Wie lief eure "Vormilitärische Ausbildung" in der Polytechnischen Oberschule ab?

@Barbarossa

Als ich den Titel des Threads las, dachte ich easy, oral history im Forum. Beim nachdenken darüber merkte ich, wie sich meine Erinnerungen eingetrübt haben und überlagerten.

Ein Versuch:

Als ich die POS verlassen habe, gab es noch keinen Wehrkundeunterricht (1977). Vormilitärische Ausbildung fand im Rahmen des Sportunterrichtes statt. Handgranaten werfen (logisch keine echten) und Luftgewehrschießen. Als äußerst lästig erinnere ich die sogenannten "Bewerbergespräche". Hierzu wurde man ab der 7. Klasse zum stellv. Schuldirektor für außerschuliche Angelegenheiten, dem Klassenlehrer und oft einem Vertreter des Wehrkreiskommandos sowie dem FDJ-Sekretär (=Pionierleiter der Schule) bestellt. Zielsetzung des Gespräches war eine Verpflichtungserklärung (drei Jahre Armee [Uffz. auf Zeit], zehn Jahre Armee [Berufsuffz.] oder 25 Jahre [Berufsoffizier]). Wie man sich da fühlte wird unübertroffen in dem Film "Sonnenallee" gezeigt. Für die, die eine Verpflichtungserklärung unterschrieben haben, gab es dann in unregelmäßigen Abständen sogenannte "Bewerberkreisgespräche".

In meiner Lehrzeit mußten alle Jungs in ein 14-tägiges GST Lager und die Mädchen in ein 14-tägiges ZV-Lager. In dem GST-Lager war ich in der Wachgruppe und habe die 14 Tage sinnlos Wache "geschoben", und zwar ausgerüstet mit einem Luftgewehr (Repetiergewehr). Uniformiert waren wir während des "Dienstes" mit der sehr kleidsamen und coolen GST Uniform ;) Vorgesetzte waren die Berufschullehrer und Offiziersbewerber aus meiner Berufsschule und anderer Schulen; an Probleme mit den Vorgesetzten erinnere ich mich nicht, außer den üblichen wie Uniformordnung, Bettenbau etc. - halt die üblichen Disziplinarprobleme.

Insgesamt empfand ich das Ganze als lästig und irgendwie lächerlich, heute würde ich sagen, systemimmanentes Konformitätsverhalten.

M.
 
Auch wenn @hurvi gestern mal wieder motzen musste, hier Teil 2.

Im 2. Studienjahr mussten alle Studenten für 6 Wochen ins Lager. Diejenigen, die schon gedient hatten (fast alle) kamen in ein Lager im Westerzgebirge und waren hinterher Reserveleutnant.

Das betraf mich nicht, ich kam mit 20 anderen "Ungedienten" und dem gesamten weiblichen Jahrgang der Hochschule nach Boltenhagen an der Ostsee(Zivilverteidigungslager).
Ich hatte freiwillig im Vorfeld eine Gruppenführerausbildung mitgemacht und zwar deshalb, weil man als solcher auch Nachtausgang bekam (und abends, wenn dienstfrei, Bier in der Kantine trinken durfte). Bis zu Mutti in Wismar waren es nur 20 km mit dem Bus...

Wir Jungs bildeten den Wachzug, dh. wir mussten das Lager rund um die Uhr bewachen und waren für Brandschutz zu ständig. Angesichts des grotesken Geschlechterverhältnisses und der relativ langen Zeit des Eingesperrtseins waren wir im wahrsten Sinne des Wortes der Hahn im Korb, Details gehören hier nicht her.

Übungen mussten wir nicht mitmachen. Es gab aber auf Wache viel zu tun, vor allem nachts. 500 m weiter war ein Marinestützpunkt und wenn die Matrosen angesäuselt aus dem Ausgang kamen, war die Verlockung groß, mal schnell über den Zaun zu klettern und nach den Damen zu sehen. Fast jede Nacht haben wir ein Dutzend von ihnen aufgegriffen und erbarmungslos bei der Kommandantur abgeliefert. Keine fremden Gockel in unserem Hühnerstall...

Teil 3, wenn erwünscht: Wie ich im Lager mit der Stasi zu tun bekam...
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich möchte gern die Leute bitten, die in den ´80er Jahren in der DDR in die Schule gegangen sind, von ihren Erlebnissen während der sogenannten "Vormilitärischen Ausbildung" zu erzählen.
Meine Erinnerungen daran sind inzwischen eher wage (war ebenfalls '84), aber was ich noch weiß deckt sich völlig mit Deiner Beschreibung, scheint also eine Art Standardprogramm gewesen zu sein :)

An das Schießen mit der KK-MP kann ich mich noch recht gut erinnern. Der Ausbilder lobte meine Haltung beim Schießen, getroffen hab ich nix :rolleyes:

Beim Wacheschieben war vor allem die Nachtwache anstrengend. Da man jwd war auch etwas unheimlich. Ich meine mich zu erinnern, daß man uns sogar diese Kleinkaliber-Knarren dazu in die Hand gedrückt hat, bin mir aber nicht sicher.
 
Genau um dieses Lagerim Rahmen der "Wehrerziehung" in der Schule geht es mir jetzt aber. Man mußte dabei auch nicht unbedingt in der GST Mitglied sein und die wenigsten von uns waren auch tatsächlich drin.

Das mit den GST-Migliedern und der Betätigung dort, das war wieder ein anderes Thema.

Zu dieser "Wehrerziehung", um die es mir geht, gehörte ja auch noch ein theoretischer Teil, der in der Schule stattfand.

Warum nur POS und warum auf 80er Jahre eingegrenzt ?

Ich kann berichten , das es diese Lager zur vormilitärischen Ausbildung bereits in den 60er Jahren in den Ferien an den EOS gab.
Natürlich gekoppelt mit der schuleigenen GST-Organisation.
Wer nicht bereits in der GST war bekam in diesen Lagern Grundkenntnisse
im KK-Schiessen , Geländemarsch , Sturmbahn , Karten/Kompass-Benutzung.......
Die Mädels wurden vorwiegend sanitätstechnisch gleichzeitig ausgebildet.
( mit einigen sportlichen Nullen männlichen Typs )
Drücken konnte sich keiner ...Klassenbewusstsein usw.........

Das Fach " Wehrerziehung " gab es da zwar noch nicht - allerdings wurde sowieso erwartet , das sich alle in der GST betätigen würden - und da gab es tatsächlich lukrative Angebote bei uns ...Segelflug ,Fallschirmspringen,
Motorsport (einschl.kostenlose Fahrerlaubnis )...da machten sogar Mädels
freiwillig mit.
 
Dann hattest du die falsche Wurftechnik, es kam ja auf Weite an. Man lässt den Arm ausgestreckt und wirft das Ding wie einen Diskus, sonst fliegt der Arm mit.
Das ist sehr gut möglich. Nur hat uns das nie jemand beigebracht - wir mußten einfach draufloswerfen. Außerdem bin ich von äußerst zierlichem Körperbau, so daß derartige Wurfgeschosse auch bei richtiger Technik nix für mich sind..... :D
 
Ich habe den Schwachsinn des Wehrlagers auch mit gemacht, oder mitmachen müssen, daß allerdings Jungs davon befreit wurden war mir neu. Ich kann mich nur ein einen Jungen erinnern, der nicht zur FJD zugelassen wurde, warum weiß ich nicht mehr. Auf jeden Fall wurde dies offiziell mitgeteilt, sprich man hat den armen Kerl regelrecht an den Pranger gestellt.

Darum kann ich jetzt auch nicht verstehen, wieso hier auf Lagerfeuerromantik gemacht wird, denn Kinder mit 13 oder 14 Jahren mit militärischen Drill zu schulen, sowie eine Schießausbildung zu absolvieren erschließt sich mir bis heute nicht.

Sicherlich könnte man hier jetzt auch einen Teil der Aktivitäten in den Bereich einer Pfandfinderausbildung ziehen, wenn da nicht immer diese absolute Politisierung stattgefunden hätte und anders Denkende durch psychischen Druck mundtot zu machen und als Unglaubwürdig aus der Gesellschaft zu schließen.

Ich meine, wenn wir hier User hätten, die über ihre Jugendzeit der Hitlerjugend und den damaligen Wehrlagern oder wie auch immer das da hieß, schreiben würden mit dem Hang zu Melancholie auf die doch so tollen alten Zeiten, glaube ich kaum, daß wir das toll finden würden.

In der Struktur war aber die FDJ und die HJ sowie der Grundgedanke der jeweiligen Diktatur seine männliche Jugend schon früh auf die politisch-militärisch Ausrichtung der Gesellschaft zu prägen gleich.

Was für einen Sinn hatten den die Wehrlager in der DDR? Ich sehe heute Plakate die gegen Kindersoldaten sprechen, vor allem im Bürgerkriegsgeplagten Afrika. Und wir schreiben hier über unsere Kinder- und Jugendzeit und wie schön es doch war, den Mädels beim Duschen zu zuschauen.
Aber der wahre Kern, der wahre Grund der Wehrlager und schon früh beginnenden Wehrertüchtigung in der DDR gehört m.E. ebenfalls zum Thema Kindersoldaten.
 
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Ich habe meine heutige Frage absichtlich in die Rurik "Fragen" gestellt, weil es sein könnte, daß sich der eine oder andere Gast ebenfalls daran beteiligen möchte und eine Anmeldung in der entsprechenden Rubrik "DDR/BRD" nicht so schnell geht. Ich möchte deshalb auch die Moderatoren bitten, diese Frage wenigstens für einige Wochen in dieser Rubrik zu belassen.


Es gehr mir heute auch nicht um eine politische/moralische Bewertung dieser Ausbildung sondern nur um möglichst genaue Zeitzeugenberichte, in denen auch erzählt wird wann und wo das war.

Um hier den sachlichen geschichtlichen Hintergrund Bebe´s zu wahren, würde ich auch mal gern was dazu sagen.
Dann wahre Du einmal zuerst den Rahmen, den der Ersteller des Threads schrieb!
Der gibt nämlich immer den Ton an. Bis jetzt fand ich keine Lagerromantik bei irgendeinem, sondern in der Regel sachliche Beschreibungen des Erlebten. (Etwas amüsante Passagen gehören dazu.)

Bitte weiter so!
Ich finde das Ganze sehr spannend.
Leider kann ich nur erzählen, was mir meine Eltern so berichteten und das ist auch nur schwammig und tendenziell vor 1975.:rotwerd:
 
Sorry, das habe ich wohl mit Bebes "Schnapsideen der Techniker verwechselt....Ich hoffe er sieht es mir nach.
 
Hallo Walter,
was die Ziele sowie die Art und Weise ihrer Umsetzung in diesen ZV-/GST- oder sonstwie bezeichneten Lager/Ausbildungen angeht, gebe ich dir völlig recht. Ob diese Ziele auch erreicht wurden, möchte ich aber stark bezweifeln, vor allem bei den Teilnehmern die überhaupt kein Interesse daran hatten.
Das es in jeder Gesellschaft einen Haufen Leute gab und gibt, denen das (Schießen, hantieren mit Waffen usw.) wenigstens in einem bestimmten Lebensabschnitt Spaß macht, darüber brauchen wir hier auch nicht zu streiten.
Ob die DDR-Jugendlichen im Falle eines Krieges genauso verheizt werden sollten wie die HJ, kann ich nichts sagen, da ich darüber keine Informationen habe.
Den Vergleich mit Kindersoldaten wo auch immer in unserer Welt finde ich dann aber doch daneben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Den Vergleich mit Kindersoldaten wo auch immer in unserer Welt finde ich dann aber doch daneben.

Wieso danneben, was war den der Hintergrund schon Kinder wehrfähig auszubilden? Sicherlich nicht, wegen nächstenliebe.

Man muß das realistisch sehen, denn im Fall einer kriegerischen Auseinandersetzung, wäre die gesamte Bevölkerung der DDR wehrfähig einsetztbar wie Militär.

Wenn ich mich darin erinnere, wie man uns als Grundschulkinder bearbeitet hat, da saßen zwei Offiziere vor Dir, mit dicken Hornbrillen und fragen dich aus, was so deine Hobbies sind, um schon die 10jährigen einzuordenen, für welchen Heeresteil sie taugen würden.
Das ist doch krank und zeugt von absoluter Menschenverachtung, da der Mensch nur als Soldat was gilt. Dafür hatte sich die Bevölkerung schon 1918 des Kaisers entledigt, um den Militarismus aus der Gesellschaft zu fegen und jetzt kamen die in der DDR mit Parolen des Liebknecht, um wiederum den Soldaten an Spitze der Gesellschaft zu stellen? Da beißt sich doch der Hund in den Schwanz und die haben es geschafft, die Menschen 40ig Jahre für Dumm zu verkaufen...

Das ist das was ich meine und entschuldigt meine harten Worte...
 
Wenn ich mich darin erinnere, wie man uns als Grundschulkinder bearbeitet hat, da saßen zwei Offiziere vor Dir, mit dicken Hornbrillen und fragen dich aus, was so deine Hobbies sind, um schon die 10jährigen einzuordenen, für welchen Heeresteil sie taugen würden.

Walter, hattest du da einen Alptraum?
Den ersten Hornbrillenträgern bin ich erst bei meiner Musterung für die Armee begegnet.

Man sollte da auch mal die Zeit nicht ausser Acht lassen.
Kalter Krieg und überall rumste es auf der Welt.
Als Kind hat mir sowas sogar Spass gemacht, wer denkt da schon an Weltpolitik?
Auch wenn es offiziel nur Geländespiel hiess, welcher Junge macht das denn nicht gerne mit.

Ich will das auch nicht beschönigen, aber kann auch nichts schlimmes daran finden.
Wenn ich lese, wieviel Kinder heute mit Promillewerten, die erschüttern, aufgegriffen werden, dann frage ich mich schon, ob hier und heute etwas falsch gemacht wird und nicht damals.
 
@ Walter

Ich denke, daß der Initiator des Threads Erfahrungsberichte sammeln möchte und ich möchte Brissontin zustimmen, hier gibt es in den Berichten keinerlei "romantische Verklärung". Klar, die militärische Erziehung und gleichsame "Zurüstung" von Kids ist diskussionswürdig und, logischerweise, verabscheuungswürdig. Aber eine solche Diskussion möchte der Thread-Initiator nicht - dann hätte er ihn anderes positioniert.

M.

O.T.: Im übrigen habe ich bei meinem "Wache schieben" nicht über den Weltfrieden nachgedacht, sondern darüber, daß die Mädels einsam im ZV-Lager waren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Walter, hattest du da einen Alptraum?
Den ersten Hornbrillenträgern bin ich erst bei meiner Musterung für die Armee begegnet.

Nee, ist Realität gewesen und mir wird heute noch schlecht dabei...

@ Walter

Ich denke, daß der Initiator des Threads Erfahrungsberichte sammeln möchte und ich möchte Brissontin zustimmen, hier gibt es in den Berichten keinerlei "romantische Verklärung".

Sicher hatte grade Barbarossa keine Romatik im Sinn...
 
Den ersten Hornbrillenträgern bin ich erst bei meiner Musterung für die Armee begegnet.

Ich zwar etwas früher (etwa 7./8.Klasse im Rahmen der Berufswahl), aber keines Falls in der Grundschule und in der von Walter gemannten Form.
Damit will ich nicht abstreiten, das Walter und möglicherweise andere soetwas erlebt haben, aber ich höre davon zum ersten mal.
Zum Kindersoldatenvergleich: OK, alle unter 18. Jährigen sind dem Gesetz nach Kinder. Demnach wären alle, im Falle eines Krieges rekrutierten, unter 18. Jährigen dann Kindersoldaten gewesen.
Ich hätte aber doch gern einen konkreten Beweis über solche Pläne.
 
Ich zwar etwas früher (etwa 7./8.Klasse im Rahmen der Berufswahl), aber keines Falls in der Grundschule und in der von Walter gemannten Form.
Damit will ich nicht abstreiten, das Walter und möglicherweise andere soetwas erlebt haben, aber ich höre davon zum ersten mal.
Zum Kindersoldatenvergleich: OK, alle unter 18. Jährigen sind dem Gesetz nach Kinder. Demnach wären alle, im Falle eines Krieges rekrutierten, unter 18. Jährigen dann Kindersoldaten gewesen.
Ich hätte aber doch gern einen konkreten Beweis über solche Pläne.

Ich glaubte mich zu erinnern, dass ich das schon in der 4.-5. Klasse erlebt hatte, aber ganz sicher bin ich mir da nicht, ob es auch etwas später war, wie Sascha66 es erwähnt. Aber ich glaube das spielt letztendlich keine Rolle ... das es schon früh losging beweist das Eintrittsalter der Jungpioniere...

Und Pläne, inwieweit die Bevölkerung in einem Konflikfall einbezogen wird kann ich Dir nicht vorlegen, so wie es keinen schriftlichen Schießbefehl gab oder die Internierungslager im Jahr 1989 nicht belegt sind usw.

Wenn wir jetzt die DDR als reines Spekulationsobjekt betrachten, weil es keine Belege mehr gibt, dann haben die falschen gewonnen...:confused:
 
Ich glaubte mich zu erinnern, dass ich das schon in der 4.-5. Klasse erlebt hatte, aber ganz sicher bin ich mir da nicht, ob es auch etwas später war, wie Sascha66 es erwähnt. Aber ich glaube das spielt letztendlich keine Rolle ... das es schon früh losging beweist das Eintrittsalter der Jungpioniere...
Die Pionierorganisation als quasi-militärischer Verein? Also ich weiß nicht ....
Mir kam das alles immer reichlich albern vor, und nach meinen persönlichen Erfahrungen nahm es auch keiner der Verantwortlichen so richtig ernst. Kann natürlich daran liegen, daß Ende der 80er einfach die Luft raus war.
 
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