Warum war Wilhelm II. ein Unruhestifter?

Lidia

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Ich bräuchte ein wenig hilfe, ich schreib am Freitag ein Klausur zum ersten Weltkrieg und im Unterricht sagte mein Lehrer ständig das Wilhelm ein provokateur war,aber worin?
 
Hat euer Lehrer denn nicht seine Behauptung näher ausgeführt bzw.begründet?

War Wilhelm denn tatsächlich ein Provokateur?

War er nicht eher ein vollkommen überforderter Monarch, der seiner hohen Aufgabe schon allein charakterlich nicht gewachsen war?
 
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Nein,hat er nicht. Nur das er Russland,England und Frankreich provoziert hat aber inwiefern hat er uns nicht verraten:S
 
Hat euer Lehrer denn nicht seine Behauptung näher ausgeführt bzw.begründet?

War Wilhelm denn tatsächlich ein Provokateur?

War er nicht eher ein vollkommen überforderter Monarch, der seiner hohen Aufgabe schon allein charakterlich nicht gewachsen war?

Das trifft es. Durch seine ungeschickte Art und Weise war kein provokateur, sondern eher jemand, der mehr oder weniger unbewusst vor den Kopf gestoßen hat.
 
Hat er den nicht mit der Krüger-Depesche,Panthersprung nach Agadir und den Flottengesetzen provozert?
 
Da bin ich ganz Turgots Meinung.
Betrachtet man einzelne Elemente wie die "Hunnenrede", können diese zwar durchaus provokant aufgefasst werden, betrachtet man jedoch sein gesamtes Wirken, wird durchaus deutlich, das er eher ein ungeschicker Diplomat und Regent war und das falsche Temperament dazu hatte.
Aber das ist eben das Problem mit Monarchen, die werden meist nicht nach Befähigung ausgewählt, sondern durch die Erbfolge.

Ein grösseres Problem sehe ich allerdings in der Fragestellung.
Ist dieser Lehrer offen für Argumente oder Stur in seiner Meinung?
Wenn der Lehrer der festen Einstellung dazu ist, sollte man eher darauf antworten, geht immerhin um Noten, welche einen ein Leben lang verfolgen.

Die Außenpolitik im Kaiserreich: Vergleich Bismarck u. Wilhelm II
im Kaiserreich-Unterforum könnte dazu auch recht informativ dazu sein.
 
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Hat er den nicht mit der Krüger-Depesche,Panthersprung nach Agadir und den Flottengesetzen provozert?

Wer hat denn eigentlich tatsächlich den Panthersprung veranlasst? Ist das wirklich die Idee des Kaisers gewesen? Hat er sich sogar nicht dagegen gesträubt?

Und wer hatte denn tatsächlich die Idee zur Depesche an Krüger? Für eine vollständige Bewertung der Vorgänge sollte auch die Vorgeschichte mit einbezogen werden und die ist auch nicht so ganz ohne. Immerhin sind Briten unter Jameson in Transvaal einmarschiert; illegal, denn dies geschah ohne Genehmigung der Regierung in London.



ZU den Flottengesetzten könnte man jetzt umgekehrt die Frage stellen, weshalb es eine Provokation ist, wenn das Deutsche Reich eine große Flotte baut? Sollte es in London um Erlaubnis fragen?
Aber grundsätzlich ist es schon so, das der Bau der Flotte ganz eindeutig gegen England gerichtet war und die haben das auch bemerkt. Das war ganz sicher ein unnötiger Kardinalfehler!!
 
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ZU den Flottengesetzten könnte man jetzt umgekehrt die Frage stellen, weshalb es eine Provokation ist, wenn das Deutsche Reich eine große Flotte baut? Sollte es in London um Erlaubnis fragen?

Tirpitz brachte das Zitat vom "Messer an der Kehle", und bezog dies auf die deutsche Nordsee-Schlachtflotte (Besteck, Die trügerische "First Line of Defence": Zum deutsch-britischen Wettrüsten vor dem Ersten Weltkrieg, 2006). Es war keine Provokation, sondern in dem Risikogedanken des Flottenwettrüstens die Idee, grundsätzliche Konfrontationen und Krisen bis zu dem Zeitpunkt in Kauf zu nehmen, zu dem London wegen der erreichten Bedrohungslage einlenken und um ein Bündnis "bitten" würde. Also keine bloße Provokation, sondern sozusagen versuchte Erpressung in der kontinentalen Bündnispolitik.

Dass der Versuch daneben ging, und das Flottenwettrüsten durch Budgets und Finanzstärke entschieden wurde, ist bekannt.

Dieses Spiel war für Wilhelm stets sakrosankt, nur ein Beispiel: die Flottengesetze würden ... "bis ins letzte Tüftelchen ausgeführt, ob es den Briten paßt oder nicht, ist egal. Wollen sie den Krieg, sollen sie ihn anfangen, wir fürchten ihn nicht."
(Winzen, Bülow) ... Bemerkungen zum Bericht der deutschen Botschaft über britische Avancen 1908, das Flottenrüsten zu begrenzen.


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Brandneu außerdem zur Wirkmacht der Flottenrüstung der Dokumentenband von Seligmann/Nägler/Epkenhans, The Naval Route to the Abyss - The anglo-German Naval Race 1896-1914.
 
Ich denke es ist zu unterscheiden zwischen Wilhelm seinen markigen Sprüchen und seinen tatsächlichen Taten. Er wurde nicht umsonst der Plötzliche genannt; u.a. wegen seiner Impulsivität.

Außerdem habe ich ja schon geschrieben, das die Flotte gegen England gebaut wurde. Und Lord Fisher, hat der nicht gegenüber seinen König ausgeführt, die deutsche Flotte sei am besten zu kopenhagen.

Nur, man wollte englischerseits, aber eben nicht nur dort, den Deutschen , was man den USA beispielsweise bereitwillig zugab und einräumte, nicht eine große Rolle in der Weltpolitik zubilligen. Hier wurde ganz einfach mit zweierlei Maß gemessen. Das war auch ein unschönes Spiel.

Und wenn wir schon beim Thema provozieren sind, dann könnten beispielsweise die wiederholten Vertragsbrüche Frankreichs in Marokko und ohne entsprechende Konsultation der Großmacht Deutschland auch als Provokation betrachtet werden. Es gibt da noch weit mehr Beispiele, nur haben hat man sich angewöhnt dafür immer Verständnis zu haben. Ganz anders sieht es dabei immer und grundsätzlich bei Deutschland aus.
 
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Die Frage ist ja nicht, ob Frankreich oder England auch provoziert haben, sondern ob Wilhelm ein Provokateur war.

Und jetzt wird es noch etwas schwieriger: Das Ganze jetzt bitte für eine Schülerin der Oberstufe und nicht für eine fachwissenschaftliche Diskussion unter Historikern.

Markige Sprüche können provozieren. "Ungeschicktes" Verhalten auch.
Wer immer als Herrscher bestimmte Pläne absegnet bzw. nicht unterdrückt, trägt dafür mit die Verantwortung - und wenn diese Pläne (oder auch Telegramme) provozieren, trägt auch der Herrscher dafür eine Mitverantwortung. Gut, Wilhelm war zu schwach (?), zu überfordert (?), um dies zu tun, aber es geht ja zunächst nicht darum, wieso provoziert wurde bzw. warum er es zuließ.

Wilhelm II als Provokateur? Das vielleicht nicht, da würde ich immer bewusste Absicht / Kalkül dahinter vermuten.
Wilhelm II als Herrscher, der, aus welchen Gründen auch immer, öfters provoziert? Ja.
 
Hat euer Lehrer denn nicht seine Behauptung näher ausgeführt bzw.begründet?

War Wilhelm denn tatsächlich ein Provokateur?

War er nicht eher ein vollkommen überforderter Monarch, der seiner hohen Aufgabe schon allein charakterlich nicht gewachsen war?


Charakterlich finde ich, dass er durchaus den Vergleich mit den Cousins "Niki" und George aushält, auch den mit "Onkel Bertie" Peter Karageorgevich von Serbien oder Franz Joseph I.. Vor allem was ist Charakter? "Niki" ist heute ein Heiliger. Ein liebender Vater und treuer Ehemann zu sein, scheint höher im Kurs zu stehen, als demonstrierende Arbeiter niedermachen zu lassen.

Wilhelm II. war eín widersprüchlicher Mensch, gelegentlich hat er das Richtige getan, doch insgesamt lag Onkel Bertie gar nicht so falsch, als er ihn "the most brilliant failure in history" nannte.

Ich sehe Wilhelm eher als einen Schwadroneur, dessen Horizont kaum über die Ansichten des Gardekasinos in Potsdam hinausreichten und der persönliche Unsicherheit und Komplexe durch eine unerträgliche Besserwisserei, Prahlerei und nassforsches Auftreten kompensierte und nicht einmal angemessen realisierte was er außenpolitisch an Porzellan zerstörte.

Bei der Daily Telegraph- Affäre war er noch nicht einmal persönlich schuldig, denn Bülow hatte das Interview genehmigt und (höchst oberflächlich) gelesen. Trotz seines Talents, in Fettnäpfchen zu treten, und all des Säbelrasselns wuchs im Reich die Kritik, und manchen war er noch zu friedlich und zurückhaltend. So war Maximilian Harden nach der 1. Marokkokrise der Meinung, dass Wilhelm II. und seine Umgebung die Interessen des Reiches nicht energisch genug verfolgt hätten.
Der Leitartikel in Hardens "Die Zukunft", der zur Harden-Eulenburg- Affäre führte, trug den Titel "Wilhelm der Friedliche" und Harden spielte dabei, nur für Insider erkennbar, auf homoerotische Beziehungen innerhalb der "Liebenberger Tafelrunde" um Philipp "Phili" Graf Eulenburg Wilhelms besten Freund an, den der Kaiser daraufhin fallen ließ.
 
Wilhelm II. war eín widersprüchlicher Mensch, gelegentlich hat er das Richtige getan, doch insgesamt lag Onkel Bertie gar nicht so falsch, als er ihn "the most brilliant failure in history" nannte.

Ich sehe Wilhelm eher als einen Schwadroneur, dessen Horizont kaum über die Ansichten des Gardekasinos in Potsdam hinausreichten und der persönliche Unsicherheit und Komplexe durch eine unerträgliche Besserwisserei, Prahlerei und nassforsches Auftreten kompensierte und nicht einmal angemessen realisierte was er außenpolitisch an Porzellan zerstörte.

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Zutreffend formuliert, nur ein echter Provokateur war er mit Sicherheit nicht. Denn hinter seinen "Failures" kann ich kaum echte Ziele erkennen.
Eine echte ( und gelungene ) Provokation würde ich z.B. Bismarcks "Emser Depesche" nennen.
 
Charakterlich finde ich, dass er durchaus den Vergleich mit den Cousins "Niki" und George aushält, auch den mit "Onkel Bertie" Peter Karageorgevich von Serbien oder Franz Joseph I.. Vor allem was ist Charakter? "Niki" ist heute ein Heiliger. Ein liebender Vater und treuer Ehemann zu sein, scheint höher im Kurs zu stehen, als demonstrierende Arbeiter niedermachen zu lassen.

So habe ich das noch gar nicht betrachtet. Wilhelm war im Grunde eine unsichere Persönlichkeit, der unter Einfluss seiner sogenannten Ratgeber dazu neigte schnelle, nicht sorgfältig durchdachte, Entschlüsse zu fassen. Auch besaß er eine groteske, antiquierte Vorstellung von seiner Herrschaftsaufgabe. Seine forschen Reden, in denen nicht selten ein säbelrasselnder Ton zum Ausdruck vorherrschte, obwohl er eigentlich ein friedliebender Mensch war, machten ihn auch berühmt berüchtigt. Seine Vorliebe für alles militärische, insbesondere militärisches Gepränge, brachten u.a. deshalb auch den Deutschen Reich den Ruf ein, ein Hort des Militarismus zu sein. Auch sein Überlegenheitsgefühl gegenüber anderen und alles besser wissen zu meinen, machten ihm nicht gerade zu einem angenehmen Zeitgenossen.
 
So habe ich das noch gar nicht betrachtet. Wilhelm war im Grunde eine unsichere Persönlichkeit, der unter Einfluss seiner sogenannten Ratgeber dazu neigte schnelle, nicht sorgfältig durchdachte, Entschlüsse zu fassen. Auch besaß er eine groteske, antiquierte Vorstellung von seiner Herrschaftsaufgabe. Seine forschen Reden, in denen nicht selten ein säbelrasselnder Ton zum Ausdruck vorherrschte, obwohl er eigentlich ein friedliebender Mensch war, machten ihn auch berühmt berüchtigt. Seine Vorliebe für alles militärische, insbesondere militärisches Gepränge, brachten u.a. deshalb auch den Deutschen Reich den Ruf ein, ein Hort des Militarismus zu sein. Auch sein Überlegenheitsgefühl gegenüber anderen und alles besser wissen zu meinen, machten ihm nicht gerade zu einem angenehmen Zeitgenossen.

Ich denke, dass Wilhelms widersprüchlicher Charakter auch auf die traumatischen Erlebnisse seiner Kindheit und Jugend zurückgeht. Was da alles angestellt wurde, die Lähmung des Armes zu beheben und dem Kind Haltung und reiten beizubringen, war im Grunde Kindesmisshandlung. In seiner nassforschen Art wurde Wilhelm aber auch durch eine lobhudelnde Umgebung bestärkt, und ein Teil der Eliten übertraf eher noch den Kaiser in der Vorstellung, dass dem Reich ein "Platz an der Sonne" gebührte dass Deutschland Kolonien brauchte und berufen war, "Weltpolitik" zu betreiben.

Die Überhöhung und fetischartige Anbetung des Militärs, der "schimmernden Wehr" wurde von einem großen Teil des Bürgertums mitgetragen, das sich kritiklos die Wertvorstellungen der Militärkaste zueigen machte. Erfolg wurde an der Erringung eines Reserveoffizierspatents gemessen, das höher eingestuft wurde, als ein akademischer Titel oder die Bewährung im Zivilleben.
 
Denn hinter seinen "Failures" kann ich kaum echte Ziele erkennen.

Solltest Du da nichts erkennen können, dann wirst Du sicherlich übersehen haben, dass dieses Zeitalter als "Imperialismus" bezeichnet wurde.

Und in diesem Kontext und im Rahmen der dominanten politischen Ideologien, eine aktive Großmachtpolitik betrieben worden ist. Somit hat KW II auch vor diesem Hintergrund teils aktiv und teils reaktiv agiert. Daraus ergeben sich ausreichend Zielkoordinaten, die ein Konfliktfeld zu den anderen imperíalistischen Großmächten gebildet haben, da das Anstreben der kontinentalen Hegemonie nicht unwidersprochen bleiben konnte. Und nach 1908 zu einem intensiven Rüstungswettlauf in den WW1 führten.

Und zwar von allen europäischen Großmächten getragen, allerdings mit im Detail abweichenden Zielen und Instrumenten, wie beispielsweise in der Betonung der "Risikoflotte" (Tirpitz) und der peripheren "Risikostrategie" (Bethmann & Riezler).

Zudem sollte man wissen, dass es durchaus Thesen gibt, die die nationale Integration - als weiteres veritables politisches Ziel - im Kontext außenpolitischer Ambitionen interpretieren, wie beispielsweise Wehler und die "Sozialimperialismus-These" für das DR und ähnlich für die USA bei Applemann Williams. Und in diesem Sinne der Imperialismus ein durchaus absichtsvolles politisches Handeln war, um der Wirtschaft gerecht zu werden, dem aufstrebenden Bürgertum und auch der sich formierenden Arbeiterschaft.

Und für diese politischen Ziele gab es einen politischen Konsens zwischen KW II und den politischen Eliten, wie Röhl beispielsweise für die Daily Telegraph Affäre konstatiert.

Ergo sollte man sich davor hüten, das "persönliche Regiment" als eine reine Erfindung eines "einsamen Historikers" zu interpretieren, sondern darin einen semi-absolutistischen Herrschaftsanspruch im Rahmen eines halb-konstitutionellen Regierungssystems sehen.

Allerdings war KW II, um W. Mommsen zu paraphrasieren, nicht "an allem schuld".

Dennoch: Die politische Verantwortung für die Politik des DR bis zu seinem Abdanken trägt er ohnehin, da diese durch die Verfassung so für ihn vorgesehen war.
 
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Ich bräuchte ein wenig hilfe, ich schreib am Freitag ein Klausur zum ersten Weltkrieg und im Unterricht sagte mein Lehrer ständig das Wilhelm ein provokateur war,aber worin?

Um dich auf die Klausur gut vorzubereiten, solltest du dich ein wenig mit der politischen Lage in Europa von der Reichsgründung 1870/71 bis zum Vorabend des 1. Weltkrieges beschäftigen. Im Konzert der Pentarchie, der 5 Großmächte Europas (GB, Russland, Frankreich, Österreich-Ungarn und Preußen) spielte das unter Preußens Hegemonie vereinte Deutschland eine herausragende Rolle.

Deutschland war die dynamischste europäische Großmacht.

Um die Jahrhundertwende hatte das Deutsche Reich GB als Industrienation überflügelt. War um die Mitte des 19. Jhds noch GB die "Werkstatt der Welt", so hatte ihm das Deutsche Reich den Rang abgelaufen. Nur die USA waren deutschland voraus. GBs Praxis, Waren mit der Herkunftsbezeichnung zu kennzeichnen, hatte nicht dazu beigetragen, dass deutsche Erzeugnisse weniger gefragt wurden. Im Gegenteil, das "made in Germany" war zu einem Qualitätssiegel geworden.

Deutschland war durch die Entdeckungen und Erfindungen von Friedrich Sertürner, Konrad Röntgen, Robert Bosch, Fritz Haber, Emil von Behring, Philipp Reis, Gottlieb Daimler, Robert Koch u. a. zu einem Zentrum der Forschung und Wissenschaft geworden, und ein Nobelpreis nach dem anderen ging an deutsche Wissenschaftler. Das Automobil, das Telefon, das Luftschiff und der erste taugliche Flugapparat war von Deutschen erfunden worden, und Deutschland verfügte über eines der modernsten Verkehrsnetze. Nach Russland hatte Deutschland die zahlenmäßig stärkste Armee und die wohl modernste und schlagkräftigste. Das Reich war führend auf dem Gebiet der Schwerindustrie, Thyssen, Henschel, Borsig, Siemens waren klangvolle Namen und Krupp war zur größten Rüstungsschmiede avanciert und hatte Schneider Creusot u.a. überflügelt. Auch im Bankenwesen hatte das Deutsche Reich zu GB aufgeschlossen. Auf dem Gebiet der chemischen Industrie war das Deutsche Reich führend.
Dazu besaß das Reich eine der bedeutendsten Arbeiterbewegungen und vielleicht die am besten organisierte.

Auch auf dem Gebiet der Geographie hatten deutsche Forscher sich ausgezeichnet: Georg und Reinhold Forster hatten James Cooks 2. Reise begleitet, und Alexander von Humboldt hatte Südamerika erforscht. Im 19. Jhd hatten Heinrich Barth und Gerhard Rohlfs die Sahara erforscht, Hornemann, Vogel, von Beuermann und Overweg waren dabei ums Leben gekommen. Emin Pascha, Georg Schweinfurth
Die Erforschung der Nilquellen und des Kongobeckens durch den Journalisten Henry Stanley trug dazu bei, Europas Interesse an Afrika zu steigern. Unter Bismarcks Leitung tagte 1885 die Berliner Kongokonferenz, wo ein Kontinent aufgeteilt wurde.
Seit den 1880ern hatte Deutschland selbst ein Kolonialreich aufgebaut und bis 1901 folgende Gebiete erworben: Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Togo, Kamerun in Afrika und dazu Besitzungen in der Südsee und Tsingtao in China.

Politisch allerdings war Deutschland rückständig. Der Reichskanzler wurde nicht gewählt, sondern vom Kaiser/König von Preußen ernannt. Der Reichstag hatte keine wirkliche Macht, und in Preußen das einen guten Teil der deutschen Länder ausmachte, gab es ein Dreiklassenwahlrecht nach Vermögen, was dazu führte, das Alfred Krupps Stimme mehr zählte, als die aller seiner Arbeiter. Bismarcks Sozialistengesetz von 1878 kam de facto einem Parteiverbot gleich.
 
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Politisch allerdings war Deutschland rückständig. Der Reichskanzler wurde nicht gewählt, sondern vom Kaiser/König von Preußen ernannt. Der Reichstag hatte keine wirkliche Macht, und in Preußen das einen guten Teil der deutschen Länder ausmachte, gab es ein Dreiklassenwahlrecht nach Vermögen, was dazu führte, das Alfred Krupps Stimme mehr zählte, als die aller seiner Arbeiter. Bismarcks Sozialistengesetz von 1878 kam de facto einem Parteiverbot gleich.

Diese Rückständigkeit des DR wird von Österreich-Ungarn und Russland geteilt, und auch übertroffen.
Der Franz-Josef ist alt und müde und verkörpert sein Reich in einer halbwegs gemütlichen, toleranten und morbiden Weise.
Der Nikolaus II ist zutiefst verunsichert als er sein schweres Amt antritt und bleibt eingekapselt in sich und seine Familie. Er flüchtet sich zudem in überzogene Regiliosität, Okkultismus und Esoterik.
Wenigstens aber will er seinem Erbe gerecht werden und sieht sich als Hüter einer überlebten Ordnung.
Wilhelm II, von Gottes Gnaden, im Gegensatz dazu will gestalten. Er brennt darauf Kaiser zu werden, und als solcher wird er als "Störenfried" empfunden werden.
Er wird Unruhe stiften.

@Lidia:
Der "unruhestifter" ist nicht notwendig ein "provokateur", aber er hat das Zeug dazu.

Grüße hatl
 
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Diese Rückständigkeit des DR wird von Österreich-Ungarn und Russland geteilt, und auch übertroffen.
Der Franz-Josef ist alt und müde und verkörpert sein Reich in einer halbwegs gemütlichen, toleranten und morbiden Weise.
Der Nikolaus II ist zutiefst verunsichert als er sein schweres Amt antritt und bleibt eingekapselt in sich und seine Familie. Er flüchtet sich zudem in überzogene Regiliosität, Okkultismus und Esoterik.
Wenigstens aber will er seinem Erbe gerecht werden und sieht sich als Hüter einer überlebten Ordnung.
Wilhelm II, von Gottes Gnaden, im Gegensatz dazu will gestalten. Er brennt darauf Kaiser zu werden, und als solcher wird er als "Störenfried" empfunden werden.
Er wird Unruhe stiften.

@Lidia:
Der "unruhestifter" ist nicht notwendig ein "provokateur", aber er hat das Zeug dazu.

Grüße hatl

Das ist zweifellos richtig, doch war Österreich- Ungarn nur noch dem Namen nach eine Großmacht, und die Donaumonarchie wie das Zarenreich wurden durch heftige innere Krisen, Nationalitätenkonflikte und Abstiegsängste geschüttelt.

Deutschland war national kompakter, hatte als verspätete Nation erst 1870 einen Nationalstaat etabliert. Mit einer "saturierten, Großmacht" konnte das europäische Kräftegleichgewicht sich noch arrangieren und das hatte die Grenzen der Bismarckschen Außenpolitik bestimmt. Die demographische, wirtschaftliche und militärische Dynamik des wilhelminischen Deutschlands, getragen von einem expansivern Nationalismus der einen "Platz an der Sonne" postulierte, stellte fast zwangsläufig früher oder später die Frage nach der Hegemonie in Europa und nach dem Gleichgewicht der Kräfte im Konzert der europäischen Großmächte.
 
Das ist zweifellos richtig, doch war Österreich- Ungarn nur noch dem Namen nach eine Großmacht, und die Donaumonarchie wie das Zarenreich wurden durch heftige innere Krisen, Nationalitätenkonflikte und Abstiegsängste geschüttelt.

Deutschland war national kompakter, hatte als verspätete Nation erst 1870 einen Nationalstaat etabliert. Mit einer "saturierten, Großmacht" konnte das europäische Kräftegleichgewicht sich noch arrangieren und das hatte die Grenzen der Bismarckschen Außenpolitik bestimmt. Die demographische, wirtschaftliche und militärische Dynamik des wilhelminischen Deutschlands, getragen von einem expansivern Nationalismus der einen "Platz an der Sonne" postulierte, stellte fast zwangsläufig früher oder später die Frage nach der Hegemonie in Europa und nach dem Gleichgewicht der Kräfte im Konzert der europäischen Großmächte.

Österreich-Ungarn war zweifelsohne eine schwache Großmacht, aber es rangierte sicher doch vor Italien, das so gern als Großmacht wahrgenommen werden wollte. Und gerade die Ära Aehrenthal hat den Großmachtempfinden Österreich-Ungarns doch einigen Auftrieb verliehen. Und, ganz wichtig, Österreich-Ungarn war eine akzeptierte Großmacht.
 
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