Warum wurde in den USA die FED erst so spät gegründet?

Griffel

Mitglied
Und hier ist noch ein Thema, welches mich im Bezug auf die USA fasziniert! Obwohl die USA, ein neues und innovatives Land sein wollten, bekamen die USA erst 1913 eine richtige Zentralbank!
https://de.wikipedia.org/wiki/Federal_Reserve_System

Das ist ein Fakt, den ich mehr als merkwürdig finde? Staatsrechtlich und volkswirtschaftlich ist ein funktionierendes Währungs- und Zahlungssystem für ein Land von zentraler Bedeutung.:eek: Weshalb hat man also so lange gebraucht, eine solche zu etablieren? Besonders wenn, man sich ansieht, was für Probleme dadurch entstanden sind.

Wenn, man sich zum Beispiel anschaut, was die Bank of England, alles geleistet hat, ist es nicht nachvollziehbar, warum man sich diese nicht zum Vorbild nahm.
https://de.wikipedia.org/wiki/Bank_of_England

Das frage ich mich schon, wie man es geschafft hat, funktionierende Handelsbeziehungen aufzubauen? Eine stabile und sichere Währung ist eine Grundvoraussetzung dafür. Aber vielleicht, könnt ihr ja weiterhelfen. Es gibt sicherlich bessere Quellen als Wikipedia.
 
Ich kann dir die Frage nicht beantworten, möchte aber darauf hinweisen, dass die Stabilität einer Währung nicht unbedingt von der Existenz einer Zentralbank abhängt. Schauen wir mal ins UK. Die haben eigee Banknoten in England, Schottland, Wales und Nordirland. Das englischen Notengeld wird durch die Bank of England ausgeben. Wenn man aber an Carter Bar vorbeifährt, sind es plötzlich unterschiedliche Banken, welche die Banknoten ausgeben: Royal Bank of Scotland, Bank of Scotland und Clydesdale Bank - das sind alles Banken die auch im operativen Geschäft tätig sind, wo du also ein Konto eröffnen oder in der Filiale Geld abheben kannst.
 
Ja. Und dennoch ist überall der Pound gleich viel wert - wobei es passieren kann, dass eine Banknote aus Schottland schon in Carlisle nicht mehr angenommen wird (umgekehrt ist es aber nirgends eine Problem, eine Banknote aus England an den Mann zu bringen).
 
Andrew Jackson – Wikipedia
Nachdem Jackson im Jahr um 1819 erlebt hatte, wie die Zins- und Kreditpolitik der Bank of the United States (Nationalbank) amerikanische Farmer in den finanziellen Ruin trieb, wurde die Zerschlagung der Bank zu einem seiner zentralen politischen Anliegen
...

In seiner Begründung ließ der Präsident verlautbaren, er sehe durch die Bank eine erhebliche Gefahr für die Bürger und für die Wirtschaft des Landes, da sich bereits ein Viertel der Bankaktien in ausländischem Besitz befand. Ferner verwies er darauf, dass „Reiche und Mächtige bereits zu oft Regierungsmaßnahmen für ihre selbstsüchtigen Zwecke missbraucht“ hätten.
 
Das ist schon mal eine Erklärung. Aber man hätte doch per Gesetz absichern können, dass nur staatliche Anteileigner erlaubt sind. Die meisten Zentralbanken der Welt sind ausschließlich im Staatsbesitz.
 
In den USA konnten vor 1913 bundesstaatlich lizenzierte Geschäftsbanken Banknoten emittieren, die von einer bundesstaatlichen Behörde gedruckt wurden und alle gleich aussahen, nur dass sich der aufgedruckte Name der emittierenden Bank unterschied. Die Banknoten mussten in den Bankbilanzen in voller Höhe durch US-Staatstitel gedeckt sein. Das System gewährleistete eine stabile (vor allem nicht explodierende) Geldversorgung. Allerdings machte sich in der Finanzkrise von 1907 das Fehlen einer Zentralbank negativ bemerkbar. Da bedurfte es zur Wiederherstellung des Vertrauens eines lender of last resort, also eines Marktteilnehmers, der Unternehmen in Schieflage Kredit geben konnte, der allgemein als sicher eingestuft wurde. Die Rolle konnte damals J P Morgan ausfüllen, aber nur eine Zentralbank hat im Prinzip unerschöpfliches Finanzierungspotenzial. Ein solcher Lender of Last Resort wurde 1913 mit dem Federal Reserve System geschaffen.

Dem Volumen der Banknoten der Bank of Scotland müssen übrigens in voller Höhe Reserven bei der Bank of England gegenüberstehen.
 
Die Banknoten mussten in den Bankbilanzen in voller Höhe durch US-Staatstitel gedeckt sein. Das System gewährleistete eine stabile (vor allem nicht explodierende) Geldversorgung.

War das tatsächlich so besonders stabil? Ich würde sagen, dass brachte das Problem mit sich, dass sich Geldmengen und Preise sehr unterschiedlich entwickeln konnten, je nach dem, welche Politik die einzelnen Bundesstaaten und Lizenzbanken betrieben und ob sie Bedürfnisse sahen die lokale Geldmenge zu erhöhen oder nicht.

Man darf ja nicht vergessen, dass die USA nach wie vor ein Einwanderungsland waren und vor allem auch die Binnenmigration den Devisenbedarf einzelner Regionen in kurzer Zeit schnell verändern konnte.
Wenn z.B. wie bei den verschiedenen Goldrausch-Phänomenen auf einmal Unmengen neuer Einwanderer in bestimmte Gebiete strömten, konnte das die vorhandenen Devisenmengen natürlich sehr schnell überfordern.
 
Die Einrichtung einer Zentralbank war von Anfang an umstritten. (In den USA war die Inflation vor 1913 auch geringer als mit Zentralbank und die Wirtschaftskrise 1929 wäre ohne Zentralbank nicht möglich gewesen. Die Finaierung eines modernen Krieges (also einer Materialschlacht) ist ohne Zentralbank schwierig.)

„Eine private Zentralbank, die Zahlungsmittel ausgibt, ist für die Freiheiten der Menschen eine größere Gefahr als eine stehende Armee.“
Thomas Jefferson
Thomas Jefferson – Wikiquote
  • Ich glaube aufrichtig, wie Sie, dass Bankanstalten gefährlicher sind als stehende Armeen; und dass das Prinzip, unter dem Namen Finanzierung, Geld auf Kosten der Nachwelt auszugeben, großmaßstäblicher Betrug an der Zukunft ist." [WQ]
  • (Original engl.: " [..] I sincerely believe, with you, that banking establishments are more dangerous than standing armies; and that the principle of spending money to be paid by posterity, under the name of funding, is but swindling futurity on a large scale." - Brief an John Taylor, 28. Mai 1816. In: Memoirs, Correspondence and Private Papers of Thomas Jefferson, Vol. IV, hrsg. v. Thomas Jefferson Randolph, London 1829. S. 288 Google Books. Siehe auch Private Banks (Quotation) monticello.org)"
  • "Ich bin nicht einer von denen, die das Volk fürchten. Beim Volke und nicht bei den Reichen liegt die Sicherheit für dauernde Freiheit. Um seine Unabhängigkeit zu wahren, dürfen wir es nicht dulden, daß unsere Herrscher uns mit einer ewigen Schuld belasten. Wir müssen wählen zwischen Einfachheit und Freiheit, oder Verschwendung und Knechtschaft." - zitiert in: Gustav Adolf Rein, Die drei Grossen Amerikaner - Hamilton, Jefferson, Washington: Auszüge aus ihren Werken, (Klassiker der Politik, Band 7), R. Hobbing, Berlin 1923. S. 134
  • (Original engl.: "I am not among those who fear the people. They, and not the rich, are our dependence of our continued freedom. And to preserve their independence, we must not let our rulers load us with perpetual debt. We must make our election between liberty and economy, or profusion and servitude." - Brief an Samuel Kerchuval, 12. Juli 1816. In: Memoirs, Correspondence and Private Papers of Thomas Jefferson, Vol. II, hrsg. v. Thomas Jefferson Randolph, London 1829. S. 297 Google Books)
 
In den USA war die Inflation vor 1913 auch geringer als mit Zentralbank und die Wirtschaftskrise 1929 wäre ohne Zentralbank nicht möglich gewesen.

Das halte ich für eine kühne These. Im Allgemeinen meint man heute (und schon länger, siehe Friedman/Schwarz, A Monetary History of the United States), dass die Zentralbank die Kontraktion der Geldmenge aktiv hätte verhindern müssen. In einem free banking-System gibt es solche geldpolitische Handlungsoptionen aber überhaupt nicht, oder?
 
upload_2022-1-23_10-38-0.png

upload_2022-1-23_10-39-45.png
 
Die höheren Inflationsraten nach 1913 sind, denke ich, durch die Abkehr vom Goldstandard und nicht durch die Einrichtung einer Zentralbank zu erklären. Zu der Abkehr kam es erst gegen Ende des 2. Weltkriegs (Ende der inländischen Konvertibilität) und endgültig Anfang der 70er Jahre (Ende von Bretton Woods). Ich würde deshalb vermuten, dass die Inflation im Trend erst nach 1950 stieg, was ich ich im Moment nicht zeigen kann.
 
Die höheren Inflationsraten nach 1913 sind, denke ich, durch die Abkehr vom Goldstandard und nicht durch die Einrichtung einer Zentralbank zu erklären. Zu der Abkehr kam es erst gegen Ende des 2. Weltkriegs (Ende der inländischen Konvertibilität) und endgültig Anfang der 70er Jahre (Ende von Bretton Woods). Ich würde deshalb vermuten, dass die Inflation im Trend erst nach 1950 stieg, was ich ich im Moment nicht zeigen kann.

In den USA dürften sie vor der Aufgabe des Goldstandarts vor allem auch durch das Faktum der ausgedehnten Kriegskredite in beiden Weltkriegen zu erklären sein.

Ansonsten würde ich zustimmen wollen, das ist schlicht die Abkehr vom Goldstandart, auch in Erforderung größerer Devisenmengen um eine moderne Konsumgesellschaft organisieren und den Kapitalbedarf der neueren Industrien überhaupt decken zu können.

@schaf

Es mag ja sein, dass die Inflation vor der Zentralbank geringer war, als seit in der Zeit mit der Zentralbank, dadurch ist aber nicht erwiesen, dass es an der Zentralbank liegt.

Die ersten wichtigen Weichenstellungen in Sachen Inflation durch Ausdehnung der Geldmenge dürften die Kriegskredite an die Entente, die Kredite an Deutschland zwecks Reparationsfinanzierung ("Daws Dreieck") und auch die staatlichen Investitionsprogramme im Rahmen des "New Deal" gewesen sein.
Die Flottenrüstung vor dem 2. Weltkrieg dürfte auch noch einmal beigetragen haben, Weltkrieg Nr.2 ohnedies.

Das waren genuin politische Entscheidungeen, die von der Existenz einer Zentralbank per se, erstmal unabhängig waren.

Darüber hinaus ist es im wirtschaftlichen Bereich eigentlich mehr oder weniger Konsens, dass in einer sich entwickelnden bzw. signifikant wachsenden Wirtschaft die Abwesenheit von Inflation oder gar die Anwesenheit von Deflation kein Verdienst darstellt, sondern ein massives Problem.
Die Menge der emittierten Zahlungsmittel muss schlicht und ergreifend ausreichen damit Konsum auch geleistet werden kann.
Anders ausgedrückt:

Wenn in Wirtschaftsraum X 1900 Waren im Wert von 100 Millionen Dollar produziert werden und im selben Raum sind 100 oder 120 Millionen Dollar als Währung im Umlauf, funktioniert das.

Wenn im gleichen Wirtschaftsraum 1920 nicht mehr Waren im Wert von 100, sondern von 150 Millionen Dollar produziert werden, stabil aber weiterhin nur 100 Millionen Dollar an Zahlungsmittel im Umlauf sind oder durch deflationäre Tendenzen nur noch 80 Millionen Dollar, funktioniert das schlicht nicht mehr, weil die zu geringe Geldmenge dann den inländischen Zahlungsverkehr hemmt.

Auch das sind Dinge, die vielleicht von der Zentralbank organisiert wurden, deren Ausgangsproblematik aber ganz wo anders lieegt, nämlich in der Versorgung einer zunehmend größeren und produktiveren Gesellschaft mit genügend Zahlungsmitteln um den Zahlungsverkehr für ihrenn Konsum auch abwickeln zu können.
 
Hier sieht man, dass die Inflationsraten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausgesprochen volatil waren, im Schnitt das Presniveau aber wenig stieg. Das änderte sich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts und insbesondere nach Ende des internationalen Goldstandards Anfang der 70er.
Quelle: wikipedia, united states consumer price index.

450px-US_Consumer_Price_Index_Graph.svg.png
 
Zurück
Oben