Weltbild um 1510

Artefakt

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Hallo Forum,

ich erhoffe mir ein paar Hinweise von euch, für eine Geschichte.
Die Handlung ist um 1510 angesiedelt. Wie haben die Menschen um 1510 die Welt gesehen? Der Ort soll Bad Pyrmont/Hameln sein.

Wohlhabende Eltern stellen für ihre Kinder einen Hauslehrer ein. Wie hätte er seinen Schülern die Welt erklärt? Was waren die Irrtümer? (Die interessieren mich besonders).
Es geht mir um geographishe und naturwissenschaftliche Fragen, nicht um Theologie.

Das ist eine sehr vage Fragestellung. Ich müsste auch angeben, woher der Hauslehrer sein Wissen bezieht. Nach meiner Vorstellung soll er nicht auf der Höhe der Zeit sein. Also kein Schüler von Kopernikus oder Leonardo da Vinci.
Ich würde gerne wissen, welche Irrtümer zu der Zeit für wahr gehalten worden sind. (Schwierig-da müsste die Theologie reinfärben...)

Ich lasse die Fragestellung so stehen und freue mich auf eure Beiträge - Auch über Artikel-Hinweise würde ich mich freuen.

Schöne Grüße von Arti

PS: Hab gerade eine interessante Zusammenstellung gefunden:

http://wwwdh.cs.fau.de/IMMD8/Services/textfarm/referate/Kosmographie_um_1500_endversion_OO.pdf
 
Zuletzt bearbeitet:
Soll es sich dabei um eine adelige Familie handeln? Oder um eine bürgerliche? Um die Lehre eines Jungen oder eines Mädchens? Und in welchem Alter sollen sie sein?
Und wie ist der Hauslehrer? Aufgeschlossen oder verbohrt?
Wenn es um den Adel geht, kann ich dir folgendes empfehlen: Walter Demel, Sylvia Schraut: Der deutsche Adel. Lebensform und Geschichte. (C.H. Beck Wissen) Die behandeln auch Erziehung und Ansichten. Hinten drin findest du auch eine Liste mit weiterer Literatur. Das Buch kostet nur 9€ und ist ein guter Einstieg.
Ich hoffe ich konnte ein wenig helfen.
RR
 
Hallo Rowena,

Danke für den Buch-Tipp!

Ich habe die Fage viel zu unscharf gestellt....

Es handelt sich um die Familie des Stadtvogts. Wohnort: Eine Stadt im Weserbergland.
Das Kind ist ein Mädchen. Seine Mutter legt Wert darauf, dass ihre Tochter eine Ausbildung erhält. Die Fächer, in denen das Mädchen unterrichtet wird, sind Musik und Geografie (lesen, schreiben, rechnen lernt das Mädchen auch)

Die Geschichte hat einen Märchencharakter, der mir Freiheiten erlaubt. Ich möchte aber keine zu großen Schnitzer machen.

Worüber ich gerne mehr wüsste, auch unabhängig von der Schreiberei:
Wie schnell wurde das Wissen zu der Zeit verbreitet? Was wusste um 1510 ein Hauslehrer von den Reisen Amerigo Vespuccis? Von den Entdeckungen Leonardos?

Wenn ich an meine eigenen Lehrer zurückdenke... da waren die meisten nicht auf der Höhe, weil ihnen selber genügte, was sie mal gelernt haben.
Die Lehrer in meiner Geschichte sind nicht solche bequemen Geister. Sie sitzen aber auch nicht an der Quelle (also sind keine Freunde von Leonardo).
Wenn ich Leonardo als Beispiel nehme, wie lange hat es gedauert, bis seine Entdeckungen gemeines Wissen wurden?
.....das hängt wahrscheinlich von den Disziplinen ab....Welche Texte wurden gedruckt?

Ich freue mich auf eure Bemerkungen dazu
Grüße von Arti
 
Artefakt,

Was das Rechnen angeht, so findet sich recht genau zu dieser Zeit Adam Ries,
der nicht nur als erster in deutschen Landen ein Mathebuch in deutscher Sprache verfasst, sondern auch die arabische Rechenkunst, die auf einem Zahlensystem fußt, die dem geltenden römischen weit überlegen ist.
1510 aber war er gerade 18 Jahre alt und hatte für Deine Spieler auf der Bühne keine Bedeutung.
Die Mädchen werden zunächst Latein lernen müsse, welches in dieser Zeit die Sprache ist, die den Schlüssel zu jeder Bildung darstellt. Und das ist garnicht märchenhaft, sondern eine grausige Plackerei.

Was den Leonardo angeht, der zwei Jahre nach Deinem Weltbild-Zeitpunkt verstirbt, so müsste der "Hauslehrer" schon sehr auf der Höhe seiner Zeit gewesen sein, um ihn einzubinden.

Das Weltbild dieser Zeit ist vom Mythos bestimmt. Die Theologie ist Zentrum der Gelehrsamkeit.
Kopernikus, falls der Lehrer dieser Mädchen je etwas von ihm hörte, ist ein krasser Außenseiter.

Entweder verzichtest Du auf diese Spieler auf der Bühne, oder verlegst den Zeitpunkt auf später..

Den fantasievollen Ansatz brauchst Du aber nicht aufgeben.
Denn es braucht schon viel Fantasie, um sich den Vorstellungen vergangener Zeiten anzunähern.
 
Hallo hatl,


Danke! Du hast mich auf eine richtige Spur gebracht. Die Mythologie...wie konnte ich nur daran nicht denken....

Ja, jetzt kann ich mir den Stundenplan des Mädchens viel besser vorstellen.

schöne Grüße
Arti
 
Wenn du keine zu groben Schnitzer machen möchtest, dann lernt sie allerdings weder lesen noch schreiben und erst recht kein Latein, sorry. Wäre dein Protagonist ein Junge, sähe die Welt anders aus.
 
Gebildete Frauen gab es auch bereits in der Renaissance, auch bei Bürgerlichen, so unwahrscheinlich ist das nicht. Zumindest aus dem 17. Jahrhundert sind einige Dichterinnen bekannt die auf Deutsch schrieben.

Wobei solche Fächer wie Geographie oder Naturwissenschaften wohl eher nicht zur Bildung eines Mädchens gehörten.

Glaubwürdiger wäre es vielleicht, wenn das Mädchen einen Bruder hätte und der Lehrer für diesen eingestellt würde, und sie dann mitunterrichtet wird.
 
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Gebildete Frauen gab es auch bereits in der Renaissance, auch bei Bürgerlichen, so unwahrscheinlich ist das nicht.
Gebildet sein und schulische Bildung besitzen gehen nicht immer Hand in Hand. Das was ein Zeitgenosse um 1510 als "gebildete Frau" beschrieben hat, ist nicht synonym zu dem, was wir heute als "gebildete Frau" verstehen würden. Und konkret zur Lesefähigkeit: um 1510 war der europäische Alphabetisierungsprozess hin zu einer Massenalphabetisierung gerade erst am Beginnen. Eine lesende oder schreibende Frau definitiv die absolute Ausnahme von der Regel.

Zumindest aus dem 17. Jahrhundert sind einige Dichterinnen bekannt die auf Deutsch schrieben.
Die Existenz weiblicher Barockdichterinnen bestreitet auch niemand.

Glaubwürdiger wäre es vielleicht, wenn das Mädchen einen Bruder hätte und der Lehrer für diesen eingestellt würde, und sie dann mitunterrichtet wird.
Das klingt nach "Die Päpstin". :D
 
Die Welt um 1500 war vor allem eine Zeit der gesellschaftlichen und religiösen Umwälzungen. Prediger tauchten auf, welche die Gleichheit aller Menschen vor Gott predigten, so wie Hans Böhm, dem Pfeiferhannes. Im Herzogtum Württemberg gab es das Bündnis des Gemeinen Mannes, dem Armen Konrad. Joß Fritz gründete den Bundschuh. Allgemein beklagte man in Deutschland den moralischen Verfall.
Deshalb denke ich, Kopernikus, da Vinci oder Columbus bewegten die einfachen Leute in Deutschland weniger, als die Veränderungen in ihrer unmittelbaren Umwelt, wie Geldentwertung, Erhöhung der Abgaben oder aber auch das Auftauchen der Hexenverfolgung, wenn zu dieser Zeit auch noch eher sporadisch.
Zum Beispiel löste eine vorherberechnete Konjunktion im Tierkreiszeichen der Fische des Jahres 1524 eine Weltuntergangsstimmung aus, von der auch Martin Luther nicht unberührt blieb. In Anbetracht dieser soll er gesagt haben: „Und wenn die Welt morgen unterginge, würde ich heute ein Apfelbäumchen pflanzen.“
Um 1500 veränderte sich vor allem in den wirtschaftlich aufstrebenden Städten die schulische Ausbildung. Die ehrgeizigen Bürger beanspruchten für sich und ihre Kinder das vor allem praktisch verwertbare Wissen. Gerade die mobilen Kaufleute mussten schriftlich kommunizieren, auch mit ihren Frauen. Es bildeten sich bürgerliche Mädchenschulen heraus. Oft unterrichtete ein Ehepaar, der Mann die Jungs und die Frau die Mädchen. Die Entwicklung der Schulen war regional stark unterschiedlich. Es kam auf den Bedarf an. In großen Handelsstädten konnten sicher die meisten Frauen lesen, in ländlichen Ackerstädten wohl nicht einmal jeder zweite Mann.
Das auch aus Vergnügen gelesen wurde, zeigt das Aufkommen von trivialer Literatur. Es erschienen Bücher in Volkssprache. Till Eulenspiegel usw. Sicher lasen die nicht nur Männer. Sammlungen von Schwänken waren sehr beliebt.
 
Niemand hat behauptet, dass es die Regel wäre, sondern dass es möglich und plausibel war. Beispiele gibt es genug:

Cassandra Fedele ? Wikipedia

"Cassandra Fedele (* 1465 in Venedig; † 24./25. März 1558 ebenda) war eine italienische Humanistin.

Ihr Vater förderte ihr frühes Interesse für klassische Sprachen. Später folgt ein Studium in Dialektik und Philosophie bei einem Hauslehrer. Ein Universitätsstudium bleibt ihr allerdings verwehrt. 1487 wurde Cassandra von der Universität Padua gebeten, bei einer Promotionsfeier eine Rede zum Lob der Wissenschaften zu halten. Ihre "Oratio" wurde bald im Druck verbreitet und ihre weibliche Gelehrsamkeit drang sogar bald bis nach Deutschland (Ausgabe Nürnberg 1489)."

Anna Wecker ? Wikipedia

"Anna Wecker, geb. Keller, verw. Aeschenberger (* 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts; † 1596 in Altdorf bei Nürnberg), war eine Dichterin des 16. Jahrhunderts.

Wecker war in erster Ehe mit Israel Aeschenberger, Stadtschreiber von Altdorf bei Nürnberg, verheiratet.[1] Ihre gemeinsame Tochter Katharina heiratete 1572 den Gelehrten Nicolaus Taurellus. ... Anna Wecker gab zwei Jahre nach seinem Tod sein Werk Antidotarium Speciale, ex. opt. authorum … scriptis fideliter congestum et amplius triente actum in Basel heraus. Bereits 1586 war sie mit einem Hochzeitsspruch auf Jacob Pömer und Barbara Löffelholtz dichterisch in Erscheinung getreten, auf dessen Titel sie sich als „Anna Kellerin, Doctor Hannß Jacob Wecker seligen hinderlassene Wittfraw“ bezeichnet."

Sabina Welser ? Wikipedia

"Sabina Welser (16. Jahrhundert) war die Autorin eines deutschsprachigen Kochbuchs."

http://de.wikipedia.org/wiki/Anna_Bijns

"Anna Bijns (* 1493 in Antwerpen; † 1575 ebendort) war eine niederländische Schriftstellerin.

Anna Bijns war die älteste Tochter eines Schneiders. Nach dem Tod ihres Vaters und der Hochzeit ihrer Schwester eröffnete sie gemeinsam mit ihrem Bruder Martin eine Schule in Antwerpen. 1536, nach der Heirat ihres Bruders, unterrichtete sie bis zu ihrem 80. Lebensjahr weiter in ihrer Schule. Anna Bijns war eine der wenigen Frauen, die einer Lehrervereinigung angehörte. Die Franziskaner regten sie an, ihr Werk Chambres de Rhétoriques zu publizieren. Ihr Werk setzt sich aus religiösen und moralisierenden Gedichten einerseits und polemischen Kehrreimen gegen Luther andererseits zusammen, aber auch Liebesgedichte und diverse satirische Verse finden sich in ihrem Werk. Als Speerspitze der Gegenreformation in den Niederlanden angesehen, verglich man sie mit Philippe de Marnix de Sainte-Aldegonde, einem polemischen Dichter, der sich gegen die reformatorischen Gedanken Calvins stellte."

Teresa von Ávila ? Wikipedia

"Teresa von Ávila, geboren als Teresa Sánchez de Cepeda y Ahumada (* 28. März 1515 in Ávila, Kastilien, Spanien; † 4. Oktober 1582 in Alba de Tormes, bei Salamanca), war Karmelitin sowie Mystikerin. In der katholischen Kirche wird sie als Heilige und Kirchenlehrerin verehrt. Daneben wird auch in der anglikanischen und evangelischen Kirche mit Gedenktagen an sie erinnert."

"...Nach dem Tod ihrer Mutter (1528) vertiefte sich Teresa in die Lektüre der damals üblichen Ritterromane, die schon ihre Mutter eifrig gelesen hatte, wurde sich ihrer natürlichen Vorzüge bewusst, pflegte erste Freundschaften und geriet in eine religiöse Krise.[3] Als 1531 ihre (Halb)-Schwester heiratete, brachte der Vater die Sechzehnjährige zur weiteren Erziehung in das Kloster der Augustinerinnen Santa María de la Gracia in Ávila, das sie aus gesundheitlichen Gründen nach 18 Monaten wieder verlassen musste.[4] Auf dem Weg zur Genesung bei ihrer Schwester fielen ihr bei ihrem Onkel väterlicherseits Pedro Sánchez de Cepeda einige Bücher in die Hand, darunter auch die Briefe des Kirchenvaters Hieronymus, die für ihre Berufswahl wichtig wurden. Bei der Entscheidung für das Kloster spielte zwar eine echte Christusbeziehung, zugleich aber auch die damalige ungünstige Situation der verheirateten Frau und Höllenangst eine Rolle."

Elisabeth Cruciger ? Wikipedia
Catherine d?Amboise ? Wikipedia
Anne Askew ? Wikipedia
Laura Battiferri ? Wikipedia
Margarete von Angoulême ? Wikipedia
Anna Bijns ? Wikipedia
Veronica Franco ? Wikipedia
Veronica Gambara ? Wikipedia
Marie de Gournay ? Wikipedia
Anna von Palant ? Wikipedia
Mary Sidney ? Wikipedia
Ursula von Münsterberg ? Wikipedia
Anna von Utenhove ? Wikipedia
Elisabeth Johanna von Weston ? Wikipedia

....

Das klingt nach "Die Päpstin". :D
Habe ich nicht gelesen. Dagegen musste ich bereits in der Schule schon die Sonette von Teresa de Avila lesen, einer Frau aus bürgerlichen Hintergrund, aus einer Zeit in der es laut Dir, so gut wie keine Frau lesen und schreiben konnte.
 
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Ja, es gab zu jeder Zeit Ausnahmen zur Regel, es geht hier jedoch nicht um Absolutheitsansprüche sondern um Wahrscheinlichkeiten. Eine lesende Frau um 1510 ist nun mal deutlich seltener als ein lesender Mann. Ein grundsätzlich alphabetisierter Mensch deutlich seltener als ein unalphabetisierter Mensch. Für deine Liste musstest du ganz Europa und fast ein Jahrhundert bemühen, um knapp 20 Frauen zu finden, die schriftstellerisch tätig wurden. Das ist nicht viel.

Wenn du mal Zeit und Lust hast, wirf mal einen Blick in die aktuell gut gehenden "historischen" Romane - keine Sorge, du musst den Schund dafür nicht komplett lesen, ein kurzes Überfliegen des Klappentextes in Bib. oder Buchhandlung reicht vollkommen. Der Plot ist regelmäßig der gleiche: wahlweise armes oder reiches Mädchen lernt lesen und schreiben, kämpft gegen ganz viele Widrigkeiten und verändert die Welt.

Aus einer historischen Warte heraus, halte ich es für sehr gefährlich, sich trivialliterarisch auf die Ausnahmen zur Regel zu versteifen, weil das schlicht zu einer Verschiebung des historischen Bildes in der öffentlichen Wahrnehmung führt (bzw. überhaupt erst ein bestimmtes ahistorisches Bild prägt) und so die Realität von Millionen nicht wahr genommen wird. Klar ist es leichter eine Story einschließlich Spannungskurve zusammenzuschustern, wenn man die Ausnahmen zur Regel herauspickt, um so die fünfzigste Abwandlung der Wanderhurenhebammenpäpstin zu verfassen (verkauft sich grad auch gut), dem historischen Alltagsleben des jeweiligen Zeitschnitts wird das allerdings nicht oder nur kaum gerecht. Nichts desto trotz meine ich, dass es auch dann, wenn man historische Wahrscheinlichkeiten mit in die Betrachtung einbezieht, genug Lebensläufe gäbe, die erzählenswert wären, ob nun komplett fiktiv-konstruiert oder aus der Geschichte entlehnt.
 
Beispiele gibt es genug:

Mir fällt da auch noch eines ein, Anna Maria Schumann, 1607 in Köln geboren. Sie war ein Sprachwunder. Neben den europäischen Sprachen beherrschte sie Latein, Hebräisch, Arabisch und Syrisch. Künstlerisch war sie auch sehr begabt. Konnte malen und bildhauen. Als Marotte sagte man ihr nach, dass sie Spinnen aß.

Eine lesende Frau um 1510 ist nun mal deutlich seltener als ein lesender Mann.

Deutlich, glaube ich nicht. Ich halte die soziale Herkunft für wichtiger. Nonnen (die keine Ausnahmen darstellten) mussten z.B. lesen können. Es war üblich, während der Mahlzeiten liturgische Texte vorzutragen, weshalb die Nonnen auch Latein beherrschen mussten. Zwar 13. Jahrhundert, aber das Zisterzienserinnenkloster in La Ramée war ein Zentrum der Buchmalerei und Kalligraphie. Das zeigt, dass ein höherer Bildungsstand der Frau von der Gesellschaft akzeptiert wurde. Eine lesende Frau war sicher keine erstaunenswerte Ausnahme, wenn ihr auch akademische Grade verwehrt blieben.

Der Plot ist regelmäßig der gleiche: wahlweise armes oder reiches Mädchen lernt lesen und schreiben, kämpft gegen ganz viele Widrigkeiten und verändert die Welt.

Das kommt ganz einfach daher, weil in Deutschland fast nur Frauen historische Romane schreiben. Sie verarbeiten darin weniger historische Ereignisse, als ihre persönlichen Befindlichkeiten.
 
naja, eine Frau im Weserbergland, gehobenes Bürgertum, was mußte sie können?

Rechnen im Duodezimalsystem, also 12 sind ein Dutzend, 144 ein Schock etc. Dazu Bruchrechnungaus dem ff, denn wieviel Ellen und Zoll ist der Stoff lang? Dazu die Währung beachten...
Arabische Ziffern und römische Zahlen kennen und umsetzen. Dazu klare Schrift lesen und schreiben, sonst klappts nicht mit dem Haushaltsbuch und der Buchführung. Bruchrechnung nicht vergessen, sonst wirds nicht´s mit dem Kochen.
Also, viel Zeit für Bildung bleibt da nicht, denn gescheit Tanzen soll sie ja auch noch können , und natürlich Nähen und die Stoffe unterscheiden können.

Um einen frühneuzeitlichen Haushalt leiten zu können, muß man kein griechisch können, Latein in Grundzügen stand wohl auf dem Programm. Dazu Kräuterkunde und medizinisches Grundwissen ...
 
Zu den Nonnen ist das ganz aufschlussreich:
Uta Nolting: Sprachgebrauch süddeutscher Klosterfrauen des 17. Jahrhunderts.
Sprachgebrauch süddeutscher Klosterfrauen des 17. Jahrhunderts - Uta Nolting - Google Books

Einzelne Beispiele werden dort untersucht. Die Bildungshintergrund aus hochstehenden bürgerlichen Familien etc. ergibt eigentlich nur das, was Lili bereits ausführte. Demnach könnte man zusammenfassen: Lesen ja, Schreiben verbreitet, aber nicht durchgängig. Latein oft nur rudimentär, im 17. Jhdt. in den "allerseltesten Fällen".

Bei dem entsprechenden Bildungshintergrund "hochstehende Familien" ist die Gewinnung der Kenntnisse klar, und auch bei Eintritt gegeben.

Gab es auch Fälle, bei denen das Lesen und Schreiben erst im Kloster gelernt wurde?
 
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Das kommt ganz einfach daher, weil in Deutschland fast nur Frauen historische Romane schreiben. Sie verarbeiten darin weniger historische Ereignisse, als ihre persönlichen Befindlichkeiten.

Dann wird es ja zeit, dass wir mal einen echten Männerroman verfassen. (Einen historischen natürlich) =)=)=)=)

Also weniger Huren und mehr Mord und Totschlag!
 
Deutlich, glaube ich nicht. Ich halte die soziale Herkunft für wichtiger.
Was die soziale Herkunft betrifft hast du natürlich Recht, nicht nur was den Alphabetisierungsgrad bei Frauen betrifft, sondern ganz allgemein war der Anteil der lesenden und schreibenden Kleriker natürlich höher als der Anteil der Lesenden und Schreibenden gemessen an der Gesamtbevölkerung. Es gibt von Bödeker und Hinrichs eine sehr interessante Aufsatzsammlung zum Thema: "Alphabetisierung und Literalisierung in Deutschland in der Frühen Neuzeit". Dort wird davon ausgegangen, dass um 1500 die Literalisierungsquote zwischen 10% und 30% in den Städten aber nur bei 5% bis 10% auf dem Land lag, der Frauenanteil soll dabei in den Städten bei unter 1% liegen. Zur weiblichen Landbevölkerung habe ich leider keine Notiz in meinem Exzerpt.

Das kommt ganz einfach daher, weil in Deutschland fast nur Frauen historische Romane schreiben. Sie verarbeiten darin weniger historische Ereignisse, als ihre persönlichen Befindlichkeiten.
Das mag durchaus sein. :D Ich bin allerdings schon der Ansicht, dass auch ein Schriftsteller bei aller künstlerischen Freiheit verantwortlich ist für das was er schreibt und sich zumindest klar darüber sein sollte, was er damit vermittelt bzw. auslöst.
 
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Gab es auch Fälle, bei denen das Lesen und Schreiben erst im Kloster gelernt wurde?

Aus den Oben zitierten Beispiel der Teresa von Avila so wie auch aus anderen geht hervor, dass Nonnenklöster bereits relativ früh als Bildungsinstitutionen dienten, sowohl für die eigenen Novizinen wie für bezahlte Schülerinnen. Sie selber hatte es jedoch offensichtlich schon vorher zu Hause gelernt, anscheinend bereits im relativ frühen Alter von 6 oder 7 Jahren.

Wenn man bedenkt wie schnell sich im 16. Jahrhundert die Druckerpresse verbreitete und dass dabei Romane eines der Haupterzeugnisse war, denke ich, dass damals ein nicht unerheblicher Anteil der Menschen der gehobenen Schichten lesen konnte.

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Das mag durchaus sein. :D Ich bin allerdings schon der Ansicht, dass auch ein Schriftsteller bei aller künstlerischen Freiheit verantwortlich ist für das was er schreibt und sich zumindest klar darüber sein sollte, was er damit vermittelt bzw. auslöst.

"Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit." Und die Zeit steht offensichtlich auf rebellischen Weibsbildern, auch wenn sie nicht ganz den historischen Tatsachen entsprechen.:pfeif:
 
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Was mir noch als Argument durch die Gedanken geistert, ist der Liebesbrief. Die schönste Lyrik taugt nichts, wenn die Frau sie nicht lesen kann. Es gab im Spätmittelalter den sogenannten Versliebesbrief.

Mir fällt auch die lesende, alte Frau von Gerard Dou ein. Das Gemälde wurde allerdings 1631 gemalt.
gerard-dou-lesende-alte-frau-rembrandt.jpg
 
Ambrosius Benson, 1495-1550, war schon fast auf die Darstellung lesender Frauen spezialisiert:
Be01.jpg
Be02.jpg
 
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