Wie wurden in Deutschland die Schwarzen gesehen ?

Jacobum

Aktives Mitglied
Ein Thema hier im Forum ( http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=10935 ) und diverse Vorfälle der vergangenen Zeit haben bei mir die Frage entstehen lassen, welche Sichtweise in Deutschland gegenüber schwarzen Menschen vorhanden war.

In früheren Jahrhunderten war ein "Mohr" ein seltener Anblick hierzulande. Sicher kamen hin und wieder von Handels- oder Kriegszügen einzelne Schwarze ins Land und wurden wohl auch entsprechend bestaunt.

Bei Adeligen war es Mode, sich "Hausmohren" zu halten. Dies hat meiner Meinung nach weniger mit Sklavenhaltung oder gar dem heutigen Rassismus zu tun, es dürfte wohl eher eine Art "exotischer Kick" gewesen sein. So wie man sich auch edle Pferde, Rassehunde, Zwerge oder Riesen hielt...

Mit den Entdeckungsfahrten und dem Kolonialzeitalter des 19. Jahrhunderts wurden die Kontakte zu Afrika enger. Aus "Mohren" wurden "Neger", denen man Christentum und Ziviisation zu bringen hatte. In Büchern des 19. Jh. konnte ich nirgendwo etwas über Rassenhass lesen. Die Afrikaner wurden eher als "brave Gesellen" betrachtet, die auf einer Stufe mit Kindern standen und deshalb auch wie diese eine strenge Hand brauchten.

Im Krieg 1870/71 setzten die Franzosen Kolonialregimenter (Turcos) gegen die Deutschen ein, die jedoch zumeist aus Nordafrikanern (Arabern und Berbern) bestanden. Dies wurde auf deutscher Seite mit Empörung gesehen.

Erst im 1. WK wurden "Farbigenregimenter" in größerer Anzahl auf dem europäischen Kriegsschauplatz eingesetzt, zumeist unter französischer Flagge. Bei den Briten waren es zumeist Inder, weniger Afrikaner. Mit den US-Truppen kamen weitere Farbige an die Front.
Von den deutschen Propaganda wurde diese "schwarzen Horden" als Bestien und Menschenfresser angesehen (Näheres unter dem o.a. Artikel).

Der Verlust der Kolonien hatte für Deutschland zur Folge, dass es zu keiner Zuwanderung aus Afrika kam, wie es in Großbritanien und Frankreich der Fall war. Mangels eigener Erfahrung war die Meinung eine Mischung aus Unwissenheit, Vorurteil und Kolonialfantasie.

Neben dem Auftreten schwarzer Besatzungssoldaten in den Jahren nach dem Ende des 1. WK kamen erst mit den US-Truppen 1944/45 wieder Schwarze in größerer Anzahl nach Deutschland (Nach Meinung vieler meiner Bekannten, die das Kriegsende miterlebt haben, waren gerade die Schwarzen die sympathischsten und nettesten Amis).

1952 gab es in den Kinos einen Schmachtfilm "Toxi", in dem ein fünfjähriges dunkelhäutiges Mädchen (ein sog. "Besatzerkind") die Hauptrolle spielte und die Herzen aller Muttis erweichte.

Ja, das war so ein kurzer Abriss.

Hat jemand mehr zum Thema? Hat es in früheren Jahrhunderten Rassenvorurteile und Rassenhass bei uns gegeben? Wurden Schwarze überhaupt für voll genommen?

Jacobum
 
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Wir fällt dazu Ralph Giordanos Semiautobiographie ein, Die Bertinis, in der es Micky gibt, einen schwarzen Jungen. "Micky" selber hat inzwischen zwei Bücher zu seinem Leben als Schwarzer unter der Naziherrschaft in Deutschland und später in Amerika und Afrika geschrieben:

Hans Massaquoi: Neger, Neger, Schornsteinfeger und Hänschen klein ging allein.

Die Kurzversion von Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Hans-J%C3%BCrgen_Massaquoi

Ich meine,die von Pope angesprochene Völkerschau wird auch im ersten Buch Massaquois besprochen.
 
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Zur deutschen Kolonialzeit war das Bild recht vielschichtig. Meist galt der Schwarze als exotisches Wesen, das Mitleid und Fürsorge verdiente, was in Form von Missionierung und Spendensammlungen gemacht wurde. Eine Fürsorge wie Vater und Mutter sie ihren Kindern angedeien lassen. In breiten Teilen galt "der Neger" als entfernter, unterentwickelter Verwandter, dessen vermeindliche Naivität oft zur Belustigung herhalten mußte. Es war also eine Art von "Herrenmenschendenken", ganz klar eine Form von Rassismus, die aber von den Zeitgenossen eher positiv als negativ empfunden und gedacht wurde. Für die Betroffenen wirkte das natürlich ganz anders.

Dies galt in der Regel für die Wahrnehmung aus der Entfernung, wie die breite Bevölkerung das Bild des Schwarzen aufnahm, was ihr im Alltagsleben gezeigt wurde. Dieses Bild konnte sich jedoch schnell wandeln und zwar, wenn man mal direkt Kontakt zum "lustigen Neger" bekam. Zum Beispiel in den erwähnten Völkerschauen. Da war der Schritt von Neugierde zum gruslig, grausligen Gefühl nicht weit.

Die zweite Änderung des Denkschemas ergab sich, wenn der Schwarze zum Feind wurde, wie bei Aufständen in den Kolonien. Schnell war es nicht mehr der naive, liebenswerte Exot mit den lustigen dicken roten Lippen - Nein, er wurde zum verschlagenen, grausamen Wilden, der für seine Frechheiten die härtesten Strafen verdiente.

Dr.Zeller schreibt, soweit ich weiß gerade an einem Buch, das sich genau mit diesem Thema, quasi dem Phänomen der Exotik des Schwarzen in der Kolonialzeit beschäftigt.
 
Bis heute ist die Geschichte von Angelo Soliman in Österreich ziemlich bekannt. Angelo Soliman kam als Sklavenkind nach Sizilien und wurde dort freigekauft und erzogen, 1737 aber dennoch dem Fürsten Lobkowitz als Kammerdiener geschenkt. 1755 tritt er in die Dienste des Fürsten von Liechtenstein und wird bald darauf geschätzter Teil der Wiener Gesellschaft. 1781 tritt er Loge "zur wahren Eintracht" bei, der prominesten Freimaurer-Loge Wiens.
Doch dieser hohe Grad an Integration wird durch die Ereignisse nach seinem Tod wieder relativert. Auf Befehl Kaiser Franz II. wird sein Leichnam ausgestopft und im Naturalienkabinett ausgestellt. Die "Mumie" bleibt dort bis 1806 zu sehen und wird erst nach heftigstem Protest seiner Tochter ins Depot geräumt. Dort wird die ausgestopfte Haut durch den Brand der Hofburg 1848 vernichtet.

Angelo Soliman auf Wikipedia
 
Arne schrieb:
Die zweite Änderung des Denkschemas ergab sich, wenn der Schwarze zum Feind wurde, wie bei Aufständen in den Kolonien. Schnell war es nicht mehr der naive, liebenswerte Exot mit den lustigen dicken roten Lippen - Nein, er wurde zum verschlagenen, grausamen Wilden, der für seine Frechheiten die härtesten Strafen verdiente.

Der Schwarze wurde in vorwilhelminischer Zeit in Deutschland durchaus verständnisvoll gesehen. Ich erinnere nur an Dr. Hoffmanns Struwwelpeter, wo drei böse Buben, die einen Schwarzen verhöhnten vom Nikolas als Strafe in ein großes Tintenfass gesteckt wurden.:D
 
heinz schrieb:
Der Schwarze wurde in vorwilhelminischer Zeit in Deutschland durchaus verständnisvoll gesehen. Ich erinnere nur an Dr. Hoffmanns Struwwelpeter, wo drei böse Buben, die einen Schwarzen verhöhnten vom Nikolas als Strafe in ein großes Tintenfass gesteckt wurden.:D

Allerdings ist der obige Sprachgebrauch ( = "der Schwarze") nicht neutral, sondern rassistisch geprägt - schon dadurch, daß er suggeriert, man könne die gesamte schwarze Bevölkerung des Globus zusammenfassen und individuelle, kulturelle, geographische, religiöse etc etc Unterschiede negieren. Sprich: alle über einen Kamm scheren.

Ob wir ein "verständnisvolles Sehen" anhand des Struwwelpeters feststellen dürfen, ist doch sehr fraglich. Verständnis wird da nicht gelehrt, sondern daß man (bzw. Kind) Leute nicht belästigen darf, die das vermeintliche Unglück haben, anders auszusehen. Das liegt so ungefähr auf der Ebene von: man macht sich nicht über Behinderte lustig, die sind schon gestraft genug. Oder: man darf keine Tiere quälen.

Zum weiteren, Heinz: es ist noch kein Verständnis für wen auch immer, wenn gelehrt wird, diesen Personen darf man zwar nicht ihre Hautfarbe verübeln, aber kolonisieren, ausbeuten und als geringer betrachten ist gar nicht erst Thema. Zumal in Arnes Beitrag, den du teilweise zitierst, die 'verständnislosen' Sichtweisen sehr gut zusammengefaßt werden: entweder sind Afrikaner "kindlich, exotisch, gutmütig, harmlos" - sprich: es ist gar kein Vergleich mit den 'erwachsenen' Weißen gegeben und auch nicht möglich. Oder die Afrikaner mutieren zu "blutrünstigen, feigen, verräterischen, hinterlistigen Wilden", womit ihnen wiederum die volle Menschlichkeit abgesprochen wird. Beide Sichtweisen stereotypisieren Afrikaner und weisen ihnen einen geringeren Wert zu bzw ent-menschlichen sie.

In beiden Sichtweisen gleichermaßen enthalten ist aber auch, daß "die Weißen" die Afrikaner schon richtig behandeln und diese das anerkennen sollten, indem sie weiterhin naiv und lustig sind. Ein Beharren auf Rechten oder gar Widerstand ist nicht erlaubt und nicht vorgesehen.

Man kann sogar sagen: dieses unterstützt der Nikolaus mit seiner Tintenfaßaktion sogar noch, denn es ist ein Weißer, der die Strafe vollzieht und nicht etwa der gepiesackte Afrikaner, der sich zur Wehr setzen und den Jungen eine Lehre erteilen darf.
 
Ingeborg schrieb:
Ob wir ein "verständnisvolles Sehen" anhand des Struwwelpeters feststellen dürfen, ist doch sehr fraglich. Verständnis wird da nicht gelehrt, sondern daß man (bzw. Kind) Leute nicht belästigen darf, die das vermeintliche Unglück haben, anders auszusehen. Das liegt so ungefähr auf der Ebene von: man macht sich nicht über Behinderte lustig, die sind schon gestraft genug. Oder: man darf keine Tiere quälen...
Man kann sogar sagen: dieses unterstützt der Nikolaus mit seiner Tintenfaßaktion sogar noch, denn es ist ein Weißer, der die Strafe vollzieht und nicht etwa der gepiesackte Afrikaner, der sich zur Wehr setzen und den Jungen eine Lehre erteilen darf.

Die Geschichte aus dem Struwwelpeter, auf die mehrfach Bezug genommen wurde, heißt "Die Geschichte von den schwarzen Buben". Wobei "Bube" nicht gleichbedeutend mit Knabe, Junge ist, sondern damals ein Schimpfwort wie "Lausejunge" oder "Bengel" war. Dies nur am Rande...

Man sollte nicht vergessen, dass der Struwwelpeter 1844 erschienen ist und nicht vergangenes Jahr. Dass heutzutage ein solches Kinderbuch nicht mehr verfasst würde, dürfte klar sein.

Für 1844 ist es durchaus bemerkenswert, dass in kindgerechter Form zu Toleranz gegenüber andersartigen Menschen aufgerufen wird. Der "Mohr" wird vom Verfasser nicht als fremdartiges Wesen karikiert sondern als ein Mensch, der eben anders aussieht, deswegen aber genauso Respekt und Anerkennung verdient hat. Und ich finde durchaus, dass hier Verständnis gelehrt wird.

Dass der Nikolaus ein Weißer ist ... ja, was soll ich dazu sagen. Es ist halt so. Hätte ein "schwarzer Rächer" die 3 Buben bestraft, wäre für die Kinder, die das Buch lesen, aus dem Spott der "Buben" ein Schwarz-Weiß-Konflikt geworden. Es ist gut, dass Hoffmann auf das Schüren einer "Angst vor dem schwarzen Mann" verzichtet hat!

Im Übrigen finde ich das letzte Bild der Geschichte sehr gelungen. Nun sind auch die bösen Buben schwarz und dennoch (oder gerade deshalb) lachen sie.

Wer es anschauen will und gerade keinen "Struwwelpeter" zur Hand hat:
http://gutenberg.spiegel.de/hoffmanh/struwwel/struww31.htm

Grüße

Jacobum
 
Jacobum schrieb:
Der "Mohr" wird vom Verfasser nicht als fremdartiges Wesen karikiert sondern als ein Mensch, der eben anders aussieht, deswegen aber genauso Respekt und Anerkennung verdient hat.

Ich hingegen finde, dass der Zungenschlag der Belehrung eben nicht von Respekt geprägt ist, sondern von Mitleid mit dem "armen Mohren", dass er nicht so weiß ist wie wir.

"Was kann denn dieser Mohr dafür,
Daß er so weiß nicht ist, wie ihr?"

Darin ist die Geschichte durchaus zeitgemäß, denn auch unsere heutigen Gutmensch-Rassisten sind von Toleranz bewegt und nicht von Respekt; und tolerieren heißt ertragen. ("ich bemitleide dich dafür, dass du anders bist als ich, aber ich ertrage dich, weil ich ein guter Mensch bin. Dafür erwarte ich von dir, dass du meinen Vorstellungen davon entsprichst, wie du zu sein hast, denn da ich gut bin, weiß ich, was gut für dich ist.")
 
Lieber Jacobum,
Du hast das mit dem Struwwelpeter sehr gut erklärt. Man muß dieses Buch natürlich durch das Zeitloch des 19. Jahrhunderts betrachten.
 
Ich habe eigentlich den Beiträgen von Jakobum, Arne und El Quixote nicht viel hinzuzufügen. Eine interessante Karriere machte der äthiopische Sklave Ibrahim Petrovic Ganibal. Er wurde Zar Peter dem Großen zum Geschenk gemacht, der für seine sorgfältige Ausbildung sorgte und sein Pate wurde. Er spielte eine bemerkenswerte Rolle in der Gesellschaft st. Petersburgs und er war der Urgroßvater mütterlicherseits von Puschkin.
 
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