Wieviele Bürgerliche "regierten" im Absolutismus?

Brissotin

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Ich hätte mal eine Frage, da mir heute wieder auffiel, dass im hohen Staatsdienst ein erstaunlich großer Anteil an geborenen Bürgerlichen, freilich in der Regel später geadelt, an den großen und kleinen Höfen in den Räten saß.
Hat jemand online eine gute Statistik zur Hand wie groß der Anteil der Bürgerlichen in der Regierung der absolutistischen Staaten oder bedeutenderen Staaten im Zeitalter des Absolutismus war?

Auf Anhieb fielen mir der Graf Gotter in Berlin und der Baron von Bartenstein in Wien ein, welche in einer besonderen Gunst bei Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. bzw. Karl VI. und Maria Theresia standen. Aber auch in Frankreich wurde ja der Neuadel von Louis XV wie schon von Louis XIV protegiert, da dieser deutlich loyaler als viele Altadelige war.
 
Wie wäre es mit dem Herzogtum Württemberg? Joseph Süß Oppenheimer kam aus bürgerlichen Verhältnissen und wurde Finanzminister. Ist eine tragische Figur die heute eher durch den NS Film "Jud Süß" bekannt ist.

Württemberg scheint in der Hinsicht außergewöhnlich:

Der Grund, weshalb die "Ehrbarkeit" eine so herausragende Rolle in Württemberg einnehmen kann, ist die Tatsache, dass "das Herzogtum Württemberg ein adelsfreies Land" ist. (Wehling 1991, S. 17) Es gibt im Land eigentlich keinen landsässigen Adel mit größerem Grundbesitz (vgl. Wintterlin 1907, S.172). Das unter herzoglicher Verwaltung stehende Kammergut und das Kirchengut sind die eigentlichen Grundeigentümer in Württemberg. Die Reichsritterschaft, deren Güter auch inmitten des landesherrlichen Territoriums liegen bewahren sich ihre Reichsunmittelbarkeit und geraten daher auch nicht in eine lehnsrechtliche Beziehung zum württembergischen Herzog. Sie sind keine Untertanen des Herzogs und erlangen damit auch die württembergische Landstandschaft nicht. Versuche des Herzogs, reichsritterschaftliche Gebilde von solchen Reichsrittern, die außerhalb des Landes leben, seiner herzoglichen Gewalt, zumindest seiner Steuer- und Militärhoheit, einzuverleiben, gelingen, da die Reichsritter beim Kaiser Hilfe finden, nicht. (vgl, ebd., S.188)
Wer im Herzogtum adelig ist, steht als landfremder Adeliger im Dienst des Herzogs oder ist ein von diesem in den Adelsstand erhobener (nobilitierter) Beamter oder Offizier. Erst später, nach den territorialen Zugewinnen im Zeitalter Napoleons kommen mächtige Adelsfamilien ins Land: Fürsten, Grafen und Ritter, die ursprünglich über keinen Grundbesitz im Land verfügt haben.
Frst und Land
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Also gezwungenermaßen ein sehr hoher Anteil an Bürgerlichen in wichtigen Positionen. Ist allerdings kein sonderlich bedeutender Staat, mit einem schwach ausgeprägtem Absolutismus.
 
Württemberg ist sicherlich unter den Staaten in dem Format nicht so der extreme Sonderfall. Natürlich war die politische Partizipierung des 3. Standes (wenn wir jetzt auch in Württemberg damit die Bürgerlichen bezeichnen wollen) groß, aber auch an anderen Höfen war es geradezu unumgänglich dass Bürgerliche in wichtigen Posten saßen. Kleinere Staaten wie Bayreuth hatten schlicht garnicht soviele Adelige um alle Hofämter und Verwaltungsämter aus den alteingesessenen Adelsfamilien zu besetzen. Natürlich gab es daneben auch Adelsfamilien, mir sind besonders viele thüringische bis jetzt untergekommen, welche im Ausland ihre Abkömmlinge zu sitzen hatten, da an den umliegenden Höfen nicht unterzukommen war.

Aber Oppenheimer ist natürlich ein gutes Beispiel.

Besonders beachtlich ist wohl der Aufstieg des Joseph Anton von Reibelt, der, wenn ich mich recht entsinne, sogar ein Bauernsohn war und es bis in den Freiherrenstand brachte, da er sich als Beamter in Staatsdiensten bis in die nähere Umgebung seines Kurfürsten Carl Theodor hochdiente.
 
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