Was war eigentlich die Meinung der US Regierung zu Kolonien?

Griffel

Mitglied
Die Überschrift besagt es eigentlich ja schon! Nebem dem Hauptziel, die Achsenmächte zu besiegen, gab es ja vonseiten der USA, das Ziel, nach dem Krieg, eine Rechtsordnung zu schaffen, welche die Fehler des Völkerbundes nicht wiederholt! Aus diesem Grund wurde ja die Atlantikcharta und später die Erklärung über die Vereinten Nationen geschaffen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Atlantik-Charta
https://de.wikipedia.org/wiki/Deklaration_der_Vereinten_Nationen

Beides hat ja recht gut geklappt. Aber das bringt mich auch schon zu dem Punkt meiner Überschrift! Es wohl außer Frage, dass die USA das stärkste und mächtigste Land der AHK waren und deshalb auch die Führerschaft beanspruchten. Soweit so gut! Möchte man meinen. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Kalte Krieg eigentlich schon ausbrach, als der 2. Weltkrieg noch lief. Das dürfte so Mitte und Ende 1944 gewesen sein.

So erklärt es sich auch, dass die USA, ihre Zusagen manchmal "angepasst" haben, wenn, ihnen dies erforderlich schien. Stichwort Realpolitik.

Wenn, man allerdings die Worte, die in beiden Dokumenten stehen, ernst nimmt, dann ist die Existenz von Kolonien, egal welcher Art nicht zulässig.:rolleyes: Ich frage mich daher, warum man in den USA, keine grundlegenden Pläne zur "Entkolonisierung" der Welt vorbereitet hat? Denn, dass die damals noch versklavten bzw. kolonisierten Völker, sich ebenfalls auf diese Garantien berufen würden, hätte den Verfassern eigentlich klar sein müssen! Und so kam es ja dann auch!

Fast unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg, kam es in den Gebieten der Kolonialmächte zu Befreiungskriegen. Welche die Kolonialmächte verloren! Indochina, Indonesien, Malaysia usw. Hätte man sich den Ärger nicht sparen können in dem man neben Europa auch für die Gebiete in Afrika und Asien Maßnahmen zur Herstellung der Souveränität herstellt?

Ich bin durchaus bewusst, dass man in London und Paris, aber auch in Den Haag und Portugal dies nicht so verstanden wissen wollte, dass man seine Kolonien aufgibt! Aber das wäre eigentlich die logische Konsequenz gewesen. Und für die Vereinigten Staaten auf der anderen Seite, konnte es nicht glaubhaft wirken, sich für die Freiheit einzusetzen, wenn man eine andere Art von Unfreiheit weiterhin zulässt.o_O

Natürlich weiß ich, dass man darüber Gespräche geführt hat! Aber es ist auch bekannt, dass man in London und Paris nur sehr "ungern" bereit war, die Völker, welche man erobert hatte, ziehen zu lassen. Ein Argument war ja, dass man deren Rohstoffe, für den Wiederaufbau in Europa bräuchte!

Wobei ich sagen muss, dass in diesem Fall GB seinem Namen wieder alle Ehre gemacht hat und wesentlich schneller geschaltet hat, als Frankreich.
 
Die USA hatten am Ende des Zweiten Weltkrieges selbst noch Kolonien. Die Philippinen waren seit Ende des Spanisch-Amerikanischen Krieges eine US-Kolonie, ab 1935 mit Teilautonomie. Sie wurden im 2.WK von Japan besetzt und nach der Befreiung am 4.Juli 1946 in die Unabhängigkeit entlassen.
Den Status von Puerto Rico als Außengebiet der USA kann man auch als "halbkolonial" betrachten. Puerto Rico ist kein Bundesstaat der USA. Puerto Ricaner haben nicht die gleichen Rechte wie US-Bürger. Es herrscht innere Selbstverwaltung, dennoch ist Puerto Rico als "inkorporiertes Gebiet" ein Teil der USA, ohne eigene Außenpolitik. In der Karibik und im Pazifik gibt es weitere US-Außengebiete mit ähnlichem Status.
 
Ursprünglich lehnten die USA Kolonialismus ab. Nachdem die meisten Staaten in Lateinamerika ihre Unabhängigkeit erkämpft hatten, lehnten die USA mit der Monroe-Doktrin alle weiteren expansiven Bestrebungen europäischer Mächte in der westlichen Hemisphäre ab. 1853 erzwangen die USA die Öffnung Japans.

Von der antikolonialen Einstellung rückten die USA aber spätestens mit dem Spanisch-Amerikanischen Krieg von 1898 ab. Schon 1849 und 1854 hatten die Präsidenten Polk und Pierce versucht, Kuba für 100 bzw. 130 Millionen Dollar von Spanien zu erwerben. Nach dem Ende des Spanisch-Amerikanischen Krieges musste Spanien im Vertrag von Paris Kuba und Puerto Rico an die USA abtreten. Kuba erhielt 1901 die Unabhängigkeit, die USA behielten sich aber mit dem Platt-Amendment ein Interventionsrecht vor, von dem sie während Unruhen und Aufständen 1906 und 1917 auch ausgiebig Gebrauch machten. Kuba geriet wirtschaftlich in totale Abhängigkeit der USA. Erst 1934 gab Franklin D. Roosevelt das Interventionsrecht auf. Der Stützpunkt Guantanamo Bay blieb aber unter Hoheitsrecht der USA.

Puerto Rico wurde 1917 die Selbstverwaltung zugebilligt. Die USA besaßen ebenfalls Kolonien, neben den Philippinen sind Guam, Midway, die Marianen und Amerikanisch Samoa zu erwähnen. Außerdem erwarben die USA 1917 Dänisch-Westindien, da die USA einen Marinestützpunkt in der Karibik brauchten. Hawai wurde (?) der 50. Bundesstaat der USA. Auch Hispaniola stand unter Einfluss der USA. Haiti wurde 1915 besetzt und war bis 1934 Protektorat der USA. Island wurde 1941 von den USA besetzt ebenso wie Grönland, das Donald Trump vor nicht allzu langer Zeit von Dänemark kaufen wollte.

Erwähnenswert ist auch der Erwerb von Alaska, das die USA 1867 von Russland kauften. Ich zögere etwas, Liberia als eine Kolonie der USA zu bezeichnen. Liberia verdankte seine Gründung amerikanischen Abolitionisten. 1817 erwarb die American Colonisation Society, eine private Organisation das Territorium, und es wurden dort freigelassene amerikanische Sklaven angesiedelt, ähnlich wie das die Briten in Sierra Leone taten. Die ersten Präsidenten Liberias stammten aus den USA. In Harriet Beecher Stowes Roman "Uncle Toms Cabin-Life among the Lowly" geht eine Romanfigur, der ehemalige Sklave George Harris mit seiner Familie nach Liberia, um am Aufbau des Staates mitzuwirken. Die USA haben auf Liberia niemals Gebietsansprüche oder die Oberhoheit reklamiert. 1847 erhielt Liberia die volle Souveränität. Liberia und Äthiopien waren die einzigen afrikanischen Staaten, die zur Zeit des Imperialismus keine Kolonien waren.
Gegen den Negus Theodor führten die Briten zwar 1867 eine Strafexpedition, Äthiopien blieb aber selbstständig. An dem Feldzug nahm ein junger Journalist Henry M. Stanley teil, der im Auftrag des New York Herald berichtete. Während des Feldzugs setzten die Briten übrigens indische Elefanten zum ziehen der Geschütze ein.

In Kiplings Dschungelbüchern ist eine Geschichte "Toomai of the Elefants" enthalten. Sie handelt von einem jungen Mahout, der den Elefanten Kala Nag betreut, der mit Toomai dem Älteren am Feldzug gegen Theodor teilnahm.
 
Puerto Rico wurde 1917 die Selbstverwaltung zugebilligt.

Wobei Stand im Hinblick auf Puerto Rico und die übrigen nichtintegrierten Überseegebiete ja bis heute ist, dass sie durchaus US-Amerikanischem Bundesrecht unterfallen und auch Steuern nach Washington abzuführen haben, die Bewohner aber im Bezug auf die Präsidentschaftswahlen kein Wahlrecht besitzen.
Wenn ich das richtig im Kopf habe, dürfen sie zwar Delegierte in den Kongress entsenden, die dort aber nur als Beobachter ohne eigenes Stimmrecht fungieren können.

Der Umstand, dass diese Gebiete Gesetzen unnterfallen und Steuern nach Washington abführen müssen, ohne im politischen Prozess Stimmrechte und damit verbundene Einflussmöglichkeiten haben, würde es aus meiner perspektive heraus rechtfertigen diese Gebiete noch heute als de facto kolonial zu betrachten.

Auch wenn die Bewohner natürlich ungleich mehr grundsätzliche Rechte haben, als es im klassischen Kolonialismus/Imperialismus im 19. und 20. Jahrhundert der Fall gewesen ist.
 
Ich bin durchaus bewusst, dass man in London und Paris, aber auch in Den Haag und Portugal dies nicht so verstanden wissen wollte, dass man seine Kolonien aufgibt! Aber das wäre eigentlich die logische Konsequenz gewesen.

Letztenendes tut sich eigentlich bereits in der Zwischenkriegszeit einiges in Richtung des Abbaus kolonialer Herrschaft, was nur meistens unter den Tisch fällt, weil die populäre Geschichtsbetrachtung sich auf die Ereignisse in Europa fokussiert.

Konkret:

- In Afrika werden zwischen den Weltkriegen sowohl die Südafrikanische Union, als auch Ägypten de facto unabhängig.
In Ägypten verbleiben die Briten zwar noch in der Kanalzone und halten ihre Hand auf den Suez-Kanal und in beiden Ländern blieb ein gewisser Einfluss Londons zwar noch bestehen, de facto wurde die Kolonialherrschaft hier aber bereits abgebaut.
- Die Unabhängigkeit von Australien, Neuseeland und Kanada ausnehmlich zunächst Neufundland und eines Teils der Halbinsel Labrador vom britischen Empire wurde geregelt.
- Die schrittweise Entlassung Irlands über die Station des Freistaats Irland, hin zur Republik vollzieht sich ebenfalls bereits in der Zeit zwischen den Weltkriegen.

Die kolonialen Nachzügler, vor allem Italien und Japan versuchen in dieser Zeit noch ihre Kolonialreiche zu vergrößern.
Bei allen anderen Kolonialmächten (sofern man die Sowjetunion hier in der Diskussion mal vollständig ausklammert) ist die Tendenz seit dem Ende des 1. Weltkriegs aber mehr oder minder rückläufig.

Bei Frankreich sieht man es territorial nicht so deutlich, allerdings gibt auch Frankreich mit der Region Hatay bereits 1939er einen Teil des von ihm verwalteten Mandatsgebiets in Syrien an die Türkei ab (wenn auch mit dem Hintergedanken hier vor allem einer allzu engen Anlehnung der Türkei an NS-Deutschland vorzubauen und einen Revanchekrieg zu vermeiden).

Und was auf den Landkarten nicht so unbedingt sichtbar ist, ist der Umstand, dass seit dem ersten Weltkrieg die Europäischen Kolonialmächte, im Besonderen in Asien zunehmend nicht mehr umhin kamen einheimische Repräsentanten an der Verwaltung der Kolonien zu beteiligen, auch wenn sie sich hier noch immer das letzte Wort vorbehielten.
Das war zwar noch keine Selbstverwaltung, aber schaut man sich die innere Verfasstheit der Kolonien an, dann wird klar, dass der Einfluss der Kolonialmächte im Grunde auch dort bereits massiv rückläufig war und seinen Zenit überschritten hatte.

Hinzu kommt auch eine durchaus auch in der europäischen Metropole anwachsende antikoloniale Bewegung, die sich in den 1920er Jahren zu etablieren beginnt.
Die Kommt in der Regel aus den Reihen der jeweiligen K-Parteien und in Teilen der linken Flügel der Sozialdemokratie/Sozialisten.
Es dauert zwar einige Zeit, bis das auch tief ins Bürgertum einsickert und mehrheitsfähig wird, aber die Grundlagen dessen sind bereits deutlich vor dem 2. Weltkrieg vorhanden.


Dann wäre hierzu auch zu sehen, was Dekolonisation angeht:

Die Kolonien der Franzosen und Niederländer waren bereits weitgehend weg, einfach dadurch, dass dass diese Staaten selbst besetzt waren und in Übersee kaum noch Kräfte oder irgendeine Form von Herrschaft aufrecht erhalten konnten.
Im Bezug auf Französisch-Indochina und Niederländisch-Ostindien kommt noch die de facto Besetzung durch die Japaner und die weitgehende Entwaffnung der französischen und niederländischen Kräfte dort hinzu.

Hier war mehr oder minder klar, dass das ohnehin weitgehend am Ende war.
Das japanische und das italienische Kolonialreich würde man nach dem Sieg über diese beiden Staaten abwickeln wollen und Großbritannien hatte bereits deutlich angefangen seine koloniale Herrschaft zurück zu bauen und 1942 Indien die Selbstverwaltung zugesagt.

Insofern benötigte es keinen großangelegten Plan zur Dekolonisation, dass war ein Prozess, der im Prinzip längst angelaufen und im Hinblick auf Asien auch nicht mehr aufzuhalten war.
Afrika dauerte etwas länger, aber auch hier waren die großen Linien letztendlich vorgezeichnet und auch wenn die Kolonialmächte hier mitunter noch erbitterten Wiederstand leisteten, taten sie das nicht generell, sondern nur noch im Hinblick auf einzenle Territorien.
 
Von Scorpio und Shinigami wurde schon vieles ausgeführt. Zwei weitere Aspekte sind m.E. wichtig, neben der "Monroe-Doktrin".

Zum einen die Vorstellung einer "Open-Door-Politik", die sich gegen die traditionellen europäischen Kolonialmächte richtete.

Open Door Policy - Wikipedia

Und sehr wichtig ist das Verständnis der "informellen Imperiums". Es basiert auf der überlegenen ökonomischen Kraft der USA, Märkte durch ihre Unternehmen zu "besetzen" und via einem "freien Markt", diese nationalen Märkte bzw. die Volkswirtschaften zu "kontrollieren". Eine nich unerhebliche Rolle spielen dabei multinationale Organisationen.

Insofern war für die USA eigentlich vor allem die "Stützpunkt"-Kolonie von Bedeutung, da sie in der Regel den geringsten Widerstand erzeugte.

Wiki:
U.S. foreign policy from the late 19th century onward, under Presidents such as Grover Cleveland, Theodore Roosevelt, Woodrow Wilson and New Deal leaders, has been described as "informal empire".[14] 20th century U.S. policy of establishing international influence through friendly regimes, military bases and interventions, and economic pressure, has drawn comparisons with the informal empires of European colonial powers. The fundamental elements involved a clientelistic relationship with the elite, sometimes established forcibly, effective veto power over issues pertaining to the Great Power's interests, and the use of military threats, regime change, or multilateral pressure to accomplish diplomatic aims. The policy is intended to create an international economic order that benefits the Great Power by creating markets for export and investment, improving the profitability of their capitalists. This commitment to open economy is selective and applied only when it benefits their producers. Philippines, Vietnam, Iraq, Iran and Chile are examples of this policy being implemented.[15]

The policy was summed up by Secretary Bryan as having “opened the doors of all the weaker countries to an invasion of American capital and American enterprise.”[16] Under informal empire, the U.S. relationship with countries which supplied them raw materials became highly imbalanced, with much of their wealth being repatriated to the U.S. This also disproportionately benefited the (often authoritarian) pro-American rulers of these countries at the expense of local development.[17] The U.S. chose to switch from formal to informal imperialism after the Second World War not because of lack of desire among Americans for colonialism (there was strong public support for seizing colonies from the vanquished Japan, as well as a continued belief in colonies' incapability to govern themselves) but rather because of a changed international landscape. Since most of the world was already organised into colonies, US policymakers chose to utilise preexisting colonial empire networks instead of establishing new colonies. The US also had to adapt themselves to rising anti-colonial nationalist movements so as to acquire allies against the Soviet Union.[18]

Informal empire - Wikipedia

Deutlich anzumerken ist aber auch, dass die USA nach dem WW2 sich gegen den Kolonialismus von GB , vgl. Suezkrise 1956, und - zunächst - gegen den Krieg Frankreichs in Indochina ausgesprochen haben. Also durchaus eine gewisse ambivalente "Tradition" aufweisen gegen den europäischen Kolonialismus.
 
Ich danke euch für eure Beiträge! Ich möchte den Eindruck vermeiden, nur stänkern! Aber es steht wohl außer Frage, dass der Westen im Kalten Krieg, besser abgeschnitten hätte, wenn man das Problem der Kolonien gleich angegangen wäre. Die Existenz von Kolonien, hat dem Kommunismus unter Stalin, eine Steilvorlage geliefert.

Indochina, ist dafür ein gutes Beispiel! Natürlich, war jemand wie Ho Tschih-Minh schon vorher Kommunist. Aber wenn, man sich mal die Frage stellt, warum sich dieser Mann den Ideen des Kommunismus zugewandt hat, dann braucht man nicht lange zu suchen.

Hätte man schon damals eine Art Marshall-Plan für die Kolonialgebiete ausgearbeitet, wäre es dem Kommunismus nicht so einfach gelungen, Fuß zu fassen. So allerdings, hatte der Kommunismus, ein Jahrzehnt lang einen Vorsprung. Von 1947 bis 1957.
 
Ich danke euch für eure Beiträge! Ich möchte den Eindruck vermeiden, nur stänkern! Aber es steht wohl außer Frage, dass der Westen im Kalten Krieg, besser abgeschnitten hätte, wenn man das Problem der Kolonien gleich angegangen wäre.

Letztendlich hat er die Frage der Kolonien ziemlich direkt nach dem Krieg, teilweise (Indien) noch während des Krieges aufgegriffen.
Es dauerte zwar noch bis in die 1950er und 1960er Jahre hinein, bis die Unabhängikeit diverser Staaten am Ende tatsächlich bestand, aber man darf nicht übersehen, dass das Prozesse waren, die eines gewissen Zeitraums bedurften.

Es war ja durchaus beiden Seiten daran gelegen einen wie auch immer gearteten sauberen Übergang zu gewährleisten, wohingegen es niemandem daran gelegen war, dass die Europäer hals über Kopf aus den Territorien geflüchtet wären, bevor es irgendeinen Plan für danach gab.
Es mussten erstmal Nachfolgeregierungen gebildet werden, denen man das Land dann förmlich überlassen und mit denen man überhaupt Verträge schließen konnte, es mussten entsprechende Verfassungen für den Nachfolgestaat ausgehandelt werden, es musste die Rückführung des militärischen Geräts organisiert werden, es mussten in Teilen europäische Kolonisten/Siedler nach Europa zurückgeführt werden, es mussten in Teilen Territorial- und Eigentumsfragen geklärt werden etc. etc.
Und in diversen Kolonien bedurfte es auch erstmal eines Forums um die verschiedenen Gruppen innerhalb des kolonialen Gebietes überhaupt erstmal an einen Tisch zu bringen, denn die hatten ja durchaus auch nicht immer identische Interessen.

Insofern sollte man sich hier vom jeweiligen Datum der Unabhängigkeit nicht darüber täuschen lassen, dass der Beschluss die entsprechenden Kolonien abzuwickeln mitunter bereits Jahre vorher gefasst wurde, man aber übermäßiges Chaos durch einen Abzug Knall auf Fall vermeiden wollte.

Indien ist dafür eigentlich ein Schönes Beispiel.
Zwischen der Zusage der indischen Selbstverwaltung 1942 und dem letztendlichen Rückzug der Briten vom Subkontinent 1947 vergingen immerhin 5 Jahre.
Der Prozess wäre möglicherweise etwas schneller gegangen, wenn da nicht noch der 2. Weltkrieg gewesen wäre, allerdings handelte es sich bei Indien auch um ein koloniales Gibilde, mit einer traditionell recht weitgehenden Einbindung der lokalen Eliten, was eine relativ zügige Nachfolgeregelung durchaus vereinfachte (ob die glücklich ist, ist eine andere Frage).

De facto dürfte die Dekolonisation in den meisten Ländern, auch den meisten Ländern Afrikas bereits in den 1950er Jahren angelaufen sein und dann wird man was die Zeitspanne angeht auch noch berücksichtigen müssen, dass die europäischen Staaten in der unmittelbaren Nachkriegszeit zunächst mal damit beschäftigt waren die eigenen innereuropäischen Fragen zu klären und die dringenste Not hier zu beseitigen, bevor man sich näher mit den außereuropäischen Angelegenheiten befasste.

So lange hat es eigentlich nicht gebraucht, bis man in Europa zu der Einsicht kam, dass es besser sei die Kolonialreiche endgültig abzuwickeln.


Indochina, ist dafür ein gutes Beispiel!

Eigentlich nicht. Die Franzosen versuchten ja nicht dieses Gebiet wieder dem Status zu unterwerfen, dass es vor dem 2. Weltkrieg als reines französisches Kolonialregime hatte.
Es wurde zwar weiterhin angestrebt einen gewissen Einfluss Frankreichs in diesen Gebieten aufrecht zu erhalten, letztendlich kam es aber bereits 1949 zur Bildung eines mit Frankreich assoziierten, Staates Vietnam, inklusive einer eigenen von Frankreich weitgehend de jure unabhängigen Regierung in Saigon, was von Frankreich anerkannt wurde.
Insofern wollte man in Frankreich zwar nicht alles aufgeben, was man in Indochina einmal hatte, man akzeptiere aber auch, dass man zu den vorherigen Verhältnissen nicht mehr zurückkehren konnte und dass man über ein gewisses Maß an informellem Einfluss hinaus, nichts mehr erreichen konnte.

Die Amerikaner hingegen hatten nach 1954 ja noch einmal völlig andere Gründe, sich in die indochinesischen Angelegenheiten militärisch einzumischen, stichwort "Domino-Theorie".
Die zielten auf "containment" ab, nicht auf die Wiederherstellung kolonialer Verhältnisse.


Hätte man schon damals eine Art Marshall-Plan für die Kolonialgebiete ausgearbeitet, wäre es dem Kommunismus nicht so einfach gelungen, Fuß zu fassen.

Der Kommunismus, wenn man das in diesem Sinne so nennen will hatte schon deswegen lange Fuß gefasst, weil er in den 1920er Jahren auch in der europäischen Metropole mehr oder minder die einzige politische Strömung war, die einigermaßen konsequent auf die Beendigung des Kolonialismus hinarbeitete.
Diverse politische Anführer die in anderen Teilen der Welt von später von sich reden machten, hatten weite Teile ihrer politischen Sozialisation im Umfeld der Europäischen K-Parteien oder der Sowjetischen Kaderschmieden durchlaufen und diese Ideenwelt auch in ihre jeweiligen Herkunftsregionen mitgebracht.

Wie gesagt, darf man in Sachen Dekolonisation nicht übersehen, dass das ein Prozess war, der von seinem Anstoß bis zu seiner Vollendung einiger Zeit bedurfte und dass das Datum der jeweiligen Unabhängigkeit den Blick darauf, wann dieser Prozess begann, mitunter sehr verstellt.

De facto waren in vielen Fällen die antikommunistischen/kapitalistischen Mächte in der Grundlegenden Frage der Abwicklung kolonialen Verhältnisse nicht unbedingt langsamer als Moskau und dessen Schützlinge, standen nur vor anderen Sachzwängen, was die Abwicklung und Umwandlung Verhältnisse angeht.
Einfach weil sie dort weiterhin Interessen hatten und einen sauberen Übergang wünschten, wohingegen das Moskau, dass dort ja nichts zu verlieren hatte, relativ egal sein konnte.
 
Indochina, ist dafür ein gutes Beispiel! Natürlich, war jemand wie Ho Tschih-Minh schon vorher Kommunist. Aber wenn, man sich mal die Frage stellt, warum sich dieser Mann den Ideen des Kommunismus zugewandt hat, dann braucht man nicht lange zu suchen.

Dass im Zuge der Befreiung von den europäischen Kolonialherren, sich "Volksbefreiungsbewegungen" nach dem Ende des WW2 gebildet haben und für ihre Unabhängigkeit und ihre Menschenrechte gekämpft haben, ist das Ergebnis eines komplexen Prozesses.

Der Prozess der Dekolonialisation wurde unter anderem beschleunigt durch die Deklaration universeller Menschenrechte.

"As the new century begins international human rights have become a central focus of international relations, law and politics. Article 1 of the Universal Declaration of Human Rights 1948 declares that 'all human beings are born free and equal in dignity and rights' and that we should all 'act towards one another in a spirit of brotherhood'. But what do these words mean? Who are human rights for? What standards whether individual or collective can be accepted as universally applicable to everyone? What does a 'spirit of brotherhood' imply? In other words, what constitutes the 'humanness' of human rights?"

Wright, Shelly (2003). International Human Rights, Decolonisation and Globalisation . Taylor and Francis.

Die jeweiligen Volksbefreiungsbewegungen orientierten sich dabei an der sozialistischen Imperialismuskritik. Und daran, dass der sozialistische Weg eine Alternative anbot, jenseits kapitalistischer Märkte, die jeweiligen Staaten zu entwickeln. Das die sozialistische Imperialismuskritik eine hohe Attraktivität in den Kolonien hatte, liegt wohl zu einem hohen Prozentsatz an der Fundierung des Imperialismus auf dem kapitalistischen Marktmodell und den sehr ungleichen Besitzverhältnissen in den Kolonien.

Parallel dazu bot die "Befreiungstheologie" ebenfalls eine kritsche Sicht auf den Imperialismus.

Neben diesen ideologischen Aspekten, die das Weltbild von Befreiungskämpfern mit geprägt haben und einen Rahmen für die Mobilisierung von Befreiungsbewegungen geboten haben, war natürlich auch die Rivalität im Rahmen des Kalten Krieges von Bedeutung. Und die Befreiungsbewegungen wurden im Zuge von Stellvertreterkriegen mit Waffen versorgt.

Befreiungsbewegungen standen somit vor dem Problem der massenhaften Mobilisierung der Bevölkerung durch entsprechende Ideen - sprich dem Sozialismus - und der Fähigkeit im praktischen Sinne einen Unabhängigkeitskampf gegen die Kolonialherren zu führen. Und für beide Aspekte war die UdSSR der "automatische" Ansprechpartner.

Und sofern der Fall von Indochina / Vietnam betroffen ist, sollte man schon genauer hinschaun. Gerade in diesem Fall definierten sich die gebildeten Vietnamesen als Franzosen, mit einer Ausbildung in Frankreich. Erst durch die soziale und kulturelle Ausgrenzung, als Rassismus, durch Frankreich wurden die Vietnamesen von ihren "französischen" kulturellen Wurzeln entfremdet. Und es entwickelte sich zunehmend eine eigenständige vietnamesische kulturelle und politische Identität, die ideolgisch durch Bezüge zum Sozialismus aufgeladen wurde.

Gleichzeitig ist anzumerken, dass die Rolle des Marxismus als wissenschaftlich untermauerte Ideologie von Befreiungsbewegungen nicht überbetont werden sollte. So hat man sich beispielsweise in Kreisen der Comintern eher geringschätzig über das Verständnis eines Mao von Marx geäußert.

Die kraßesten Formen einer Adaption von "sozialistischen Ideen" fand wohl im Rahmen des "Pol-Pot-Regimes", teilweise auch in Albanien oder auch in Nord-Korea statt. Und illustriert, dass vieles, was unter "sozialistisch" firmiert, im Sinne von Marx/Engels, kaum ihren Vorstellungen entsprach.
 
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