WK-1: "Deutschland trug zweifellos große Schuld am Kriegsausbruch"

Warum eigentlich wird diese Diskussion wieder aufgewärmt?

Eine grundsätzliche Anmerkung vorweg geschickt:
„Revanche pour Sadova“ lautete der Schrei in der französischen Nationalversammlung und Öffentlichkeit in Frankreich nach dem preussischen Sieg über Österreich. Es konnte ja schließlich nicht angehen, dass das aufstrebende Deutschland der Grande Nation den Rang als europäische Hegemonialmacht streitig machen könnte und Frankreich dabei leer ausgeht.

Bismarcks Einstellung zu der Annexion geht im Prinzip aus einer Bemerkung im Zuge der Kapitulationsverhandlungen vor Sedan hervor. Damals sagte er einen französischen General:

"Frankreich wird unter allen Umständen für die Ereignisse der letzten Wochen an uns Rache zu nehmen bestrebt sein, und dazu müssen wir uns jetzt schon vorbereiten, auch die nötige Stellung uns erwerben."
Nachzulesen, Bismarck Alte Friedrichsruher Ausgabe, Band 6b, S.487
Nichtsdestotrotz kam ihm Zweifel, ob die Annexion aus außenpolitischen Gründen zweckmäßig sei. Dies wurde deutlich aus Äußerungen gegenüber Busch am 04.09. und Keudell am 06.09. als er die Erwerbung als politisch unerwünscht aber den Besitz der beiden Festungen Straßburg und Metz für notwendig hielt, um die Franzosen einen neuen Angriffskrieg zu erschweren. (Busch, Graf Bismarck und seine Leute. Nach Tagebuchblättern, Band 1, S.135, Keudell, S.457

Damit ist eigentlich schon alles von Bedeutung gesagt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Letztlich ist das wieder eine moralische Debatte bei der es ausschließlich darum geht einen Schuldvorwurf gegen Deutschland zu konstruieren. Es ist immer sehr auffällig in diesem Forum, dass die Debatten immer in eine Richtung gehen.
 
@Steven-Kasmarek1 ...du musst verstehen: es begann schon alles mit der bösartigen Schandtat, den von Frankreich völkerverbindend und heilsbringend 1870 begonnenen Krieg 1871 schnöde und brutal zu gewinnen. Wer so eine miese Gemeinheit begeht, der erweist sich nicht nur künftig als an allem Übel schuldig.
;) ;);););)
 
Nach dem Friedensvertrag von Frankfurt konnten die Bewohner des Reichslandes optieren, d. h. innerhalb eines gewissen Zeitraumes durften sie unter Beibehaltung ihrer bisherigen französischen Staatsbürgerschaft nach Frankreich ausreisen.

Ich weiß nicht, ob es da Statistiken gibt, ob die Anzahl der Optanten für Frankreich aus dem französischsprachigen Teil des Reichslandes höher als aus dem deutschsprachigen Teil war, aber die Stimmung im gesamten Reichsland war mehrheitlich profranzösisch, wie man auch an den Ergebnissen der Reichstagswahlen sehen konnte.
Ich tue mich schwer, solide Zahlen aufzutreiben.
"Von den 1,5 Millionen Elsass-Lothringern machten allerdings nur etwa zehn Prozent von ihrem Optionsrecht Gebrauch und nur drei Prozent, oder knapp 50.000 Einwohner, wanderten schließlich auch nach Frankreich aus", schreibt Volker Stalmann, Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, Paderborn/München/Wien/Zürich 2009, S. 168.
Viele zogen es vor, die Option zurückzuziehen, in der Heimat zu bleiben und sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren, andere wanderten zwar nicht nach Frankreich, aber in die USA oder anderswohin aus.



Pardon, das müsstest du mir erklären, wie sich das aus den Reichstagswahlergebnissen ableiten ließ.

In den Jahren nach der Annexion gab es drei bedeutende politische Gruppierungen:

- Die "Protestler", die strikt gegen die Annexion waren und jegliche Kooperation mit dem Deutschen Reich verweigerten.
- Den politischen Katholizismus, der insbesondere Preußen (Kulturkampf!) als Erzfeind ansah und ebenfalls eine Verweigerungshaltung einnahm.
- Die "Autonomisten", deren führende Köpfe zunächst ebenfalls gegen die Annexion protestiert hatten, sich dann aber auf einen realpolitischen Kurs einstellten und mit dem Deutschen Reich kooperierten, mit dem Ziel, größtmögliche Autonomie zu erreichen. Hier spielten auch antiklerikale Einstellungen eine Rolle.

Bei der ersten Reichstagswahl, bei der das Reichsland beteiligt war, kam es zu einem informellen Wahlbündnis zwischen den ersten beiden Gruppen. Infolgedessen konnten die Autonomisten keinen einzigen Sitz erringen.

Die Prozentwerte waren wie folgt:
"Protestler" 34,3%
"Klerikale" 43,9%
"Autonomisten" 18,8%
 
Letztlich ist das wieder eine moralische Debatte bei der es ausschließlich darum geht einen Schuldvorwurf gegen Deutschland zu konstruieren. Es ist immer sehr auffällig in diesem Forum, dass die Debatten immer in eine Richtung gehen.

Mir sind moralbeladene Debatten ja auch zuwider. Allerdings finde ich in den letzten ca. 30 Beiträgen keine Schuldvorwürfe. Von welcher Debatte genau sprichst Du? Oder meinst Du den Threadtitel? Der ist fast 20 Jahre alt.
 
Northcliffe's ownership of The Times, the Daily Mail and other newspapers meant that his editorials influenced both "the classes and the masses".[23] That meant that in an era before radio, television or internet, Northcliffe dominated the British press "as it never has been before or since by one man"
Northcliffe beherrschte die britische Presse, "wie es nie zuvor oder danach ein einzelner Mann getan hat".
Northcliffe's editorship of the Daily Mail in the years just before the First World War in which the newspaper displayed "a virulent anti-German sentiment"[1] caused The Star to declare, "Next to the Kaiser, Lord Northcliffe has done more than any living man to bring about the war".[25]
veranlasste The Star zu der Erklärung: "Neben dem Kaiser hat Lord Northcliffe mehr als jeder andere lebende Mensch dazu beigetragen, den Krieg herbeizuführen".
Alfred Harmsworth, 1st Viscount Northcliffe - Wikipedia
 
Zur Frage der Sprachgrenze: es ist natürlich richtig, dass die Sprachgrenze nie ein Kriterium der Grenzziehung gewesen ist. Eine einzige Ausnahme fällt mir ein: die Grenze Luxemburg zu Belgien entspricht m. W. der Sprachgrenze. Allerdings ist Luxemburg mittlerweile ohnehin zwei- bzw. dreisprachig (unter Einbeziehung des lokalen Dialektes), aber historisch ist Luxemburg innerhalb des deutschen Sprachgebietes
Belfort – Wikipedia
Feldmarschalls Graf Moltke (1800–1891) wieder: „Auf die Festung haben wir verzichtet, weil der Sieger im Siege Mäßigkeit an den Tag legen muß.“[5]

Der Hauptgrund war jedoch weniger die Generosität der Sieger, sondern lag in primär außenpolitischen Gründen. Otto von Bismarck wollte im Gegensatz zu den preußischen Militärs eine Grenzziehung, die sich im Wesentlichen an der Sprachgrenze orientierte. Dieser Verlauf entlang der Sprachgrenze sollte die internationale Akzeptanz der neuen Grenzziehung erhöhen und französischen Revisionswünschen entgegenwirken. Im Falle von Belfort konnte sich Bismarck durchsetzen, im Gegenzug akzeptierte er die wehrgeographisch motivierte Forderung der preußischen Militärs nach der Annexion auch französischsprachiger Teile Nordlothringens (Gebiet um Metz).[6]

Der Verlauf der neuen deutsch-französische Staatsgrenze im südlichen Elsass orientierte sich im Wesentlichen an der deutsch-französischen Sprachgrenze. Die einzige Abweichung der Sprach- von der Staatsgrenze stellten drei Ortschaften im Umfeld des Ortes Montreux-Vieux (dt. Altmünsterol) dar. Dieser Grenzvorsprung ergab sich aus dem Verlauf der Eisenbahnstrecke und der Lage des Grenzbahnhofes Altmünsterol. Das aus dem abgetrennten Südteil des Sundgaues entstandene neue französische Département erhielt die Bezeichnung Territoire de Belfort. Es umfasste ausschließlich französischsprachige Orte. Sein Verwaltungszentrum wurde die Stadt Belfort.
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Augstein schrieb, Nichterwerb der Festung Belfort war sehr negativ für DR im 1. Weltkrieg.
 
Der Hauptgrund war jedoch weniger die Generosität der Sieger, sondern lag in primär außenpolitischen Gründen. Otto von Bismarck wollte im Gegensatz zu den preußischen Militärs eine Grenzziehung, die sich im Wesentlichen an der Sprachgrenze orientierte.
Ich denke, der Hauptgrund dürfte in diesem Fall eher gwesen sein, dass Frankreich mit einer Abtretung von Belfort niemals leben konnte, weil ohne eigene Sperrfestung in diesem Bereich die Vogesen ein entscheidendes militärgeographisches Hindernis mehr dargestellt hätten, dass sich in ein Verteidigungskonzept integrieren ließ.
Ohne dem wäre die "Burgundische Pforte" und damit ein größerer Teil frannzösischen Gebiets in einem kommenden Krieg sehr exponiert gewesen.

Verzichtete man darauf und gestand Frankreich eine Grenze zu, die sich einigermaßen verteidigen ließ und die Sicherheit gab, konnte man ggf. darauf hoffen, dass sich Paris irgendwann mit der neuen Grenze arrangieren würde.
Nahm man demgegenüber diese Position und sorgte damit für eine permanente Bedrohung der lothringischen und burgundischen Territorien, musste es für jede kommende französische Regierung Priorität sein, dass zurück zu gewinnen.
Und das nicht nur aus Revanche-Gelüsten oder Prestige-Gründen heraus, sondern aus ernsten sicherheitspolitischen Erwägungen.

Ich denke da dürfte ein wesentlicher Grund für den Verzicht auf Belfort liegen.
 
Verzichtete man darauf und gestand Frankreich eine Grenze zu, die sich einigermaßen verteidigen ließ und die Sicherheit gab, konnte man ggf. darauf hoffen, dass sich Paris irgendwann mit der neuen Grenze arrangieren würde.
Nahm man demgegenüber diese Position und sorgte damit für eine permanente Bedrohung der lothringischen und burgundischen Territorien, musste es für jede kommende französische Regierung Priorität sein, dass zurück zu gewinnen.
Klingt folgerichtig, hat aber im Nachhinein nichts genützt.
Gibt es für diese Überlegeungen keine Quellen ? Im Tagebuch des Kronprinzen steht nichts zu den Motiven.
 
Zur Frage der Sprachgrenze: es ist natürlich richtig, dass die Sprachgrenze nie ein Kriterium der Grenzziehung gewesen ist. Eine einzige Ausnahme fällt mir ein: die Grenze Luxemburg zu Belgien entspricht m. W. der Sprachgrenze.

Otto von Bismarck wollte im Gegensatz zu den preußischen Militärs eine Grenzziehung, die sich im Wesentlichen an der Sprachgrenze orientierte. Dieser Verlauf entlang der Sprachgrenze sollte die internationale Akzeptanz der neuen Grenzziehung erhöhen und französischen Revisionswünschen entgegenwirken.

Ich habe mich oben unklar ausgedrückt. Gemeint von mir war, dass Sprachgrenzen zuvor nie ein Kriterium für politische Grenzen waren. Die heutige deutsch-französische Grenze am Rhein ist letztendlich dem französischen Verlangen unter Ludwig XIV. im 17. Jhdt. nach frontières naturelles, also natürlichen Grenzen, geschuldet. Da bildete der Rhein eine sogenannte natürliche Grenze. Gleiches gilt auch für Nordkatalonien (heute im Südwesten Frankreichs gelegen) mit den Pyrenäen als natürliche Grenze. Die Eingliederung der deutschsprachigen Gebiete Frankreichs muß man im Zusammenhang mit der Errichtung des Deutschen Reiches als Nationalstaat sehen, der das durch das Sprachgebiet definierte Deutschland umfassen sollte. Ausnahmen waren Luxemburg, Deutsch-Schweiz und Österreich.

M. E. sollte man die Beiträge zur Elsaß-Lothringen hierhin verschieben:
Ich denke, die Diskussion um Elsaß-Lothringen wäre hier besser aufgehoben: Elsaß-Lothringen
 
Ein paar Worte zu der französischen Seite.

Man darf nicht übersehen, das Napoleon III. und die französischen Politiker nicht entfernt daran dachten, bei der Verfolgung ihrer territorialer Forderungen und Kompensationsobjekte in den Jahren vor 1870 auf den Willen der betroffenen Bevölkerung irgendwelche Rücksicht zu nehmen, wie sie andererseits der Bevölkerung der süddeutschen Staaten das Selbstbestimmungsrecht schlicht verweigerte, welche nämlich das Recht eingeschlossen hätte, sich aus freiem Willen dem Norddeutschen Bund anzuschließen. Auch in den Kriegsmonaten 1870 ist der deutschen Forderung nach einer Gebietsabtretung von französischer Seite nicht etwa das Prinzip der Selbstbestimmung entgegengestellt worden, sondern das Prinzip der Integrität des französischen Territoriums.
Die französische Regierung hat sic während des Krieges zu keinem Zeitpunkt bereit erklärt, auf der Basis der Respektierung des Selbstbestimmungsrechts in Friedensverhandlungen einzutreten. Als beispielsweise Beust im September 1870 anregte, die französische Regierung möge die Initiative zu Verhandlungen mit Preußen ergreifen, sich nach den Friedensbedingungen erkundigen und - falls eine Gebietsabtretung verlang würde - antworten, dies könne nur mit Zustimmung der Bevökerung erfolgen. Der französische Außenminister lehnte ab.
Auch der von verschiedenen Politikern vorgebrachte und in der Öffentlichkeit diskutierte Vorschlag, einen neutralen Staat zwischen Frankreich und Deutschland zu schaffen, entsprang nicht der Absicht, dem Willen der Bevölkerung zu entsprechen, sondern auf diese Weise die Abtretung an Deutschland zu verhindern.

Ludwig Bamberger, gewiss nicht im Verdacht ein glühender Naionalist oder ein blinder Apologet der Bismarscken Poitik äußerte sich wie folgt:
"Meine eigene Überzeugung ist, daß der Hap gegen das siegreiche Deutschland und die Begierde nach Revanche ganz ebenso groß gewesen und geblieben wäre, selbst wenn man kein Zoll Landes abgerissen hätte. Aus menschlicher Rücksicht für die Bewohner wäre es wünschenswert gewesen, sie bei Frankreich zu lassen; aus Rücksicht auf die eigene Sicherheit war Deutschland zur Einverleibung berechtigt, den. ohne die Gefahr eines Angriffs zu vermehren, vermehrte es die Mittel der Abwehr Deutschlands, wenn Metz und Straßburg bei Frankreich geblieben wäre, gerade so viel Grund gehabt, täglich auf einen Revanchekrieg gefaßt bleiben zu müssen, wie dies jetzt der Fall ist, und es hätte nur das Plus von Widerstandsmitteln entbehrt, welche diese festen Platze ihm gewähren.... Kein Franzose hätte es den Deutschen gedankt, wenn sie auf Landerwerb verzichtet hätten, und die bloße Tatsache, daß sie Sieger gewesen, hääte enügt, das Rachebedürfnis lebendig zu erhalten."
 
Belfort – Wikipedia
Feldmarschalls Graf Moltke (1800–1891) wieder: „Auf die Festung haben wir verzichtet, weil der Sieger im Siege Mäßigkeit an den Tag legen muß.“[5]

Der Hauptgrund war jedoch weniger die Generosität der Sieger, sondern lag in primär außenpolitischen Gründen. Otto von Bismarck wollte im Gegensatz zu den preußischen Militärs eine Grenzziehung, die sich im Wesentlichen an der Sprachgrenze orientierte.


Dass Bismarcks Überlegungen von Rücksicht auf Sprachgrenzen geleitet gewesen sein sollen, halte ich für eine reichlich kühne und unbelegte Behauptung. Belegen lässt sich hingegen Bismarcks Begründung der Annexion von Elsass und Lothringen, die er vor dem Reichstag vertrat:

"Es blieb daher nichts anderes übrig, als diese Landesstriche mit ihren starken Festungen vollständig in deutsche Gewalt zu bringen, um sie selbst als ein starkes Glacis Deutschlands gegen Frankreich zu verteidigen, und um den Ausgangspunkt etwaiger französischer Angriffe um eine Anzahl von Tagemärschen weiter zurückzulegen, wenn Frankreich entweder bei eigener Erstarkung oder im Besitz von Bundesgenossen uns den Handschuh wieder hinwerfen sollte.
Der Verwirklichung dieses Gedankens, der Befriedigung dieses Gedankens, der Befriedigung dieses unabweisbaren Bedürfnisses zu unserer Sicherheit stand in erster Linie die Abneigung der Einwohner selbst, von Frankreich getrennt zuwerden, entgegen [...]"

Die Alternative, eine Abtrennung von Frankreich ohne Annexion, wurde von Bismarck abgelehnt, in erster Linie deswegen, weil dadurch ein deutscher Angriff auf Frankreich ohne Verletzung der Neutralität eines dazwischenliegenden Staates nicht mehr möglich gewesen wäre:

"Ein anderes Mittel wäre gewesen – und das wurde auch von Einwohnern von Elsaß und Lothringen befürwortet – einen neutralen Staat, ähnlich wie Belgien und dieSchweiz, an jener Stelle zu errichten. Es wäre dann eine Kette vonneutralen Staaten hergestellt gewesen von der Nordsee bis an die Schweizer Alpen, die es uns allerdings unmöglich gemacht haben würde, Frankreich zu Lande anzugreifen, weil wir gewohnt sind, Verträge und Neutralitäten zu achten, und weil wir durch diesen dazwischenliegenden Raum von Frankreich getrennt wären [...]"

 
Ein paar Worte zu der französischen Seite.

Man darf nicht übersehen, das Napoleon III. und die französischen Politiker nicht entfernt daran dachten, bei der Verfolgung ihrer territorialer Forderungen und Kompensationsobjekte in den Jahren vor 1870 auf den Willen der betroffenen Bevölkerung irgendwelche Rücksicht zu nehmen

Gab es denn in dieser Zeit irgend eine Regierung, die je auf das Selbstbestimmungsrecht Rücksicht genommen hätte, wenn es ihre Machtinteressen tangierte?

Im Prager Frieden 1866 vereinbarten Österreich und Preußen die Abtretung der nördlichen Distrikte von Schleswig an Dänemark, sollten die Nordschleswiger "durch freie Abstimmung den Wunsch zu erkennen geben, mit Dänemark vereinigt zu werden". Geschehen ist lange nichts; als Österreich und Preußen bzw. das Deutsche Reich sich später annäherten, vereinbarten sie 1878, den Passus zu annullieren:

 
Na ja, na ja,
also man sollte nicht so ganz die Vorgeschichte ausblenden.
Hier ist es so, dass Frankreich über einen sehr langen Zeitraum sehr aggressiv nach Osten strebte. Bei vielen süddeutschen Staaten waren die Franzosen aufgrund ihrer Brutalität gefürchtet.
So schreibt etwa Johannes WIlms:
Im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697) aber befolgten die französischen Truppen die Politik der „verbrannten Erde“ und machten Städte wie Mannheim dem Erdboden gleich.
QUelle
Frankreichs Brutalität war die Geburtsstunde der deutschen Nationalbewegung:
Als sich Frankreich im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1688 einer feindlichen Koalition gegenüber sah, befahl Ludwig XIV. die Strategie der verbrannten Erde. Ganze Städte wurden vernichtet. Die Erinnerung daran prägte die deutsche Nationalbewegung.
(...) Kaum ein Jahr verging, in dem Frankreichs Heere nicht in den Krieg zogen.
(...)Wie auch in den sogenannten drei Reunions-Kriegen zuvor genügte Ludwig ein windiger Anspruch auf das Erbe des Kurfürsten Karl II., um die Grenzen Frankreichs an den Rhein vorzuschieben. (....) Hinzu kam eine Art der Kriegführung, die vor allem im Heiligen Römischen Reich an die dunkelsten Jahre des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) erinnerte. (...) französischen Strategie zählte: „Man hat alle Holländer, die sich in dem Dorf Swammerdam befanden, verbrannt, indem man sie nicht aus den Häusern herausließ.“ (....)
Das Ergebnis war eine Brutalisierung des Krieges. „Die Verwüstung und systematische Entvölkerung weiter Gebiete sollte gewährleisten, dem Gegner für lange Zeit alle Ressourcen für eine Versorgung seiner Armee zu nehmen“, schreibt Willms. Dafür wurde vor den Grenzen Frankreichs eine „Pufferzone“ definiert, in der Dörfer und ganze Städte ausgelöscht wurden.

Schon bei Kriegsausbruch 1688 wurde der französische Generalstabschef Jules-Louis Bolé de Chamlay gegenüber Louvois konkret: Speyer, Neustadt, Alzey, Kreuznach, Oppenheim, Kaiserslautern und Frankenthal, die sich widerstandslos ergeben hatten, seien „zu zerstören, damit sie bei einem anderen Krieg nicht erneut hinderlich sind“. (....)
Dass Ludwig dabei keineswegs ein Getriebener seiner Militärs war, belegt Willms mit einem Schreiben von Louvois an einen Befehlshaber: „Seine Majestät legt Ihnen nahe, alle Orte entlang des Neckar, die sie verlassen, gründlich zu zerstören, damit die Feinde hier weder Futter noch Lebensmittel finden und deshalb auch gar nicht versucht werden, sich ihnen zu nähern.“ Auf einer Landkarte wurden einige künftige Opfer markiert: Mannheim, Heidelberg, Worms und Bingen.

„Ganze Landstriche systematisch auszubrennen, ihren Bewohnern die Lebensgrundlagen zu vernichten, war in der vornapoleonischen Zeit beispiellos“, urteilt Willms
Kein Wunder, dass nach dem verlorenen Krieg Jean Jaures zugab, es war Frankreich, dass sich an seinen beiden Nachbarn Deutschland und Italien versündigt hatte:
„An dem Konflikt, der zwei mächtige Nationen gegeneinander aufgebracht hat, trägt Frankreich eine tiefe Mitschuld. Frankreich war es, die ihn seit langem vorbereitet und fast unvermeidbar gemacht hat, indem es die Lebensbedingungen Deutschlands verkannt hat und der notwendigen und legitimen deutschen Einheit mit stiller Feindschaft entgegengetreten ist. (...) Wie schwer tat sich Frankreich, eine gleiche unter gleichen Nationen zu werden! Wie schmerzhaft war es, nicht länger die große Nation, sondern nur eine große Nation zu sein!“
 
Wie gesagt, von moralischen Debatten mit Schuldvorwürfen halte ich nichts.

Mich würde die Beantwortung einer sachlichen Frage interessieren:

Die Region Elsass-Lothringen bestand doch zu 92 % aus deutschen Muttersprachlern.

Woher stammt diese Zahl und auf welches Jahr bezieht sie sich?

Antwort gerne in diesem Thread:

 
Die Alternative, eine Abtrennung von Frankreich ohne Annexion, wurde von Bismarck abgelehnt, in erster Linie deswegen, weil dadurch ein deutscher Angriff auf Frankreich ohne Verletzung der Neutralität eines dazwischenliegenden Staates nicht mehr möglich gewesen wäre:

ja, aber in der gleichen Rede steht auch folgendes:

Der erste Grund ist der, daß die Neutralität überhaupt nur haltbar ist, wenn die Bevölkerung entschlossen ist, sich eine unabhängige neutrale Stellung zu wahren und für die Erhaltung ihrer Neutralität zur Not mit Waffengewalt einzutreten. So hat es Belgien, so hat es die Schweiz getan; beide hätten uns gegenüber es nicht nötig gehabt; aber ihre Neutralität ist tatsächlich von beiden gewahrt worden; beide wollen unabhängige neutrale Staaten bleiben. Diese Voraussetzung wäre bei den neu zu bildenden Neutralen, Elsaß und Lothringen, in der nächsten Zeit nicht zugetroffen, sondern es ist zu erwarten, daß die starken französischen Elemente, welche im Lande noch lange zurückbleiben werden, die mit ihren Interessen, Sympathien und Erin¬nerungen an Frankreich hängen, diesen neutralen Staat, welcher immer sein Souverän sein möchte, bei einem neuen französisch-deutschen Kriege bestimmt haben würden, sich Frankreich wieder anzuschließen, und die Neutralität wäre eben nur ein für uns schädliches, für Frankreich nützliches Trugbild gewesen. Es blieb daher nichts anderes übrig, als diese Landesstriche mit ihren starken Festungen vollständig in deutsche Gewalt zu bringen, um sie selbst als ein starkes Glacis Deutschlands gegen Frankreich zu verteidigen, und um den Ausgangspunkt etwaiger französischer Angriffe um eine Anzahl von Tagemärschen weiter zurückzulegen, wenn Frankreich entweder bei eigener Erstarkung oder im Besitz von Bundesgenossen uns den Handschuh wieder hinwerfen sollte.​

( Hervorhebung durch mich)​

Nach Ansicht Bismarcks hätte eine Abtrennung von Elsaß und Lothringen als neutraler Staat aufgrund der zu erwartenden pro-französischen Ausrichtung im Fall eines Krieges nur Vorteile für Frankreich, wäre also im Ergebnis ebenso wie wenn diese Regionen bei Frankreich verbleiben würden.

Wenn ich mir die Rede insgesamt anschaue, so geht es Bismarck primär um den Schutz des deutschen Territoriums vor zukünftigen, französischen Angriffen, weniger um eine Aufmarschbasis gegen Frankreich zu haben. Man mag der Argumentation Bismarck nicht folgen wollen, aber die in der Vergangenheit erfolgten Angriffe Frankreichs auf deutsche Gebiete seit dem 17. Jahrhundert unter den Bourbonenherrschern, unter der République oder unter dem Premier Empire haben natürlich ein Frankreichbild geprägt. Desweiteren hat auch Napoléon III. in der Vergangenheit versucht, die Grenzen Frankreichs oder zumindest seinen Einflußbereich Richtung Osten zu verschieben. Da gab es die Versuche auf französischer Seite, Belgien und Luxemburg zu erwerben.
 
Wir können uns gern darauf einigen, dass hier ein Anspruch erhoben wurde, der durch nichts gerechtfertigt war.

Bei der Grenzziehung wurde weder eine historische Grenze "wiederhergestellt" noch hielt man sich an die Sprachgrenze.
Also wenn man sich an die Sprachgrenze gehalten hätte, wäre der Anspruch gerechtfertigt gewesen?
 
Im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697)
...... der allerdings lag 1870/1871 bereits schlappe 170 Jahre zurück. Hinsichtlich dieses Ereignisses gab es keine lebenden Zeitzeugen mehr und die konkrete historische Erinnerung daran, dürfte außer in den direkt betroffenen Gebieten in der Pfalz in der Bevölkerung wenn überhaupt rudimentär vorhanden gewesen sein.
Mag sein, dass 1870/1871 noch der eine oder andere Greis lebte, der die Napoléonischen Kriege noch als Kind miterlebt hat und die werden in der Bevölkerung auch noch einigermaßen präsent gewesen sein, weil die Menschen, die in 1870 lebten, auch wenn sie es selbst nicht mehr erlebt haben, noch Eltern und Großeltern gehabt hatten, die davon berichten konnten.

Die Kriege Ludwig XIV. hingegen, dürften für die meisten damals lebenden Menschen, wenn sie der breiten Masse überhaupt noch bekannt waren, eher schemenhafte Vorstellungen einer weit entfernten Zeit gewesen sein.
Ein Großteil der Bevölkerung hatte damals alleinfalls eine rudimentäre Elementarschulbildung zu der das Vermitteln eines detaillierten Geschichtsbildes und die systematische Erarbeitung von historischem Wissen eher nicht gehörten und die moderne Geschichtswissenschaft steckte zu dieser Zeit auch noch in den Kinderschuhen.

Wenn unter anderem ein Bismarck, damit argumentierte, dass von französischer Seite so und so oft seit Ludwig XIV. von französischer Seite gegen die östlichen Nachbarn Krieg geführt wurde, dann war das die Argumentation eines hochgebildeten Menschen mit Geschichtskenntnisse, die weit über die der einfachen Bevölkerung hinausgegangen sein dürften und deren kkonkrete Nachvollziehbarkeit für weite Teile der Bevölkerung nicht gegeben gewesen sein dürfte.


Käme noch die Frage hinzu: würde die Bevölkerung die Kriege der französischen Könige mit denen der französischen Nation gleichgesetzt haben?
Denn das Führen von Kriegen auf Basis von, wenn auch erher zweifelhaften Erbansprüchen, war ja durchaus keine französische Spezialität.
Wenn wir da etwa an den "Alten Fritz" denken, der hatte vielleicht präsentable Ansprüche auf 2 oder 3 der alten Piastischen Teilherzogtümer, aber niemals auf die gesamte Region Schlesien und tritt damit eine Serie von 3 Kriegen los, unter denen im Besonderen das benachbarte Sachsen, dass Friedrich im Siebenjährigen Krieg aus strategischen Gründen einfach mal überfiel und kräftig ausplünderte, massiv zu leiden hatte.
Realitäer wurden von den Französischen Königen Kriege vor allem Gegen Habsburg geführt, die dann Süddeutschland in Mitleidenschaft zogen, was aber nicht unbedingt das orriginäre Ziel war.

Ich meine, dass man aus dem Umstand, dass die Revolution 1848, die ja in Frankreich früher losging, als in den deutschen Territorien von nicht wenigen durchaus positiv aufgefasst wurde, durchaus schließen kann, dass in der einfachen Bevölkerung, auch als die napoléonische Zeit noch nicht so lange her war, dass Frankreich-Bild durchaus nicht unbedingt durchgehend negativ besetzt war.

Schon bei Kriegsausbruch 1688 wurde der französische Generalstabschef Jules-Louis Bolé de Chamlay gegenüber Louvois konkret: Speyer, Neustadt, Alzey, Kreuznach, Oppenheim, Kaiserslautern und Frankenthal, die sich widerstandslos ergeben hatten, seien „zu zerstören, damit sie bei einem anderen Krieg nicht erneut hinderlich sind“. (....)
War damit die Zerstörung von Ortschaften oder von Befestigungsanlagen um diese Ortschaften gemeint?

„Ganze Landstriche systematisch auszubrennen, ihren Bewohnern die Lebensgrundlagen zu vernichten, war in der vornapoleonischen Zeit beispiellos“, urteilt Willms
Kriegsmaßnahmen, die ganze Landstrichte verwüsteten, hatte es in der vornapoléonischen Zeit durchaus schon gegeben.

Wenn etwa die Niederländer die Deiche durchstachen um das Gelände zu fluten um feindliche Armeen dadurch aufzuhalten, war dass für die im Einzugsgebiet liegenden Siedlungen natürlich ebenfalls eine Katastrophe, die die Lebensgrundlage von Teilen der Bevölkerung bedrohte oder systematisch vernichtete.
Zu solchen Mitteln griffen mitunter auch andere Parteien, wenn sie sich in einer entsprechend verzweifelten Lage befanden. Das war durchaus nichts spezifisch französisches.
 
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