Wie entstanden Klassen- und Adelssysteme

Cassandra

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Hallo,

ich hab mal gelesen, Klassensysteme haben sich vor Beginn der Stadt- und Staatenbildung in Mesopotamiens etabliert, weil man die künstliche Bewässerung erfunden hat, und somit nicht alle Beteiligten gleich behandelt werden konnten, d. h. einige Flecken Erde waren besser gelegen als andere.
Ist jemanden die Theorie schon mal untergekommen?

Gruß
Cassandra
 
Hat die Entwicklung von Klassensystemen nicht eher etwas mit Arbeitsteilung, daraus sich entwickelnden Hierarchien und der Vererbung der so einmal erreichten Privilegien zu tun? Klassensysteme finden sich doch nicht nur in Mesopotamien sondern fast überall?

Die Frage ist dann doch eher ob die Privilegien vererbt werden, was bis hin zu einem Kastensystem führen kann oder ob sie immer wieder neu vergeben werden, z.B. nach Leistung (z.B. Gerd Schröder - vom Sohn einer Putzfrau zum Bundeskanzler und Statesman of the year).
 
ich hab mal gelesen, Klassensysteme haben sich vor Beginn der Stadt- und Staatenbildung in Mesopotamiens etabliert, weil man die künstliche Bewässerung erfunden hat, und somit nicht alle Beteiligten gleich behandelt werden konnten, d. h. einige Flecken Erde waren besser gelegen als andere. Ist jemanden die Theorie schon mal untergekommen?
Nun, das ist die orthodoxe materialistische Geschichtsauffassung, wie sie z. B. in der 10-bändigen sowjetischen "Weltgeschichte", die 1962 in Ostberlin auf Deutsch erschien - hier: Bd. 1, S. 232 -, dargestellt wird:
1. Die Durchführung größerer Bewässerungsarbeiten erforderte einen größeren Menschen-Einsatz; der musste (arbeitsteilig) organisiert werden, was zu Hierarchie-Bildungen führte.
2. Aus dem ursprünglich in Gemeineigentum befindlichen Land wurde nach und nach Privateigentum, wobei die "besten Stücke" an die Familien fielen, die am durchsetzungsfähigsten waren (aufgrund von Zahl, Einfluß, Bewaffnung).

Das widerspricht nicht unbedingt dem, was Hansforscht sagt; die Anlässe, warum sich sozial differenzierte, hierarchisch strukturierte Systeme ausbildeten, mögen anderswo anders ausgesehen haben. Die Entwicklung des Erbrechts und "meritokratischer" Elemente ist natürlich gesondert zu betrachten
 
Dahrendorf meint, dass die Entstehung sozialer Ungleichheit im Laufe der Zeit unterschiedlich begründet wurde: Über Eigentum im 18. Jhd., Arbeitsteilung im 19. Jhd und die Funktion von Arbeit (und damit verbundenes Prestige) im 20. Er selbst führt soziale Bevorteilung darauf zurück, dass es manchen Menschen leichter fiele, sich mit den Normen einer Gesellschaft zu arrangieren und damit einen besseren Platz in selbiger zu belegen. (Ralf Dahrendorf: Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen. In: Ders. Pfade aus Utopia. München 1967)
 
Dahrendorf meint, dass die Entstehung sozialer Ungleichheit im Laufe der Zeit unterschiedlich begründet wurde

Natürlich. Er selbst hat laut WP 1957 "seine 'Klassen'-Konzeption auf dem Besitz und Nichtbesitz von Machtmitteln aufgebaut". Ob er etwas zur Frühzeit der Klassenbildung gesagt hat - darauf scheint Cassandras Frage bezogen zu sein -, weiss ich nicht.

Sicher darf man auch noch religiöse/rituelle Aspekte in Betracht ziehen; siehe etwa die Priester-Klasse im alten Ägypten usw.
 
Hierarchien bilden sich eigentlich immer heraus. Schon bei Tieren über den Affen bis zum Menschen. Selbst unter primitiven Bedingungen kommt es zu Schichtungen, wie z.B. im Gefängnis. Die oberen, gleichgesinnten Hierarchien schließen sich zusammen, grenzen die anderen aus und benutzen sie. So, denke ich, läuft es immer ab. Das es dann bei größerer Bevölkerungszahl, wie in Mesopotamien, Ägypten usw. durch Arbeitsteilung allmählich zur Klassivizierung ganzer Gruppen kommt, ist, denke ich, ein normaler Vorgang. Die Übergänge sind dann auch eher fließend. Es ist ein Prozess und ich glaube nicht, dass es ganz bestimmte Voraussetzungen geben muss, bevor sich eine Klassengesellschaft herausbildet, mal als Voraussetzung die Arbeit ausgenommen. Der Mensch vererbt seinen Status weiter, wogegen das einzelne Tier durch Kämpfe seine Position immer wieder neu behaupten muss. Das ist der Unterschied.
 
Stellt sich die Frage, warum gerade Arbeit eine Rolle spielt. Überdies ist es mit "Klassensysteme entstehen früher oder später sowieso" nicht getan, sondern die nächste Frage stellt sich: Warum genau solch eine Struktur. Warum keine Bauern an der Spitze und Priester als unselbstständige Medien zu den Göttern unten oder eine simple Unterteilung Hirten - Bauern oder oder oder
 
Aus der Hüfte geschossen würde ich jetzt behaupten, das ist eine Frage der Intelligenz. Der mit dem etwas mehr Grips ist der, der oben steht.
Warum hat sich z.B. die Masse der Bauern im Mittelalter nicht einfach zusammengeschlossen und dem Feudalherren einfach nicht den Zehnten gegeben und keinen Frondienst geleistet? Die führende Schicht wäre am ausgestreckten Arm verhungert. Da ist dann eben die Frage: Warum lässt sich der Mensch von anderen Menschen zu seinen individuellen Ungunsten bestimmen? Liegt die Antwort bei den Ameisen, ist also genetisch bedingt? Ist es ein Urprogramm tief im Kleinhirn oder noch viel weiter hinten?
 
Warum genau solch eine Struktur. Warum keine Bauern an der Spitze und Priester als unselbstständige Medien zu den Göttern unten ...

Das Machtmittel der Bauern wäre ja allenfalls den Priestern die Nahrung wegzunehmen. Die werden sich aber immer behaupten können, wenn sie mit dem Zorn der Götter drohen. Ansonsten klar, es gibt viele unterschiedliche mögliche Systeme.
 
Warum hat sich z.B. die Masse der Bauern im Mittelalter nicht einfach zusammengeschlossen und dem Feudalherren einfach nicht den Zehnten gegeben und keinen Frondienst geleistet? Die führende Schicht wäre am ausgestreckten Arm verhungert.
Oh - solche Versuche gab es. Wir nennen einen dieser Versuche heute z. B. den "Großen Deutschen Bauernkrieg" (1524-26). Im Vorfeld dazu gab es auch eine ganze Reihe von "Bundschuhaufständen": Bundschuh-Bewegung ? Wikipedia
Die Reihe der Versuche der Bauern, sich der Unterdrücker zu entledigen läßt sich beliebig fortsetzen, letztlich schlugen aber alle fehl.
Da ist dann eben die Frage: Warum lässt sich der Mensch von anderen Menschen zu seinen individuellen Ungunsten bestimmen? Liegt die Antwort bei den Ameisen, ist also genetisch bedingt? Ist es ein Urprogramm tief im Kleinhirn oder noch viel weiter hinten.
Ich würde sagen, weil der Adel aus einem Kriegerstand hervorging (zumindest war das bei den Germanen so), der zu kämpfen gewohnt war, d. h. besser ausgebildet und besser ausgerüstet war als die Bauern.
Darüber hinaus wurde schon in vorchristlicher Zeit ein religiöser Überbau über das Ständesystem gestülpt, der den unteren Ständen plausibel machen sollte, warum die einen von Geburt an zum Herrschen bestimmt sind und die anderen nicht, was ihre Macht sichern sollte.
 
Oh - solche Versuche gab es. Wir nennen einen dieser Versuche heute z. B. den "Großen Deutschen Bauernkrieg" (1524-26). Im Vorfeld dazu gab es auch eine ganze Reihe von "Bundschuhaufständen"
Ist mir bekannt, auch der arme Konrad. Allerdings wollten die Bauern von 1524-26 nicht das Feudalsystem ändern. Es lag ihnen viel mehr daran, die Spitzen der Ungerechtigkeiten, die sich gegen sie seit dem 15. Jahrhundert häuften zu beseitigen. Für viele ging's um, leben oder verrecken. Natürlich gab es radikale Anführer, wie Thomas Münzer mit seinen zwölf Artikeln, allerdings auch adelige, wie Florian Geyer oder Götz von Berlichingen. Einige aufständische Bauern begnügten sich damit, ein paar Klöster zu plündern und dann gingen sie, benommen vom Klosterwein, betrunken und zufrieden nach Hause. Andere Bauernhaufen bekamen ganze Landstriche und Städte unter ihre Kontrolle. Gegen den Kaiser ist aber keiner der Bauern gezogen, nur gegen den unmittelbaren Herrn. Viele vertrauten sogar auf den Kaiser, dass er endlich ihre Bedrückung erkennen würde. Als dann aber bekannt wurde, der Kaiser schicke den Frundsberger aus Italien über die Alpen nach Deutschland, dann verflüchtigten sich schon wegen dieses Gerüchtes die Bauernheere. Es war also alles sehr halbherzig, man wollte nicht wirklich was ändern, sondern nur die feudalen Lasten mindern.
 
Hallo

Ich denke, Hierarchien sind nicht gleich Klassensysteme. Soviel ich weiß, gibt es durchaus egalitäre Gesellschaftsssysteme die trotzdem Hierarchien gebildet haben, was öffentliches Ansehen betrifft. Vielleicht ist auch der eine Reicher als der andere. Doch wahrscheinlich haben sich alle darum bemüht, seinen Lebensunterhalt zu erarbeiten.

Auch die Bewertung von Arbeit, und somit die der Arbeitsteilung, ist nicht unbedingt zwingend, denn was der eine nicht kann bietet der andere, was eigentlich zu vermehrten Respekt führt. Vielleicht macht der eine seine Arbeit besser als der andere, doch was nicht von der arbeit entbindet.

Doch die Besitzverteilung, mit unterschiedlich wirtschaftlichen Erträgen, welche durch Bewässerung beeinflusst werden kann, und die sich in Laufe der Generationen noch potenzieren - da kann eine Etablierung einer Klasse, durchaus als logisch gesehen werden, oder?

Während der eine bemüht ist, das wenige was sein Land hergibt herauszuholen, kann der andere sich ganz anderen Schwerpunkten zu wenden, wie Gesetze ausarbeiten, oder gesellschaftliche Prozesse im Gang bringen.
Und wer es sich leisten kann andere für sich arbeiten zu lassen, hat wieder mehr Zeit daraufhin zu arbeiten, seine Position zu verfestigen UND andere nach ihren Wert zu beurteilen.
 
Schließt sich Egalität und Hierarchie nicht aus? Es kann in egalitären Gesellschaften zu Differenzierungen kommen, aber Hierarchien bedeuten doch zwangsläufig ein oben und unten, also auch Eliten.
Natürlich gibt es Unterschiede im Ansehen verschiedener Personen, aber solange die stärker respektierten keine unmittelbaren Vorteile dadurch erfahren, würde ich nicht von einer darauf beruhenden Hierarchie sprechen.
 
Schließt sich Egalität und Hierarchie nicht aus? Es kann in egalitären Gesellschaften zu Differenzierungen kommen, aber Hierarchien bedeuten doch zwangsläufig ein oben und unten, also auch Eliten.
Natürlich gibt es Unterschiede im Ansehen verschiedener Personen, aber solange die stärker respektierten keine unmittelbaren Vorteile dadurch erfahren, würde ich nicht von einer darauf beruhenden Hierarchie sprechen.

Vielleicht sind die Hierarchien in egalitären Gesellschaftsystemen eher flach, als das es sich lohnt gleich eine ganze Klasse zu bilden?
 
Aus der Hüfte geschossen würde ich jetzt behaupten, das ist eine Frage der Intelligenz. Der mit dem etwas mehr Grips ist der, der oben steht.

Aus der Hüfte geschossen würde ich jetzt behaupten, das ist eine Frage der Stärke. Der mit etwas mehr Muskeln ist der, der oben steht.

( Kennt man das nicht aus der Schule :rolleyes: )


Doch die Besitzverteilung, mit unterschiedlich wirtschaftlichen Erträgen, welche durch Bewässerung beeinflusst werden kann, und die sich in Laufe der Generationen noch potenzieren - da kann eine Etablierung einer Klasse, durchaus als logisch gesehen werden, oder?
Finde ich schon.

Mir geht dabei folgendes durch den Kopf, eine Gruppe Siedler (Nomaden) trifft in einer unbewohnten Region ein. Der Stärkste sichert sich ein schönes Stück Land. (Bisher war er der beste Jäger) Schön nahe an der Quelle mit viel Sonne. Er hat so die besten Erträge, kann so seine Familie gut ernähren und seinen Wohlstand mehren. Dadurch kommt er in die Lage andere Bauern von sich abhängig zu machen, und für sich arbeiten zu lassen. Jetzt wird aus dem Bauern ein Herr. Der Herr muss nicht mehr arbeiten, sondern lässt arbeiten und widmet sich anderen Aufgaben.
Zum Beispiel, er beginnt damit gefährliche Tiere zu jagen die "seinen" Bauern fressen würden. Zusätzlich verjagd er Eindringlinge. Damit hätten wir nun eine Art Ritter. Das ganze läuft natürlich über Generationen, zusätzlich hat der stärkste ja auch oft die höchste Anziehungskraft auf das andere Geschlecht. :grübel:

EDIT: Dazu kommt vielleicht noch die Religion, dank guter Ernten ist er in der Lage den Göttern die schönsten Opfer zu bringen. Das stärkt ja ebenfalls seine Position.
Die anderen Bauern werden vielleicht durch eine Hungersnot abhängig, er ist vielleicht kein Unmensch und hilft den anderen druch eine schwere Zeit. Das stärkt ebenfalls sein Ansehen, und macht andere von im Abhängig bzw. Schuldig.

(Als Bezug zur Intelligenz, "Der dümmste Bauer hat die dicksten Kartoffeln.")
 
Zuletzt bearbeitet:
Lord Raglan schrieb:
Mir geht dabei folgendes durch den Kopf, eine Gruppe Siedler (Nomaden) trifft in einer unbewohnten Region ein. Der Stärkste sichert sich ein schönes Stück Land. (Bisher war er der beste Jäger) Schön nahe an der Quelle mit viel Sonne. Er hat so die besten Erträge, kann so seine Familie gut ernähren und seinen Wohlstand mehren. Dadurch kommt er in die Lage andere Bauern von sich abhängig zu machen, ...

Diese Gruppe Nomaden mutiert dann aber nicht plötzlich im neuen Gebiet zu Bauern! Gruppen mit nomadischer Lebensweise sind entweder Jäger/Sammler oder betreiben Viehwirtschaft.
Außerdem: Felder in Wassernähe mögen ja für einen Bauern ein Vorteil sein, wie er aber mehr Sonnenschein herbeikriegt als seine Nachbarn...?
 
ich weiss nicht ob das grad hierher passt, aber ich habe letztens was schönes in wikipedia gelesen, wer die Klassengesellschaft im Zweistromland eingeführt hat.
Leiser ist es mehr Mythos als ein wissenschaftl. Fakt

Dschamschid ? Wikipedia

vllt. hilft euch das weiter
 
Landnahme

Bei der Frage der Landnahme fehlt mir noch ein ganz wichtiger Aspekt: Wann und warum nehmen Menschen Land als ihren Besitz, sei es als Person oder als Gruppe?

Wer Ackerbau betreiben will, muß darauf hoffen können, das zu ernten, was er gesäht, gehegt und gepflegt hat. Wer Vieh halten will, mag es unter Umständen für praktischer halten, dies auf definierten und eingezäunten Weideflächen zu tun, als nomadisch umherziehend. Ich würde vermuten, bei fetteren Weiden und weniger Stückzahl, macht Seßhaftigkeit in der Viehaltung mehr Sinn. Seßhaftigkeit hat auf jeden Fall den großen Vorteil, daß man viel mehr besitzen kann, weil man nicht mehr alles dauernd umhertragen muß.

Die Landnahme ist eine Konsequenz der Seßhaftigkeit.

Andererseits kennen aber auch nomadische Gesellschaften Hierarchien. Wie ausgeprägt sind diese Hierarchien? In wie weit sind sie erblich? Gibt es da signifikante Unterschiede zu seßhaften Gesellschaften?
 
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