katholizismus zu vernichten. " Smeets, 27.8.1922. Hier wird ein Bild geprägt, dessen Schärfe vom Rheinland über Bayern bis nach Wien in ähnlicher Weise vertreten wurde (auch wenn es nicht richtig sein mag, aber steht hier nicht zur Debatte).
Mit weiteren Vergleichen zu behauptetem mehrheitsfähigen österreichischem Anschlußwillen sollte man ebenfalls vorsichtig sein. Beispiel Elsaß:
Hochstuhl, Zwischen Krieg und Frieden, Das Elsaß 1938-1940.
Die Dinge sind hier viel komplizierter. Das Elsaß hatte bereits dem Deutschen Reich nach der Annektion 1971 eine parlamentarische quasi-Autonomie abgetrotzt. Durch die frz. Abwanderungen von Eliten wurden viele Lücken durch katholischen Klerus ausgefüllt, was dazu führte, dass das Elsaß 1918 eine Hochburg des politischen Katholizismus darstellte. Auch nach der annektion durch Frankreich war man nicht bereit, auf Sondergesetzgebung und wirtschaftliche Eigenständigkeit zu verzichten. Nach 1924 gibt es auch hier starke Separatisten-Bewegungen, die wenig mit Heim-ins-Reich am Hut hatten. Im übrigen sicherte später der Bau der Maginot-Linie beachtlichen Wohlstand und wirtschaftliche unabhängigkeit. Parteipolitisch war vor 1933 die Macht des Linkskartells beachtlich. Der Ausgang des Referendums im saarland wurd im Elsaß mit Enttäuschung aufgenommen, mit dem einzigen Pluspunkt, das brächte Vorteile für eine dt-frz. Entspannung. Die Haltung des Elsaß ist wohl am besten mit Separatismus beschrieben, sowohl ggü. Frankreich als auch (potentiell) ggü. dem Deutschen Reich.
Die Bewertung der Tiroler Volksabstimmungen ist durchaus umstritten:
"Einzelne länderweise Abstimmungen, die in Tirol und Salzburg im Frühjahr 1921 ein überwältigendes Votum für den Anschluß an Detuschland ergaben, hatten mehr als Druckmittel für die Erlangung einer Geldanleihe Österreichs bei den Westmächten Bedeutung als im Sinne ihrer tatsächlichen Durchführung."
In der Meinungsbildung ist schließlich innerhalb Österreichs mindestens zwischen den agraischen Gebieten und der Hauptstadt mit dem Einfluß der Arbeiterschaft zu unterscheiden. Im übrigen sind vorhandene deutschnationale Bestrebungen nicht isoliert entstanden, sondern stehen vor dem Hintergrund der zusammengeschnittenen, lebensschwachen neuen Österr. Republik ohne eigenes wirtschaftliches Umfeld und Märkte. Hieraus wurde in Österreich ein genereller, wenig konkretisierter "Anlehnungs"gedanke geboren, der in seinen Varianten nicht nur das Deutsche Reich berücksichtigte. Der schließlich in dem Parteienspektrum breit und lange diskutierte Anschlußgedanke (auch bei dn Sozialdemokraten), und das ist oben richtig dargestellt worden, erfuhr dann aufgrund des Nationalsozialismus ab 1933 eine krasse Umbewertung. Auf die "Europabewegung" wäre abschließend hinzuweisen, mit Österreich als Achse.
Ansonsten zum Parteienspektrum und zu den Meinungen zB: Rolf Bauer, Österreich, ab S. 382: "In Armut und Hass"
EDIT: Zu der Diskussion um Stresemann:
Die Frage Österreichs ist ein absolutes Randproblem der Außen- und Wirtschaftspolitik und der Lage der Weimarer Republik. Da gab es wichtigeres in politisch erzielbarer Revision der Versailler Vertrages sowie in Lösung der wirtschaftlichen Probleme des Deutschen Reiches. Wahlkampfseitig trat das mW. nie mit wesentlicher Bedeutung in Erscheinung. Im übrigen hätte man sich mit einem Anschlußgedanken weitere wirtschaftliche Probleme hereingeholt.
Der Anschluß Österreichs hatte in der Wichtigkeit sicher einen Platz beim Kamingespräch mit gepflegtem Nationalträumen, nicht bei den Tagesproblemen in Deutschland.
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