Frankreich war der große Gewinner des Dreißigjährigen Krieges; dank Kardinal Richelieu. Damit war Frankreich seinem Hauptziel, eben in Europa die Hegemonialmacht zu sein, ein gutes Stück näher gekommen. Da dieses Ziel nach Lage der Dinge nur über Habsburg zu realisieren war, das liegt doch wohl auf der Hand. [...]
Das ließt sich so, als hätte ich irgendwo angezweifelt, dass Frankreich unter Ludwig XIV. eine agressive und expanisve Macht gewesen wäre, die auf ihre Nachbarn wenig Rücksicht nahm.
Das habe ich nie.
Ich bestreite lediglich:
a) Das sich die Agression von französischer Seite damals gegen eine Deutsche Nation gerichtet hätte, so wie Bismarck das in seiner Rede darstellte.
b) Das es in einer Vielzahl von Auseinandersetzungen mit Frankreich überhaupt im Kern und Territorieen ging, die sich im modernen Sinne irgendwie als "deutsch" auffassen ließen. Das war im pfälzischen Erbfolgekrieg und im Hinblick auf die elsässischen Territorien so, während ein Großteil der Konflikte mit Frankreich in der 300-Jährigen Zeitspanne von der Bismarck sprach sich allerdings um Position in den Niederlanden, Italien oder Lothringen und Burgund drehten, die zwar alle zum Reich gehörten aber nicht im modernen Sinne irgendetwas mit einer deutschen Nation oder dem neuen Kaisereich zu tun hatten.
c) Das sich aus dieser Betrachtung der Vergangenheit gültige Rückschlüsse auf die Zukunft ziehen ließen.
Z.B. die Zeit der Erbfolgekriege, die ja doch einen nicht unerheblichen Teil der Konflikte ausmachten war 100 Jahre vor dieser Rede bereits abgelaufen, so etwas hatte es seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert nicht mehr gegeben.
Das waren im ausgehenden Mittelalter und in der FNZ legitime Kriegsgründe, die sich aber nicht in die Zukunft projiziieren ließen.
Und dann hatten sich natürlich auch die Akteure verändert.
Frankreich war seit dem Sturz Napoléon III. keine Monarchie mehr und wie sich die dritte Republik zum Thema Hegemonialstreben etc. dauerhaft verhalten würde, war doch damals überhaupt noch nicht abzusehen.
Sie hatte den von Napoléon III. begonnenen Krieg zwar fortgsetzt und die Dummheit begangen nicht aufzugeben, als Frankreich viellicht mit geringeren Verlusten hätte davonkommen und wenigstens Lothringen vollständig hätte behalten können, aber da ging es, schon diktiert durch die militärische Lage dann eindeutig eher um den Versuch den eigenen Territorialbestand irgendwie zu retten, als um Expansionsphantasien.
Man konnte natürlich argumentieren, dass auf Grund der Stimmung in Frankreich Revanchegelüste sehr wahrscheinlich sein würden und dass das Auftrteten bestimmter Politiker, bzw. deren augenblickliche Macht so etwas nahelegen konnten.
Ein Adolphe Thiers den die Revolution wieder nach oben gebracht hatt war ja auch unter König Louis Philippe schonmal leitender Minister gewesen und hatte eine in Sachen Rheinkrise eine eher unrühmliche Roll gespielt, wenn es um gute Bezihungen zu den östlichen Nachbarn ging.
Und auf Grund solcher Dinge, konnte man durchaus mit Recht sicherheitspolitische Bedenken haben und sich über territoriale Absicherungen Gedanken machen.
Aber eine überlange Kontinuität von der 3. Republik zu Louis XIV. zurück zu konstruieren und über die dazwischenliegenden Brüche der frannzösischen Geschichte und die verschiedenen möglicheen Handlungspfade für die Zukunft einfach mal nonchalant hinweg zu gehen, ist dann doch eine etwas arge Simplifizierung.
Natürlich verführt die Konzentration auf die Außenbeziehungen immer ein wenig dazu die Innenpolitischen Dimensionen auszublenden und Akteure der Außenpolitik innenpolitisch als "Black Box" zu betrachten.
Aber ich halte das nicht unbedingt für zielführend. Die 3. Republik war so wenig dazu verdammt, die Außenpolitik früherer Epochen wieder aufzugreifen, wie irgendein anderer Akteuer dazu verdammt war, sich in den Bahnen seiner Vorgänger zu bewegen.
Und gerade einem Bismarck, der sehr bewusst aus den Bahnen der politischen Traditionen seines Landes Preußen ausgebrochen war, war das nur zu bewusst. Sonstigenfalls hätte er auch keine Politik betrieben, die darauf hinauslief, den frannzösischen Politikern über die koloniale Sphäre eine Brücke für einen Ausgleich in Europa zu bauen.