Wie konnte McClellan die Konföderation so überschätzen

Zoki55

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Hallo Community,

mir ist es echt unbegreiflich wie McClellan die Stärke der Nord Virginia Armee überschätzen konnte. Er dachte er hätte es mit 300.000 Bewaffneten Soldaten zu tun. Wie kommt jemand darauf. Die Konföderation hatte nur 5 bis 5,5 Millionen weiße Einwohner, der Norden 22,5 Millionen. Hatte eine viel schwächere Industrie, konnte also schon mal weniger Soldaten ausrüsten und eine schlechtere Bahn, konnte also die Armee auch viel schlechter mit Nahrungsmittel e.t.c. versorgen.

Trotzdem zögerte er bei der Sieben Tage Schlacht die ganze Zeit anzugreifen, weil er dachte der Süden wäre überlegen.

Wie kam jemand, der sicher nicht Dumm war, sonst hätte er West Point nicht abgeschlossen, auf so eine Kalkulation.

Mir unerklärlich hatte er schlechte Daten Infos.
 
McClellan war ein sehr guter Organisator, der Aufbau und die Ausbildung der Potomac-Armee war im Wesentlichen sein Werk. Er kümmerte sich gut um seine Soldaten, nahm Anteil an deren Problemen und Bedürfnissen, und er war deswegen bei der Truppe durchaus beliebt. Er war Militärbeobachter im Krimkrieg gewesen, ein auf Erfahrungen aus dem Krimkrieg basierender Sattel, den McClellan entwickelte blieb in der US-Armee in Gebrauch, solange sie Kavallerie in Gebrauch hatte.

McClellans Stärke lag in der Organisation, im Aufbau einer Armee, in allem was mit Logistik der eigenen Truppe zusammenhing. Kaum ein Kommandeur des Bürgerkriegs übertraf McClellan darin, eine mustergültiges Lager aufzuschlagen, Hygiene zu halten, effektiv Latrinen anzulegen, und eine Armee im Lager gesund und motiviert zu erhalten, und dabei gleichzeitig die Truppen in Form zu halten.

McClellan war ein Organisator und Logistiker, aber kein Troupier. Improvisation war nicht seine Stärke. Auch nicht gewagte Manöver, schnelle Entscheidungen. Grant hat niemals seine Toten gezählt, aber er hatte die nötige Nervenstärke, um sozusagen mitten im Kugelhagel ruhige Befehle zu geben. McClellan verfügte nicht über die "Nehmerqualitäten" von Grant, er ließ sich von eigenen Verlusten stark beeindrucken, ohne daran zu denken, dass der Gegner ebenso große Verluste erlitten hatte.

Darin, eine Armee aufzustellen, sie auszubilden, sie in Form, gut ernährt, gesund und bei guter Laune zu halten, gab es wenige, die sich mit McClellan messen konnten. Mit dieser Armee aber zu operieren, sie notfalls aufs Spiel zu setzen, ging McClellan gegen den Strich. Er wollte diese Armee, die er aufgebaut hatte nicht verlieren, große eigene Verluste schienen ihn zu demoralisieren, er schien den Gegner, der ihm solche zufügte für übermenschlich zu halten und er bevorzugte es, sich zurück zu ziehen, sobald er Risiken witterte.
 
Fast alle Schlachten und Kriege werden gewonnen mit Reserven. Der Amerikanische Bürgerkrieg stellte mit seinen Dimensionen alles auf den Kopf, was Nordamerika an kriegerischen Konfrontationen bis dahin erlebt hatte. Gemessen an ärztlicher Versorgung und Schmerzmitteln war der Norden, je länger der Krieg dauerte weit besser ausgestattet. Auch was Bewaffnung betraf, viele Südstaatenregimenter waren noch mit Vorderladern aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert ausgestattet. Etliche Waffen waren nicht einmal mit Perkussionsschloss ausgestattet.

Die neuen Minnie-Geschosse hinterließen Wunden, bei denen oft nur noch die Amputation half. Die Qualität eines Chirurgen wurde oft daran gemessen, wie viele Amputationen er schaffte innerhalb einer gewissen Spanne Zeit. In den Schlachten gingen oft an einem Vormittag die männliche Bevölkerung ganzer Kleinstädte drauf.

Für einen Kommandeur bedeutete das, Männer zu verlieren, die man kannte, die man ausgebildet hatte, die Erwartungen an ihren Kommandeur hatten. Der Süden konnte sich solche Verluste noch weniger leisten, als der Norden. Aber auch in den Nordstaaten lebte die Mehrheit auf dem Lande, und bei Bull Run und Shilo, am Antietam und bei Chancellorsville gingen ganze Kleinstädte aus Pennsylvania, New York, Massachusetts zugrunde.

Der Norden brauchte sehr lange, bis es ihm gelang, sein demographisches und industrielles Übergewicht in die Waagschale zu werfen. Die Verluste waren auch noch hoch, als die Überlegenheit des Nordens immer drückender wurde, und Verluste waren durchaus ein Thema, für das Kommandeure kritisiert wurden. Grant wurde heftig kritisiert wegen seine Verluste und mehr noch wegen der Unbekümmertheit, mit der er sie (nicht) zur Kenntnis nahm.

McClellan wurde als Cunctator kritisiert und man warf ihm, durchaus zu Recht vor, den Gegner doppelt zu sehen, Lee geradezu übermenschliche Fähigkeiten zuzuschreiben.

Grant hatte viele Schlachten gewonnen durch Beharrlichkeit, das Schlachtfeld zu behaupten. Die Schlacht von Shiloh war bis dahin das größte Gemetzel auf amerikanischem Boden, de Norden hatte am 1. Tag enorme Verluste erlitten, erhielt aber am Abend Verstärkungen, und Grant gab die Losung aus "aber morgen zeigen wir es ihnen!"



Mit der Dimension extrem hoher eigener Verluste musste ein Kommandeur erst mal fertig werden. Auch Grant, der nie seine Toten zählte, wurde durch die anhaltenden Verluste depressiv. McClellans Potomac Armee hatte sich nicht schlecht geschlagen, und auch die Konföderierten hatten enorme Verluste.

McClellan kam nicht damit klar, mit der Armee, die er aufgebaut hatte auch zu operieren und Verluste als notwendigen Preis in einem Abnutzungskrieg zu akzeptieren. Die Potomac Armee hatte sich gut geschlagen, sie hatte den Konföderierten ebenso hohe Verluste zugefügt, die Armee war durchaus nicht geschlagen.

McClellan aber ging davon aus, dass er seiner Armee nicht mehr zumuten konnte. Wenn man den Zustand der Armee sah und ihre Verluste, dann hatte McClellan vielleicht sogar recht. Die Verluste im Bürgerkrieg, und das was den Truppen zugemutet wurde, ging teils über das weit hinaus, was man Menschen zumuten kann. Die Verluste im Bürgerkrieg waren höher, als die amerikanischen Verluste im 1. und 2. Weltkrieg. Kaum ein moderner Offizier würde einen Angriff auf Mary`s Heights befehlen oder Picktons Charge bei Gettysburg.

Solche Verluste hatte es bisher nie gegeben. McClellan fiel es noch unendlich schwerer, da er die Armee aufgebaut hatte, die Potomac Armee war sein Werk. McClellan überschätzte Auflösungserscheinungen der eigenen Truppen, neigte dazu, den Gegner zu überschätzen.

Solche Verluste zu akzeptieren, war McClellan nicht fähig.
 
Wer Dreckfehler findet, darf sie behalten.

George Picket kam nie so recht über die enormen Verluste seiner Division bei Gettyburg hinweg. Gut die Hälfte seiner Männer hatte den Angriff nicht überlebt, und Picket war der Ansicht, man habe seine Männer verheizt.

Was ja auch stimmt. Der Angriff war der reinste Wahnsinn gewesen.
 
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