Wie teuer war Auswandern?

Cécile

Aktives Mitglied
Hallo zusammen,
mich beschäftigt die Frage, wie teuer es eigentlich war im späten 19.Jh. auszuwandern.

Da ich im Living-History-Hobby in dieser Zeit u.a. ein Dienstmädchen darstelle, frage ich mich: wäre es mir überhaupt möglich gewesen auszuwandern, wenn mir die Arbeitsbedingungen in Deutschland nicht mehr passten, oder hätte ich dafür mein Leben lang sparen müssen?

Falls jemand von euch eine Antwort weiß, oder auch Tips für einschlägige Literatur hat, bin ich für jeden Hinweis dankbar :)

Grüße
Cécile
 
wäre es mir überhaupt möglich gewesen auszuwandern, wenn mir die Arbeitsbedingungen in Deutschland nicht mehr passten,
Grundsätzlich ja, das haben ja auch viele gemacht, die sehr arm waren.

oder hätte ich dafür mein Leben lang sparen müssen?
Eine Möglichkeit - aber angesichts der sehr kargen Löhne in Deutschland wohl schwierig für ein Dienstmädchen.

Das ging eher umgekehrt: Man bekam die Überfahrt auf Kredit, und mußte dann hinterher vielleicht nicht sein Leben lang, aber doch einige Jahre abzahlen.
Offenbar waren die Löhne in Amerika höher (und die Abgabenlast geringer), so daß man eher einen Überschuß erwirtschaften konnte (schließlich kamen ja noch die Kreditzinsen hinzu).
 
Hallo zusammen,
mich beschäftigt die Frage, wie teuer es eigentlich war im späten 19.Jh. auszuwandern.

Da ich im Living-History-Hobby in dieser Zeit u.a. ein Dienstmädchen darstelle, frage ich mich: wäre es mir überhaupt möglich gewesen auszuwandern, wenn mir die Arbeitsbedingungen in Deutschland nicht mehr passten, oder hätte ich dafür mein Leben lang sparen müssen?

Falls jemand von euch eine Antwort weiß, oder auch Tips für einschlägige Literatur hat, bin ich für jeden Hinweis dankbar :)

Grüße
Cécile

Ich habe mich gerade damit beschäftigt. Zwar handelte meine Arbeit über Schweizer die nach Brasilien ausgewandert sind und nicht um Deutsche. Wobei es keine Rolle spielt, da die Hintergründe in etwa die gleichen waren.

Nach Brasilien hättest du wenn du auswandern können. Die hatten zwischen 1850 und 1890 ein Halbpachtsystem aufgebaut. Da mussten die Auswanderer einen Vertrag mit einer Kolonisationsfirma unterschreiben. Die Firma übernahm die Überfahrt nach Brasilien, in diesem Fall wäre Santos in São Paulo der Zielhafen gewesen. Die Auswanderer mussten als Gegenleistung in den Kaffeeplantagen der Grossgrundbesitzer arbeiten. Die Ernte wurde dann geteilt. Das klingt jetzt wie die Kolonisten einen grossen Gewinn machen konnten. Dem war nicht so, sie mussten alles teuer einkaufen, Lebensmittel, Werkzeug usw. Bei der Verteilung der Kaffeebäume hatten sie meistens kein Glück, weil die Bäume zu alt waren und so weniger Bohnen abwarfen.

In der Schweiz war es dann noch so, dass viele der Armen (denn die wanderten aus) von den Gemeinden einen Vorschuss bekamen um Auszuwandern, dieser musste auch zurückbezahlt werden.

Wenn du möchtest kann ich dir die Arbeit auch mailen.

Hier meine Literaturliste zum Thema:

Quellen:

Thomas Davatz: Behandlung der Kolonisten in der Provinz St. Paulo in Brasilien und deren Erhebung gegen ihre Bedrücker, Chur 1858

Johann Jakob von Tschudi: Bericht des schweizerischen
ausserordentlichen Gesandten in Brasilien, Herrn v. Tschudi über die
dortigen Verhältnisse der Kolonisten (vom 6. Oktober 1860,
Schweizerischen Bundesblatt, XII Jahrgang III. Nr. 61, 28. November
1860

Sekundärliteratur:

Andres, Ferdinand: Johann Jakob von Tschudi. Forscher Reisender
Diplomat, Allerheiligen-Bücherei Schaffhausen, 1984.

Bernecker; Walther L, Pietschmann, Horst und Zoller, Rüdiger: Eine
kleine Geschichte Brasiliens, Suhrkamp Verlag, 2000.

Cunha, Dilney: Das Paradies in den Sümpfen, Eine Schweizer
Auswanderungsgeschichte nach Brasilien im 19. Jahrhundert, Limmat
Verlag Zürich, 2003

Davatz, Sylvester: Thomas Davatz, Bitterer Kaffee – ein Bündner Lehrer
in Brasilien.

Kohut, Karl (Hrsg.): Deutsch in Lateinamerika – Lateinamerika in Deutschland, Vervuert Verlag, 1996

Neumann, Gerson Roberto (Berlin/Rio de Janeiro), Die brasilianische
Einwanderungspolitik Ende des 19. Jahrhunderts. In Nitschack, Horst
(Hrsg.): Brasilien im amerikanischen Kontext, Vom Kaiserreich zur
Republik: Kultur, Gesellschaft, Politik, TFM Frankfurt, 2005, S. 73 – 89.

Ziegler, Béatrice: Schweizer statt Sklaven, Schweizerische Auswanderer in
den Kaffee-Plantagen von São Paulo (1852 – 1866), Steiner-Verlag, 1985

Ziegler, Béatrice: Als die Schweiz zur Emigration veranlasste…,
Auswanderungen aus der Schweiz im 19. Jahrhundert: In Prodolliet,
Simone (Hrsg.), Blickwechsel, Die Multikulturelle Schweiz an der
Schwelle zum 21. Jahrhundert, Caritas-Verlag, Luzern, 1998, S. 95 -103

Ziegler, Béatrice: Ausgebeutet im Paradies, Schweizerinnen und
Schweizer als Arbeitskräfte auf brasilianischen Kaffeeplantagen, 1852 –
1888. In Dietrich, Eva (Hrsg.): Der Traum vom Glück, Schweizer
Auswanderer auf brasilianischen Kaffeeplantagen 1852 – 1888, hier und
jetzt Verlag, 2003, S. 41 - 58

Ziegler, Béatrice: Das Geschäft mit der Auswanderung, ITINERA, Der
Wer in die Fremde, Allgemeine Geschichtsforschende Gesellschaft der
Schweiz, Fasc. 11, 1992, S. 59 - 70
 
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Ah! Vielen Dank, das hilft mir schon viel weiter!

Das mit den Plantagen kommt mir erschreckend bekannt vor... ich las neulich einen Artikel darüber, dass vor einigen Wochen ein Sondereinsatzkommando der brasilianischen Polizei mal wieder auf einer Plantage im Dschungel Arbeiter befreit hat, die dort wie Sklaven gehalten wurden und auch ihre Lebensmittel, Medikamente usw. vom Plantageneigenen Laden kaufen mussten der alles zu völlig überhöhten Preisen anbot... nachdem die Leute zuvor freiwillig einen Vertrag untschrieben hatten und dabei wohl nach Strich und Faden betrogen wurden...

Auf das mit der Unterstützung von den Gemeinden hätte ich selbst kommen müssen *Koppauftischplatte*. Im Nachbardorf wo ich aufgewachsen bin gibt es noch heute einen Gewann der "Afrika" heißt, er wurde Anfang des 20.Jh. von der Gemeinde verkauft und vom Erlös sollten die Armen des Dorfes nach Nord Afrika auswandern. Allerdings hat das wohl nicht so recht geklappt, wenn ich mich richtig erinnere dann kamen sie blos bis nach Bremen oder so...

Zumindestens kann ich meinem "Arbeitgeber" im Hobby damit drohen auszuwandern ;) Dass ich mich damit vermutlich in lebenslange Schuldknechtschaft begeben hätte kann mein naives Alterego 1885 ja nicht ahnen :pfeif:
 
Für Gemeinden war es natürlich auch recht praktisch, wenn sie ihre Armen gegen die einmalige Zahlung der Schiffspassage los werden konnten, denn das war allemal billiger, als wenn man sie über Jahre hätte versorgen müssen.
 
Für Gemeinden war es natürlich auch recht praktisch, wenn sie ihre Armen gegen die einmalige Zahlung der Schiffspassage los werden konnten, denn das war allemal billiger, als wenn man sie über Jahre hätte versorgen müssen.

Die Rechnung ging bei den Schweizer Gemeinden nicht auf. Sie haben sich zwar den Armen entledigt, dafür aber viel Geld verloren. Um die Schiffspassagen bezahlen zu können, haben einige Gemeinden Kredite aufgenommen. Natürlich in der Hoffnung das die Kolonisationsgesellschaft dann die Gelder ihnen überweise würden. Nun zu Beginn der Auswanderungen war das der Fall, danach bekamen sie kein Geld mehr. Die Kolonisationsfirma hat nichts mehr überwiesen. In dem von mir untersuchten Fall, ging es um die Firma Vergueiro aus Brasilien (gleichzeitig auch Plantagenbesitzer), nachdem die Gelder nicht mehr in die Schweiz gelangten, wurde ein Diplomat nach Brasilien gesandt. Dieser hat dann die Firma eingeklagt und versucht den Gemeinden das Geld wieder zu beschaffen. Was aber nicht gelang. Die Firma hat Konkurs angemeldet und die Gemeinden gingen leer aus. Das heisst sie forderten dann einfach das Geld von den Heimkehrern zurück.
 
Und wie lief das mit den Schuldnern , die sich ihrer Schulden, die sie vorher zuhause gemacht haben auf dieser Art entzogen haben ab?
Kam da noch jemand ran, nachdem sie ausgewandert waren?

Ich kenne da ein Beispiel aus meinem Dorf, wonach einem Mann schon wegen seiner Schulden Gefängnis drohte, er es aber geschafft hat nach Australien auszuwandern.
 
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Vielleicht sollte man mal die Situation die zur Auswanderungen führte aufzeigen. Ich kann das jetzt nur gerade für die Schweiz machen.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts herrschte in der Schweiz eine
Massenarmut, der sogenannte Pauperismus. Betroffen war vor allem die
ländliche Bevölkerung. Ursachen für diesen Pauperismus gab es einige.
Im 18. Jahrhundert bis Mitte des 19. Jahrhunderts war die Heimarbeit eine
wichtige Einnahmequelle der ländlichen Bevölkerung, Nach der Einführung des Verlagssystems dehnte sich die Heimarbeit in der
Textilbranche in der Ostschweiz, Glarus, in den Zürcher Seegemeinden
und im Oberland, Gebiete es Aargaus, sowie im Baselbiet aus und
verwandelte diese Region in eine grosse Fabrik. Mit der Aufhebung der
Kontinentalsperre gegen Napoleon kam es zur wirtschaftlichen Krise in der
Textilindustrie. Viele Heimarbeiter verloren wegen des Imports billiger
Textilprodukte aus England und der Mechanisierung der Textilindustrie
ihre Arbeit. Die wachsende Industrie konnte diese überzähligen
Arbeitskräfte nicht auffangen. Die ländliche Bevölkerung verarmte. Dazu
kamen verschiedene Naturkatastrophen, die ab 1845 die Schweiz
heimsuchten. Vor allem die Kartoffelkrankheit und die anhaltenden
Regenschauer führten zu einer Reihe von Missernten. Die
Kartoffelkrankheit zerstörte den Kartoffelanbau und damit das
Hauptnahrungsmittel, dazu kam dass diese Krankheit auch Getreide und
Rebenfelder befiel. Zu diesen Katastrophen kam noch die Erhöhung der
Bevölkerungszahl hinzu, sodass die Landwirtschaft den Bedarf an
Nahrungsmitteln nicht mehr decken konnte.
Die fehlenden Erwerbmöglichkeiten und die mangelnde Ernährung trafen
vor allem die ländlichen Unterschichten. Das waren ca. 10 – 20 Prozent
der Bevölkerung der Schweiz. Die Massenarmut hatte zur Folge, dass
eine intensive Debatte über Ursache und Bekämpfung der Armut begann.
In den Kantonen schwankte man zwischen repressiven Massnahmen - z.B.
Einsperren in Armenhäusern oder Bettelverboten - und den Versuchen
einer rationelleren Ausgestaltung traditioneller Unterstützung wie zum
Beispiel des Heimatgemeindeprinzips. Bei diesem Prinzip war die
Heimatgemeinde für seine Armen zuständig und sie mussten diese
unterstützen. In einigen Kantonen und Gemeinden versuchte man durch
Förderung der Auswanderungen, die Armut zu bekämpfen. Zwischen 1851 und 1860 wanderten ca. 50 000 Schweizer nach Übersee
aus, die meisten in das wirtschaftlich aufsteigende Nordamerika. Ein
kleiner Teil der Schweizer wanderte nach Südamerika aus.
 
Wie meinst du das? So wie heute eine Betreibung oder so?

Heute würde man sagen, er hat einen Kredit aufgenommen, konnte den aber nicht zurückzahlen. Dann ist er abgehauen.
Nun will aber die Bank das Geld zurück.

Wenn derjenige nicht gerade in deutsche Kolonien ausgewandert war, war doch das Geld auch flöten.

Ich habe noch ein paar Seiten zum Thema gefunden
Forum Auswanderung
 
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Heute würde man sagen, er hat einen Kredit aufgenommen, konnte den aber nicht zurückzahlen. Dann ist er abgehauen.
Nun will aber die Bank das Geld zurück.

Wenn derjenige nicht gerade in deutsche Kolonien ausgewandert war, war doch das Geld auch flöten.

Ich weiss jetzt wirklich nicht wie es in Deutschland war, aber in der Schweiz konnten diese Auswanderer von denen ich spreche keine Kredite aufnehmen.
 
Ich weiss jetzt wirklich nicht wie es in Deutschland war, aber in der Schweiz konnten diese Auswanderer von denen ich spreche keine Kredite aufnehmen.


Missverständlich ausgedrückt. Entschuldige.

Der Bauer hatte für seinen Hof einen "Kredit" aufgenommen, Schulden gemacht. Nach dem er die Schulden nicht zurückzahlen konnte, drohte ihm Haft. Dann ist er ausgewandert. Hatte einfach auf einem Schiff angehäuert.
 
Missverständlich ausgedrückt. Entschuldige.

Der Bauer hatte für seinen Hof einen "Kredit" aufgenommen, Schulden gemacht. Nach dem er die Schulden nicht zurückzahlen konnte, drohte ihm Haft. Dann ist er ausgewandert. Hatte einfach auf einem Schiff angehäuert.

Dazu kann ich nichts sagen, bin aber sicher jemand kann dir diese Frage beantworten.
 
Missverständlich ausgedrückt. Entschuldige.

Der Bauer hatte für seinen Hof einen "Kredit" aufgenommen, Schulden gemacht. Nach dem er die Schulden nicht zurückzahlen konnte, drohte ihm Haft. Dann ist er ausgewandert. Hatte einfach auf einem Schiff angehäuert.

Ich besitze ein paar Jahrgänge "Amtsblätter" also Zeitungen aus den 1840er Jahren.
Darin erscheinen immer wieder "amtliche Veröffentlichungen" des Inhalts:
Der Max Maier mit seiner Familie aus Adorf will nach Nordamerika auswandern, wer noch Forderungen an ihn hat, soll das bis 11.11.1847 beim Kameralamt in XStadt anmelden.

Auch sind laufend Anzeigen geschaltet, die die Auswanderung über z.B. Hamburg oder Rotterdam anpreisen.
Aus Erzählungen meiner Mutter weiß ich (Nachweis kurzfristig keiner) dass Agenten Kopfprämien für Auswanderungswillige gezahlt bekamen.
Einer meiner Urgroßväter hat sich in den 1870erJahren anwerben lassen, und war 3 Jahre drüben. Den Schriftverkehr hat meine Großmutter kurz vor ihrem Tod vernichtet. Urgroßpapa hat Urgroßmama mit 2 Kindern sitzen lassen, und war hinterher froh, dass sie ihn wieder aufgenommen hat
 
Aus Erzählungen meiner Mutter weiß ich (Nachweis kurzfristig keiner) dass Agenten Kopfprämien für Auswanderungswillige gezahlt bekamen.

Das war so. Die Agenten wurden pro Emigrant bezahlt. Das Motto des Agenten in der Schweiz war (der hiess Emil Paravicini) je mehr Emigranten umso besser.

Quelle: Beatrice Ziegler, Das Geschäft mit der Auswanderung, in Der Weg in die Fremde,
ITINERA. Allgemeine Geschichtforschende Gesellschaft der Schweiz, Schwabe & Co.
Basel, Fasc 11 1992, S. 63.
 
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Zur Ergänzung: Zitat aus "Der Alb-Bote" Ein Amts- Intelligenz- und Unterhaltungsblatt für das Oberamt Balingen 14. Jahrgang 27. April 1847

Waldstetten Oberamts Balingen Aufruf.
Johann Martin Luppold, Glaser und dessen Ehefrau samt ihren 6 Kindern beabsichtigen demnächst nach Amerika auszuwandern. Es ergeht daher an diejenigen, welche Ansprüche an dieselben zu machen haben die Aufforderung, solche
binnen 15 Tagen
um so gewisser bei der unterzeichneten Stelle geltend zu machen, als später den hieraus entstehenden Rechtsnachtheil sie sich slebst zuzuschreiben haben,
den 24. April 1847
Schultheißenamt
Haigis

Es muss eine schlimme Zeit gewesen sein.
In jeder Ausgabe (2mal wöchentlich) sind etliche Gant-Sachen, so hieß damals die Insolvenz, abgedruckt.

Dass sich auch welche durch die Auswanderung ihrer Verbindlichkeiten entledigt haben ist natürlich auch klar.
Der "Kaiser von Kalifornien" Sutter war doch so ein Fall? Ich kenne eigentlich nur den Roman.
 
Der Bauer hatte für seinen Hof einen "Kredit" aufgenommen, Schulden gemacht. Nach dem er die Schulden nicht zurückzahlen konnte, drohte ihm Haft. Dann ist er ausgewandert. Hatte einfach auf einem Schiff angehäuert.
Hm, auswandern ist ja schlecht mit abhauen gleichzusetzen. Ohne Papiere konnte er nicht reisen, wenn ihm Haft drohte, dann hätte man sie ihm sicherlich nicht ausgestellt oder was meint ihr?
 
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