Wie wurden Musketen und Kanonen hergestellt?

Namenlos

Neues Mitglied
Hallo zusammen,

hat jemand für mich eine gute Quelle darüber, wie Musketen und/oder Kanonen in der Zeit von 1400 - 1700 Jhr. produziert wurden?

Insbesondere interessieren mich auch Daten wie lange es dauerte, welche Materialien verwendet wurden, welche Werkzeuge notwendig waren oder welchen Stellenwert damals ein Musketen und/oder Kanonengießer hatte ... Massenware oder hochgeschätzter Spezialist?

Würde mich über eure Hilfe freuen. Vielen Dank
 
@Namenlos
in der Zeit von 1400 - 1700 Jhr.
So allgemein gehalten kann man diese Frage kaum beantworten: Die verwendeten Techniken und Materialien unterlagen einem steten Wandel. Die eigentliche Muskete (Radschlossbüchse) tauchte z.B. erst lange nach 1400 auf, Ende des 16. Jahrhunderts, um die Arkebuse (Hakenbüchse) abzulösen – wie die Arkebuse zuvor das Handrohr. Und natürlich wurden kleine Feuerwaffen anders gefertigt als große.

Zur Unterscheidung im Folgenden: Als 'Handbüchsen' bezeichnet man v.a. Handrohr, Haken- und Radschlossbüchse – frühe Handfeuerwaffen, die von ein bis zwei Mann bedient werden konnten. Sie verschossen Bleikugeln. 'Steinbüchsen' sind dagegen große Geschütze, die bes. bei Belagerungen eingesetzt wurden. Sie verschossen Steinkugeln, ab ~1450 (Erfindung des Eisengusses) auch eiserne.

@El Quijote hat die Berufe erwähnt, die sich mit der Herstellung dieser Waffen befassten.

Handbüchsen wurden von Büchsenmachern gefertigt, die früh auftraten und sich in Zünften organisierten. Als Handwerker gehörten sie der städtischen Mittelschicht an, jedoch wohl eher nicht der "oberen Mittelschicht" – was daraus erhellt, dass sie im Mittelalter selten eigene Zünfte bilden konnten, sondern fast immer anderen Gewerken (wie den Schlossern) zugeschlagen wurden.

Steinbüchsen baute der Stückmeister, der bis ins 17. Jhdt. eher ein freischaffender Erfinder, Abenteurer und Söldner als ein typischer Handwerker war. Seine Produkte waren (ab Maximilian I. halbwegs normierte) Einzelstücke, die er nicht nur fertigte, sondern oft auch im Krieg selbst bediente (oder zumindest die Bediener beriet). Ein guter Stückmeister konnte sich fürstlich bezahlen lassen.

Die frühesten europäischen Feuerwaffen nach unserem Verständnis waren sog. Feuertöpfe (erste mögliche Erwähnung 1314, gesichert 1338), die tatsächlich eine Art Pfeil verschossen. In der Frühphase des Hundertjährigen Krieges wurden dann aber so große Fortschritte in der Metallurgie gemacht, dass man allmählich "echte" Büchsen bauen konnte, die (wesentlich effektivere) Kugeln verschossen.

Frühe Büchsenrohre wurden aus Eisen geschmiedet bzw. aus Kupfer, Bronze oder Messing gegossen und waren klein. Doch als sich um 1400 die ersten "echten" Belagerungsgeschütze etablierten, wuchs der Bedarf nach immer größeren Kalibern. Die konnte man aber einstweilen nicht aus einem Stück fertigen.

Stattdessen bauten die Stückmeister Stabringgeschütze, indem sie längliche Einzelteile wie Fassdauben mit Querreifen zu einem Geschützrohr zusammendrückten. Diese Geschütze waren auch für ihre Bediener gefährlich: Hielt die Konstruktion dem Gasdruck nicht stand, konnte sie schon mal in die Luft gehen. Bekanntestes Opfer: der artilleriebegeisterte schottische König Jakob II.

Darum trieb man die Entwicklung von Steinbüchsen voran, die aus möglichst wenigen gegossenen Teilen bestanden (ab dem 16. Jhdt. konnte man Rohre aus Eisen gießen). Außerdem gelang es, den Ladevorgang schneller und sicherer zu gestalten, indem man die ersten Hinterlader baute: Kammerbüchsen, bei denen die Pulverladung in eine Aussparung am Ende des Geschützes kommt.

Die Entwicklung der Handbüchsen vollzog sich parallel. Die ersten Waffen dieser Art waren die bereits erwähnten Handrohre – im Prinzip nur kurze Rohre mit einem unter den Arm zu klemmenden Schaft (daher auch die Alternativbezeichnung 'Feuerlanze'). Der Richtschütze richtete die Waffe auf das Ziel, und der Ladeschütze löste den Schuss aus, indem er die Lunte an das Zündloch hielt.

Ab dem frühen 15. Jhdt. folgte die Hakenbüchse mit einem "Gewehrkolben" zur besseren Handhabung. Mit einem Luntenschloss versehen, wurde sie zur eigentlichen Arkebuse (beide Begriffe werden aber auch als Synonyme verwendet): Bei diesem Typ Schloss steckt die brennende Lunte in einem Hahn, der auf das Schießpulver in der Pfanne abgesenkt wird. So kann man den Lauf entlang zielen.

Von diesem Punkt an versuchten die Büchsenmacher, ihre Waffen v.a. leichter und zuverlässiger zu machen. Ansonsten änderte sich bis ins 18. Jhdt. hinein nicht allzu viel daran, nicht mal ästhetisch. Man fügte eine Abdeckklappe für die Pulverpfanne hinzu; später gelang es, das Schließen der Klappe in den Auslösemechanismus zu integrieren. So wurde das Pulver nicht so leicht nass.

Einen weniger wetterempfindlichen Auslösemechanismus erhielt man, indem man die Lunte durch einen Funkengeber ersetzte. Das war zuerst ein Rad, das über einen Feuerstein schrammt (Radschloss, ab 1500); noch effektiver war das Schnappschloss (ca. 1530), das den Hahn auf eine gerillte Schlagplatte schnellen lässt. Das Steinschloss, die letzte Entwicklungsstufe, ist eine Abwandlung davon, es hat obendrein noch einen Zündkanal, der die Zünd- von der Hauptladung trennt.

Die Muskete ist letztlich nur eine schwere, zielgenaue Abart der Arkebuse, i.d.R. mit Radschloss. (Bis zum 17. Jhdt. baute man aber auch Arkebusen und Musketen mit Luntenschloss, das war billiger.)

Die Herstellung einer einfachen Arkebuse dauerte nach 1450 wenige Wochen. Bei den Steinbüchsen dürfte die Bauzeit stark variiert haben: Um die "Mons Meg" zu bauen, brauchte Jehan Cambier mit seinen Gehilfen mehrere Monate. Zu bedenken ist dabei jedoch, dass große Steinbüchsen auch Prunkobjekte waren und entsprechend langwierig und aufwendig verziert wurden.

(Kurze Darstellung nach Bachrach, Bernard S. u. David S. : 'Warfare in Medieval Europe c.400-c.1453'; van Loo, Bart: 'Burgund'; Funcken, Liliane u. Fred: 'Historische Waffen und Rüstungen')
 
Zuletzt bearbeitet:
Moin

Du kannst auch noch in einem Mittelalterforum nachfragen, wir haben da ein Forum " Mittelalterforum.org" da gibt es auch keine Werbung, ( für die Forenregeln hier!), da behandeln wir auch solche Themen und einige Mitglieder sind auch in dieser Hinsicht aktiv.
 
Vielen Dank nochmal für die Rückmeldungen. Falls jemand anderes auf die selbe Frage stößt habe ich noch folgende Quelle gefunden, wo der Waffenbau erläutert wird.

Heerwesen der Neuzeit; Waffen der Landsknechte von Georg Ortenburg.
 
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