Warum wurde die Trennung von Kirche(n)und Staat bis heute nicht umgesetzt?

Griffel

Mitglied
Ich möchte jetzt mal ein "Randthema" ansprechen, welches zwar nicht direkt weltbewegend aber auch nicht uninteressant bzw. wichtig ist. Die Überschrift sagt es ja schon!
Wieso wurde ein Staatsziel oder besser eine Idee, die man schon der Verfassung von Weimar hatte, bis heute nicht wirklich umgesetzt? Immerhin gab es die Idee schon seit 1919. Also seit mehr als 100 Jahren. Und trotzdem dürfen sich die Religionsgemeinschaften, insbesondere die Kirchen, in Deutschland wie ein Staat im Staate verhalten.:rolleyes:
Bei der allseits kritisierten Bundeswehr, wollte man das um jeden Preis vermeiden. Wobei ich mal in Abrede stellen möchte, dass die Reichswehr, also die Vorvorgängerin der Bundeswehr das wirklich war. Bei den Kirchen scheut man davor zurück.

Aber hier soll es jetzt mal um die Kirchen gehen. Auch nach dem 2.WK, war das ja eigentlich ein Ziel der Alliierten und dennoch hat man es fallen lassen bzw. nicht durchgesetzt, ich wüsste gerne warum das so ist.
Ich persönlich halte das für einen wichtigen und überfälligen Schritt. Ihr dürft natürlich gerne die gegenteilige Meinung oder eine andere vertreten.
 
Here we go again ... ich kann deine Prämisse so nicht bestätigen. Ein kurzer Blick in Wikipedia stellt die Situation anders dar. In den USA gibt es eine verfassungsrechtliche Trennung von Kirche und Staat. Das steht so nicht im Grundgesetz.
Also der Staat darf nicht partei ergreifen. Es gibt keine Staatsreligion. Die Kirchen sind selbstbestimmt. Aber zum Beispiel religiöse Feiertage sind von der Verfassung geschützt. Der Staat zieht die Kirchensteuer ein. Es gibt an öffentlichen Schulen Religionsunterricht etc.

Lies doch das mal, ist ganz kurz, und überdenke deine Fragestellung noch einmal.

Trennung zwischen Staat und religiösen Institutionen – Wikipedia

EDIT:
, [Ein Thema] welches zwar nicht direkt weltbewegend [ist]

Finde ich schon. Nicht nur wegen der anhaltenden Angriffe auf die Trennung von Kirche und Staat in den USA.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber hier soll es jetzt mal um die Kirchen gehen. Auch nach dem 2.WK, war das ja eigentlich ein Ziel der Alliierten und dennoch hat man es fallen lassen bzw. nicht durchgesetzt,

Also das eigentliche Ziel der Alliierten, das klingt wie eine Verschwörungstheorie, so wie du das formulierst. Also der geheime PLan der Alliierten, also zum Beispiel der Briten, war die Trennung von Staat und Kirche in Deutschland durchzusetzen?
Die Briten?
Church of England – Wikipedia
 
Ich möchte jetzt mal ein "Randthema" ansprechen, welches zwar nicht direkt weltbewegend aber auch nicht uninteressant bzw. wichtig ist. Die Überschrift sagt es ja schon!
Wieso wurde ein Staatsziel oder besser eine Idee, die man schon der Verfassung von Weimar hatte, bis heute nicht wirklich umgesetzt? Immerhin gab es die Idee schon seit 1919. Also seit mehr als 100 Jahren. Und trotzdem dürfen sich die Religionsgemeinschaften, insbesondere die Kirchen, in Deutschland wie ein Staat im Staate verhalten.:rolleyes:
Bei der allseits kritisierten Bundeswehr, wollte man das um jeden Preis vermeiden. Wobei ich mal in Abrede stellen möchte, dass die Reichswehr, also die Vorvorgängerin der Bundeswehr das wirklich war. Bei den Kirchen scheut man davor zurück.

Aber hier soll es jetzt mal um die Kirchen gehen. Auch nach dem 2.WK, war das ja eigentlich ein Ziel der Alliierten und dennoch hat man es fallen lassen bzw. nicht durchgesetzt, ich wüsste gerne warum das so ist.
Ich persönlich halte das für einen wichtigen und überfälligen Schritt. Ihr dürft natürlich gerne die gegenteilige Meinung oder eine andere vertreten.

Ich würde meinen, gerade beim Thema des Verhältnisses von Kirche und Staat liegen traditionell ohnehin anspruch und Wirklichkeit ohnehin schon immer weit auseinander.
Man schaue sich die Lateinamerikanischen Staaten oder auch die Türkei an, die haben formal allesamt laizistiche Verfassungen (auch wenn Herr Erdogan ja gerade bestrebt ist, das zu ändern).
Der faktische Einfluss der Religionsgemeinschaften auf die Gesellschaft und damit auch die Fähigkeit Politik zu machen, wenn auch im weniger offiziellen Rahmen ist in diesen Ländern mitunter viel größer, als in der Bundesrepublik.
Das die Religionsgemeinschaften in diesem Staat noch einige Sonderrechte inne haben, ist mir z.T. auch ein Dorn im Auge. Wenn ich etwa an die Skandale denke, die man aus von den Kirchen (mit)betriebenen Krankenhäusern immer wieder zu hören bekommt, bin ich recht eindeutig der Meinung, man sollte den Spuk beenden, zumal den größten Teil der Kosten ja ohnehin die öffentliche Hand berappt.

Und irgendwelche Entschädigungen, weil 1806 Reichsdeputationshauptschluss, Abschaffung und Umverteilung der weltlichen Besitztümer der Kirche im Rheinland und in Franken, halte ich über 200 Jahre danach auch nicht mehr für zeitgemäß.

Auch habe ich etwas dagegen, dass man in Sachen Missbrauchsermittlungen die Kirchen nach wie vor mit Samthandschuhen anfasst, jedem anderen hätte man längst und zurecht die Bude eingerannt.


Das sind aber auch die einzigen drei Punkte, wo ich wirklich sehe, dass sich etwas ändern müsste.
Sonst steht es zwar nicht so im Gesetzt, aber welchen Einfluss haben die Religionsgemeinschaften denn faktisch auf die Politik?
In der Hinsicht ist heute ein Vorteil, was früher ein Nachteil war, nämlich dass die Bevölkerung dieses Landes ohnehin nicht geschlossen in die selbe Kirche rennt, so dass es in diesem Land nicht mal eindeutige konfessionelle Mehrheiten gibt und eine Politik für rein katholische oder evangelische Interessen schon deswegen nicht möglich ist.
Bis sich die katholische Kirche mal mit sämtlichen evangelischen Landeskirchen auf irgendwas verständigt, friert die Hölle zu.
Außerdem verlieren beide am laufenden Band Mitglieder und dafür steigt der Anteil der Muslime. Will heißen, in absehbarer Zeit müssen die sich, wenn sie Politik machen wollen, nicht nur unterienander einigen, sondern auch mit den muslimischen Gemeinschaften auf eine gemeinsame Linie verständigen.

Und insofern kann man beruhigt sein, denn das wird schlicht nicht funktionieren. Auch wenn ich selber lieber eine laizistische Verfassung hätte, aber streng genommen brauchen wir sie nicht um den Einfluss der Religionsgemeischaften in der Politik entschieden zurück zu schneiden.
Das besorgt bereites die Tatsache, dass ihre Anhängerzahlen andauernd schrumpfen und es die religionen und Konfessionen in Deutschland jedenfalls so weit gemischt sind, dass da keiner irgendwelche Mehrheiten mit zustande bekommt.

Schau dir demgegüber etwa auch mal die Geschichte Frankreichs in den letzten 200 Jahren an. Die kannte immer 2 Extreme, entweder den strengen, republikanischen Laizismus, den den Hälfte der Bevölkerung unterstützte und auf der anderen Seite den Katholizismus als faktische Staatsreligion, was die andere Hälfte der Bevölkerung unterstützte und mehr als einmal zu richtig extremen politischen Schwierigkeiten führte.

Schau dir auch etwa im Rahmen der französischen Revolution an, wer da so, trotz offizell strengster Beschneidung des Klerus politisch Karriere machte:

Schau dir mal an, was Typen wie Sieyès, Talleyrand oder Fouché vorher so gemacht hatten.

Ich denke, trotz offiziell nicht laizistischer Verfassung ist es um die faktische Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften in diesem Land besser bestellt, als um die Verhältnisse in manchem, der Verfassung nach laizistischen Staat.
 
Ich bin da Zwiegespalten, habe aber die Sorge, dass dies Tagespolitisch wird, wenn ich meinen Senf dazugeben.

Ich finde das deutsche System hat jede Menge Vorteile, aber auch Nachteile. Ich finde es beschämend, dass die katholische Kirche Homosexuelle wegen ihrer sexuellen Orientierung feuern kann. Das geht gar nicht. Für die Kirchensteuer bin ich aber, ich würde sie als serbischer Präsident morgen einführen, weil dies viel Transparenter ist, als wenn sich die Kirche über Gebühren und Spenden finanziert. In Serbien gibt es de facto einen Zwang bestimmte Summen zu spenden bei Beerdigungen e.t.c. und bei einer Steuer und ohne diese inoffiziellen Gebühren würden die ärmeren Leute entlastet und die Reichen müssen Zahlen.

Religionsunterricht finde ich auch in Ordnung, es ist Teil unserer Kultur.
 
Ich bitte das nicht misszuverstehen! Ich habe halt nicht viel mit Religion am Hut! Das mögen anderen Menschen anders sehen. Bitteschön! Aber mir geht es vor allem darum, dass die Kirchen durch ihre Sonderstellung, nach wie vor den Rechtsstaat umgehen können und das geht einfach mal gar nicht! :mad:

Insbesondere wenn, man sich die Sache mit dem Missbrauch anschaut! Jeder anderen Organisation, hätte man wenn, sie sich so verhalten hätte, längst die Möbel ausgeräumt. Auch wenn, diese Straftaten nur von verhältnismäßig wenigen Angehörigen der Kirchen begangen wurden, so bleibt es eine Tatsache, dass die Ausnahmestellung der Kirchen in der Gesellschaft, diese begünstigt hat. Und außerdem kann man nicht leugnen, dass die Kirchen, die Untaten ihrer Mitglieder gedeckt und verschleiert haben.:eek:

Und diese Schweinerei lief über Jahre und Jahrzehnte. Dafür gibt es einen juristischen Begriff Strafvereitelung! Was selbst eine Straftat ist.:rolleyes: Mich schockiert vor allem die Arroganz dieser Leute. Ein Unrechtsbewusstsein, scheint generell nicht zu existieren. Man hält sich wohl immer noch von Gott berufen. Das Schlimme daran ist, dass diese Einstellung ja nicht nur bei den christlichen Kirchen vorhanden ist nein! Auch viele nicht alle, der hier lebenden Muslime hätten ja gerne eine Schariagesetzgebung in Deutschland. Dann gibt es da noch einige gut meinende Idioten in unseren Parlamenten, die das auch noch für gut bzw. kulturellbereichend halten. :confused: Geht es eigentlich noch? Wir haben ein BGB und ein StGB. Punkt. Daran haben sich alle Deutschen, seien sie nun ethnische oder juristische Deutsche zu halten.

Es ist schon ein Hammer, dass man den Kirchen erlaubt sich auf teilweise mittelalterliche Gesetze zu berufen. Da brauchen wir nicht noch die aus dem Ausland. Wie das im Endeffekt ausschaut, kann man im Iran und Saudi-Arabien sehen! Wobei Italien nicht viel besser ist. Da lässt sich die Regierung auch von den Pfaffen an der Nase durch die Manege führen. Die hätten auch gerne wieder ihre Inquisition. Dem Himmel sei Dank, geht das heute nicht mehr. Es ist allerdings schon merkwürdig warum man meint sich in Italien an Verträge halten zu müssen, die von Benito Mussolini verhandelt wurden.
 
Allerdings wird über Missbrauch in Kirchen, insbesondere der römisch-katholischen, in den Medien auch besonders gerne und intensiv berichtet. Sie haben in Zeiten, in denen auch die Parteien, die theoretisch für sich in Anspruch nehmen, "christlich" orientiert zu sein, in Wahrheit recht säkular ausgerichtet sind, keine echte Lobby mehr und sind gewissermaßen vogelfrei. Der realpolitische Einfluss der Kirchen ist heutzutage ohnehin minimal.

Bei Missbrauch in staatlichen Einrichtungen ist man sehr viel zurückhaltender. Schließlich ist für die Zustände in solchen Einrichtungen eine Gebietskörperschaft zumindest indirekt mitverantwortlich, und somit auch die Politik und Parteien. Ein Beispiel dafür ist das ehemalige Heim auf dem Wilheminenberg in Wien, in dem es in den 60ern und 70ern massiven Missbrauch gab, was in Verwaltung und Politik auch bekannt war, ohne dass etwas unternommen wurde. (Dieser Einrichtung wurden also nicht "die Möbel ausgeräumt".) Als der Skandal vor einigen Jahren aufflog, wurde in den meisten Medien kurz und knapp berichtet, dann verschwand das Thema schnell wieder. (In Wien regieren schließlich nach wie vor die politischen Erben der damals Verantwortlichen.)
Wilhelminenberg: Missbrauch bestätigt
Schloss Wilhelminenberg – Wikipedia

Und trotzdem dürfen sich die Religionsgemeinschaften, insbesondere die Kirchen, in Deutschland wie ein Staat im Staate verhalten.
Das geht auch schlimmer. In Österreich gibt es nach wie vor "Kammern" für alles und jedes (für Gewerbetreibende, für Arbeitnehmer, für Bauern, für Ärzte, etc. etc.), jeweils mit Pflichtmitgliedschaft, Selbstverwaltung und dem Recht, von den Zwangsmitgliedern Zwangsbeiträge einzuheben. Ähnlich auch die "Österreichische Hochschülerschaft". Bei den Religionsgemeinschaften darf man wenigstens selbst entscheiden, ob man dabei sein möchte.
 
'Die Kirchen' sind/waren so wenig oder viel Staat im Staate wie diverse andere Körperschaften des Öffentlichen Rechts. Es sind zunächst einmal auch tradierte, gut vernetzte und sehr große Organisationen mit zeitbedingt mal weniger, mal mehr Einfluss und vielen, öffentlich sanktionierten Aufgaben.

Verfassungsrechtlich gibt und gab es insofern keine Aufgabe der Trennung von Staat und Kirchen, da es schon zuvor zumindest keine einheitliche, staatliche Reichskirche gegeben hatte wie etwa in GB.

Ein Geschichtsforum legt nahe, dass man sich mit der Geschichte der Kirchen zumindest in Deutschland ab 1871 ein wenig beschäftigt.
Man findet bis ca. 1920 zunächst etliche/viele protestantische Landeskirchen, die vielfach zu den schon im 16. Jh. begründenden Territorialherrschern und -herrschaften gehörten, gemäß u.a. dem Augsburger Religionsfrieden (1555).
Wer es vergessen hat: Es waren protestantisch gesinnte Territorialherrscher, welche mit der Reformierung ihrer Herrschaft protestantische 'Landeskirchen' gründeten und als 'Landesbetrieb' innerhalb der Territorialregierung verankerten.

Das blieb im Deutschen Reich so bis 1918/1920, bis zur Abdankung aller Territorialherrscher und Auflösung der monarchischen, fürstlichen Regierungen und Herrschaft. Art. 137 Weimarer Verfassung u.a.: Es besteht keine Staatskirche.

Danach, also in den Frühjahren der Weimarer Republik, entstanden diverse protestantische Landeskirchen als eigenständige Körperschaften des Öffentlichen Rechts (sofern sie es nicht schon vorher auf Landesebene gewesen waren), auf Landesebene setzte damit die institutionelle Trennung von Landesregierung und Landeskirche ein.

Die Katholische Kirche war im Deutschland auch ab 1871 keine Reichskirche oder eine landesherrschaftlich-staatliche Kirche.

Das seit Jahrhunderten umfangreiche caritative-soziale Engagement 'der Kirchen' ist, abseits der religiösen Verankerung in der Bevölkerung, ein wesentlicher Faktor des auch seit der Weimarer Republik noch und zeitweilig recht beachtlichen Einflusses in verschiedenen Bereichen.

'Die Kirchen' und die Missbrauchsfälle: Sie dominieren scheinbar, da 'die Kirchen' laaange Zeit wesentlicher oder wesentlichster Akteur im sozial-caritativen Bereich waren (Deutschland). Staatliche Einrichtungen waren generell wohl weder schlechter noch besser. Die vielfachen Fälle spiegeln vielfach vor allem Zeitgeist und gesellschaftliche Einstellungen zumal gegenüber (sozial) Schutzlosen, sozialen Minderheiten usw. wider.

Grundsätzlich gilt: Große Einrichtungen z.B. in der Lebenshilfe/Behindertenhilfe agieren auch heute noch ggf. durchaus relativ unbeaufsichtigt, die Betroffenen sind i.d.R. kaum bzw. praktisch nicht in der Lage, krasse Asymmetrien 'außen' adäquat bekannt zu machen. Zumal krasse 'Asymmetrien' mit modernen Sozialausbildungen sozial wunderbar weg erklärt werden können, auf nichtzutreffende Problemfelder verlagert werden, die dann aber beim und am Betroffenen liegen.
 
Ich möchte das soziale Engagement der Kirchen nicht kleinreden. Dadurch wird bzw. wurde sicherlich viel Gutes bewirkt! Aber. Es bleibt nun einmal festzuhalten, dass die Kirchen durch ihre vielen rechtlichen Ausnahmeregelungen, die staatliche bzw. rechtliche Autorität der Verfassungen untergraben. Und das geht einfach nicht.

Natürlich ist das schreckliche Phänomen des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen nicht nur auf die Kirchen beschränkt. :mad::( Ich bin der Letzte, der das nicht zugeben würde. Allerdings ist es nun einmal so, dass die Kirchen in den letzten Jahren und Jahrzehnten, alles getan haben, um solche Straftaten zu vertuschen. Und so etwas ist schlicht und ergreifend kriminell. Moralisch und juristisch richtig wäre es gewesen, diese Vorkommnisse umgehend den zuständigen Behörden zu melden. Was aber nicht geschah.

Nein, stattdessen wurden vielfach illegalerweise Schweigegelder gezahlt und die Täter "versetzt". Sowohl im Inland wie auch im Ausland. Frei nach dem Motto: Hauptsache wir haben das Problem nicht mehr. Was es diesen Personen ermöglichte, weiter Straftaten zu begehen! Hierbei spielt auch eine Rolle, dass die Kirchen ihre eigene Gerichtsbarkeit haben. Und hier sehe ich das Hauptproblem.

Durch solche Parallelstrukturen, waren es den Kirchen möglich, diese und andere Straftaten, unter den Teppich zu kehren. Wären Kirche und Staat faktisch und praktisch getrennt, gäbe es diese Möglichkeiten nicht. Und die weltliche Justiz, hätte die Gelegenheit ihrer Arbeit nachzugehen.

Besonders stört mich das Gebaren der Amtskirchen! Während man einerseits nach wie vor darauf beharrt eine "moralische Instanz" zu sein, tritt man auf der anderen Seite moralische Werte mit Füßen. Vielmehr ist man darauf bedacht, das eigene Ansehen in der Öffentlichkeit zu wahren. Was natürlich nicht gelingt. Ich persönlich hoffe, für die Opfer, dass sich in diesem Punkt endlich mal was tut. Man stelle sich mal vor, eine nicht religiöse Organisation, würde sich so etwas erlauben.:rolleyes:
 
Übergriffe und Gewalt sind vor allem in Fürsorgeanstalten vorgekommen, auch in solchen, die unter Kontrolle der evangelischen Kirche standen. Bei den Fällen von sexuellem Mißbrauch ging es ausschließlich um Fälle, die sich innerhalb der Römisch-Katholischen Kirche ereignet haben. Wozu also diese Pauschalisierung wenn von den Kirchen gesprochen wird? Weil das sowieso ein Einheitsbrei ist?

Der Missbrauchsskandal innerhalb der katholischen Kirche ist auch sicher kein Thema, über das sich innerhalb der Forenregeln sinnvoll diskutieren lässt, weil definitiv tagespolitisch.
 
... Hierbei spielt auch eine Rolle, dass die Kirchen ihre eigene Gerichtsbarkeit haben. Und hier sehe ich das Hauptproblem.

Durch solche Parallelstrukturen, waren es den Kirchen möglich, diese und andere Straftaten, unter den Teppich zu kehren. ...


Ich kenne mich mit den Strukturen der großen Kirchen in Deutschland, gerade mit denen der Katholischen Kirche nicht besonders aus, deshalb stellt sich mir seit Beginn dieses Threads die Frage. Worin äußert sich der hier so gennannte "Staat im Staat", bzw. welche zusätzlichen Privilegien oder Rechte hat die Kirche, z.B. durch den Status Körperschafft des öffentlichen Rechts, die es erlauben hier von Parallelstrukturen zu sprechen?

Was die eigene Rechtsprechung angeht, spielst du wahrscheinlich auf das Kanonische Recht an, dieses entspricht, so dachte ich zumindest, für die Kirche in Deutschland eher einer Art Satzung, die regelt wie mit fragwürdigem Verhalten von Mitgliedern umgegangen wird.

Das innerhalb der Kirche jahrelang Straftaten verübt und vertuscht wurden, liegt, glaube ich, eher an der Größe und der Hierarchie in der Kirche, als an der nicht durchgesetzten trennung zum Staat.
Ich lass mich hier gerne eines Besseren belehren.

Gruß
 
Übergriffe und Gewalt sind vor allem in Fürsorgeanstalten vorgekommen, auch in solchen, die unter Kontrolle der evangelischen Kirche standen. Bei den Fällen von sexuellem Mißbrauch ging es ausschließlich um Fälle, die sich innerhalb der Römisch-Katholischen Kirche ereignet haben. Wozu also diese Pauschalisierung wenn von den Kirchen gesprochen wird?
Das ist nicht ganz richtig.
Erstmal haben wir das Problem, dass im medialen Sprachgebrauch Missbrauch nicht klar definiert ist. Zumindest habe ich jetzt schon mehrfach von Missbrauch gehört und gelesen, wo sexuelle Handlungen am Kind oder am Täter im Besein des Kindes oder durch das Kind keine Rolle spielten.
Für mich hat Missbrauch von Menschen immer einer sexuelle Komponente. Davon abgrenzen würde ich Misshandlung, die nicht sexuell motiviert ist, wo Gewalt gegen abhängige, wehrlose Menschen ausgeübt wird. Wie gesagt, medial wird das nicht immer sauber unterschieden.
Nun zu "das ist nicht ganz richtig": Auch in den evangelischen Kirchen hat es schon sexuellen Missbrauch von Kindern gegeben.

Bekannt geworden ist auch die Odenwaldschule, die ja lange als reformpädagogisches Musterbeispiel angesehen wurde. Interessanterweise griffen hier dieselben Vertuschungsmuster, wie bei der Katholischen Kirche.

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Der Missbrauchsskandal in der deutschen katholischen Kirche ist nebenbei von einem Pater ins Rollen gebracht worden, was vielen gar nicht bekannt ist bzw. immer wieder vergessen wird.

Das Problem bei der Katholischen Kirche ist das Sakrament der Beichte, bzw. anders gesgt, dass die Beichte ein Sakrament ist, wenn der Beichtvater das Beichtgeheimnis bricht, zieht das seine eigene Exkommunikation nach sich. Wenn also ein Priester zu seinem Bischof geht und ihm in der Beichte anvertraut, dass er Kinder sexuell missbraucht habe, dann kann der Bischof nichts anderes machen, als ihn (anderer Gründe wegen) zu versetzen. Er kann ihn nicht einmal vor ein kircheninternes Gericht ziehen, geschweige denn an die Behörden melden. Wenn er sich über das Sakrament der Beichte hinwegsetzt und damit seine Exkommunikation in Kauf nimmt, dann kann er auch gleich hinschmeißen, da er offensichtlich das ganze theologische Gebäude der Kirche nicht mehr ernst nimmt. Die Kirche ist an dieser Stelle in einem Glaubwürdigkeitsdilemma: Egal wie sie sich verhält, sie verhält sich falsch. Wünschenswert wäre natürlich, sie würde sich stets auf die Seite der Opfer - also hier der Opfer ihrer Funktionäre stellen. Aber nach herkömmlichen Kirchenrecht müsste der Beichtende sich den Behörden selber stellen bzw. sein Verbrechen selber öffentlich machen, da die Beichte nach katholischer Vorstellung keine Sache zwischen Beichtendem und Beichtvater ist, sondern zwischen Beichtendem und Gott.

[Achtung, unter großem Vorbehalt wahrzunehmen:] Ich weiß leider gerade nicht, ob das Fiktion ist, oder ob ich das tatsächlich in der Zeitung gelesen habe (da ich vor ca. zwei Jahren einen frz. Kinofilm über Missbrauch von Kindern durch einen Priester gesehen habe, kann sich da was vermischen): Als ein des Missbrauchs beschuldigter Priester (wegen Verjährung?) freigesprochen wurde, hat sein Bischof ihn versetzt. Als Seelsorger auf eine Gefängnisinsel.

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Ist der Zölibat das Problem?
Jein.
Sexueller Missbrauch kommt überall vor. In Erziehungsheimen, in Sportvereinen, in Internaten, in der eigenen Familie oder im unmittelbaren Umfeld.
Bis vor wenigen Jahrzehnten war es aber für katholische Männer, die sexuell deviant waren (also nach früherer Lesung alle, die nicht in heteronormativen Beziehungen ihre Erfüllung fanden) eine Möglichkeit, ihre sexuelle Devianz zu verbergen, indem sie Priester wurden. Ich kenne z.B. einen P s y c h o l o g e n, der viel mit Priestern gearbeitet hat und sagte, dass insbesondere unter den älteren Semestern ein hoher Prozentsatz homosexuell sei, weitaus höher als gesamtgesellschaftlich. Seit den 1990er Jahren ist Homosexualität gesamtgesellschaftlich weitgehend anerkannt, homosexuelle Männer können ihre Neigung heute relativ offen ausleben.
Der Zölibat führt sicher nicht, wie es manchmal von Leuten angenommen wird, zu sexueller Devianz, sondern, umgekehrt, sexuelle Devianz bzw. der Wunsch, diese zu verbergen, macht den Zölibat in einer sexuell restriktiven Gesellschaft attraktiv.

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Ich kenne mich mit den Strukturen der großen Kirchen in Deutschland, gerade mit denen der Katholischen Kirche nicht besonders aus, deshalb stellt sich mir seit Beginn dieses Threads die Frage. Worin äußert sich der hier so gennannte "Staat im Staat", bzw. welche zusätzlichen Privilegien oder Rechte hat die Kirche, z.B. durch den Status Körperschaft des öffentlichen Rechts, die es erlauben hier von Parallelstrukturen zu sprechen?
Was betriebliche Kündigungen anbelangt, oder Tarifvertragsverhandlungen, da hat die Kirche schon weitgehende Rechte, die andere Arbeitgeber nicht haben.
Also beispielsweise die Kindergärtnerin, die ihren Job verliert, weil sie sich scheiden lässt ("Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen."). Das gehört zu unserer Lebenswelt heute, ist aus kirchlicher Sicht aber nicht tragbar. (Man müsste eine Ehe kirchlich annullieren lassen, wofür es durchaus Gründe gibt.)
Oder zum letzten Jahreswechsel die Tarifverhandlungen für die Altenpflege. Da haben Caritas (katholisch) und Diakonie (evangelisch) ein Veto eingelegt. Die Begründung habe ich nicht ganz verstanden, ver.di jedenfalls war sauer. Und medial kam das so rüber, als seien die Kirchen geizig, dabei bezahlen sowohl Caritas als auch Diakonie ihre Pflegekräfte übertariflich.



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Die Moderatorenkollegen werden drüber befinden, ob dieser Beitrag stehen bleiben kann, oder mir ggf. nahelegen ihn zu löschen bzw. dies selber tun.
 
Übergriffe und Gewalt sind vor allem in Fürsorgeanstalten vorgekommen, auch in solchen, die unter Kontrolle der evangelischen Kirche standen.

Ich war am Dienstag in Freistatt, ehemalige Jugendfürsorgeeinrichtung der Diakonie Bethel. Das ist für Bethel ein finseteres Kapitel. Der Öffentlichkeitsreferent hat mir "Endstation Freistatt" aus dem Bethel-Verlag geschenkt, die Aufarbeitung Bethels des Themas. Da ich künstlerisch zu dem Thema arbeiten will, habe ich mich auch schon mit der Historischen Sammlung Bethel und dem Hauptarchiv Bethel in Verbindung gesetzt. Vielleicht kann ich dazu später ein Thema eröffnen.

Diakonie Freistatt – Wikipedia

Was im Moment ein heißes Eisen für die katholische Kirche ist, ist der Skandal um Schulen für die indigene Bevölkerung in Canada. Weiß da jemand mehr?

Canada: 751 unmarked graves found at residential school
 
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Übergriffe und Gewalt sind vor allem in Fürsorgeanstalten vorgekommen, auch in solchen, die unter Kontrolle der evangelischen Kirche standen. Bei den Fällen von sexuellem Mißbrauch ging es ausschließlich um Fälle, die sich innerhalb der Römisch-Katholischen Kirche ereignet haben. Wozu also diese Pauschalisierung wenn von den Kirchen gesprochen wird? Weil das sowieso ein Einheitsbrei ist?
Ich habe gerade das gelesen: "Wir waren Freiwild": Ein Betroffener berichtet über Missbrauch in der Evangelischen Kirche
Da ist schon auch eindeutig von sexuellem Missbrauch die Rede.
 
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