Wie rechtsstaatlich war das Rechtssystem in der DDR?

Barbarossa

Aktives Mitglied
Hallo Leute!

Heute muß ich euch noch einmal "nerven". ;)

Und zwar - anderes Thema, gleiches Anliegen:
Ich möchte die Ex-DDR-Bürger gern fragen, welche Erfahrungen ihr mit der DDR-Rechtssprechnug gemacht habt und daß ihr darüber mal erzählt.


Ok.
Immer wieder gab es in der Vergangenheit recht heftige Diskussionen darum, ob die DDR nun ein Rechtsstaat oder ein Unrechtsstaat gewesen sei, mit dem Argument, es hätte zwar politische Gefangene gegeben, aber die normalen Zivilprozesse verliefen rechtsstaatlich. Selbst Rechtsgeschichtler beurteilen die Justiz in der DDR folgendermaßen:
Der Rechtsgeschichtler Prof. Uwe Wesel stellte fest, dass das DDR-Recht bis auf den Umgang mit den politischen Gegnern nicht schlechter als in der Bundesrepublik war.
Quelle: Pauschale Urteile fehl am Platz*-*Märkische Allgemeine - Nachrichten für das Land Brandenburg
Dies kann ich so jedoch nicht sehen lassen.
Ich war mit meiner damaligen Schulklasse in den ´80er Jahren bei einer solchen "normalen" Gerichtsverhandlung als Zuschauer und habe gesehen, wie eine solche Gerichtsverhandlung in einem eigentlich völlig normalen Zivilprozess ablief. Ich muß gestehen, daß ich entsetzt darüber war, wie mit dem Angeklagten umgegangen wurde und wie die "Richterin" ständig die moralische Keule über dem Angeklagten schwang. Daß er etwas falsch gemacht hatte, als er unter Einfluß von Alkohol einen Unfall verursachte, wußte der Angeklagte natürlich selbst, also warum mußte die "Richterin" noch den „Moralapostel“ spielen und den Angeklagten während der Gerichtsverhandlung noch zu moralischen Äußerungen zwingen?
Das war für mich keine ordentliche Verhandlung, sondern ging durchaus schon in Richtung "Schauprozess" - selbst bei solch einem Fall, der eigentlich völlig unpolitisch hätte sein müssen. Aber in der "DDR" war eben nichts unpolitisch.

Mehr Erfahrungen, als diese Exkursion zum Gericht nach Oranienburg, hatte ich nicht in der DDR.
Wer kann mehr erzählen?
:winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich glaube, die Frage zielte aber mehr auf zivilrechtliche Fragestellungen, die kein politisches Gewicht besassen.
Daher ist der Beitrag oben zwar sehr schön, aber wohl keine echte Antwort.
Ich wollte nur beisteuern, dass ich (vor nem Jahr?) ebenfalls in einem Prozess war (mit der Klasse) und dort ebenfalls über den noch jugendlichen Angeklagten, wenn auch latent, die moralische Keule geschwungen wurde. Das ist, denke ich, keine Sache die spezifisch die DDR betrifft, es kommt wohl auch immer auf den Richter an.
 
Widerspricht eine Moralpredigt (z.B. über Alkohol) am Steuer eigentlich der Definition von Rechtsstaat oder ist dies eine Grauzone in der Art "wirkt merkwüridg und soll nicht sein, kann aber vorkommen".
 
Eine richterliche Moralpredigt hat in der Tat keinen Seltenheitswert, gerade bei öffentlichen Sitzungen und noch viel mehr wenn Schulklassen dabei sind. Das kann ich sogar regelmäßig an Arbeits- und Verwaltungsgerichten beobachten, die ja rein von den Fallkonstellationen her weniger öffentlichkeitswirksam sind. Es kommt natürlich drauf an, wie genannte Richterin moralisch argumentiert hat, rein an der Moralpredigt finde ich allerdings weder etwas Verwerfliches noch widerspricht sie für mich dem Prinzip der Rechtsstaalichkeit.
 
Ihr solltet bei allen moralischen Werten, die Richter den jeweilgen Jugendlichen vor Gericht zuteilkommen lassen wollen bedenken, daß man das nicht verallgemeinern kann.

Es war in der DDR moralisch verwerflich Hosen mit Nieten zu tragen (Jeans, gell) oder es war moralisch verwerflich sein Land zu verraten, indem man über dem faschistischen Schutzwall in Richtung Westen floh...usw.

Im Vergleich zu heute sind moralische Werte wichtig an die Jugend zu bringen, denn diese "verlottert" enorm und ist Respektlos allem gegenüber. (Diese Wertung ist sehr allgemein gehalten, daher entschuldige ich mich schon im Voraus bei all denen, die sich in der Gesellschaft einbringen). Da kann man schon verstehen, daß hier die moralische Keule geschwungen wird, aber das ist kein Vergleich zu den moralischen Vorstellungen der DDR Diktatur.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Bei allen verfahrensrechtlichen Vorschriften, jeder Richter hat seinen eigenen Stil und auch einen gewissen Ermessensspielraum. Einem jugendlichen, noch nicht komplett abgerutschten Straftäter die Leviten zu lesen, sollte da nicht schaden.
 
Bei allen verfahrensrechtlichen Vorschriften, jeder Richter hat seinen eigenen Stil und auch einen gewissen Ermessensspielraum. Einem jugendlichen, noch nicht komplett abgerutschten Straftäter die Leviten zu lesen, sollte da nicht schaden.

Die moralisierende Verhandlungsführung im Jugendgerichtsprozess kann ich aus Westperspektive nur bestätigen, als ich wegen nem frisierten Mofa angeklagt war.
 
Ihr solltet bei allen moralischen Werten, die Richter den jeweilgen Jugendlichen vor Gericht zuteilkommen lassen wollen bedenken, daß man das nicht verallgemeinern kann.
Aber hier verallgemeinert doch auch keiner. Barbarossa beschreibt lediglich den subjektiven Eindruck einer Gerichtsverhandung in der DDR, bei dem er die Moralkeule (auf die er inhaltlich nicht näher eingeht) als unangemessen empfand. Belisarius bringt als Gegenbeispiel einen aktuellen Fall aus dem Jugendstrafrecht, den er ähnlich erlebt hat. Themi fragt nach dem gegenseitigen Ausschlusskritierium richterliche Morlapredigt-Rechtsstaat und ich ergänze, dass Moralpredigten auch heutzutage eher üblich als unüblich sind (nicht nur bei Jugendlichen) und es v.a. darauf ankommt, wie moralisch argumentiert wird.

Klar sind die Themen rund um den Themenkomplex der DDR mehr als heikel, da sie nach wie vor aufgrund persönlicher Erfahrungen emotional aufgeladen sind, nichts desto trotz muss es doch auch möglich sein, eine Thematik sachlich zu diskutieren und in Anbetracht dessen, fand zumindest ich persönlich keinen der Beiträge hier deplatziert oder verallgemeinernd. Vielmehr wird ein derart abstraktes Gebilde wie die Rechtsstaaltichkeit eines Rechtssystems durch Hinterfragen und Erfahrungsvergleich erschlossen. Klar ist das alles erstmal subjektiv, aber imho durchaus eine legitime Vorgehensweise.
 
Ich wollte nur beisteuern, dass ich (vor nem Jahr?) ebenfalls in einem Prozess war (mit der Klasse) und dort ebenfalls über den noch jugendlichen Angeklagten, wenn auch latent, die moralische Keule geschwungen wurde. Das ist, denke ich, keine Sache die spezifisch die DDR betrifft, es kommt wohl auch immer auf den Richter an.

Ich lese daraus, daß die Ausgangslage der "moralische Keule" zum Thema Rechtsstaatlichkeit der DDR keinen Vergleicht braucht zum heutigen Rechtssystem oder gar als Ansicht eines einzelnen Richters. Der sollte zunächst allgemein gesehen Unbefangen sein.

Wenn also heute bei einem z.B: "Gras" vertickenden Jugendlichen die "moralische" Keule geschwungen wird, ist das durchaus berechtigt, denn der Jugendliche beging eine Straftat.

Wenn aber ein Jugendlicher zu DDR Zeiten vor Gericht stand, weil er aus politisch motivierten Gründen angeklagt war und hier eine "moralische" Keule geschungen wurde, ist das nicht zu vergleichen, obwohl er nach DDR Rechtsstaatlichkeit eine Straftat begangen hat.

Was war in der DDR moralisch?
 
Wenn also heute bei einem z.B: "Gras" vertickenden Jugendlichen die "moralische" Keule geschwungen wird, ist das durchaus berechtigt, denn der Jugendliche beging eine Straftat.

Wenn aber ein Jugendlicher zu DDR Zeiten vor Gericht stand, weil er aus politisch motivierten Gründen angeklagt war und hier eine "moralische" Keule geschungen wurde, ist das nicht zu vergleichen, obwohl er nach DDR Rechtsstaatlichkeit eine Straftat begangen hat.

Was war in der DDR moralisch?

Wie wäre das, wenn der Verkauf von Grass straffrei wäre wie in den Niderlanden? Oder völlig legal wäre, wie der Verkauf von Alkohol? Ändert sich dann schlagartig die Moral?

Der Vergleich macht doch nur eines klar: Die grundsätzliche Fragwürdigkeit des Moralbegriffes überhaupt.

ME hat Moral mit Rechtsstaat wenig bis ncihts zu tun; allerdings wird der Begriff oft in einen Zusammenhang mit Erziehung gestellt, und da das auch eine der Aufgaben des Justizsystems ist...
 
Zum grundsätzlichen Thema:
Leider ist aus dem von dir zitierten Leserbrief nicht erkennbar, ob die Aussagen von Uwe Wesel sich wirklich auf zivilrechtliche Fragen beziehen.

Auf jeden Fall wäre es ein schlechter Vergleich, ausgerechnet die Zivilgerichtsbarkeit als Beleg für eine besondere Rechtsstaatlichkeit der DDR heranzuziehen. Denn in ihr galt - wie auch im Dritten Reich und der Bundesrepublik - zunächst das Bürgerliche Gesetzbuch. Aufgrund ideologischer Gründe gab sich die DDR erst 1976 ein eigenes Zivilgesetzbuch.
Nachbarschafts- und Erbstreitigkeiten gibt es eben auch in Diktaturen.

Allerdings kann man sagen, dass zumindest das Dritte Reich sehr stark in den zivilrechtlichen Bereich eingriff. Die Ausgrenzungspolitik der Juden begann ja eigentlich im privatrechtlichen Raum, in denen man ihnen verbot, bestimmte Tätigkeiten auszuüben, Deutsche zu heiraten, in dem Verträge mit Juden leicht angefochten werden konnten etc.

Aber abgesehen davon, ist diese Aussage natürlich sehr plump

Der Rechtsgeschichtler Prof. Uwe Wesel stellte fest, dass das DDR-Recht bis auf den Umgang mit den politischen Gegnern nicht schlechter als in der Bundesrepublik war.
,

und entspricht meiner Meinung nach braunen Relativierungsstrategien, im Stile "Bis auf das mit den Juden und dem Krieg war das Dritte Reich eigentlich nicht schlecht."
 
Wenn aber ein Jugendlicher zu DDR Zeiten vor Gericht stand, weil er aus politisch motivierten Gründen angeklagt war und hier eine "moralische" Keule geschungen wurde, ist das nicht zu vergleichen, obwohl er nach DDR Rechtsstaatlichkeit eine Straftat begangen hat.
Ich glaube wir reden gerade aneinander vorbei... a) hier geht es nicht nur um Jugendliche, b) hier sind die politisch motivierten Prozesse ausgeschlossen (siehe Eingangspost) - ich glaube auch, in dem Zusamenhang würde kaum einer ernsthaft über das Für und Wider der Rechtsstaatlichkeit eines Justizsystems diskutieren (siehe auch die Links von megatrend) und c) das bisher einzige einschlägige Beispiel eines nicht-politischen Gerichtsprozesses in der DDR handelt von Alkohol am Steuer in Verbindung mit einem Verkehrsunfall. Ist hier die moralische Keule im Allgemeinen etwa weniger legitim als bei einem vergleichbaren Prozess im heutigen Deutschland? Wie gesagt, es kommt natürlich auf die inhaltliche Argumentation im Rahmen der Moralpredigt an.
 
Ich wollte nur beisteuern, dass ich (vor nem Jahr?) ebenfalls in einem Prozess war (mit der Klasse) und dort ebenfalls über den noch jugendlichen Angeklagten, wenn auch latent, die moralische Keule geschwungen wurde. Das ist, denke ich, keine Sache die spezifisch die DDR betrifft, es kommt wohl auch immer auf den Richter an.

Liebe Lili, vielleicht etwas anders ausgedrückt, hat die Aussage den Charakter der Relativierung des verbrecherischen Rechtssystems der DDR, wenn man angibt, dass dieses moralische Keulen schwingen heutzutage genau so auf diese Ebene stattfindet, wie damals in der DDR.

Denn diese moralische Keule in der DDR war mehr als das, teilweise Vergleichbar mit dem an den Pranger stellen. Das der Mensch unglaubwürdig und seiner freihen Meinung enzogen wurde, um Ihn zu Verurteilen bzw. vorzuverurteilen.

Sicherlich ist das auf der zivilrechtlichen Grundlage schwer darzustellen, denn die o.g. Straftat ist natürlich heute wie damals eine Straftat, aber wie wurden die Angeklagten in dem jeweiligen System behandelt?
 
ME hat Moral mit Rechtsstaat wenig bis ncihts zu tun; allerdings wird der Begriff oft in einen Zusammenhang mit Erziehung gestellt, und da das auch eine der Aufgaben des Justizsystems ist...


Du sprichst die Idee der " Re- Sozialisierung " an , welche mit dem
juristischen Verfahren bzw. auch mit der Strafzumessung verfolgt wird ?

Nun das mag bei einem Teil der Täter greifen - bei vielen aber auch nicht.
bestimmt nicht , wenn man einen jugendlichen Serientäter nach dem 20.
Fahrzeugaufbruch oder dem 30. Diebstahl oder der 10. Körperverletzung
mit Arbeitsstunden in gemeinützigen Tätigkeiten " bestraft " .....

Für die DDR gelten andere Konstellationen.
Die Justiz war Mittel zur " Verteidigung des Sozialismus " - dem war alles unterworfen.

In diesem Kampf gegen den vermeintlichen " Staatsfeind" oder " Gegner " war jede Rechtsdisziplin eingebunden.
Beispiele :
Familienrecht - Stichwort " Zwangsadoptionen "
Zivilrecht - Stichwort : "Verstaatlichung von privatem Eigentum "
Steuerrecht - Stichwort : " Konstruktion von Steuerhinterziehungstatbeständen zwecks Entzug von Vermögenswerten"

Ganz abgesehen davon , das bei der Strafzumessung neben den reinen Strafen ( zB. Haftstrafe ) noch Zusatzstrafen ausgesprochen und vollzogen wurden zb. zusätzlich Geldstrafe , Aufenthaltsverbote , Arbeitsplatzbindung etc.

Davon nicht betroffen waren " normale " Verfahren zB. Ehescheidungen ,
Nachbarrechtsstreitigkeiten,arbeitsrechtliche Verfahren .
Da könnte man sagen - das dabei fast immer "rechtsstaatlich" zuging.
 
@ Walter: ganz so wie du lese ich das nicht raus, aber sei es drum... Evtl. sorgt ja Barbarossa für Aufklärung, sobald er näher auf die moralische Argumentationskette eingeht, ansonsten können wir hier lange spekulieren ;)

Zum grundsätzlichen Thema:
Leider ist aus dem von dir zitierten Leserbrief nicht erkennbar, ob die Aussagen von Uwe Wesel sich wirklich auf zivilrechtliche Fragen beziehen.
Ohne das im Leserbrief genannte Buch zu kennen, vermute ich das mal, da sich Uwe Wesel v.a. als Prof. für bürgerliches Recht einen Namen gemacht hat. Nichts desto trotz ist Wesel gerade in diesem Zusammenhang auch mit Vorsicht zu genießen. Er ist zwar einerseits eine international anerkannte Koryphäe auf seinem Gebiet (Bürgerliches Recht und Rechtsgeschichte) und hat auch einige einschlägige Standardwerke veröffentlicht, andererseits sympathisiert er doch sehr mit dem linken Lager und hatte deshalb auch bereits den ein oder anderen Karriereknick zu verzeichnen.
 
@Barbarossa

Als ehemaliger DDR-Bürger kann ich die Frage, ob die DDR ein Rechtsstaat oder ein Unrechtsstaat war eindeutig, zumindest aus meiner beschränkten Sicht, beantworten; sie war ein Unrechtsstaat.

Warum dieses Verdikt?

Ich sehe hier von politischen Prozessen ab, so wie Du in Deinem einleitenden Posting es auch tust.

1. Die Exekutive entzog sich jeder judikativen Kontrolle; es gab keine Verwaltungs- resp. Verfassungsgerichtsbarkeit.

2. In der Starfgerichtsbarkeit gab es Tatbestände, auch im unpolitischen Bereich, die absolut willkürlich ausgelegt werden konnten z.B. asoziales Verhalten:

http://elib.tu-darmstadt.de/tocs/121717739.pdf
(Sorry, leider nur Inhaltsverzeichnis)

Die Strafrahmen waren extrem weit gespannt und gaben so den Richtern einen unverhältnismässigen Entscheidungsspielraum.

OLG-Rechtsprechung Neue Länder

Gesetz über die Staatsanwaltschaft der DDR (1963)

Bei letzterem Link, schau Dir insbesondere den Erlaß über die Staatsanwaltschaft an, dort besonders:
§ 16 (2) Der Geheimdienst als "Ermittlungsorgan"; bedeutet, auch nachrichtendienstlich erworbene "Beweise" sind zulässig.

§ 22 (2) Die Staatsanwaltschaft kann auch in Zivil-, Familien- und Arbeitsprozessen tätig werden.

§ 25 (2) Die Generalstaatsanwaltschaft kann den nichtgerichtlichen Weg an das Staatsoberhaupt wählen, wenn es mit Urteilen/Beschlüssen von Gerichten nicht einverstanden ist.

§ 25 Die Staatsanwaltschaften nehmen an Sitzungen/Plenum der Gerichte teil.

Das Strafgesetzbuch der DDR in seiner letzten Fassung:

Strafgesetzbuch der DDR (1968/74)

hier schau Dir z.B. mal § 42 an "Arbeitserziehung" oder § 98 oder §§ 105, 107, 220.

Diese §§ nur als Beispiele, und zwar beim gesetzten Recht.

3. Zivilrecht

Zivilgesetzbuch der DDR (1975)

Hier lies einfach nur § 15 (2).

Ich bin kein Rechtshistoriker, aber ich denke, daß aus den kursorischen Beispielen m.E. deutlich wird, daß selbst bei dem gesetzten Recht, die DDR kein Rechtsstaat war.

4. Darüber hinaus ist für die Beurteilung der Rrechtsstaatlichkeit eines Staates auch immer darüber zu befinden, ob gesetztes Recht und Verfassungswirklichkeit übereinstimmen und da gab es in der DDR einen weiten Spagat; dieser Spagat wurde mit der Begrifflichkeit des "formalen Rechtes" beschrieben.

M.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich sehe das wie Melchior.

das "Moralisierende" kann man nehmen wie man es will, es hat jedoch streng genommen nichts mit der Rechtsstaatlichkeit zu tun.

Die fehlende Gewaltenteilung und die fehlende Möglichkeiten auch gegen den Staat sein Recht durchzusetzen sind da viel gravierender.

Ich habe die DDR nicht erlebt, kenne aber ähnliche Situationen aus einer Militärdiktatur in Südamerika. Das Rechtssystem funktionierte theoretisch ohne größere Brüche weiter, es war aber praktisch unmöglich sich vor Gericht gegen den Staat durchzusetzen. Es gab auch jede Menge weicher "Gummiparagraphen" die sehr interpretationsfähig waren und eine Vielzahl an "Polizeidekreten" die der Staatsmacht enorme Spielräume ermöglichten.

Man versuchte teilweise den Schein der Rechtsstaatlichkeit zu wahren und vermischte dabei vieles, besonders in den Bereichen Exekutive und Judikative in den unteren Ebenen. Der Polizeipresident erliess Dekrete, die Kommissare waren gleichzeitig auch Ermittlungsrichter in der untersten Instanz und übernahmen gleichzeitig noch Funktionen des Staatsanwalts.

Nach der Wiederkehr der Demokratie musste das System erst einmal von solchen Auswüchsen bereinigt werden, was teilweise sehr lange dauerte da sich die verschiedenen Organe nur ungern lieb gewordenen und "nützliche" Instrumente wegnehmen lassen wollten.

Deshalb meine Fragen: Konnte man in der DDR mit vernünftigen Aussichten gegen den Staat klagen? Gab es eine reale Gewaltenteilung
 
Zuletzt bearbeitet:
Widerspricht eine Moralpredigt (z.B. über Alkohol) am Steuer eigentlich der Definition von Rechtsstaat oder ist dies eine Grauzone in der Art "wirkt merkwüridg und soll nicht sein, kann aber vorkommen".
Eine richterliche Moralpredigt hat in der Tat keinen Seltenheitswert, gerade bei öffentlichen Sitzungen und noch viel mehr wenn Schulklassen dabei sind. Das kann ich sogar regelmäßig an Arbeits- und Verwaltungsgerichten beobachten, die ja rein von den Fallkonstellationen her weniger öffentlichkeitswirksam sind. Es kommt natürlich drauf an, wie genannte Richterin moralisch argumentiert hat, rein an der Moralpredigt finde ich allerdings weder etwas Verwerfliches noch widerspricht sie für mich dem Prinzip der Rechtsstaalichkeit.

Also ich finde, wenn ein Richter (wohlbemerkt ein Richter! Bei einem Staatsanwalt mag das noch etwas anderes sein ;) ) eine Gerichtsverhandlung so führt, daß man den Eindruck bekommt, daß dort eine Art Schauprozeß geführt werden soll, dann widerspricht das meiner Auffassung von einem rechtsstaalichen Verfahren.
Ich sage ja nichts dagegen, wenn der Richter moralische Gesichtspunkte bei der Urteilsverkündung mit einfließen läßt. Das mag dann wieder in Ordnung sein.
Muß ich wirklich so sagen. Wenn der Angeklagte seine Schuld bedauern möchte, dann soll er daß aus freien Stücken tun (bzw. auf Anraten seines Anwalts) und nicht nachdem die Richterin auf arrogante Weise fragt: "Und das finden sie in Ordnung, oder wie?" Entschuldigung, aber so etwas hat ein Richter nicht zu fragen und den Angeklagten so noch weiter einzuschüchtern, so daß er dann leise "nein" sagen muß. Wie gesagt, daß er was falsch gemacht hat, wußte er selbst.

Edit: Ach ja @Walter, Mitte der ´80er Jahre hat durchaus niemand mehr Anstoß daran genommen, wenn jemand Jeans trug. Die wurden zu dieser Zeit ja auch bei uns schon verkauft.
;-)

Edit - Nr. 2:
...Deshalb meine Fragen: Konnte man in der DDR mit vernünftigen Aussichten gegen den Staat klagen? Gab es eine reale Gewaltenteilung

Diese Frage muß wohl eindeutig mit nein beantwortet werden.
Ich erinnere mich eine Situation, in der sich ein Volkspolizist im Straßenverkehr falsch verhielt, wodurch es fast zu einem Unfall gekommen wäre. Und während mein Vater mit dem VoPo diskutierte, erklärte mir meine Mutter, daß wir wohl auf jeden Fall Schuld bekommen würden, obwohl der VoPo den Fehler gemacht hatte.
Nach der Diskussion mit meinem Vater sah der VoPo jedoch von einer Anzeige ab - möglicherweise war ihm das dann doch nicht so ganz geheuer.
Das war noch so eines der Erlebnisse, die im Gedächtnis hängen bleiben.
Wer in der DDR gegen einen Polizisten zu klagen versuchte - selbst wenn es eigentlich berechtigt war, bekam selbst den meisten Ärger.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich würde sagen kommt drauf an wann und in welchem Kontext die Frage gestellt wurde. Was verstehst du denn unter einem Schauprozess in Abgrenzung zu einem rechtsstaatlichen Prozess? Vielleicht kommen wir so der Sache ja näher.
 
Zurück
Oben