Wer schön sein will, muss leiden........

Penseo

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Bereits die Ägypter hatten ein sehr standardisiertes Schönheitsideal. Der schöne Mensch galt als rein und von den Göttern geliebt. Das Make -up diente nicht nur dekorativen Zwecken, sondern hatte auch medizinischen Wert.
Zur Zeit Echnatons gab es eine Sitte, den Kleinkindern die Köpfe zu binden, um dem Schönheitsideal des ausladenden Hinterkopfes zu entsprechen.

http://www.taz.de/pt/2006/11/29/a0274.1/text

Bei Griechinnen und Römerinnen war Schönheitspflege ein ebenso grosses Muss. Körperpflege, Hygiene und dekorative Kosmetik waren sehr wichtig.
Aus heutiger Sicht verfügten die Frauen über recht ausgewogene Körper (sofern man den Statuen trauen kann).
Allerdings war die Make-up-Grundierung schädlich, da teilweise bleihaltig.
Im Mittelalter wurde der Körper der Frau dann meist verhüllt dargestellt.
Die Gesichter waren fein und sehr bleich, die Haare wurden zum Teil ausgezupft, um eine hohe Stirn zu erreichen.
Die Renaissance zeigt demgegenüber wieder nackte Frauen, mit dünnen Armen und Beinen, aber dafür einer vergleichsweise starken Taille (schwanger?).
Im Barock wurde der füllige Rubenstyp als schön empfunden (bemerkenswert hierbei sind die relativ kleinen, aber runden, festwirkenden Brüste).
Bekleidet zeigen die Damen allemal schmale, weil geschnürte Taillen.
Die Mode des Schnürkorsetts bleibt bis in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts bestehen.
Überflüssig zu erwähnen, wie schwer das Leben der Frauen war, wenn Organe und Lunge zusammengequetscht wurden, sie aber dennoch anmutig lächelnd schwere Gewänder zu tragen hatten,gesundheitliche Schädigungen durch die Schnürungen inklusive!
Auch das Erreichen eines weissen Teints barg noch lange die Gefahr einer Bleivergiftung!

Doch ab den 20er Jahren war das Schnürkorsett passee. Die ´Frauenwelt sollte eigentlich aufatmen können (obwohl sich vielleicht der eine oder andere an die 60er Fernsehwerbung "Wenn das Mieder kneift und zwickt..." erinnern kann).
Androgyne Wesen mit verborgenem, gebundenem Busen und kurzem Haar bevölkerten die Grossstädte. Im Zeitvergleich war diese Mode eher kurzlebig. Spätestens nach dem Krieg waren die Frauen wieder fraulicher, runder.
Bis das Modell Twiggy in den 60ern einen erneuten Wendepunkt im Schönheitsideal brachte, das so bis heute besteht.
Superschlanke Magermodells bevölkern die Laufstege der Modemetropolen.
Und damit setzt sich der Leidensweg für viele Frauen und Mädchen, die sich im Extremfall bis in den Tod hungern, fort....
Nicht vergessen sollte man auch noch die Schmerzen, die viele Frauen auf sich nehmen, die sich chirurgisch dem gängigen Schönheitsideal anzupassen versuchen. Erwähnenswert, dass jetzt auch der grosse Busen quasi zur Standardausrüstung der schönen Frau zu gehören scheint.
(Mit Beginn der 60er Jahre wurden die ersten Silikonkissen eingesetzt.)

Aber nicht nur in unserem Kulturkreis leiden und litten Frauen, um einem gängigen Schönheitsideal zu entsprechen.
In China beispielsweise verkrüppelte man kleinen Mädchen ab etwa dem Jahre 1000 die Füsse.
http://www.br-online.de/politik/ausland/themen/2007/00759/

Da diese Liste des Leidens der Schönheit willen sicher unvollständig ist, folgt nun meine Frage:
Was fällt Euch noch an gesundheitsschädigenden, schmerzhaften Verschönerungsmassnahmen zu verschiedenen Zeiten in unterschiedlichen Kulturkreisen ein?

Und zum Durchlesen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Schönheitsideal
http://www.g-o.de/index.php?cmd=focus_detail2&f_id=240&rang=8
http://www.br-online.de/land-und-leute/thema/pfundig/schoenheit.xml
http://www.welt.de/data/2007/01/10/1172094.html
http://www.sueddeutsche.de/wissen/artikel/596/97499/
und natürlich nicht zu vergessen:
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=5391&highlight=sch%F6nheitsideale
 
Nachtrag:
Ich interessiere mich natürlich auch für schmerzhafte, deformierende und gesundheitsschädliche Massnahmen, die Männer auf sich nehmen (müssen), um einem gängigen männlichen Schönheitsideal zu entsprechen.
Ich habe es nur nicht aufgezählt, weil mir nichts Richtiges dazu einfiel.
 
Auf die heutige Zeit bezogen, fallen mir die plateauschuhe der 70-er Jahre ein, welche zu Schäden an den Füßen führten und in der Konsequenz auch Rückenprobleme verursachten.
 
Ein beliebtes Mittel, schöne tiefe dunkle Augen zu bekommen, war der Saft der Tollkirsche, die daher auch den Namen atropa belladonna bekam. Ein Nachteil war allerdings, daß die Pupillen dann tagelang extrem geweitet waren und die Frauen davon kurzzeitig extrem weitsichtig wurden.
 
Spontan fallen mir die Frauen mit dem Giraffenhals ein. Da wird der Hals lange künstlich über die Jahre gestreckt. Ich glaube, daß diese Sitte bei einigen Stämmen in Afrika vorkommt.
In der heutigen Zeit sollen sich viele Asiatinnen unter das Messer legen, um wie Europäerinnen auszusehen. Verstehen kann ich diese Frauen nicht. Da steckt man als Mann wohl doch nur zeitweise drin.
 
Ein beliebtes Mittel, schöne tiefe dunkle Augen zu bekommen, war der Saft der Tollkirsche, die daher auch den Namen atropa belladonna bekam. Ein Nachteil war allerdings, daß die Pupillen dann tagelang extrem geweitet waren und die Frauen davon kurzzeitig extrem weitsichtig wurden.

Das höre ich zum ersten Mal. Wann und wo wurde das praktiziert?
 
Auf die heutige Zeit bezogen, fallen mir die plateauschuhe der 70-er Jahre ein, welche zu Schäden an den Füßen führten und in der Konsequenz auch Rückenprobleme verursachten.
Stimmt, ungesundes Schuhwerk hatte ich total übersehen.
Die hochhackigen Stöckelschuhe der 50er dürften auch nicht so ohne gewesen sein.
Seit wann gab es denn gesundheitsschädigendes Schuhwerk?
 
Penseo schrieb:
Zur Zeit Echnatons gab es eine Sitte, den Kleinkindern die Köpfe zu binden, um dem Schönheitsideal des ausladenden Hinterkopfes zu entsprechen.

Diese deformierten Schädel fand man auch bei den Mayas und bei den Inkas, wo eine schräge Stirn und ein hoher Hinterkopf ebenfalls als Schönheitsideal galten.
 
Diese deformierten Schädel fand man auch bei den Mayas und bei den Inkas, wo eine schräge Stirn und ein hoher Hinterkopf ebenfalls als Schönheitsideal galten.

Könnte die Sache mit dem "Schönheitsideal" nicht zu kurz gegriffen sein ?

Ich frage mich, ob sich durch die extreme Deformation nicht auch die Funktionsweise des Gehirns verändern könnte. Insbesondere bei einer Priesterkaste würde eine Bewusstseinveränderung durchaus dem religiösen / gesellschaftlichen Anspruch entgegenkommen.

Dabei würde schon der Eindruck, dass es so sei, hilfreich sein, sich als Elite zu präsentieren. Eliten setzen eben auch körperliche Stilmittel ein, um den Eindruck zu vermitteln, keine normalen Sterblichen zu sein, sondern z.B. "blaublütig" oder besonders intelligent oder spirituell empänglich.

Auch die Trepanation, nämlich das Schleifen oder Sägen von Löchern in den Schädel, war bereits in der Steinzeit so weit verbreitet, dass es mir schwer fällt, an eine rein medizinische Indikation zu glauben
 
Könnte die Sache mit dem "Schönheitsideal" nicht zu kurz gegriffen sein ?

Wenn wir uns in den Bereich der Vermutungen und Spekulationen begeben wollen, ist der Begriff möglicherweise zu kurz gegriffen. Fakt ist, dass auf der Stirn der Neugeborenen ein Brett angebracht wurde, um diese abzuflachen. Da ja bekanntlich bei Neugeborenen die Schädelknochen noch relativ weich und noch nicht zusammengewachsen sind, wurde das erwünschte Ergebnis erzielt, ohne, dass das Kind bleibende Schäden davontrug. Sicherlich ist nicht auszuschließen, dass bei einem kleinem Protzentsatz geistige Behinderungen infolge der Deformation aufgetreten sind, aber die Regel war das wohl nicht.

Ruft man sich Wandmalereien der Maya ins Gedächtnis, fällt die stark stilisierte Darstellung des Kopfprofils auf, bei dem die Stirn noch flacher erscheint, als sie wohl wirklich gewesen ist. Das alles lässt uns darauf schließen, dass die Schädeldeformation betrieben wurde, um die Neugeborenen einem Schönheitsideal anzünähern. Für weitere Funktionen fehlen uns momentan die Beweise.

Auch die Trepanation, nämlich das Schleifen oder Sägen von Löchern in den Schädel, war bereits in der Steinzeit so weit verbreitet, dass es mir schwer fällt, an eine rein medizinische Indikation zu glauben

Was sollte sonst der Grund gewesen sein? Natürlich besteht die Möglichkeit, dass auch religiöse Hintergründe eine Rolle gespielt haben könnten und die Schädel in rituellen Zeremonien geöffnet wurden. Trotzdem denke ich wohl eher, dass es sich um chirurgische Eingriffe von frühen Fachleuten handelte, die der Linderung von Schmerzen dienen sollten. Bei einigen Schädelknochen ist das Loch so gut verheilt, dass man meinen könnte, der Eingriff wäre von einem modernen Chirurgen durchgeführt wurden. Außerdem denke ich nicht, dass sich ein Steinzeitmensch aus Jux und Dollerei einer solch lebensgefählichen Operation unterzieht. Es müssen schon sehr starke Beschwerden gewesen sein, die ihn dazu brachten, sich den Schädel öffnen zu lassen.

Wie oben bereits gesagt: Vermuten kann man viel, beweisen wenig.
 
Dem möchte ich hinzufügen, dass die moderne "Attraktivitätsforschung" hinter den bestehenden Schönheitsidealen ebenfalls mehr als nur die Oberfläche sieht. Schlanke Taillen zum Beispiel stehen für Gesundheit und die Fähigkeit, den Nachwuchs auch aufziehen zu können. Auch kleine Bäuchlein deuten ja wohl auf Gebärfähigkeit hin (entweder gerade schwanger oder hat schon geboren...). Kurz und gut, auch die Schönheitsideale transportieren eine Botschaft, die über das optisch angenehme hinausgeht (denkt mal an das Jetzt, wo Dicksein doch gleich Kranksein interpretiert wird. Warum sind die Modells da wohl so dürr?)
Manifestieren tut sich das alles aber in einem gewissen Schönheitsideal.
 
Zu den Herren:
Wie auch die Mädchen trugen die Jungen der Oberschicht im 18.Jh. das Corps, eine Art Korsett, wie es in der Encyclopédie vorgeführt wird. Scheinbar meinte man, eine aufrechte Haltung damit fördern zu können. Ich nehme an, dieses "Corps" wurde dann abgelegt, wenn der Knabe das erste Mal die Culotte/Kniebundhose tragen durfte, was im Englischen Breeching heißt. Vom Alter her, dürften die Jungen zu dem Zeitpunkt zwischen 8 und 12 gewesen sein, was allerdings regional extrem unterschiedlich war. (Siehe "Die Graham Kinder" von William Hogarth und die Kinderbilder von Antoine Pesne!)
Im 19. Jh. trugen dann auch Herren eine Art von Korsett in der 1. Hälfte des Jh.. Man sieht das besonders gut auf Karikaturen und Modestichen. Eigentlich setzte diese Entwicklung zu dem Zeitpunkt ein, als die Korsetts der Damen auch immer "unnatürlicher" wurden und der Weg der Damen zur Wespentaille bestritten wurde.
Während man durch den Stecker und geschickte Verzierungen im 18.Jh. eher optisch eine schmale Taille bei den Damen vorgetäuscht hat, wurde sie im 19. zusehends tatsächlich angestrebt.

Interessant finde ich auch das Bild der nackten Frau in der Kunst des 17. und 18.Jh.. Manches Mal kommt man ja auf den Gedanken, dass die Maler nie eine nackte Frau gesehen haben, sondern immer nur den von dem Schnürleib geformten Körper. So sind die Damen bei Rubens zwar insgesamt sehr beleibt, haben aber keine bedeutend breiteren Hüften als die Herren (die sich sichtlich beim Forttragen von Damen anstrengen müssen, kein Wunder =) ;) ). Freizügige Romane des 17. und 18.Jh. sind zur Untersuchung des tatsächlichen Schönheitsideals sehr interessant. Schon bei Memoiren etc. findet man allerdings die Bevorzugung hellhäutiger Damen mit recht kleinem Busen, während sich eine Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth von sonnengebräunten und üppigeren Damen beispielsweise unangenehm berührt fühlt.
 
Scheinbar meinte man, eine aufrechte Haltung damit fördern zu können.

Damit sind wir wieder bei der Frage nach der biologischen und gesellschaftlichen Funktion von "Schönheit" : Offenbar geht es um mehr, als einem schöngeistiges Ideal zu entsprechen.

Eine aufrechte Haltung signalisiert bei Mensch & Tier Dominanz. Diese sollte dem adeligen Knaben anerzogen werden, um seine gesellschaftliche Stellung zu sichern.

Ein besonders gelungener PR-Gag ist die o.g. "vornehme Blässe", mit der die adeligen Damen eine Untugend, nämlich Arbeitsscheu, in eine Tugend, nämlich Vornehmheit, uminterpretierten und sich so den sonnengebräunten Bäuerinnen gegenüber überlegen fühlen konnten.
 
Eigentlich setzte diese Entwicklung zu dem Zeitpunkt ein, als die Korsetts der Damen auch immer "unnatürlicher" wurden und der Weg der Damen zur Wespentaille bestritten wurde.
Während man durch den Stecker und geschickte Verzierungen im 18.Jh. eher optisch eine schmale Taille bei den Damen vorgetäuscht hat, wurde sie im 19. zusehends tatsächlich angestrebt.
Brissotin, weisst Du eigentlich wie schwer die Damenkleidung damals eigentlich war?
Ich habe den Verdacht, dass die Damen da einiges Gewicht tragen mussten.
 
Brissotin, weisst Du eigentlich wie schwer die Damenkleidung damals eigentlich war?
Ich habe den Verdacht, dass die Damen da einiges Gewicht tragen mussten.
Es stimmt schon, dass die Reifröcke dadurch, dass sie zusehends mit Stahlreifen gemacht waren, statt mit natürlichen Materialien wie Holz oder Fischbein, zusehends schwerer wurden. Genaueres zum 19.Jh. kann nur Cécile sagen, die sich näher mit der Damenkleidung des 19.Jh. beschäftigt hat, bei dem man allerdings sehr zwischen den Jahrzehnten diferenzieren muss. (Man denke an die leichten Empirekleidchen der ersten Dekade des Jahrhunderts!)
 
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