WK-1: "Deutschland trug zweifellos große Schuld am Kriegsausbruch"

@Ugh Valencia,
Das hat mich auch erstaunt, denn Russland hatte ja erst 9 Jahre vor 1914 eine schwere Erschütterung der Ordnung erlebt.
Es hatte aber in der Folge ein sehr beachtetes Wirtschaftswachstum und angesichts der Weite des Landes gab es Prognosen es werde sich zu einer Art USA des Ostens entwickeln.
Es gibt von Wohlforth (The Perception of Power) eine Abhandlung über die diesbezüglichen Einschätzungen in verschiedenen Ländern.
Insgesamt waren die Erwartungen hoch.
Und auch die gegenwärtige Stärke Russland wurde überschätzt.
Besonders seitens der Briten,
 
Ich verstehe nicht, wie man bzw. Frau Mombauer zu dieser Einschätzung kommt. Knappe 9 Jahre zuvor hat Russland den Krieg gegen Japan und verloren und war gleichzeitig innenpolitisch durch eine Revolution geschwächt worden. 1907 tratt das aus meiner Sicht geschwächte Russland der Entente cordiale bei.
Was hat sich in diesen 9 Jahren seit 1905, bzw 7 Jahren seit 1907 in Russland getan, damit das Land im Ausland, speziell in Großbritannien, als aufsteigende Macht und potentieller Gegner wahrgenommen wurde?

Ich vervollständige das Zitat:

"Das Jahr 1914 wurde dominiert von Spekulationen über Russlands derzeitige und zukünftige Stärke, nicht nur in Deutschland und Österreich-Ungarn, sondern auch in Frankreich und Großbritannien. In London betrachtete man sowohl Russland als auch Deutschland als potentielle Bedrohung für den Status quo in Europa und fürchtete, dass das Bündnissystem sich nicht als stabil erweisen würde. [...] Besondere Kofpschmerzen bereitete den Diplomaten in London die Gefahr, die ein erstarktes Russland in Zukunft für das britische Empire, insbesondere für Indien, darstellen konnte. Es zeichnete sich bereits deutlich ab, dass Russland über kurz oder lang Deutschland überlegen sein würde. Das Land hatte sich erstaunlich schnell von seinem Krieg gegen Japan und der Revolution von 1905 erholt."

Dass Russland auf der Überholspur gesehen wurde, dürfte doch nichts Neues sein?

Auf einer Autofahrt von Potsdam nach Berlin Ende Mai 1914 sprach Moltke nach Jagows Erinnerung essentielle Fragen an: "Die Aussichten in die Zukunft bedrückten ihn schwer. In zwei bis drei Jahren würde Russland seine Rüstungen beendet haben. Die militärische Übermacht unserer Feinde wäre dann so groß, dass er nicht wüsste, wie wir ihrer Herr werden könnten."

Ganz im Sinne der Denkschrift seines Stellvertreters fuhr Moltke fort: "Jetzt wären wir ihnen noch einigermaßen gewachsen. Es bliebe seiner Ansicht nach nichts übrig, als einen Präventivkrieg zu führen, um den Gegner zu schlagen, so lange wir den Krieg noch bestehen könnten."
 
Was hat sich in diesen 9 Jahren seit 1905, bzw 7 Jahren seit 1907 in Russland getan, damit das Land im Ausland, speziell in Großbritannien, als aufsteigende Macht und potentieller Gegner wahrgenommen wurde?
Gegner Großbritanniens war Russland ja das ganze 19. Jahrhundert über gwiesen.

Das es 1907 zur Verständigung zwischen Russland und Großbritannien über die kolonialen Einflussphären kam, wird man letztendlich vor allem auch als Produkt des Umstands sehen können, dass beide Mächte Anfang des 20. Jahrhunderts eine Konsolidierungsphase benötigten.

Großbritannien, hatte sich im 2. Burenkrieg ziemlich verausgabt und blamiert, mit der Konsequenz, dass es sein Landheer reorganisieren musste, man befand sich im Flottenwettrüsten mit Deutschland, was auch für Großbritannien einen finanziellen Kraftakt darstellte, spätestens seit der letzten Dekade des 19. Jahrhunderts und der Ablehnung der 2. Home-Rule-Bill 1893 verschärfte sich das Konfliktpotential in Irland, so dass Großbritannien hier zunehmend vor einer schwelenden innenpolitischen Krise stand.
Außerdem stand Großbritannien auch im Hinblick auf sein politisches System in der ersten Dekade des 19. Jahrhunderts vor Schwierigkeiten, insofern das überkommene Veto-Recht des House of Lords in Fragen der Gesetzgebung zunehmend als unzeitgemäß empfunden wurde (1911 abgeschafft) was sich 1906/1907 bereits abzeichnete und am Ende der Dekade an den Rand einer Verfassungskrise führte.


Russland hatte 1905 den Krieg gegen Japan verloren, hatte die Revolution zu verkraften, musste seine Armee und Flotte reformieren und stand zunächst mal vor ruinierten Staatsfinanzen, die saniert werden mussten.

Insofern haben beide 1907 einen Interessenausgleich aus einem Momentun der Schwäche heraus geschlossen um ein Problemfeld los zu werden, oder jedenfalls zeitweise zu suspendieren.


Wenn man die Problematik Deutschland und Russland aus der britischen Perspektive betrachtet, sollte man sicher auch auf dem Schirm haben, dass Deutschland durch den notorischen Ärger, den es mit Frankreich hatte bei allem, was es tat immer auch gleich seinen eigenen Gegenspieler mitbrachte.
Russland hatte zwar mit dem Habsburgerrich und Japan auch zwei ernstzunehmende Rivalen von denen die Donaumonarchie allerdings zunehmend auf dem absteigenden Ast war und selber immer mehr Probleme mit seine Nachbarn Italien, Serbien und Rumänien bekam, aber da war Frankreich doch ein etwas anders Kaliber.

Man konnte sicherlich die Grenzverschiebungen auf dem Balkan infolge der Balkankriege und den sich abzeichnenden Niedergang des Osmanischen Reiches als potentielle Machtsteigerung Russlands verstehen.
Außderdem unterschieden sich natürlich die Gefahrenpotentiale, die von Deutschland und Russland für Großbritannien und sein Empire ausgehen konnten, dadurch, dass Deutschland den Briten nur über den Seeweg potentiell Ärger bereiten konnte. Diese Gefahr war für Großbritannien mit entsprechenden Flottenrüstungen bearbeitbar.
Russland aber hatte natürlich die Möglichkeit auf dem Landweg Truppen an die Grenzen Persiens und Afghanistans und damit in potentiell in Reichweite Indiens zu schaffen.
Das war relativ ungefährlich, so lange es auf russischer Seite keine vernünftig ausgebauten Bahnlinien nach Zentralasien gab, die es ermöglichten wirklich große Truppenkontingente dort zu versorgen und in Richtung Britisch-Indien operieren zu lassen.
Natürlich musste London im Zeitablauf aber damit rechnen, dass Russland solche Infrastruktur früher oder später implementieren würde und dagegen war die britische Seemacht machtlos. Man musste sich in London, also darauf einstellen, mit Russland in einen Landkrieg um Persien, Afghanistan oder an Ende Indien geraten zu können, oder an den Rand einer solchen Konfrontation, wenn Russland das erstmal umgesetzt hätte und darauf war Großbritannien nicht vorbereitet.
Auch boten sich in einer potentiellen Konfrontation Großbritanniens mit Deutschland und Russland für Großbritannien verschiedene Möglichkeiten.

Deutschland war wirtschaftlich wesentlich import- und exportabhängiger als Russland, weil es wenig Rohstoffe, dafür aber gut entwickelte Industrien hatte
Eine Blockade Deutschlands wie im ersten Weltkrieg und das völlige Abschneiden des Landes von Rohstoffen hätte Großbritannien im Konfrontationsfall sicherlich nicht bewirken können, es hätte aber vor allem dem exportorientierten Handel Deutschlands im Krieg schweren Schaden zufügen können, während umgekehrt Berlin nicht in der Lage war mit gleichen Mitteln zu antworten, was wiederrum für Berlin stets ein Grund sein musste diesen Konflikt eigentlich vermeiden zu wollen, zumal damit zu rechnen war, dass sich Frankreich im Fall eines solchen Konfliktes extrem wohlwollend gegenüber London zeigen würde.

Gegen Russland konnte ma auf der Ebene aber nicht viel machen. Russsland besaß selbst zu vile Rohstoffvorkommen, als dass man es davon hätte abschneiden können.
Das Einzige, dass es in relativ großem Maßstab exportierte, waren Agrar- und frostwirtschaftliche Produkte (zunehmend aber erstmal auf niedrigem Niveau auch Öl, was für die Briten selbst nicht ganz unbedeutend war) .
Wenn nun aber ein Krieg zwischen Großbritannien und Russland, abgesehen davon, dass Großbritannien die Landwege nicht verlegen konnte, die Abwicklung der russischen Getreide- und Lebensmittelausfuhr qua Blockade der Seerouten unterbunden hätte, hätte das in weiten Teilen Europas schlagartig die Lebensmittelpreise nach oben getrieben.
Das einzige, was die Briten damit erreicht hätten, wäre wahrscheinlich gewesen, dass halb Europa infolgedessen ziemlich sauer auf London gewesen wäre, weil anziehende Kosten für Grundnahrungsmittel natürlich das Potential haben Unruhen auszulösen und dass hätten Neutrale kaum ignorieren oder wohlwollend quittieren könnnen.



Und dann sollte man vielleicht auch über die Problematik Japan nachdenken.


Japan war seit 1902 mit Großbritannien verbündet und das Bündnis zwischen beiden bestand auch nach dem russisch-japanischen Krieg und auch nach dem britisch-russischen Ausgleich von 1907 weiter.

Das bedeutet aber, dass Großbritannien sich in Ostasien insofern in einer unmöglichen Lage befand, insofern es Bündnisse bzw. bündnisähnliche Absprachen mit zwei verschiedenen potentiell miteinander verfeindeten Mächten unterhielt.
Das konnte so lange gut gehen, wie sowohl Russland als auch Japan auf dem Standpunkt standen, dass ein erneuter Konflikt gegenwertig nicht im eigenen Interesse war, aber wie lange konnte das halten?
London musste damit rechnen, dass es jederzeit sowohl von St. Petersburg, als auch von Tokyo in die Lage gebracht werden konnte sich für einen dieser beiden Partner entscheiden zu müssen.
Bei einem Bruch mit Russland im Interesse der Allianz mit Japan hätte London sich die Sicherheit seiner Besitzungen und Einflusszonen in China mit einem offenen Konfliktfeld in Persien und Zentralasien unter potentieller Gefährdung seiner indischen Besitzungen erkauft, hätte man sich für den Ausbau der Zusammenarbeit mit Russland entschieden, hätte man die eigenen Positionen in China dem japanischen Expansionsdruck ausgesetzt.



Es gab durchaus gute Gründe für London, sich über Russland den Kopf zu zerbrechen. Und auch dafür es für das Empire für ähnlich gefährlich zu halten wie Deutschland.

Deswegen taugt mMn die Vorstellung eine Partnerschaft mit Russland wäre für GB eine dauerhafte Notwendigkeit gewesen nicht. Diese Vorstellung macht eigentlich nur dann Sinn, wenn man davon ausgeht, dass London paradigmatisch auf nichts anderes fixiert gewsen wäre, als Deutschland klein zu halten.
Im Interesse seines Empire musste Großbritannien eigentlich eher daran gelegen sein, dass die Machtpotentiale Deutschlands und Russlands vergleichbar blieben und dass sich diese beiden Mächte aneinander abarbeiteten und damit gegenseitig lähmten und, dass falls irgendmöglich Russland seine Positionen in Zentralasien wieder los würde, weil dass diejenige Bedrohung war, gegen die Großbritannien nichts machen konnte, da durch die Flotte nicht abschirmbar.
 
Japan war seit 1902 mit Großbritannien verbündet und das Bündnis zwischen beiden bestand auch nach dem russisch-japanischen Krieg und auch nach dem britisch-russischen Ausgleich von 1907 weiter.

Das bedeutet aber, dass Großbritannien sich in Ostasien insofern in einer unmöglichen Lage befand, insofern es Bündnisse bzw. bündnisähnliche Absprachen mit zwei verschiedenen potentiell miteinander verfeindeten Mächten unterhielt.
Das konnte so lange gut gehen, wie sowohl Russland als auch Japan auf dem Standpunkt standen, dass ein erneuter Konflikt gegenwertig nicht im eigenen Interesse war, aber wie lange konnte das halten?
London musste damit rechnen, dass es jederzeit sowohl von St. Petersburg, als auch von Tokyo in die Lage gebracht werden konnte sich für einen dieser beiden Partner entscheiden zu müssen.
Bei einem Bruch mit Russland im Interesse der Allianz mit Japan hätte London sich die Sicherheit seiner Besitzungen und Einflusszonen in China mit einem offenen Konfliktfeld in Persien und Zentralasien unter potentieller Gefährdung seiner indischen Besitzungen erkauft, hätte man sich für den Ausbau der Zusammenarbeit mit Russland entschieden, hätte man die eigenen Positionen in China dem japanischen Expansionsdruck ausgesetzt.

Dieses Problem wurde zügig nach dem Krieg von 1905 beseitigt, da Russland und Japan, mit "Unterstützung" französischer Kredite an Russland, sich ausglichen. Russland hatte somit den Rücken frei und konnte sich wieder Europa, konkret den Balkan und den Meerengen, zuwenden. Das sollte nicht ohne Folgen bleiben.
Die ganzen Jahre über, die Russland sich in Asien engagierte hatte Österreich-Ungarn auf dem Balkan, sehr zur Freude Russlands, die Füße stillgehalten und die Situation nicht genutzt.
Russland hatte zwar mit dem Habsburgerrich und Japan auch zwei ernstzunehmende Rivalen von denen die Donaumonarchie allerdings zunehmend auf dem absteigenden Ast war und selber immer mehr Probleme mit seine Nachbarn Italien, Serbien und Rumänien bekam, aber da war Frankreich doch ein etwas anders Kaliber.

Siehe oben. Japan war vielleicht ein Rivale, aber keine Bedrohung oder Gefahr mehr.

Deswegen taugt mMn die Vorstellung eine Partnerschaft mit Russland wäre für GB eine dauerhafte Notwendigkeit gewesen nicht. Diese Vorstellung macht eigentlich nur dann Sinn, wenn man davon ausgeht, dass London paradigmatisch auf nichts anderes fixiert gewsen wäre, als Deutschland klein zu halten.
Im Interesse seines Empire musste Großbritannien eigentlich eher daran gelegen sein, dass die Machtpotentiale Deutschlands und Russlands vergleichbar blieben und dass sich diese beiden Mächte aneinander abarbeiteten und damit gegenseitig lähmten und, dass falls irgendmöglich Russland seine Positionen in Zentralasien wieder los würde, weil dass diejenige Bedrohung war, gegen die Großbritannien nichts machen konnte, da durch die Flotte nicht abschirmbar.

Das rücksichtslose Agieren der Russen in Persien hätte wohl möglicherweise dafür gesorgt, das die Abmachungen von 1907 nicht verlängert worden wären. Die russischen Rücksichtslosigkeiten kamen in der briten Öffentlichkeit sehr schlecht an und Grey und Co. hatten immer größere Mühe, die Abmachung mit den Russen zu rechtfertigen.

Nur was wäre denn gewesen? Die Rivalität mit Russland in Asien, Stichwort indische Nordwestgrenze, Afghanistan, Tibet, Persien...............Der britische Militärhaushalt wäre sprunghaft in die Höhe gegangen und das vor dem Hintergrund der Flottenrüstung. Wie hätte sich Japan verhalten? Allein diese Punkte sind für die Briten nicht ohne Bedeutung. Es gab ja schließlich einen guten Grund für die Abmachungen, nämlich das Großbritannien nicht mehr in der Lage war, sein riesiges Weltreich ganz allein zu halten.
 
Was hat sich in diesen 9 Jahren seit 1905, bzw 7 Jahren seit 1907 in Russland getan, damit das Land im Ausland, speziell in Großbritannien, als aufsteigende Macht und potentieller Gegner wahrgenommen wurde?

Es wurden sehr umfängliche französische Kredite gewährt, die den Prozess der Erholung, vor allem den militärischen, beschleunigten.
 
Ich persönlich halte die Einschätzung des russischen Industrie-und Militärpotentials seitens der Briten und Franzosen entweder für geschönt oder desinformiert. Die eklatanten Mängel im russischen Reicht sollten doch schon im Krieg gegen Japan aufgefallen sein. Um einige aufzuzählen, sehr schwache Verkehrsinfrastruktur, mangelhaft entwickelte Industrien, zudem die riesigen sozialen Probleme und nicht zu übersehen, die korrupte, arrogante und träge Verwaltung. Diese strukturellen Probleme ließen/lassen sich nicht kurz/mittelfristig beheben. Hier hatte Russland ein großes Defizit und geriet auch hier mehr und mehr gegenüber den anderen Industrienationen ins Hintertreffen.
 
Das damalige Großbritannien war unfassbare 33,67 Millionen Quadratkilometer. groß Des Weiteren umfasste das britische Weltreich ein Viertel der damalige Weltbevölkerung.
Ja, aber ein nicht unerheblicher Teil dieser Millionen Quadratkilometer waren kaum nutzbare Wüsten (Australien, Ägypten/Sudan) oder arktische und halb arktische Gebiete (Kanada) mit denen sich in weiten Teilen nicht viel anfangen ließ.

Und sicherlich waren die Humanressourcen und anderen Ressourcen Britisch-Indiens enorm, nur eben durch völlig unzureichende Infrastrutur kaum erschlossen und in weiten Teilen de facto nicht aktivierbar.
Die Koloniale Infrastruktur Großbritanniens sah ja in weiten Teilen nicht wesentlich besser aus, als die Infrastruktur in Russland.

Auch schiere Bevölkerungszahl macht noch keine Weltmacht. Das heutige Indien stellt nach wie vor an die 20% der Weltbevölkerung und ist mittlerweile vor China das bevölkerungsreichste Land der Erde.
Es ist aber offensichtlich weit davon entfernt in irgendeiner Form eine Weltmacht darzustellen. Letztendlich ist es nicht einmal dazu in der Lage seiner gesamten Bevölkerung eine auskömmliche Lebensperspektive, angemessenen Wohnraum, sauberes Trinkwasser, Gesundheitsversorgung etc. zu bieten.

Großbritannien saß auf einer gewaltigen Masse an Land und Humanressourcen, deren Erschließung die Möglichkeiten des Landes bei weitem überforderte, so sieht es aus.
In den beiden Erdteilen, in denen zu der Zeit maßgeblich die weltweite Politik geprägt wurde, nämlich in Europa und Nordamerika, war Großbritannien ein Randakteur, der um seine Positionen zur Geltung bringen zu können der Unterstützung durch die Ressourcen der jeweiligen Landmächte bedurfte.
Damit hing Großbritanniens Möglichkeit, im Besonderen in Europa überhaupt aktiv Politik zu machen maßgeblich von der Möglichkeit und Fähigkeit ab, Interessengegensetze und Konflikt zwischen den kontinentalen Mächten zu nutzen und die eigenen Vorstellungen und Wünsche mit solchen Konflikten zu verbinden.

Dieses Problem wurde zügig nach dem Krieg von 1905 beseitigt, da Russland und Japan, mit "Unterstützung" französischer Kredite an Russland, sich ausglichen. Russland hatte somit den Rücken frei und konnte sich wieder Europa, konkret den Balkan und den Meerengen, zuwenden. Das sollte nicht ohne Folgen bleiben.
Beseitigt wurde da gar nichts. Da wurde ein Konfliktfeld eingefrohren, dass aber jederzeit wieder aufbrechen konnte.
Japan hatte für den Moment damit zu tun, im Besonderen seine bis 1910 gewonnene Position in Korea zu konsolidieren. Es war aber zu erwarten, dass der japanische Expansionshunger wieder erwachen würde, wenn das erstmal passiert war.

Wohin aber konnte Japan expandieren? Das ging im Prinzip nur nach China hinein oder auf Kosten der anderen Kolonialmächte die Philippinen (de facto USA), Indonesien (Niederlande), weite Teile Südasiens (Großbritannien), Indochina (Frankreich) waren ja bereits verteilt.
Man musste also davon ausgehen, dass weitere Expansionsbestrebungen Japans das Land mit großer Wahrscheinlichkeit früher oder später wieder in Konfrontation mit einer der europäischen Mächte führen würde.

Und dann kommt als Faktor in Sache Unberechenbareit noch der sich abzeichnende Kollaps des Qing-Imperiums hinzu. Mit der Absetzung der Qing-Dynastie 1912 und der Ausrufung der Chinesischen Republik, war klar, dass in den Raum des mit Problemen geplagten Riesenreiches politische Umbruchsdynamik hinein kam und es war damals nicht absehbar, ob sich diese neu gegründete Republik konsolidieren oder ob das Chinesische Reich in einen weiteren Zerfallsprozess eintreten würde.
Damit aber spielte China um 1914 herum für die Mächtekonstellation Ost eine potentiell ähnliche Rolle, wie das Osmanische Reich in Europa (oder jedenfalls konnte es sie spielen), weil mit dem Zerfall oder Teilzerfall dieses Reiches gerenet werden musste und in diesem Zusammenhang dann auch damit, dass wenn dieser eintreten sollte, dies zu einem Machtvakuum führen würde, das geeignet sein konnte die interessierten umliegenden Mächte anzuziehen und diese dazu zu veranlassen sich mit der Aussicht auf einfachen Gewinn dort hineinziehen zu lassen.

Ein solcher Umbruch aber hätte Kraft dem Momentums, der Gelegenheit und der Versuchung sämtliche Vereinbarungen über Einflusszonen im chinesischen Raum ebenso einfach über den Haufen werfen können, wie die Eigendynamik des Zerfalls des Osmanischen Reiches die Vereinbarungen über die Einflusszonen auf dem Balkan entwertete.

Und die Chinesische Geschichte, der Zerfall des Gesamtreiches, die Warlords und der Chinesische Bürgerkrieg ab den 1920er Jahren zeigen auch, dass das keine Phantasmogorie ist, sondern das war eine reale Perspektive.


Siehe oben. Japan war vielleicht ein Rivale, aber keine Bedrohung oder Gefahr mehr.
Japan war keine Bedrohung, so lange es damit beschäftigt war seine gewonnene Einflussphäre in Korea aufzubauen und dort ein eigenes Kolonialreich hochzuziehen und die Verhältnisse zu konsolidieren und so lange es nicht zu endgültigen Kollaps des Chinesischen Reiches kam, der in Tokyo zu einer Jetzt-oder-nie-Mentalität im Hinblick auf die Aneignung von Teilen der Konkursmasse hätte führen können.

Mit anderen Worten, man konnte damit rechnen, vielleicht 10 oder 15 Jahre Ruhe vor weitrem japansichen Expansionshunger zu haben, vorrausgesesetzt, dass China nicht kollabierte.
Kollabierte China, konnte der nächste Konflikt mit Japan binnen Monaten vor der Türe stehen.



Das rücksichtslose Agieren der Russen in Persien hätte wohl möglicherweise dafür gesorgt, das die Abmachungen von 1907 nicht verlängert worden wären. Die russischen Rücksichtslosigkeiten kamen in der briten Öffentlichkeit sehr schlecht an und Grey und Co. hatten immer größere Mühe, die Abmachung mit den Russen zu rechtfertigen.

Nur was wäre denn gewesen? Die Rivalität mit Russland in Asien, Stichwort indische Nordwestgrenze, Afghanistan, Tibet, Persien...............Der britische Militärhaushalt wäre sprunghaft in die Höhe gegangen und das vor dem Hintergrund der Flottenrüstung. Wie hätte sich Japan verhalten? Allein diese Punkte sind für die Briten nicht ohne Bedeutung. Es gab ja schließlich einen guten Grund für die Abmachungen, nämlich das Großbritannien nicht mehr in der Lage war, sein riesiges Weltreich ganz allein zu halten.
Ich sprach von der Perspektive eines deutsch-russischen Konfliktes bei einer vorrausgesetzten russischen Niederlage.
Wenn eine solche dazu geführt hätte dass die Deutschen den Russen in den Friedensbedingungen auferlegt hätte Zentralasien und Teile des Kaukasus abzutreten und in die Eigenständigkeit zu entlassen, wäre Großbritannien des Problems der Sicherheit Indiens gegen Russland erstmal ledig gewesen und dann hätte man Russland nicht weiter beschwichtigen brauchen.

Das heißt, dass London es möglicherweise durchaus hätte dulden können, wenn im Folge eines Krieges zwischen Deutschland und Russland, letzteres erheblich geschwächt worden wäre.

Unabdingbare Vorraussetzungen hätten aber sein müssen, dass die Deutsche Seite klug genug gewesen wäre, sich nicht selbst übermäßig an russischen Besitzungen zu bereichern um die Machtverhältnisse in Europa nicht so sehr zu den eigenen Gunsten zu kippen, dass das in London Alarmstimmung auslöste und zeitglich, dass die deutsche Seite klug genug gewesen wäre, nicht nur eigene Ziele zu verfolgen, sondern explizit auch Großbritannien mit seinem Sicherheitsproblem betreffend Indien zu helfen und London damit einen Grund zu geben im eigenen Interesse abseits stehen zu bleiben.

Das hätte London nämlich durchaus tun können, wenn Berlin sich dazu erboten hätte das "russische Problem" in einer Weise zu bearbeiten, dass damit auch das britische Geschäft besorgt würde.
 
(..............)Großbritannien saß auf einer gewaltigen Masse an Land und Humanressourcen, deren Erschließung die Möglichkeiten des Landes bei weitem überforderte, so sieht es aus.(........)
Wenn das so war, dann korrigiere doch bitte diesen irreführenden Eintrag:
Das Britische Weltreich (englisch British Empire oder kurz Empire) war das vom 17. bis zum 20. Jahrhundert bestehende, größte Kolonialreich der Geschichte und vom Ende der Napoleonischen Ära bis zum Ersten Weltkrieg die führende Weltmacht.
@Turgot hatte ihn in #1.784 verlinkt.
 
Wer die Weltmeere beherrscht, beherrscht die Welt, beherrscht den Welthandel, zwar etwas grob ausgedrückt, aber in letzter Konsequenz ist das wohl so.

Und was war das BE anderes als lange Zeit die größte/stärkste Seemacht.

Wenn das BE, zumindest innerhalb eines gewissen Zeitrahmens, nicht als Weltmacht gelten soll, was bitte ist dann eine Weltmacht?
 
Beseitigt wurde da gar nichts. Da wurde ein Konfliktfeld eingefrohren, dass aber jederzeit wieder aufbrechen konnte.
Japan hatte für den Moment damit zu tun, im Besonderen seine bis 1910 gewonnene Position in Korea zu konsolidieren. Es war aber zu erwarten, dass der japanische Expansionshunger wieder erwachen würde, wenn das erstmal passiert war.

Der Ausgleich war dergestalt, das Russland sich entspannt seine Aufmerksamkeit seinen alten europäischen Interessen, Balkan und Meerengen, zuwenden konnte. Also war das Ganze wohl nicht soo substanzlos, das damit gerechnet werden konnte, das der Konflikt schon Morgen wieder aufbricht. Und so war es dann ja auch tatsächlich gewesen.

Wohin aber konnte Japan expandieren? Das ging im Prinzip nur nach China hinein oder auf Kosten der anderen Kolonialmächte die Philippinen (de facto USA), Indonesien (Niederlande), weite Teile Südasiens (Großbritannien), Indochina (Frankreich) waren ja bereits verteilt.
Man musste also davon ausgehen, dass weitere Expansionsbestrebungen Japans das Land mit großer Wahrscheinlichkeit früher oder später wieder in Konfrontation mit einer der europäischen Mächte führen würde.

Es wird schon Gründe gegeben haben, das Tokio ein Bündnis mit Großbritannien unterhielt und mit Russland ein Ausgleich, nach siegreichem Krieg, hergestellt wurde. In den nächsten Jahren, bis zum Weltkrieg, geschah ja nichts weiter. Japan hatte Zeit und Geduld. Der nächste "Spielpatz" würde aller Voraussicht nach China werden, aber das hätte möglicherweise auch die USA auf dem Plan gerufen. Von Frankreich und Deutschland wäre außer diplomatischen Protesten nicht viel zu erwarten gewesen. Russland hätte von sich aus nicht an dem Ausgleich gewackelt, da man in Petersburg den nächsten Konflikt in Europa sah und in diese Richtung wurde auch gerüstet.

Nun Großbritannien wollte Deutschland klein- und raushalten. Deutschland wurde, warum auch immer, als riesengroße Gefahr betrachtet. Russland wurde also schon mindestens als Werkzeug der Eindämmung Deutschlands benötigt.

Schon nach 1871 war ein lokalisierter Krieg zwischen Deutschland und Frankreich, siehe 1875, nicht mehr möglich gewesen.
Ein isolierter Konflikt/Krieg zwischen Russland und Deutschland war spätestens seit 1892/94 nicht mehr vorstellbar. Ab 1907 war dann auch definitiv mit dem Eintritt Großbritanniens zu rechnen.
1914 war ja nicht einmal ein lokalisierter Krieg zwischen Österreich-Ungarn und Serbien möglich, da Russland meinte aufgrund seiner größenwahnsinnigen Panslawisten dies nicht dulden zu können und damit schließlich den ganzen Kontinent in dem Abgrund riss.

Ich gebe dir insofern Recht, das, unter der unrealistischen Perspektive eines lokalisierten Krieges, Deutschland diesen wahrscheinlich gewonnen hätte. Aber ob der Friede dann so gebaut werden wäre, das hinterher eine wirkliche Versöhnung, möglich geworden wäre, ist schwer zu beantworten. Klug wäre es gewesen, aber die Panslawisten mit ihren Organen haben die Russen ziemlich verhetzt.
 
Nun Großbritannien wollte Deutschland klein- und raushalten. Deutschland wurde, warum auch immer, als riesengroße Gefahr betrachtet. Russland wurde also schon mindestens als Werkzeug der Eindämmung Deutschlands benötigt.
Könnte aus wirtschaftlichen Gründen gewesen sein, das DR war neben den USA der "übelste" Mitbewerber.
 
Wer die Weltmeere beherrscht, beherrscht die Welt, beherrscht den Welthandel, zwar etwas grob ausgedrückt, aber in letzter Konsequenz ist das wohl so.
Den Handel beherrscht wer ihn monopolisieren kann, weil die eigenen Produktionstechniken und Möglichkeiten in dieser Hinsicht eine Überlagenheit schaffen.
In diesem Sinne beherrschte Großbritannien vielleicht um 1850 den Welthandel zur See aber nicht mehr um 1910.

Davon abgeshen ist Fernhandel seit dem Aufkommen der Eisenbahn nicht mehr zwangsläufig Seehandel. Und Seemacht nutzt bei der Beherrschung des Handels qua Macht über die Seerouten herzlich wenig, wenn er auch zu Land abgewickelt werden kann.
Seit dem Aufkommen der Eisenbahn kann im Prinzip der gesamte Handel Europas, Afrikas und Asiens mit sich selbst und zwischen diesen Kontinenten ohne den Seeverkehr auskommen (jedenfalls theoretisch), wie auch der Binnenhandel beider Amerikas.
Und das ist der Löwenanteil des Welthandels.

Warum sollte Beherrschung der Meere mit Beherrschung der Welt gleichzusetzen sein?

Seemacht lässt sich gegen Binnenstaaten genau so wenig instrumentalisieren, wie Landmacht gegen See-/Inselreiche.
Es stellt gegen diese Art von Akteur schlicht kein adäquates Mittel dar.


Wenn das BE, zumindest innerhalb eines gewissen Zeitrahmens, nicht als Weltmacht gelten soll, was bitte ist dann eine Weltmacht?
Das hatte ich bereits genannt.
Eine Macht, die in sämtlichen Teilen der Welt zu jeder Zeit aus eigener Machtvollkommenheit aktionsfähig ist und zwar militärisch.
Vergleichbar mit der Situation der USA heute (oder sagen wir, mit den USA zwischen 1990 und 2010 bevor China offen anfing die amerikanische Hegemonie herauszufordern).

Großbritanniens militärische Fähigkeit aus eigener Machtvollkommenheit heraus auf dem europäischen Festland Krieg zu führen und im Alleingang dortige Akteure militärisch zu unterwerfen, wenn es sein musste, war im Gegensatz zu den anderen europäischen Mächten schlicht nicht vorhanden.

Ohne auf dem Festland selbst im Alleingang militärisch Macht durchsetzen zu können, kann nicht davon die Rede sein, dass Großbritannien Europa oder Nordamerika dominiert hätte.
Wenn es aber diese beiden entscheidenden Räume nicht beherrschte und sie sich auch nicht durch Zwang gefügig machen konnte, stellt es keine Weltmacht dar.

Der Ausgleich war dergestalt, das Russland sich entspannt seine Aufmerksamkeit seinen alten europäischen Interessen, Balkan und Meerengen, zuwenden konnte. Also war das Ganze wohl nicht soo substanzlos, das damit gerechnet werden konnte, das der Konflikt schon Morgen wieder aufbricht. Und so war es dann ja auch tatsächlich gewesen.
Ich habe nie behauptet, es wäre substanzlos gewesen, ich habe nur bestritten, dass damit irgendwas dauerhaft gelöst gewesen wäre, wie du das behauptet hast.
Das war letztendlich ein Agreement von dem man ausgehen konnte, dass es ein Paar Jahre Ruhe bedeutete oder bis zum Kollaps Chinas.
Es war keines Falls ein Agreement bei dem man davon hätte ausgehen können, dass damit auf Jahrzehnte Fragen geklärt gewesen und Russland für auf der strategischen Ebene relevant Zeitkorridore in jdeem Fall den Rücken frei gehabt hätte.
Das wäre der Natur expansicher Mächte auch insgesamt zuwider gewesen.

Es wird schon Gründe gegeben haben, das Tokio ein Bündnis mit Großbritannien unterhielt und mit Russland ein Ausgleich, nach siegreichem Krieg, hergestellt wurde. In den nächsten Jahren, bis zum Weltkrieg, geschah ja nichts weiter.
Das stimmt so nicht.

Die Ereignisse 1905 hatten zu einem japanischen Protektorat über Korea geführt, das Russland hatte anerkennen müssen. 1910 ging Japan darüber hinaus, setzte den Koreanischen Herrscher ab und annektierte das Land faktisch.
Damit hatte es die 1905 ausghandelten Verhältnisse bereits zu eigenen Gunsten gekippt.
Der nächste "Spielpatz" würde aller Voraussicht nach China werden, aber das hätte möglicherweise auch die USA auf dem Plan gerufen. Von Frankreich und Deutschland wäre außer diplomatischen Protesten nicht viel zu erwarten gewesen. Russland hätte von sich aus nicht an dem Ausgleich gewackelt, da man in Petersburg den nächsten Konflikt in Europa sah und in diese Richtung wurde auch gerüstet.
ich schreibe es nochmal, die blendest die Eigendynamik im Fall Chinas aus.
Dieses Reich konnte jederzeit kollabiren und wenn das passierte, war zu erwarten, dass Japan zügig versuchen würde sich ein großes Stück der Konkursmasse zu holen.
Das konnte zum einen Russische Interessengebiete direkt betreffen (Stichwort Mandschurei und Transsibirische Eisenbahn) und hier war Japan mit der Annexion Koreas 1910 bereits sehr nah an die sensible Region herangerückt und der Gedanke die nunmehr Japanische Kolonie über Land mit der mittlweile japanischen Exklave Port Arthur zu verbinden musste sich ohnhin aufdrängen.
D.H. bei inem Kollaps Chinas konnten russische Interessen gegenüber Japan direkt gefährdet sein.

Und selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre hätte die erbeutung erheblicher Teile Chinas durch Japan mit einem Schlag die ausghandelte Machtbalance schlagartig zu Gunsten Japans umwerfen können.
St. Petersburg legt es sicher für den Moment nicht auf Konfrontation mit Tokyo an, aber wäre zu erwarten gewesen, dass Russland es reaktionslos hingenommen hätte, wäre Tokyo in China auf großen Raubzug gegangen um die dominiernde Macht in Ostasien zu werden?

Ich denke dass kann man nicht vorraussetzen und wenn es zum Konflikt zwischen beiden gekommen wäre, hätte London de facto zwischen zwei Stühlen gesessen.


Nun Großbritannien wollte Deutschland klein- und raushalten.
Ich sehe schon, ich hätte das präziser formulieren sollen, also versuche ich es nochmal.

Die Annahme, an der Kooperation mit Russland festzuhalten wäre für London alternativlos gewesen, setzt einen unwiderstehlichen Hang zu suizidaler Politik auf Seiten Großbritanniens und absolute Rücksichtslosigkeit auf die eigenen Positionen vorraus einzig mit dem Ziel Deutschland zu schaden.

Und eine solche Vorstellung halte ich für extrem weit überzogen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wir hatten die Definition von Weltmacht/Seemacht hatten wir schon mal in einem Thread. Und ich betone hier noch einmal ausdrücklich und dies gilt auch für 1910, wer die Seehandelsrouten beherrscht, beherrscht den Handel. Warum sonst konnte denn das DR keine kriegswichtigen Produkte aus Übersee beziehen? Gab es die dafür notwendigen Eisenbahnen? Zudem, wer die Seemacht hat, kann beliebig Truppen an beliebiger Stelle landen, eventuelle Landtransportwege unterbrechen. Der Welthandel wird nun einmal, allein schon aus Kapazitätsgründen in der Masse zur See abgefertigt.

Wer hier an Eisenbahnen und Landverbindungen anhängt, übersieht einfach die Realität im Handel. Solche Beispiel des Seehandelsproblems finden sich doch sogar aktuell in der Zeit nach dem WK.
Iran-Irak-Krieg, Suezkrise, neulich die "Ever Given", bis vor kurzen der Golf von Aden, ständig gibt es Störungen im Welthandel, allein eine verzögerte Kontainerabfertigung in Ostasien wirkt sich bis uns aus.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn Du hier die USA als Beispiel nimmst, auch die ist im von Dir genannten Zeitraum dann keine Großmacht, so absolut, wie Du das hier benennts, dann hat es nie eine Weltmacht gegeben. Oder denkst Du, die USA hätte nach belieben militärisch gegen Atommächte wie Indien, China, RUS agieren können. Ich denke mal nicht.
 
Deutschland hat in beiden Weltkriegen aus der Position einer Kontinentalmacht agieren müßen und von daher auch eine entsprechende Strategie
angewendet, dies letztlich im WK2 mangels Flotte und im WK1 mangels Flottenstärke und Basen ebenso. Die Folgen sind ja bekannt. Eine reine Kontinentalmacht ist ohne hinreichende Ressourcen an Nahrungsmitteln, Menschenmaterial und Rohstoffen nicht in der Lage auf die Dauer eine effektive Kriegsstrategie gegen entschlossene Gegner, die über freie Überseeverbindungen verfügen, durchzuhalten. Hier stoßen eine kontinentale und eine maritime Doktrin aufeinander. Die Flotte der UDSSR war, neben der Atomaren Abschreckung unter anderen auf eine Unterbrechung/schwerwiegenden Störung der transatlantischen Seeverbindungen ausgelegt.
 
Wir hatten die Definition von Weltmacht/Seemacht hatten wir schon mal in einem Thread. Und ich betone hier noch einmal ausdrücklich und dies gilt auch für 1910, wer die Seehandelsrouten beherrscht, beherrscht den Handel. Warum sonst konnte denn das DR keine kriegswichtigen Produkte aus Übersee beziehen? Gab es die dafür notwendigen Eiessenbahnen? Zudem, wer die Seemacht hat, kann beliebig Truppen an beliebiger Stelle landen, eventuelle Landtransportwege unterbrechen. Der Welthandel wird nun einmal, allein schon aus Kapazitätsgründen in der Masse zur See abgefertigt.

Du übergehst den Umstand, dass Abriegelung Deutschlands von Importen im 1. Weltkrieg nur deswegen möglich war, weil es sich mit den meisten seiner Nachbarländer auf dem europäischen Festland im Krieg befand.

Großbritannien allein hätte das ohne das Mitagieren Russlands und Frankreichs nicht bewerkstelligen können.

Welch Produkte gab es, die sich ausschließlich aus Übersee beziehen ließen und die bei normalen Handels beziehungen der Landmächte untereinander nicht auch von anderswo her beschafft hätten werden können?




Wer die Seemacht hat, kann Truppen an Küstengegenden anlanden (was vorraussetzt, dass er adäquate Truppen hat und dass die Küsten nicht vernünftig gsichert sind, weil sonst kommt so etwas wie Gallipoli dabei heraus).
Die Anlandung an Küsten nutzt militärisch gegen Binnenstaaten nichts.

Wann hatte Großbritannien noch zuletzt im Alleingang, sagen wir Wien erobert um à la Napoleon einemm europäischen Großakteur wie etwa dem Habsburgerreich seine Bedingungen aufzuzwingen?

Diese Kapazitäten hatte es nicht.

Wer hier an Eisenbahnen und Landverbindungen anhängt, übersieht einfach die Realität im Handel. Solche Beispiel des Seehandelsproblems finden sich doch sogar aktuell in der Zeit nach dem WK.
Die Realität ist, dass der größte Teil des Welthandels in regionalem Landhandel und Wahrenverkehr auf Bahnen, Flüssen und Kanälen besteht und der Seegebundene Fernhandel nur einen geringen Teil davon ausmacht.

Mach es an Deutschland fest. Unser mit Abstand größter Handelspartner ist nicht irgendwo in Hinterindien oder den USA, sondern es handelt sich um die Europäische Union.
Und was wir innerhalb der EU verhandeln, ist, mit Verlaub abseits von Seewegen transportabel und wird zum großen Teil abseits davon transportiert.

Der größte Teil des Welthandels läuft abseits der transkontinentalen Seewege und deswegen kontrolliert wer die Seewege kontrolliert auch nicht den Welthandel, sondern allenfalls die Teile davon, bei denen Seeverkehr aus frachttechnischen Gründen notweendig ist, oder weil ein Zielland ausschließlich übers Meer zu erreichen ist.
 
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Das war letztendlich ein Agreement von dem man ausgehen konnte, dass es ein Paar Jahre Ruhe bedeutete oder bis zum Kollaps Chinas.
Es war keines Falls ein Agreement bei dem man davon hätte ausgehen können, dass damit auf Jahrzehnte Fragen geklärt gewesen und Russland für auf der strategischen Ebene relevant Zeitkorridore in jdeem Fall den Rücken frei gehabt hätte.
Das wäre der Natur expansicher Mächte auch insgesamt zuwider gewesen.

Nun, auf jeden Fall hat es bis zum Weltkrieg gehalten und im Weltkrieg standen sich Russland und Japan jedenfalls nicht feindlich gegenüber. Im Gegenteil. Der gemeinsame Feind hieß Deutschland. Und Russland hatte den Rücken frei und konnte seine Truppen aus Fernost nach Europa holen.

Dieses Reich konnte jederzeit kollabiren und wenn das passierte, war zu erwarten, dass Japan zügig versuchen würde sich ein großes Stück der Konkursmasse zu holen.
Das konnte zum einen Russische Interessengebiete direkt betreffen (Stichwort Mandschurei und Transsibirische Eisenbahn) und hier war Japan mit der Annexion Koreas 1910 bereits sehr nah an die sensible Region herangerückt und der Gedanke die nunmehr Japanische Kolonie über Land mit der mittlweile japanischen Exklave Port Arthur zu verbinden musste sich ohnhin aufdrängen.

Ich habe schon oben geschrieben, vielleicht hast du das überlesen, das Japan sich als nächstes wohl gegen China gewendet hätte.
Nur ich glaube einfach nicht, das die Russen dies als Ausgangspunkt für ein neuen Abenteuer gegen Japan genommen hätten. Petersburg war zwischenzeitlich stark in Europa engagiert und konnte sich eine Front in Fernost nicht leisten. Es war nicht ausgemacht, das Österreich-Ungarn nochmals so freundlich sein würde, und die Füße stillhält. Das erste Mal hat Russland ja schon reichlich schlecht gedankt.

Die Annahme, an der Kooperation mit Russland festzuhalten wäre für London alternativlos gewesen, setzt einen unwiderstehlichen Hang zu suizidaler Politik auf Seiten Großbritanniens und absolute Rücksichtslosigkeit auf die eigenen Positionen vorraus einzig mit dem Ziel Deutschland zu schaden.

Die Russen sprangen schon in den Jahren nach 1907 mit London rücksichtslos um. Nur uneinsichtige und unbelehrbare Diplomaten wie Nicolson und Buchanan wollten dies einfach nicht sehen und hielten unbeirrbar an der Allianz mit Russland fest. Nur mittlerweile murrte schon das Publikum.
Ich sehe schon, ich hätte das präziser formulieren sollen, also versuche ich es nochmal.

Sätze wie diese, die kannst du dir getrost schenken.
 
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