Wichtige Frage: Weisse Rose/Studentenwiderstand

Weil der Nationalsozialismus "totalitär" war - man wollte gerade die jungen Menschen mit Haut und Haaren, sie sollten überzeugte Nationalsozialisten werden und die Lehren verinnerlichen - das Hören von "entarteter Negermusik" stört bei diesem Ziel. Und das noch mehr, wenn diese Jugendlichen beginnen, sich gegen Unterdrückung und Gleichschaltung zu wehren (und sei es nur mit zivilen Ungehorsam oder Flugblättern) - das nicht mit großer Härte zu ahnden hätte aus Sicht der Nationalsozialisten andere Menschen ermuntert, ebenfalls das Regime kritischer zu sehen.

Außerdem provozierten die Swing-Kids und andere durch das Zur-Schau-Stellen ihrer Unangepasstheit das System, man hätte ja auch in die innere Immigration eines stillen Kämmerleins gehen können und sich nach außen als braver Hitlerjung geben. Eine Antwort des Regimes musste erfolgen und war eben auch bewusst provoziert.

Übrigens: Es gibt ja sogar in Expertenkreisen Diskussionen, was alles unter Widerstand fällt und was nicht.
 
Das ist mir im großen ganzen schon bekannt. Ich will auch den lebensgefährlichen "Widerstand" dieser Gruppen nicht herabsetzen.

Wo die Nazis da den staatsgefährdenden "Widerstand" sahen, will sich mir nicht erschließen.
Konkret bei Swings eine angloamerikanische Orientierung, zwar zunächst "nur" in Bezug auf Musik, Tanz und Mode, aber auch so können gewisse Weltbilder und Vorstellungen transportiert werden, die im nationalsozialistischen Sinne nicht erwünscht sind. Für die ausführlichere Erklärung gebe ich dich mal an eine Bekannte weiter, die zum Thema "Swing und Widerstand" ihre Examensarbeit geschrieben hat: Lebendige Geschiche 1939-1949
 

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Übrigens: Es gibt ja sogar in Expertenkreisen Diskussionen, was alles unter Widerstand fällt und was nicht.

Genau.


Es gibt verschiedene Modelle

1963 entwickelte Eberhard Bethge folgenden Ansatz:
Er gab dem Widerstand fünf Stufen:

1. Einfacher passiver Widerstand
2. Ideologischer Widerstand
3. Mitwisserschaft an Umsturzvorbereitungen
4. Aktive Vorbereitung auf das Danach
5. Aktive Konspiration

Unter eins wurden die eingeordnet die statt Heil Hitler - Grüss Gott sagten oder bei den Spendenaufrufen nichts gaben. Unter zwei waren die Männer wie Graf Galen oder Niemöller eingeteilt. Bei den Stufen drei bis fünf würden dann die verschiedene Grade der Beteiligung am Attentat zu zu rechnen sein.

1970 meinte Karl Dietrich Erdmann nicht "alles was der nationalsozialistischen Bewegung fernblieb kann zum Widerstand gerechnet werden." Bei ihm findet man eine vierer Stufe:

1. privater Nonkonformismus
2. oppositionelle Gesinnung
3. aktiver Widerstand
4. direkte Verschwörung

Detlev Peukert legte 1980 mehr wert auf die "Kleinform zivilen Mutes", zum Beispiel Abhören von Feindsendern. Verweigerung und Protest und am Ende Sturz des Regimes.

Richard Löwenthal machte zur gleichen Zeit den Vorschlag einer Dreiteilung

1. gesellschaftliche Verweigerung
2. weltanschaulicher Dissidenz
3. bewusster politischer Opposition

Man kann noch viele weitere Modelle anfügen. Die Kriterien ändern sich immer wieder.

Das Grundkriterium des Widerstandsbegriffes hat daher in der Frage zu liegen ob ein bestimmtes Verhalten von einzelnen oder von Gruppen damals Risikocharakter hatte oder nicht.

Auch das Modell der Vielfalt der Erscheinungsformen von Widerstand lässt sich nicht restlos einfangen. Es öffnet aber den Blick auf die Notwendigkeit, die Breite der Erscheinungsformen zu berücksichtigen. Das Forschungsprojekt des Instituts für Zeitgeschichte unter dem Titel "Bayern in der NS-Zeit" nahm sich der Beobachtung der Vielschichtigkeit an. Es ist bekannt unter dem Namen Bayern-Projekt. Martin Broszat führte im Rahmen dieses Projektes einen neuen Begriff ein - den "Resistenz-Begriff" Das Bayer-Projekt war in der Folge grosser Kritik ausgesetzt. Broszat versuchte damit die Herrschaftsbegrenzung im Konflikt zwischen Staat und Gesellschaft wie auch die mentalen und traditionsgeprägten Voraussetzungen und Folgen dieser Grenzen so anschaulich wie möglich zu verdeutlichen.

Hier noch die Links zum Projekt:

http://www.ifz-muenchen.de/bayern_ns.html

http://www.lbihs.at/GBResistenz.pdf
 
Zuletzt bearbeitet:
Sehr interessant was Ihr hier zur Definition des Begriffs "Widerstand" schreibt.
So strukturiert habe ich mir noch nie Gedanken darüber gemacht.

Wenn ich vielleicht noch etwas beitragen kann:

Wie wäre es, wenn man den Begriff zweiteilt:

1. Von der Seite der Betroffenen her: lebensgefährlich, zumindest mit hohen Strafen bedroht. Also klar Widerstand

2. Von der Seite des Nazi-Staates her: Gefährdung des Staates: Keine. Gefährdung von Sicherheit und Ordnung: Keine. Mittel- bis langfristige Destabilisierung des Systems: Äußerst Gering.
Also kein Widerstand.
Demnach Verfolgung und Bestrafungspraxis: Hochgradig verbrecherisch!
 
Ich glaube, Du siehst die Sichtweise des Nationalsozialismus falsch. Es geht hier nicht "nur" darum, ob die Menschen die Diktatur akzeptieren (vielleicht sogar aus Angst). Es geht dem Nationalsozialismus darum, dass gerade die Jugendlichen auch innerlich von der NS-Lehre überzeugt sind/werden (auch eine "innere" Gleichschaltung der Bevölkerung). Wer sich weigert, die Lehre zu übernehmen und dies auch zeigt, widersetzt sich den Zielen des Nationalsozialismus und das kann nicht geduldet werden.

Vor allem glaube ich durchaus, dass von unangepassten Gruppen eine langfristige Destabilisierung des Systems ausgegangen wäre, wenn das System nicht gehandelt hätte bzw. untergegangen wäre.
 
Ich glaube, Du siehst die Sichtweise des Nationalsozialismus falsch. Es geht hier nicht "nur" darum, ob die Menschen die Diktatur akzeptieren (vielleicht sogar aus Angst).

Kann durchaus sein.

Es geht dem Nationalsozialismus darum, dass gerade die Jugendlichen auch innerlich von der NS-Lehre überzeugt sind/werden (auch eine "innere" Gleichschaltung der Bevölkerung).

Überzeugen bestimmt. Aber die Gewalt als Mittel? So dumm sollen die Nazis gewesen sein?


Wer sich weigert, die Lehre zu übernehmen und dies auch zeigt, widersetzt sich den Zielen des Nationalsozialismus und das kann nicht geduldet werden.

Du meinst: "Und willst Du nicht mein Bruder sein, so schlag ich Dir den Schädel ein."
Hat was für sich.


Vor allem glaube ich durchaus, dass von unangepassten Gruppen eine langfristige Destabilisierung des Systems ausgegangen wäre, wenn das System nicht gehandelt hätte (bzw. untergegangen wäre.)

Das wiederum glaube ich nicht.
Ich denke, dass dieses ganze Sadistengesockse immer mal wieder eine "Spielwiese" brauchte, um ruhiggestellt zu werden. Die haben doch ein derartiges Gewaltpotential an Sadisten und Verbrechern angesammelt, wenn die nicht manchmal etwas zu tun haben, fressen sie irgendwann den Obersadisten. Und wenn es aus Langeweile ist.
 
Kann durchaus sein.



Überzeugen bestimmt. Aber die Gewalt als Mittel? So dumm sollen die Nazis gewesen sein?

Evtl. nicht durch Gewalt überzeugen, aber es denen, die sich nicht einordnen wollen unmöglich machen, durch ihr unangepasstes Beispiel die Überzeugungsarbeit bei den anderen zu erschweren.
 
Überzeugen bestimmt. Aber die Gewalt als Mittel? So dumm sollen die Nazis gewesen sein?

Natürlich die Gewalt als Mittel.
Nur eben nicht als DAS Mittel.

Es wurde versucht jeden von der Pike auf zu erziehen und wer sich erziehungsresistent zeigte wurde eben im Alltag andauerndem verbalem Feuer durch Medien, Wirtschaft und Freunde ausgesetzt.

Wer sich dann noch immer nicht zumindest angepasst in der Öffentlichkeit zeigte, der bekam eben eins mit der Keule drüber und aus die Maus.
 
Aber sicher, kann ich auch selber suchen, wenn ich das denn mal benötige. Ist ja auch nicht so wichtig. :winke:

Es hat mir natürlich keine Ruhe gelassen.

Götz Aly, Hitlers Volksstaat, bpb Ausgabe, Seite 12ff
1933 waren Goebbels 35, Heydrich 28, Speer 27, Eichmann 26, Mengele 21, Himmler+Frank 32 Göring 40
lt.. Goebbels Tagebuch II/8S. 131 v. 19.4.43 Durchschnittsalter der führenden Persönlichkeiten der mittleren Ebene in der Partei 34 im Staat 44
Bei Aly Seite 14, "...
Im Jahr 1933 ergriffen Studenten und frischgebackene Hochschulabsolventen die Macht..."
Seite 16 "... Das außergewöhnliche Tempo, die jungenhafte, ins Kollektiv-Fiebrige übersteigerte Bedenkenlosigkeit machen die 12 kurzen NS-Jahre heute so unbegreiflich..."
 
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