Welcher Stamm lebte in Darmstadt

Zulian

Neues Mitglied
Hallo, ich hoffe das ich hier einen Antwort bekommen kann. Nach Anfragen an das Hessische Landesmuseum und das Römisch Germanische Museum in Mainz , die trotz Nachfrage unbeantwortet blieben. Also nun zu meiner Frage : Ich bin gebürtiger Darmstädter meine Familie lebt seit Generationen hier, weiß jemand welcher Stamm in Darmstadt /Umgebung gelebt hat ? Ich danke schon mal im voraus.
 
Man wird deine Familie via standesamtlicher und kirchlicher Dokumentation kaum weiter als bis ins 15. Jhdt. zurückverfolgen können (es sei den, du wärst adelig, dann könnte man deinen Stammbaum vielleicht auch noch ein paar Jahrhunderte weiter zurückverfolgen), bis in die Antike oder gar die Keltike (vorrömische Eisenzeit) reichen die historischen Aufzeichnungen nicht. In der Region lebten die Chatten und die Ubier, beide Stämme werden i.d.R. als germanisch bezeichnet, bei den Ubiern gibt es aber auch immer wieder Stimmen, welche diese als Kelten bezeichnen. Wer vor den Chatten und Ubiern in der Region lebte wissen wir nur ungenau. Achäologisch fassen wir diese Menschen als Kelten, aber welche Identität diese Leute in ihrem Selbstverständnis hatten, wissen wir meines Wissens nicht. Stammesnamen sind mit etwas Glück in Ortsnamen überliefert, ansonsten eigentlich erst ab der Römerzeit: wobei hier zu sagen ist, dass auch viele Ortsnamen, die Stammesnamen überliefern, erst in römischer Zeit so differenziert wurden.
Etwa das belgische Tongeren: Eigentlich war der Ortsname Aduatuca. Um ihn von anderen Orten gleichen Namens (Aduatuca) zu differnezieren, hat man ihn nach dem Stamm benannt: Aduatuca Tungrorum, erhalten blieb Tongeren. Ähnlich Paris. Dort hat sich nicht der eigentliche Stadtname Lutetia erhalten sondern der Stammesnamer der Parisii. In Frankreich kann man das an vielen Orten durchexerzieren, der einzige Ort, von dem ich das in Dtld. wüsste, ist Trier ([Colonia?] Augusta Treverorum; vgl. Augusta Raurica :rechts: Augst oder Augusta Vindelicorum :rechts: Augsburg).

Fazit: Wir haben in der vorrömischen Eisenzeit in Hessen definitiv La-Tène-Kultur (also archäologische Kelten) aber wir können kaum einen "Stamm" detektieren.
 
Nun ja exclusiv nachgewiesen sind die Heinaer , ein Stamm,dessen Hauptkultfest bis heute auf lokaler Ebene überdauert hat;) -Aber im Ernst, der Odenwald ,an dessen Rand Darmstadt liegt scheint nach der Fundlage zur Keltenzeit weitgehend menschenleer gewesen zu sein -selbst an den markanten Bergen der Bergstrasse sind mit Ausnahme des Heiligenbergs bei Heidelberg keine Oppidae oder Kultplätze zu finden - und solche in den angrenzenden Gebieten der Umgebung (Rheinhessen,Weinstrasse, Taunus,Vogelsberg,Main-Spessart ) in nicht geringer Anzahl zu finden sind
Lediglich im Ried gibt es größere Mengen von Hügelgräbern
Wenn also Kelten auf Darmstädter Gebiet gelebt haben,dürfte es sich meiner Meinung nach um Angehörige linksrheinischer Stämme wie der Aresaken,Treverern oder der keltisch geprägten Stämme wie der Mattiaker oder Vangionen gehandelt haben, die über den Rhein vorgestossen waren
-
 
Zuletzt bearbeitet:
index.php
Meine Vorschreibenden haben schon einiges beigetragen, ich möchte dies ergänzen.
Aus schriftlichen Quellen haben "wir" tatsächlich nur wenige ungenaue Hinweise auf die Stammesnamen der politischen Gemeinschaften südlich des Mains. In Tacitus Germania (28,2) findet sich folgender Hinweis:
"So ließen sich zwischen dem hercynischen Wald, den Flüssen Rhein und Main die Helvetier, weiterhin die Boier nieder; beides gallische Völkerschaften; noch lebt der Name Boiaemum fort, obwohl seine Bewohner gewechselt haben."
Bei Klaudius Ptolemaios (Geographike Hyphegesis, 2.Buch,Kap.2,11(6):)
(6) Die Gebiete Germaniens am Rhein bewohnen - wenn man von Norden beginnt - die kleinen Brukterer und die Sugambrer, unterhalb von diesen die Sueben, Langobarden, dann die Tenkterer und Inkrionen zwischen dem Rhein und den Abnoba-Bergen, und ferner die Intuerger, Vargionen und Karitamer, unterhalb von ihnen die Usipeter und die Helvetier-Einöde bis zu den genannten Alpeia-Bergen (d.h. den mit den Alpen gleichnamigen Bergen).

Beide kaiserzeitlichen Autoren des 1./2.Jahrhunderts müssen sich auf ältere Quellen stützen, die eine vormalige Besiedlung rechtsrheinisch in Germanien durch keltische Völkerschaften kannten. Dies ist insofern interessant, da Julius Cäsar dies im Gallischen Krieg (Kap 1,2-5) nicht erwähnt, er und auch Strabon siedeln die Helvetier jenseits des Rheins an (verschiedene Textstellen in der Geographia) im Schweizer Mittelland an.
Grenze zu den Sequanern bildet das Juragebirge, der Rhein wird als Grenze zu Germanien bezeichnet, Strabon nennt den Bodensee, an den das Siedlungsgebiet der Helvetier stößt. Auch wenn Julius Cäsar nicht in allem zu glauben ist, müsste eine Auswanderung "der Helvetier" aus dem südwestdeutschen Raum lange vor dem gallischen Krieg stattgefunden haben, und mit Ereignissen verbunden sein, die wir nicht kennen.
Jedenfalls finden sich tatsächlich in vielen Siedlungen Süddeutschlands etwa ab 85/80 v.Chr. gravierende Veränderungen, archäologisch wird unterstützt, auch wenn die "Helvetiereinöde" wissenschaftlich umstritten ist (war es nur ein ökonomischer Zusammenbruch der Oppidakultur, und blieb eine an Subsistenzwirtschaft orientierte Landbevölkerung übrig?), dass es Ereignisse gegeben hat, die uns nicht bekannt sind, die zu diesen Umbrüchen und eventuell auch Bevölkerungsverschiebungen geführt haben (Kimbern und Teutonenzug, Ariovist, Seuchen, ökonomische Ursachen als Stichworte).
Beispielhaft steht die Datierung der letzten Weinamphoren, die Manching erreicht haben (80-70 BC), oder das Ende des Heidetränkoppidum (Taunus) oder von Tarodunum (Kirchzarten) um die gleiche Zeit. In vielen Gebieten rechtsrheinisch fällt die Fundarmut in Latene D2 auf (ab 85 v.Chr. bis ca 20 v.Chr.).
Beispielhaft ein Text zur südlichen Grenzregion am Oberrhein, an der die Netzwerkbildung entlang der Verkehrsachse Rhein auf beiden Seiten des Flusses besonders eng ist. http://www.zora.uzh.ch/id/eprint/70736/1/Deschler-Erb_Oberrhein.pdf

Was kann man zur Besiedlung aus den archäologischen Funden sagen? Ein Bevölkerungsschwerpunkt in Latene C/D1 bestand am Neckar, der Neckar bildete die Anbindung an den Mittelrhein von der Donau her,
er bildete eine wichtige Verkehrsachse, an dem Warenumschlagsplätze lagen (bei Speyer z.B. Limburgerhof). Auch der übrige Raum südlich des Mains war durch die frühlatenzeitliche Kultur geprägt, ein zentraler Ort war wahrscheinlich auf dem Heiligenberg bei Heidelberg.
Am Neckar findet sich mit Lopodunum eine römische rechtsrheinische Gründung, deren Siedlungsname auf einen keltischen Vorläufernamen zuürckzugehen scheint (Lokodunum - Seeburg).
EQ hat römische Nachfolgenamen als potentielle Überlieferungen älterer Namen von Gentes erwähnt; ob dies für die erst 125 nach Chr. gegründete Civitas Auderiensium zutreffen könnte, ist meiner Ansicht nach eher unwahrscheinlich (Civitas Auderiensium – Wikipedia ). Diese Civitas umfasste auch das Gebiet von Darmstadt. Der Name des Hauptortes der Civitas im heutigen Dieburg begann nach archäologischen Funden wahrscheinlich mit MED, dies könnte auf einen keltischen Ursprung hindeuten (Mediolanum als verbreiteter Ortsname in der Keltike). Jedoch ist die Lücke zwischen möglicher Siedlungsveränderung im Spätlatene und Gründung in der römischen Kaiserzeit doch beträchtlich, der ager decumates (wobei unklar ist, wie weit nördlich dieser reichte) und die Ansiedlung der Neckarsueben südlich von Darmstadt sprechen für verschiedene Phasen des Bevölkerungswechsels (germanische und gallische Zuzüge) vor dem Bau des Odenwaldlimes.
Es gibt Dissertationen zum Thema, bei der Hessenarchäologie findet man Kirsten Gebhard, Die vorgeschichtliche Besiedlung des Kreises Groß-Gerau. (2007).
251 S., 106 Abb., 234 Taf., 8 Kartenbeilagen.ISBN 978-3-89822-425-3 , 20 €,
und hier zum Landkreis Offenbach von Susanne Heun http://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2004/0519/pdf/dhs.pdf, die beide die vielfältigen Hallstattzeitlichen und Latenezeitlichen
Funde dieser südhessischen Region bearbeiten. Nur: einen Stammesnamen wird man dort nicht erfahren (jedenfalls ist er mir bei Susanne Heun nicht aufgefallen).
Unten eine Skulptur in Südhessen (Bulau) an einem Hügelgrab, die eine keltische Beerdigungsprozession darstellen soll, vorne ein Druide mit Schwert - Kulturhistorische Erlebnisstätte Bulau - Rhein-Main-Wiki - Das Online-Lexikon für Rhein-Main
Kelten-003.jpg
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich möchte noch auf El Quijote und zaphodB. antworten (Beitrag 2 und 5).

@EQ: Natürlich schwierig, sichere Auskünfte über Siedlungsgebiete oder politische Einflussräume in der Keltike zu geben. Die Ubier, von denen sichere Auskünfte ab Latene D2 in den schriftlichen Quellen vorhanden sind, und die anhand von Kulturgruppen, Münzreihen, Siedlungsgeschichte sich rückverfolgen lassen, werden bisher und aktuell im mittelhessischen Bergland verortet. Jedoch nicht in Südhessen, wenn man ausnimmt, dass ein Schwerpunkt der Ubier um das zentralörtliche Heidetränkoppidum im Rhein-Maingebiet gewesen sein könnte, so könnte man jedenfalls die Ablösung der Münzreihen mit den Dünsberg-Prägungen deuten (siehe Thread Ubier-Kelten oder Germanen). Südlich des Mains würde ich derzeit keine sichere Aussage treffen können, spekulativ bleibt, wie die Verhältnisse vor dem 1.Jahrhundert v.Chr gewesen sind.
Zu den Chatten, es gibt in Südhessen germanische Neusiedler, die nach neuerer Forschung weitgehend als Militärsiedler in Koexistenz mit den römischen Truppen lebten -> https://www.uni-frankfurt.de/47415884/die-roemer-im-hessischen-ried_fofra_1-12.pdf (im Text Seite 29). Dies passt nicht zu den Chatten, die als eigenständig agierende Gemeinschaft gegenüber den Römern beschrieben sind (wechselnd als Gegner, neutral oder Unterworfene).
Ähnlich wiezaphodB. schreibt, kann man sicher kulturelle Bezüge zum linksrheinischen und nordmainischen Raum feststellen, die auch in frühere Zieitphasen zurückreichen. Faszinierendes Beispiel aus dem Frühlatene (um 450 v.Chr.) ist der Fund des "Heidelberger Kopfes", Teil einer Sandsteinskulptur, die frappierende Ähnlichkeit zu den Statuen vom Glauberg aber auch zur linksrheinischen Pfalzfelder Stele hat, so dass es Vermutngen gibt, dass es sich um die gleiche Werkstatt gehandelt hat, die die Kunstwerke herstellte.
Ich hatte im Thread zur keltischen Religion bei der religösen Deutung des "Dachses" als Symboltier beschrieben, dass im Grab des "Keltenfürsten" von Hochdorf in der Unterlage Dachshaare aus Dachsfellen sehr weit auseinanderliegender Regionen versponnen wurden. Ähnlich im Grab des "Keltenfürsten" vom Glauberg - in zwei Bronzekannen wurde eine organische Masse gefunden, die sich als ursprünglicherMet heraustellte, nach Pollenanalyse (das Rätsel der Kelten vom Glauberg, Theissverlag,2002, S.119) wurde festgestellt, dass für diesen Met Honig aus 10 verschiedenen Regionen verarbeitet wurde, vom Odenwald bis zur Rhön, vom Rheingau bis zur Marktheidenfelder Platte. Interpretieren möchte ich dies nicht, es wäre meiner Ansicht nach vorschnell, dies als politischen Einflussraum zu deuten, ebenso könnte es religiöse Gründe haben, falls sich am Glauberg ein zentrales Heiligtum befunden hätte. Oder die benötigte Honigmenge für die Festlichkeiten war so groß, dass Honig aus bis zu 100 km entfernten Regionen für den Metansatz benötigt wurde.
Natürlich hat es außer kulturellen auch ökonomische Kontakte über die Flüsse hinweg gegeben, beispielhaft hatte ich das Fundgebiet Limburgerhof erwähnt, einem Warenumschlagplatz, der linksrheinisch gegenüber der Neckarmündung in den Rhein angelegt war, und in dem außergewöhnlich viele Münzen aus verschiedenen Regionen der Keltike gefunden wurden, unter anderem Münzen aus dem nordmainischen Gebiet, Münzen aus dem nordöstlichen Gallien, aus Bayern, aber auch aus dem Süden vom Oberrhein und Sequanergebiet.
Michael NICK, Siedlung oder Depot? Die keltischen Münzen vom Limburgerhof, Landkreis Ludwigshafen, und ihre Rolle bei der Deutung des Fundortes als spätlatènezeitlicher Handelsplatz. In: Archäologie als Sozialgeschichte. Festschr. Heiko Steuer zum .

Jedoch kann ich mich nicht entschließen das südhessische Gebiet quasi nur zur Enklave entweder von Vorstößen vom Norden über den Main (Mattiaker, Ubier) oder aus dem Linksrheinischen über den Rhein (Treverer,Vangionen) zu machen, ich würde mich da nicht festlegen, meiner Ansicht nach sind dies sehr spekulative Vermutungen. Was tatsächlich fehlt sind zentralörtliche Siedlungsfunde in diesem Raum, der nächste Ort, der so ansprechbar ist, ist der Heiligenberg (Heidelberg).

Unten der sogenannte "Heidelberger Kopf", 1893 in Bergheim (Innenstadt Heidelberg) gefundene Sandsteinarbeit aus dem Frülatene
keltberghm2.jpg
 
Zuletzt bearbeitet:
Kurzer Nachtrag zur süddeutschen Chronologie in der Eisenzeit:
ich verlinke hier einen Text von Sabine Rieckhoff, die zuerst eher eine wissenschaftstheoretische und wissenschaftsgeschichtliche Darstellung der Entwicklung der Zeitkonzepte in der Wissenschaft ist, aber dann ab Seite vier zum Fallbeispiel der süddeutschen Chronologie in der Eisenzeit kommt.
Grob zusammengefasst war die ältere Forschung der Auffassung, dass es eine keltische Besiedlung bis zum Alpenfeldzug 15 v.Chr. gegeben habe, und zum Beispiel Manching von den Römern erobert worden wäre, und ordnete die archäologischen Funde und "Leitfossilien" zum Beispiel die Nauheimer Fibel und geschweifte Fibel entsprechend ihrer ereignisgeschichtlichen Vorannahmen zu (Lat D1 Nauheimer bis 15 v.Chr., Lat D2 ab 15 v.Chr. die geschweifte Fibel).
Der Text fasst meiner Ansicht nach gut die Aspekte der wissenschaftlichen Positionen der letzten fünfzig Jahre zusammen, und wie sich dies auch heute noch in zwei verschiedenen Chronologien in der Forschung für Süddeutschlandf niederschlägt. Die meiner Ansicht nach richtigere Chronologie (die sich mit dem Fortschritt der Erkenntnisse verändern wird) beginnt Latene D2a je nach Region mit 90/85/80 v.Chr., D2b mit 55-45 v.Chr., und lassen sie mit dem Ende eigenständiger keltischer Kultur (der römischen Okkuation) enden (siehe Seite 8 für Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Schweiz).
https://www.gko.uni-leipzig.de/file...fruehgeschichte/Online_Beitraege/OnlBei30.pdf
 
Zuletzt bearbeitet:
So, ich möchte noch mal kurz einwerfen, dass die Region um Darmstadt in römischer Zeit zur "civitas Auderiensium" um den Hauptort in Dieburg gehörte. Ich möchte dies eher verneinen, aber es wäre noch ein Option, dass es einen sonst bisher ungenannten Stamm der "Auderienser" in der Region gab. Viele der "civitates" (römische Verwaltungsbezirke) im gallisch-germanischen Raum sind nämlich nach lokalen Stämmen benannt. Allerdings trifft dies nicht immer zu. Die nördlich des Mains gelegene Civitas Taunensium ist z.B. wahrscheinlich nach einem Berg bzw. Gebirge benannt.
 
was mich wundert ist nach wie vor, dass es m.W. auf den Höhen der Bergstrasse und im anschließenden vorderen Odenwald zwischen Main- und Neckartal keine nennenswerte keltische Besiedlung gegeben zu haben scheint, obwohl sich das doch angeboten hätte.
Fast in jeder lokalgeschichtlichen Darstellung der Region ist zwar der Satz zu finden "Es ist davon auszugehen, dass der Ort bereits 500 vor Christus von Kelten besiedelt war." aber Beweise oder Fundlagen werden nicht präsentiert,
 
@Ashigaru, schön von dir zu hören. Zur Civitas Auderiensium, hatte ich ebenfalls als Option (Namensüberlieferung) in meinem Beitrag vom 15.8.2017 erwähnt, halte es genau wie du jedoch für unwahrscheinlich, dass es sich um einen keltischen Stammesnamen handelt. Im Wikipedia-Eintrag wird erwähnt, dass (ähnlich wie für die Civitas Taunensium) eine Namensähnlichkeit des Begriffes mit einem Höhenzug bestehen könnte, dem Odenwald, und diskutiert würde. Dem bin ich nicht weiter nachgegangen. Wie schon im Beitrag vom 15.8. geschrieben, denke ich dass der zeitliche und chronologische Zeitraum zwischen dem "Ende" keltischer Besiedlung Latène D2 um 80 v.Chr. und der Gründung der Civitas Auderiensium 125 n.Chr. doch beträchtlich ist, und alle germanischen Funde dafür sprechen, dass es zwar nicht flächendeckend, aber regional unterschiedlich stark, einen Bevölkerungswechsel gegeben hat. Leider habe ich eine entsprechende Kartierung germanischer Siedlungsschwerpunkte zum Beispiel um Starkenburg im Netz nicht gefunden.
Südlich an die Civitas Auderienssium schließt die Civitas Ulpia Sueborum Nicrensium an, nach den dort ca. 40 n.Chr. siedelnden germanischen Neckarsueben (römisch Suebi Nicrenses) genannt.
Daher wäre eine Möglichkeit denkbar, dass auch die Auderienser eine germanische Gruppe waren, die nach der Zeitenwende sich im Vorfeld römischer Militärstandorte wie Mogantiacum (Mainz) und Noviomagus (Speyer) angesiedelt haben.
@zaphodB. , auch schön von dir zu hören: von einer Siedlungsleere würde ich nicht sprechen, recht hast du, dass im gesamten Ried, südlichen Maingebiet, in der Flugsandzone, an der Bergstraße, kurz in Südhessen keine größere Siedlung, die man als Oppidum ansprechen könnte, oder als größere Flachlandsiedlung, bisher gefunden wurde.Susanne Heun erwähnt in Ihrer Dissertation die Möglichkeit, dass unter Offenbach eine Möglichkeit bestände, dies ist jedoch hypothetisch. Ansonsten gibt es insbesondere am sogenannten Bergstraßen-Neckar, dem alten Flußverlauf, Siedlungen wie Perlen an einer Kette, David Knoll schreibt dazu in seinem Beitrag "Das jüngerlatenezeitliche Siedlungsgefüge im Rhein-Maingebiet:
"Wirft man einen Blick auf die räumlichen Siedlungsmuster im Rhein-Maingebiet, so stellt man eine intensive Besiedlung der zentralen Wetterau und Rheinhessens fest, was ganz wesentlich auf die idealen Voraussetzungen für Landwirtschaft in diesen Gebieten mit dichtem Gewässernetz, günstigem Klima und fruchtbaren Lössböden zurückzuführen ist. ...Die relativ dichte Besiedlung an der Mainmündung wird zweifelos auch auf verkehrsgeographische Aspekte zurückzuführen sein. Schiffbare Gewässer allen voran der Main und Rhein, stellen in der jüngeren Latènezeit Hauptverkehrsachsen dar, wie es die Aneinanderreihung von Siedlungen entlang des Mains unschwer erkennen lässt. Dies gilt ebenso für den Altlauf des Bergstraßen-Neckars, welcher in der Eisenzeit noch Wasser führte und aufgrund der Siedlungskonzentration entlang seines Laufes als bedeutender Verkehrsweg anzusehen ist. Man darf daher die Überlegung anstellen, ob das Rhein-Main-Gebiet während der Eisenzeit vielleicht sogar ein Rhein-Main-Altneckar-Gebiet war." (Knoll, in Keltenland am Fluss, 2011, VML-Verlag).
Der Altneckar mündete bei Trebur nördlich von Darmstadt in den Rhein, der Neckar wendete sich jedoch schon etwa 9.000 v. Chr. nach Westen, durchbrach den Dünenwall zwischen Feudenheim und Seckenheim und ergoß sich in das mehrere Meter niedrigere Bett des Rheins. Der Altlauf bestand jedoch als nördlicher Neckar noch in der Eisenzeit weiter. Die Karte mit den Siedlungstellen habe ich leider im Netz nicht gefunden, David Knoll bezieht sich aber auch auf die von mir genannten Dissertationen zu Groß-Gerau und Kreis Offenbach (siehe oben Beitrag 6).

Lesetipp, auf den ich auch noch einmal zurückkommen werde, ist oben erwähntes Buch Keltenland am Fluß, ein Begleitband zu einer regionalen Ausstellung in Aschaffenburg, sehr lohnenswert, da es bebildert viele Funde aus dem Rhein-Main-Gebiet im Anhang hat, zum Beispiel viele Flußfunde, sehr interessante kurze Artikel zum Beispiel zur keltischen Flussschiffahrt und diesbezüglichen Forschungsstand (R.Bockius vom RGZM) und viele andere, und der Band kostet nur 19,80.
Zu den Neckarsueben eine Dissertation als PDF im Internet: Oliver Schlegel. Germanen im Quadrat - Die Neckarsweben in Mannheim und Umgebung. Dissertation Marburg 1998
 
Zuletzt bearbeitet:
Interessant finde ich in dem Zusammenhang die einzige mir bekannte Ringwallanlage im vorderen Odenwald, die Heuneburg auf dem Gipfelplateau der Altscheuer bei Fischbachtal-Lichtenberg
In der neueren Forschung geht man von einer Entstehung der Anlage in der Zeit der alemannischen Okkupation, also 3. / 4. Jahrhundert n, Chr, als Sitz eines regionalen Kleinkönigs aus.
Bemerkenswert ist jedoch,dass der Ringwall wohl in typisch keltischer Bauweise als Pfostenschlitzmauer (ähnlich wie bei Donnersbergoppidum) angelegt war,was m.eE. gegen eine alemannische Gründung spricht.
So eine Rückkehr zu keltischer Befestigungsformen deutet meiner Meinung nach eigentlich eher auf eine Etablierung einer autonomen keltisch geprägten regionalen Führungsschicht in dieser Gegend nach der Aufgabe des sogenannten Dekumatlandes durch Rom hin .
 
Zurück
Oben