"Was für ein Scheiß-Land!" Mit Brandanschlägen gegen die Berliner Mauer

In den dortigen Leserkommentaren kann man gut nachlesen, was einer wahren Wiedervereinigung auch mental noch im Wege steht. Es sind Ressentiments, Gruppenzuschreibungen, Schuldzuweisungen und der mangelnde Respekt vor dem anderen Menschen.
Der Hauptunterschied zwischen Ost und West ist wohl, dass für Westdeutsche das Leben weitgehend ungebrochen weiter ging. Also neben der Euphorie von Mauerfall und Wiedervereinigung unmittelbar keine (negativen) Veränderungen anstanden.

Die Ostdeutschen dagegen träumten vom Reisen und vom Shopping, verloren aber in Scharen zunächst mal ihre Arbeitsplätze. Ich hörte letzte Tage die Zahl, dass 95 % der DDR-Familien mindestens einen Verdiener hatten, der in Folge der Abwicklung der DDR-Betriebe seinen Job verlor und in die Arbeitslosigkeit rutschte. Aus einem Staat, in dem es Vollbeschäftigung gab.

Es steht natürlich außer Frage, dass manche DDR-Betriebe einfach überhaupt nicht mehr weltmarktfähig waren. Andere aber hat man bewusst kaputt gemacht.

Natürlich muss man auch sagen, dass, bevor die Ostalgie-Welle kam, viele DDR-Produkte ihren Reiz verloren hatten. Auch die Ostdeutschen wollten ja zunächst Westprodukte, auch daran sind wahrscheinlich einige ehem. DDR-Betriebe gescheitert, das einfach die Kundschaft wegbrach.

Ich war vor einigen Jahren in der Oberlausitz, da erzählte mir ein Gewerkschafter, dass ein westfälisches Unternehmen aus Gronau via Treuhand ein lausitzer Unternehmen aufkaufte und so peu a peu die ganzen Maschinen abbaute und in Gronau wieder aufbaute. Der war der festen Überzeugung, dass sich die Gronauer damals via Treuhand einen Konkurrenten vom Hals geschafft haben. Ob das so stimmt - keine Ahnung. Ich bin mir aber sicher, dass selbst, wenn das Gronauer Unternehmen nicht vorhattte, den Konkurrenten loszuwerden, sondern sich einfach übernommen hat, es solche feindlichen Übernahmen via der Treuhand gab und dass hier ein Bild geschaffen wurde, welches teilweise zu Recht nachwirkt und dort, wo es falsch ist, kaum korrigiert wird.

Letztes Jahr sprach ich mit einer Ingenieurin aus Chemnitz, deren Söhne im Westen arbeiten - deren Bild vom Westen 1990 nachhaltig geprägt wurde: Sie arbeitete im Amt und sie bekamen einen neuen Amtsleiter aus dem Westen; sie erinnerte sich mir gegenüber, dass die Bürotür auf- und sofort wieder mit der Bemerkung "Hier sitzen ja auch nur Frauen" wieder zuging. Ihr Bild: Der Osten war was Frauenrechte angeht sehr viel fortschrittlicher als der Westen. Nun muss ich allerdings sagen, dass sie in den 30 Jahren seitdem - und zumal ihre Söhne im Westen arbeiten - eigentlich genug Gelegenheit hatte, ihr Bild zu korrigieren. Ich habe sie allerdings - obwohl im Job (so viel ich weiß, nie arbeitslos gewesen) und gut situiert - als sehr unzufrieden kennen gelernt.

Ich erinnere mich aber aus meiner Jugend, dass man damals lästerte, dass Beamte, die man im Westen loswerden wollte, nach Ost hochbeförderte. Sprich, die SED-Amtsleiter wurden dem Gerücht zufolge, welches ich in meiner Jugend hörte, nicht durch qualifizierte Beamte ersetzt, sondern durch unfähige Unsympathen. Wenn das nur in ein paar Behörden zutrifft, muss man sich nicht wundern, wenn da Wut herrscht.
 
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