Wie wissenschaftlich ist die Formel "vor/nach Christus"?

Ich finde es ist egal, ob man es "vor Christus" oder "vor unserer Zeit" nennt, da das Denotat (also das, was real gemeint ist ;)) das selbe bleib: die Geburt Jesu. Was anderes ist da ja nicht passiert.
nu ja, man hat halt ein "Jahr Null" sozusagen postuliert, eine Zeitenwende, die sich für uns, da wir sie gewohnt sind, rechnerisch ganz gut verwenden lässt - sie hat für uns zu solchen feststehenden Begriffen wie "18. Jh." oder "19. Jh." geführt.
und irgendwie (meinetwegen auch infolge eines kulturellen europäischen Koloniaslismus) hat sich diese Zeitenwende, dieses erfundene "Jahr Null" ganz gut etabliert :)
(mir wäre es lästig, auszurechnen, wann die Varusschlacht stattfand, wenn 753-kroch-Rom-aus-dem-Ei das Jahr Null wäre)
 
Ich mische mich nur punktuell ein, da ich wegen Dubstep-Remixen für eine kalifornische Sängerin viel um die Ohren habe.

Dieter hat im Übrigen als einziger richtig geschrieben v./n. der Zeitenwende.

Der Ausdruck "Zeitenwende" ist für mein Empfinden von einer wissenschaftlichen Terminologie weit entfernt. Zum einen suggeriert er eine Mehrzahl von "Zeiten", die wissenschaftlich keinen Sinn macht. Zum anderen - und das erscheint mir noch bedenklicher - suggeriert er eine "Wende", die aber zum entsprechenden Zeitpunkt - dem Jahr Null - in keinster Weise objektiv stattgefunden hat, außer man glaubt an die Existenz des Christus und seine menschliche Geburt um das Jahr Null herum. Beispiele für die Verwendung von "Wende": ´Das Blatt hat sich gewendet´, ´geistig-moralische Wende´ usw. Es geht also um Kursänderungen von relevanter Tragweite. Was aber hat das mit der Einführung einer Zeitrechnung im 6. Jahrhundert zu tun, die das Jahr 0 um Jahrhunderte zurückprojiziert? Im Jahr 0 selbst gab es keine relevante Wende, außer in den Augen eines überzeugten Christen.

Wenn "n. Chr." strenggenommen nicht "nach Christus", sondern gemäß dem "ab incarnatione Domini Iesu Christi" des Dionysius Exiguus eigentlich "nach Christi Geburt" heißen sollte, so sollte man das "u. Z." genau wie "Chr." auch als Genitiv denken. Dann hätte man für "n. u. Z.": "nach unserer Zeitrechnung Beginn" bzw. "nach Beginn unserer Zeitrechnung".

Da kann ich nur zustimmen. In der Formel "nach der Zeitrechnung" ist das "nach" kein Pendant zu "vor", sondern eher im Sinne von "gemäß" oder "in Bezug auf" zu verstehen, so wie man sagt: "Nach meiner Uhr ist es jetzt fünf." Es reicht also, "unserer Zeitrechnung" zu sagen, das schließt Paradoxien aus.

Ich finde es ist egal, ob man es "vor Christus" oder "vor unserer Zeit" nennt, da das Denotat (also das, was real gemeint ist, das selbe bleib: die Geburt Jesu. Was anderes ist da ja nicht passiert...

Genau daran, dass das Denotat das gleiche ist, habe ich im Fragepost bereits deutliche Zweifel geäußert. Hier argumentierst du eher wie ein Christ als wie ein zur Objektivität verpflichteter Wissenschaftler.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Ausdruck "Zeitenwende" ist für mein Empfinden von einer wissenschaftlichen Terminologie weit entfernt. Zum einen suggeriert er eine Mehrzahl von "Zeiten", die wissenschaftlich keinen Sinn macht. Zum anderen - und das erscheint mir noch bedenklicher - suggeriert er eine "Wende", die aber zum entsprechenden Zeitpunkt - dem Jahr Null - in keinster Weise objektiv stattgefunden hat, außer man glaubt an die Existenz des Christus und seine menschliche Geburt um das Jahr Null herum. Beispiele für die Verwendung von "Wende": ´Das Blatt hat sich gewendet´, ´geistig-moralische Wende´ usw. Es geht also um Kursänderungen von relevanter Tragweite.

Zeitenwende ist aber nun mal der korrekte terminus technicus. Auf das Jahr 2 v. Chr. folgt das Jahr 1 v. Chr. und darauf das Jahr 1 n. Chr., 2 n. Chr. usw.
Egal wie du es drehst und wendest ;) dieser falsch errechnete Geburtstermin ist der Dreh- und Angelpunkt der international in der Geschichtsschreibung verwendeten Chronologie, egal, ob man man an die historische Existenz des Menschen Jesus Christus glaubt oder eben nicht.
Vor oder nach der *Zeitrechnung würde auch eigentlich bedeuten, bevor bzw. nachdem man begonnen hat, eine (oder eine bestimmte) Zeitrechnung zu verwenden.

Was aber hat das mit der Einführung einer Zeitrechnung im 6. Jahrhundert zu tun, die das Jahr 0 um Jahrhunderte zurückprojiziert? Im Jahr 0 selbst gab es keine relevante Wende, außer in den Augen eines überzeugten Christen.
Ein Jahr 0 gibt es nicht. Null kommt von lat. nullus, nichts. 1 v. Chr. geht direkt in 1 n. Chr. über.
Du akzeptierst etwas nicht, was selbst mongolische Kommunisten, die auf keinerlei christliche Tradition zurückblicken und ideologisch gegen das Christentum waren, akzeptiert haben. Die internationale Zeitrechnung v./n. Chr.

Genau daran, dass das Denotat das gleiche ist, habe ich im Fragepost bereits deutliche Zweifel geäußert. Hier argumentierst du eher wie ein Christ als wie ein zur Objektivität verpflichteter Wissenschaftler.
Wieso, Water hat doch Recht? Nur weil man das v./n. Chr. durch v./n. d. Zeitenwende ersetzt, bleibt der Bezugspunkt doch immer noch der gleiche. Das war es was ich meinte: Es ist eine christliche Datierung, wenn man den Christusbezug verbirgt, ist es kryptochristlich, aber eben immer noch christlich. Das hat aber doch nichts mit der Auffassung des Datierenden zu tun. Siehe die Sozialistische Republik Mongolei oder die Vereinigten Arabischen Emirate etc. (wobei, okay, für die ist Jesus/'Īsā natürlich ein wichtiger Prophet, direkt nachMuḥammad).

Warum insistierst du so darauf, die etablierte Datierung v./n. Chr. zu unterdrücken? Welchen Mehrwert hat das? Und ist das nicht vielleicht auch ein wenig "geschichtsunbewusst"?
 
Woher hast Du das denn?:confused:

Das ist einfach so.
Ich habe es zwar nicht aus Wiktionary, aber auch dort gibt es einen Artikel Zeitenwende, jedoch keinen Zeitrechnung.

Zeitenwende ? Wiktionary

In der Fachliteratur ist als kryptochristliche Datierung recht häufig vor/nach der Zeitwende zu lesen vor/nach der Zeitrechung habe ich dagegen noch nie zuvor gelesen, es sei denn, es ging um (die Geschichte der) Zeitrechnung und nicht um Datierung.
 
Mh... Das ist interessant. Gibt man bei Googel im Suchgeld []
["vor der Zeitrechnung"] an, erhält man doch 51.700 Treffer. ["vor der Zeitenwende"] erhält zwar fast doppelt so viele Treffer (99.100), aber das sind deutlich weniger, als ich gedacht hätte; das Verhältnis zueinander ist deutlich ausgewogener, als ich gedachte hätte, nur etwa 1:2.

Hierbei sind die Unterschiede sogar noch geringer:
["nach der zeitenwende"] 152.000
["nach der zeitrechnung"] 142.000
Beinahe 1:1
Das lässt sich aber möglicherweise durch eine andere Verwendung von "nach der Zeitrechnung" erklären, und zwar dass das "nach" hier nicht unbedingt zeitlich gemeint ist, sondern nach dem Muster nach Adam Riese verwendet wurde. Also im Sinne "nach der Zeitrechnung von XY"
["nach der Zeitrechnung von"] ergibt 4.450 Treffer
["nach der Zeitrechnung vom"] ergibt 662 Treffer
Das wären zwar knapp 5.000 Treffer weniger, aber die machen den Braten nicht wirklich fett.
 
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Also ich habe das bis jetzt immer genau anders herum empfunden, nämlich dass die Formulierung "Zeitrechnung" in Datierungen häufiger und geläufiger ist als "Zeitenwende". Das mögen Deine google-Recherchen schon widerlegt haben.

"v./n. d. Z." kann meinetwegen eher "vor/ nach der Zeitenwende" heißen.
"v./n. u. Z." (für "n. u. Z." auch nur "u. Z.") kann eigentlich nicht die Zeitwende, sondern nur die Zeitrechnung meinen.

Denn angefangen haben vorzugsweise jüdische Gelehrte, etwa "vor der gewöhnlichen Zeitrechnung" zu schreiben (Beispiel: Allgemeine Zeitung des Judenthums: Ein unpartheiisches Organ für alles ... - Google Books) - um Jesus nicht Messias (Chr.) nennen zu müssen. Ich kenne "v. u. Z."/ "u. Z." vor allem von Elias Bickerman (hatte auch jüd. Wurzeln). Er schlüsselt die Abkürzung nirgends auf, aber wenn er z. B. schreibt "im 5. Jh. u. Z.", so kann das nach meinem sprachlichen Empfinden schlecht "im 5. Jh. unserer Zeitenwende" heißen, sondern Bickermann wird "Zeitrechnung" meinen - und Bickerman war immerhin ein großer Altertumswissenschaftler und Chronologe.
 
Mit dem Personalpronomen stimmt das natürlich. Aber durch das Personalpronomen wird die Zeitrechnung auch determiniert. Ohne Personalpronomen und ohne ein Adjektiv (christliche) ergibt die Formulierung keinen Sinn:
Vor oder nach der *Zeitrechnung würde auch eigentlich bedeuten, bevor bzw. nachdem man begonnen hat, eine (oder eine bestimmte) Zeitrechnung zu verwenden.
 
Im Jahr 0 selbst gab es keine relevante Wende, außer in den Augen eines überzeugten Christen.

Naja so pauschal würde ich das nicht sagen. Da sich die Christliche Kirche auf Jesus, als einen Mann, geboren im "Jahr Null" (also eigentlich das Jahr 1), beruft, ist das, von heute aus gesehen, eine Wende.
Unzählige Menschen sind aufgrund von Konflikten der christlichen Kirche mit anderen Ländern/Religionen/Völkern/Personen/etc. gestorben. Viele haben Land, Geld oder Macht verloren oder gewonnen im Zusammenhang mit der christlichen Kirche. Bis heute (also über 2000 Jahre (egal nach welcher Zeitrechnung)) hat die christliche Kirche viel Einfluss auf Geschehnisse. Manche Groß-Ereignisse sind erst passiert, da es so etwas wie die christliche Kirche gab, manche sind vielleicht nicht passiert, da es eine christliche Kirche gab.

Abschließend kann also gesagt werden, dass die Berufung auf das Leben eines Mannes, dessen Geburt als Jahr 1 datiert wird, schon eine WENDE darstellen, im Bezug auf die Geschichte unserer Welt und der ganzen Menschheit.
 
Mh... Das ist interessant. Gibt man bei Googel im Suchgeld []
["vor der Zeitrechnung"] an, erhält man doch 51.700 Treffer. ["vor der Zeitenwende"] erhält zwar fast doppelt so viele Treffer (99.100), aber das sind deutlich weniger, als ich gedacht hätte; das Verhältnis zueinander ist deutlich ausgewogener, als ich gedachte hätte, nur etwa 1:2.

Hierbei sind die Unterschiede sogar noch geringer:
["nach der zeitenwende"] 152.000
["nach der zeitrechnung"] 142.000

Und wenn man's bei google mit ["vor unserer Zeitrechnung"] und ["nach unserer Zeitrechnung"] probiert, gibt es sogar 1.450.000 und 1.160.000 Treffer.
Darunter übrigens auch Duden | Suchen | unserer Zeitrechnung. Bickerman hat sich also an den Duden gehalten, oder andersherum.:D

... letztlich ist unsere Haarspalterei (Zeitrechnung od. Zeitenwende) natürlich ziemlich nebensächlich ...

Edit: Siehe übrigens auch hier: http://www.duden.de/rechtschreibung/v__d__Z_
 
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Mh... Das ist interessant. Gibt man bei Googel im Suchgeld []
["vor der Zeitrechnung"] an, erhält man doch 51.700 Treffer. ["vor der Zeitenwende"] erhält zwar fast doppelt so viele Treffer (99.100), aber das sind deutlich weniger, als ich gedacht hätte; das Verhältnis zueinander ist deutlich ausgewogener, als ich gedachte hätte, nur etwa 1:2.
gibt man vor unserer Zeitrechnung an so erhält man 323 000 Treffer
 
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