Was implizieren die Plinus-Briefe?

D

DiePliniusFrage

Gast
Hallo,

nach der Laktüre des Artikels "Plinius-Briefe" bleibt bei mir eine Frage offen:
Was dürfen wir daraus ablesen, dass diese Briefe einfach so veröffentlicht werden konnten?

Das bedeutet, dass die kaiserliche oder sonstigen Zensur offenbar nichts gegen die Offenlegung der Korrespondenz mit dem Kaiser hatte. Oder ist denen das irgendwie "durch die Lappen gegangen", weil kein Zensor bis zum 10. Buch kam?
 
Es gab zwar Censoren im alten Rom, deren Aufgabe war aber nicht die Zensur von Schriften. Sie waren eine Art Bürger- und Finanzbeamte, wenn ich das mal so vereinfachen darf. Der Zusammenhang zum heutigen Wort Zensor besteht darin, dass sie auch in einem gewissen Maß Sittenwächter waren, die modernen Zensoren eben Schriften und anderes darauf prüf(t)en, ob es den "guten Sitten" entspricht. Aber Zensur in der neuzeitlichen Bedeutung des Wortes ergibt eigentlich erst mit der Erfindung des Buchdrucks Sinn, also als Texte nicht mehr nur handschriftlich reproduzierbar sind.

Allerdings verstehe ich das Problem noch nicht ganz, warum das zehnte Buch nicht hätte veröffentlicht werden sollen. Weder plaudert Traian da aus dem privaten Nähkästchen, noch ist darin irgendetwas von revolutionärer Sprengkraft.
 
"Zensur" im heutigen Sinne gab es im Alten Rom nicht. Es kam zwar vor, dass unerwünschte Schriften vernichtet wurden, aber es gab keine Behörde, die Veröffentlichungen vorab prüfen und genehmigen musste. Grundsätzlich konnte jeder schreiben und publizieren, was er wollte.
Es gab lediglich eine Art "Selbstzensur", denn natürlich wussten Autoren (wenn sie unter ihrem Namen veröffentlichten) in der Regel durchaus, was sie sich erlauben konnten, ohne sich mit irgendjemandem (wie dem Kaiser) Ärger einzuhandeln.

Außerdem war die Korrespondenz zwischen Plinius und Kaiser Traian ohnehin nicht privat. Plinius richtete in seiner Eigenschaft als Statthalter von Bithynien Anfragen an den Kaiser als seinen Vorgesetzten, wie er in bestimmten Situationen agieren sollte, und der Kaiser antwortete (oder dessen Kanzlei verfasste einen Antwortentwurf für den Kaiser). Das waren also Briefe von amtlichem Charakter. Ein staatliches "Amtsgeheimnis" im heutigen Sinne gab es auch nicht.
 
Es gab zwar Censoren im alten Rom, deren Aufgabe war aber nicht die Zensur von Schriften.
Außerdem wurde das Amt des Censors in der Kaiserzeit (bereits unter Augustus) unüblich. Lediglich Kaiser Claudius und sein Kumpel Vitellius (der Vater des späteren Kaisers) sowie Kaiser Vespasian und sein Sohn Titus amtierten noch als "reguläre" Censoren. Kaiser Domitian machte sich ohne Kollegen zum Censor auf Dauer. Zur Zeit Kaiser Traians und seiner Nachfolger gab es keine Censoren.
 
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