Was hat der Türke mit der Peitsche mit dem Heiligen Hubertus zu tun?

El Quijote

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Ich war vergangenen Monat in Prag und beim obligatorischen Gang über die Karlsbrücke entdeckte ich einen Türken, der in der barocken Darstellung hinterhältig seine Peitsche hinter seinem Rücken verbarg und einen Hubertushirschen (zumindest habe ich den Hirschen mit dem Kreuz im Geweih bisher immer für einen Hubertushirschen gehalten). Nun stellt sich mir die Frage, ob das a) tatsächlich ein Verweis auf Hubertus ist und wenn ja b) was Hubertus mit dem Türken zu tun hat bzw., wenn nicht, c) worauf das Bild anspielen soll.
Unter der Heiligengruppe, bewacht von dem Türken mit der Peitsche und dem Hund, befindet sich hinter der Kerkertür eine Kleingruppe aus zwei Personen, von denen die eine leidend den Mund geöffnet hat.

Klar ist natürlich, unabhängig der genauen Datierung der Skulpturengruppe, dass das Ganze vor dem Hintergrund der osmanischen Expansion gelesen werden muss.
 

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Natürlich hatte die Skulpturengruppe ein propagandistisches Ziel, ich nehme auch an, dass es um Gefangenenbefreiung (via Lösegeldzahlung) ging. In Kirchen - vielleicht war das ja auch hier der Fall - kenne ich aus der Barockzeit ähnliche Nischen, wie hier der "Kerker", worein die Gläubigen Geld gaben, um z.B. für die Aussteuer von Waisenmädchen zu spenden oder eben um Lösegelder für die Gefangenenbefreiung aufzubringen.
 

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Ich hätte mal vorher etwas recherchieren sollen :rotwerd:.
Die Gruppe von 1714 zeigt die Heiligen Johannes von Matha, Felix von Valois und Iwan (mit der Hirschkuh) sowie einen die Christen bewachender Türken (paraphrasiert aus Wikipediaartikel zur Karlsbrücke). Johannes von Matha und Felix von Valois hatten den Trinitarierorden gegründet, der die Befreiung von Christen aus muslimischen Gefängnissen zur Aufgabe hatte. Soweit ist meine Deutung der Figurengruppe schon mal richtig gewesen. Ob auch der "Kerker" als Spendenloch zu verstehen ist?
Die Darstellung der Hirschkuh allerdings is mir noch unklar: Wieso hat die ein Geweih und wieso das Kreuz? Iwan war der Legende nach ein böhmischer Einsiedler der sich u.a. von der Milch der Kuh ernährte.
Oder ist mit der Hirschkuh gar nicht der Hirsch unten links sondern das erlegt Tier oben rechts gemeint? Dies würde zur Iwanslegende passen. Was erneut die Frage aufwerfen würde, was der Hubertushirsch hier zu suchen hat.
 
Damit ist eine Wissenlücke gestopft.
Eine weitere Frage, wenn es mir erlaubt ist: Ich verstehe, dass Johannes von Matha und Felix von Valois dort abgebildet sind mit dem Hirschen, dem Türken und den Gefangenen im "Kerker", dem mutmaßlichen Spendenloch.
Aber wieso bringt der Ferdinand Brok(h)off als Künstler (ggf. auch sein Auftraggeber) den böhmischen Einsiedler Iwan und die Trinitarier zusammen? Sind da nur Hirsch und Hirschkuh das verbindende Element oder gibt es da mehr?
 
Aber wieso bringt der Ferdinand Brok(h)off als Künstler (ggf. auch sein Auftraggeber) den böhmischen Einsiedler Iwan und die Trinitarier zusammen? Sind da nur Hirsch und Hirschkuh das verbindende Element oder gibt es da mehr?
Womöglich lieferten tatsächlich die Hirsche die Inspiration… Die Trinitarier-Gruppe aus 1714 stammt aber eigentlich von Jan Brokoff (1652–1718), der sie vtml. mit seinen Söhnen Michael und Ferdinand ausführte.(die Quelle der Info ist mir allerdings abhanden gekommen :schau: ) Sie zeigt Johannes von Matha und Felix von Valois, die einen Galeerensklaven auf die Beine helfen, während ein Türke einen Kerker bewacht. Der Heilige Iwan, der mal als Einsiedler in der Gegend sein Dasein fristete, ist lediglich als örtlicher Repräsentant der Wohltäter anwesend, dessen selbstlose Barmherzigkeit auf die selbe Tugend bei den Gründern des Trinitarierordens hinweisen soll. Die Gruppe ist somit ein Stelldichein der Wohltäter, bei dem ein Ortsansäßiger den Standort der Gruppe rechtfertigt. Zumindest wie ich die Anwesenheit des Hl. Iwans verstehe.
 
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Aber wieso bringt der Ferdinand Brok(h)off als Künstler (ggf. auch sein Auftraggeber) den böhmischen Einsiedler Iwan und die Trinitarier zusammen? Sind da nur Hirsch und Hirschkuh das verbindende Element oder gibt es da mehr?
Ich vermute, dass die Barmherzigkeit das verbindende Element der , aus unterschiedlichen Epochen stammenden Figuren ist. Iwan erbittet und spendete das Fleisch der erlegten Hirschkuh an Bedürftige und starb selbst kurz darauf (wohl an Hunger) und die Trinitarier holten Christensklaven aus der Gefangenschaft. Außerdem stellen viele Statuen auf der Brücke slawische Heilige dar. Man wollte vielleicht kein so großes Figurenensemble ausschließlich französischen Hl. widmen.
Zu dem Hirsch habe ich noch folgendes im ökumenischen Heiligenlexikon gefunden.
Nach der Legende erschien den beiden Ordensgründer ein Hirsch mit einem blau-rotem Kreuz im Geweih, am Gründungsort des Klosters Cerfroid.
 
Könnte es nicht sein, dass der Künstler hier vielleicht einige Heilige "vermischt" hat?

Mit einer Hirschkuh wird z. B. auch immer der Hl. Ägydius dargestellt, der wiederum Jahre seines Lebens als Einsiedler verbracht hat, und ein sehr bekannter Heiliger war. (Er könnte durchaus ein Vorbild für den Hl. Iwan gewesen sein.)

Ein Hirsch mit Kreuz spielt auch in der Legende des Hl. Eustachius eine wichtige Rolle, der wiederum zu den "Jagdheiligen" zählt. Außerdem gelten er und seine Familie nicht nur als Märtyrer (unter Kaiser Hadrian), sondern in seiner abenteuerlichen Legende findet sich auch das Motiv, dass seine Familie in alle Winde verstreut wird, und erst Jahre später kommt es zum Wiedervereinigung.

Hier könnte der Künstler vielleicht einen Bezug zur Gefangenenbefreiung aus "Osmanischer Gefangenschaft" gesehen haben. Bei Osmanischen Überfällen findet sich immer wieder die Mitteilung, dass Familien auseinander gerissen wurden.
 
Die Trinitarier-Gruppe aus 1714 stammt aber eigentlich von Jan Brokoff (1652–1718), der sie vtml. mit seinen Söhnen Michael und Ferdinand ausführte.(die Quelle der Info ist mir allerdings abhanden gekommen :schau: )
Bin etwas verwirrt, obwohl die Gruppe tatsächlich mit Opus Ioann. Brokoff signiert sei, während die dies bestätigende Website trotzdem Sohn Ferdinand als Bildhauer angibt.(*) Wird aber das Thema kaum tangieren…
Ob vielleicht der Auftraggeber, Johann Franz, Graf von Thun und Hohenstein (1686–1720) auf einen böhmischen Wohltäter als Zugabe bestand, um Böhmen gleich noch eine Identifikationsfigur zu spenden?

*: Svatí Jan z Mathy, Felix z Valois a Ivan)
 
Nach der oben verlinkten Website lautet die Inschrift aus 1714:
»LIberata a ContagIone patrIa | et | ConCLVs CVM gaLLIs paCe« (etwa: ›Als das Land von der Pest befreit war | und | der Friede mit den Franzosen besiegelt‹)
Also musste auf der Darstellung auch Böhmen repräsentiert werden, sodass der Hl. Iwan Bestandteil des Auftrags gewesen sein dürfte. 1713-1715 wurde übrigens Böhmen zum letzten Mal von der Pest heimgesucht.(*)

*: Walter Leitsch u. Stanisław Trawkowski (Hsg.), Polen und Österreich im 17. Jahrhundert, Böhlau,Wien, 1999, S. 90 (digit.: Google Books)

PS: der Link will hier nicht funktionieren… :S
 
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Habe mal eine Frage zur Überschrift.
Türke...
Woher weiß man das es sich bei der Skulptur auf der Karlsbrücke um einen Türken handelt?
Im Ökumenischen Heiligenlexikon unter "Felix von Valois" ist die Rede von einen Sarazenen.
Sarazen ist ja nicht gleich Türke.
 
Der zeit- und räumliche Kontext spielt hier eine Rolle. Prag ist nicht weit von Ungarn oder Wien entfernt. Als die Skulptur aufgestellt wurde, war der Große Türkenkrieg gerade ein paar Jahre vorbei (der nächste stand gerade bevor).
 
Habe mal eine Frage zur Überschrift.
Türke...
Woher weiß man das es sich bei der Skulptur auf der Karlsbrücke um einen Türken handelt?
Im Ökumenischen Heiligenlexikon unter "Felix von Valois" ist die Rede von einen Sarazenen.
Sarazen ist ja nicht gleich Türke.
Sarazene war im 18. Jh. kaum noch gebräuchlich. Bezeichnet der Pilger Felix Fabri Ende des 15. Jh. bei der Bevölkerung Palästinas und Ägyptens noch von Sarazenen so findet man dieses Wort bei dem, 1580 in ägyptische Sklaverei geratenen Michael Heberer überhaupt nicht mehr. Bei ihm sind das alles Mohren wobei er schwarze und weiße Mohren unterscheidet.
Im 17.und 18. Jh. war durch die Türkenkriege der Türke geläufiger und da diese auch gefangene Christen als Sklaven hielten, war das Thema des Freikaufes immer noch aktuell. Auch die sog. Barbareskenkorsaren, aus deren Sklaverei auch Reisende und Seeleute freigekauft wurden waren häufig türkischer Herkunft da Algerien ,Tunesien und Tripolitanien zum osmanischen Reich gehörten.
Auch lässt die ganze Aufmachung und besonders der lange Schnauzbart und der Pelzverbrämte Mantel der Brückenfigur auf einen Türken schließen.http://static.panoramio.com/photos/large/96443819.jpg
 
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