Wie funktionierte die Proskription?

BerndHH

Aktives Mitglied
Hallo zusammen,

kann jemand von Euch erklären, wie die Proskription funktionierte?
Sulla lässt Proskriptionslisten unliebsamer Personen aus dem Kreis des Marius und Cinna an öffentlichen Plätzen annageln und diese für "vogelfrei" zu erklären?
Aber wie funktionierte das? Was stand auf diesen Listen? Senator XX, Ritter YY sei ein Staatsfeind und seine Ermordung sei von nun an straffrei.
Reichte die Behauptung, Senator XX sei ein politischer Gegner aus, damit ihn jederman auf der Straße ungestraft erschlagen konnte - und seine Besitztümer gingen dann auf Sulla über?
Und der Auftragsmörder bekam eine kleine Belohnung?

Wozu führten die Proskriptionslisten? Zu amtlich, bzw. vom aktuellen Machthaber, angezettelten Blutbädern?
Es wurde ja 2x praktiziert. Zur Zeit des Sulla und ein zweites Mal zur Zeit des Thriumvirates. Marcus Tullius Cicero fiel dem ja auch zum Opfer.

Vielleicht kann das jemand von Euch näher erläutern?
 
Proskriptionen: Wer auf diesen Listen stand, lebte nicht mehr lange - WELT
Wer auf diesen Listen stand, hatte nicht mehr lange zu leben

83 v.Chr Menschenjagd. „Liste der Staatsfeinde“
Ein Dutzend Gegner, darunter Marius, wurden auf einer ersten „Liste“ für vogelfrei erklärt. Die meisten entkamen.
Das war der Auftakt für die Neuordnung des Gemeinwesens. Dafür ließ sich Sulla das Notstandsamt des „Dictators“ übertragen, das aber deutlich verlängert und um das Privileg der Gesetzgebung erweitert wurde. Zugleich begann die Abrechnung mit den Gegnern. Immerhin ließ er sich dazu herab, die Namen der Verfolgten zu veröffentlichen, um der quälenden Unsicherheit für die Verschonten ein Ende zu machen.
Die erste Liste mit Proskribierten (Achterklärten) umfasste 80 Namen, die nächste 220 und weitere in ähnlicher Größenordnung folgten, wobei Sullas Anhänger die Chance nutzten, private Rechnungen zu begleichen. Wer auf den Proskriptionslisten auftauchte, durfte nicht nur straflos getötet werden, sondern der Täter erhielt sogar eine Belohnung. Wer den Verfolgten half, dem drohte die Todesstrafe. Sklaven, die ihre Herren verrieten, wurde die Freiheit versprochen; Sulla reihte zehntausend von ihnen als Cornelii unter seine Klienten ein.
Was die Sache besonders lukrativ machte, war der Umstand, dass die Vermögen der Geächteten zugunsten der Staatskasse eingezogen wurden.

Also war Proskritpion nichts anderes als offene und amtlich legitimierte Verfolgung politischer Gegner im Gegensatz zum nicht öffentlichen Niedermachen durch gedungene Mörderbanden?
 
40 Senatoren und 1.600 Ritter konnten so niedergemacht werden ohne dass es zu einer entsprechenden Gegenreaktion kam.
 
40 Senatoren und 1.600 Ritter konnten so niedergemacht werden ohne dass es zu einer entsprechenden Gegenreaktion kam.

Wie so oft in einer Tyrannei: Eine Gegenreaktion hätte nur allzu schnell dazu geführt, dass die Betreffenden einen Platz auf der nächsten Liste bekommen hätten...

Was stand auf diesen Listen? Senator XX, Ritter YY sei ein Staatsfeind und seine Ermordung sei von nun an straffrei.
Reichte die Behauptung, Senator XX sei ein politischer Gegner aus, damit ihn jederman auf der Straße ungestraft erschlagen konnte - und seine Besitztümer gingen dann auf Sulla über?

Die entscheidende Frage: Wer kann Namen auf diese Listen setzen? Zuerst mal Sulla. Über ihn auch Leute, die Einfluss auf ihn ausüben konnten, oder denen er glaubte. Dass Personen ohne sein Wissen betroffen waren glaub ich nicht, aber wenn einer seiner Anhänger erzählte, Marcus Normalus, dessen Name Sulla vorher noch nie gehörte hatte, sei ein politischer Feind... ging vermutlich schlecht für Marcus aus...

Für die Betroffenen hieß es dann "Rennen oder sterben", ja. Wenn man sich weit genug ins Exil zurück zog, konnte man vielleicht untertauchen, oder es war (bei eher unwichtigen Personen) schlicht nicht wert, diese bis ans Ende der Welt zu verfolgen, solange sie aus Rom & Italien verschwanden. Das Vermögen wurde eingezogen, und das betraf natürlich va das, was wirklich was wert ist: Gebäude, Grundstücke bzw Landbesitz, Unternehmen, große Zahlen an Sklaven. Die konnte ein Exilierter auch nicht retten. Und wegen dem, was die an Habseligkeiten & Barvermögen mitnehmen konnten, wird sich Sulla auch keinen großen Kopf gemacht haben, fett wurd der anderswo.

Also war Proskritpion nichts anderes als offene und amtlich legitimierte Verfolgung politischer Gegner im Gegensatz zum nicht öffentlichen Niedermachen durch gedungene Mörderbanden?

Wenn ich das richtig in Erinnerung hab, wars zT auch eine nachträgliche Legitimisierung von Mordtaten, die es in den politischen Auseinandersetzungen vor seiner Diktatur gegeben hatte.
 
Okay aber dumm gefragt: warum mussten Mordbefehle denn öffentlich gemacht werden?

Verfügte Sulla denn nicht über die Ressourcen, unliebsame Personen still und heimlich verschwinden zu lassen?

WP Lucius Cornelius Sulla Felix

Bereits vor seiner Ernennung zum Diktator hatte Sulla die Proskriptionen eingeleitet. Die rechtliche Grundlage der Proskriptionen wurde mit der lex Valeria, die auch die Ernennung Sullas zum Diktator regelte, nachträglich geschaffen. Sie enthielt sowohl die Billigung der bereits erfolgten Proskriptionen als auch die Ermächtigung zur Weiterführung der Massentötung politischer Gegner.

Also es sollte anscheinend nicht bei Nacht und Nebel geschehen, sondern ein öffentlicher Aufruf an Kopfgeldjäger, die dann die "Dreckarbeit" erledigen.
 
Das kann man nicht vergleichen.

Die Proskriptionen waren nämlich "legal", es gab eine Rechtsgrundlage dafür. Wieso sollte man Meuchelmörder einsetzen und Personen heimlich beseitigen, wenn die Zielpersonen legal verfolgt und getötet werden dürfen?
Außerdem durften die Proskribierten von jedermann getötet werden. Im "Idealfall" wurden die Proskribierten also nicht nur von ein paar Meuchelmördern und Schergen gejagt, sondern von der gesamten Gesellschaft, auch von den "Freunden", Bekannten, Angehörigen und Sklaven der Proskribierten. Das eröffnet ganz andere Möglichkeiten, sie auszuschalten.

Vielleicht mag auch die Überlegung eine Rolle gespielt haben, möglichst viele Menschen wegen ihrer Mitwirkung mit Schuld zu beladen und so an das neue Regime Sullas zu binden, weil sie fürchten mussten, im Fall eines popularen Umsturzes zur Rechenschaft gezogen zu werden.
 
Proskriptionen: Wer auf diesen Listen stand, lebte nicht mehr lange - WELT
"Immerhin ließ er sich dazu herab, die Namen der Verfolgten zu veröffentlichen, um der quälenden Unsicherheit für die Verschonten ein Ende zu machen."
Man musste allerdings erst einmal erfahren, ob man auf der Liste stand oder nicht. Das konnte bereits lebensgefährlich sein. Plutarch überlieferte in seiner Sulla-Biographie den Fall eines gewissen, eigentlich unbedeutenden und harmlosen, Quintus Aurelius, der auf der öffentlich angeschlagenen Liste seinen eigenen Namen las. Es reichte gerade noch für ein "Weh mir, mein Gut in den Albanerbergen verfolgt mich." (womit er den Grund für seine Proskription - Gier nach seinem Besitz - mutmaßte), denn als er sich nur wenig entfernt hatte, wurde er bereits getötet.
 
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