Woher, kam die Angst Frankreichs?

Griffel

Mitglied
;) Einen schönen Abend! Ich möchte mal die Zeit nutzen, um etwas in Erfahrung zu bringen, was weder der Geschichtsunterricht, noch jede Menge Dokumentationen, im Fernsehen bewerkstelligen konnten.
Da es hier um das Deutsche Reich geht bzw. seine Entwicklung, stelle ich das Thema mal hier rein. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass die Beantwortung dieser Frage, fast zwangsläufig zum 1. WK und die Zeit danach führt.:confused:

Also hoffe ich mal dass ich das richtige Unterforum gefunden habe.

Meine Überschrift, sagt es ja eigentlich schon; ich wüsste mal gerne, woher die starke Angst Frankreiches vor dem Deutschen Reich kam? Natürlich weis ich, dass der "gute alte Otto von Bismarck", einen Krieg gegen Frankreich vom Zaun gebrochen hat!:eek::rolleyes:

Aber davon mal abgesehen. Vielleicht, habe ich auch gepennt, als das dran war. Aber je länger ich darüber nachdenke, um so weniger logisch scheint mir das Ganze! Und ich meine damit nicht die Tatsache, dass Frankreich den Krieg auf Grund unglücklicher Umstände so rasch verlor. Nein! Ich meine danach. Wo doch alles für Frankreich und gegen Deutschland sprach bzw. spricht.

Frankreich, war ja bereits seit Jahrhunderten vorher, schon ein relativ gefestigter Nationalstaat. Wenn, man mal von der Periode des 19.Jhrds. absieht.

Das Deutsche Reich, war ja gerade erst gegründet worden; oder ausgerufen. Wie auch immer. Aber! Das Kaiserreich, war ja zu Beginn, industriell eher unterentwickelt. Und auch auf dem Wissenschaftssektor, kam man erst relativ spät in tritt! Peinlich genug wenn, ihr mich fragt. Das mit dem Volk von den Dichtern und Denkern, stimmt nämlich so auch nicht. Zumindest was das Denken angeht!:p Vorausgesetzt, man geht bei denken von forschen aus.
Frankreich hingegen, hatte bereits damals eine sehr aktive universitäre Landschaft und war auch technisch in manchen Dingen den Deutschen weit vorraus. Außerdem besaß man ja auch schon damals seine Kolonien.
Man konnte also doch ganz zufrieden sein.

Deutschland, erlebte ja fast Zeitgleich mit der Reichsgründung, seinen ersten großen Börsenkrach. Was mit dem Aufschwung nach dem Krieg, gerade noch so aufgefangen werden konnte. Richtig setzte ja die Aufholjagd erst so ab Beginn der 80iger Jahre dieses Jahrhunderts ein. Falls jemand andere, bessere Zahlen hat; haltet nicht hinter dem Berg damit!

Frankreich war doch in so gut wie allem, ziemlich nahe an Großbritannien dran. Und somit konnte das damalige Deutschland, doch eigentlich gar keine echte Konkurrenz für Frankreich sein? Auch das Thema Kolonien, kam ja erst mit Wilhelm Zwo auf. Was ja zu solchen Aktionen wie dem Panthersprung führte usw.
Aber alles in allem, verstehe ich die Furcht Frankreichs vor Deutschland nicht.

Dann erleuchtet den guten Griffel mal.
 
Anzumerken ist zunächst, das der wesentliche Kolonialbestand des Deutschen Reiches in der Ära Bismarcks erworben worden waren.

Des Weiteren war für Frankreich die Niederlager und der daraus resultierende Frankfurter Frieden geradezu traumatisierend. Immerhin galt bis zur Niederlage Napoleons das französische Heer als das stärkste der Welt. Die Niederlage war ein ungeheurer Schock.

Und Frankreich war nach der verheerenden Niederlage erst einmal überhaupt nicht im Stad versetzt, an eine Revanche zu denken. Die politischen Verhältnisse mussten geordnet werden. Teile Frankreich waren über Jahre von deutschen Truppen besetzt. Erst als die Kriegskontributionen gezahlt waren, zogen die Deutschen ab.

Frankreich hatte m.W. nach keine „Angst“ vor dem Deutschen Reich, sondern traf eben Vorkehrungen, um die Sicherheit des Landes so gut wie irgend möglich zu gewährleisten. Den französischen Verantwortlichen war durchaus bewusst, dass die französischen Streitkräfte allein nicht ausreichen würden, um das Deutsche Reich militärisch zu bezwingen. Darüber hinaus nahm man in Frankreich durchaus wahr, das die Industrialisierung Deutschlands in großer Geschwindigkeit erfolgte und die deutsche Wirtschaftskraft der französischen voraus war. Auch war das deutsche Bevölkerungswachstum deutlich größer, als das Frankreichs.
 
Das der Krieg, nicht unbedingt dazu beigetragen hat, das "Nachbarschaftliche Verhältnis" zu verbessern, leuchtet ein.;) Das mit dem Bevölkerungswachstum, ist mir schon zu Schulzeiten über den Weg gelaufen. Aber wirklich befasst, haben wir uns damit nicht. Kann man irgendwo Zahlen dazu kriegen?
 
Anzumerken ist zunächst, das der wesentliche Kolonialbestand des Deutschen Reiches in der Ära Bismarcks erworben worden waren.
Das bedarf mE der Erläuterung. Denn so wie ich es verstehe wurde das Kaiserreich erst 1884 "mit dem Erwerb von Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, offiziell eine Kolonialmacht".
APuZ_2019-40-42_online.pdf
Und da steht ja die Ära Bismarck, der wohl ein Gegner solcher Abenteuer war, kurz vor ihrem Ende.
Dieses würde ich mit dem Antritt des machthungrigen KW2 1888 veranschlagen.

Ich würde sagen, dass gegen Ende seiner Zeit auch die Wirkung seines Widerstands gegen eine Politik nachließ, die sich schließlich mit Wilhelm II die Bahn brach.
 
Zuletzt bearbeitet:
1884 markiert den eigentlichen Beginn der Bismarkschen Kolonialpolitik; 6 Jahre vor seinem erzwungenen Rücktritt. Sie dauerte nur 2 Jahre an. Bismarck betrachtete die ganze Kolonialangelegenheit als Schwindel. Man bräuchte sie für die Wahlen und für Bismarcks Machterhalt als Reichskanzler. Der Thronwechsel wurde um diese Zeit erwartet und für Bismarck war die Kolonien auch ein Druckmittel gegenüber den Kronprinzen, der bekanntermaßen England freundlich gegenüberstand. Als Bismarck die Zusicherung hatte, das nach dem Thronwechsel er Reichskanzler bleiben würde, wurde die Kolonialpolitik von heute auf Morgen eingestellt. Die deutsche Kolonialpolitik war innenpolitisch motiviert.

Siehe hierzu auch Axel Riehl, Der Tanz um den Äquator
 
@Griffel:

Die Antwort steht ja schon fast in der Frage. :)
Woher kam die Sorge Frankreichs vor Deutschland? Hier ein paar Hinweise:

1.) Ein geeintes Deutschland wäre flächen-, ressourcen- und bevölkerungsmäßig größer und damit stärker als Frankreich gewesen. Dies hätte die Vormachtstellung Frankreichs in Europa bedroht bzw. beendet - was ja 1871 auch der Fall war. Es ist außerdem verständlich, dass eine Großmacht an seinen Grenzen keine stärkere Großmacht entstehen sehen möchte.

2.) Deutschland war jahrhundertelang zersplittert und zerstritten. Dies ermöglichte es anderen Mächten, u.a. Frankreich, zu manipulieren und nach Deutschland hineinzuregieren und seinen Einfluss auszuweiten. Mit einem geeinten Deutschland wäre dies nicht möglich gewesen.

3.) Die technologische Rückständigkeit Deutschlands würde sich in einem geeinten Deutschland vermutlich schnell umkehren. Frankreich müsste dann erhebliche Anstrengungen unternehmen, um mitzuhalten.


Die Geschichte hat gezeigt, dass Frankreichs Befürchtungen ja auch der Wahrheit entsprachen. Bis einschließlich den napoleonischen Kriegen konnte Deutschland kaum Frankreich militärisch widerstehen - die Erfolge Friedrichs des Großen im Siebenjährigen Krieg waren da die absolute Ausnahme. Napoleon hatte aus französischer Sicht die "Normalität" wiederhergestellt - Frankreich als militärische Vormacht mit westdeutschen Verbündeten. Im Krieg gegen ein geeintes Deutschland 1870/1871 sah Frankreich nicht gut aus, aber es war teilweise knapper, als das Ergebnis vermuten lässt. Im Ersten Weltkrieg konnte Frankreich nur mit Verbündeten den Krieg durchstehen und im Zweiten Weltkrieg wurde es einfach überrannt, auch wenn es später am Tisch der Sieger saß. Das alles konnten die Franzosen des 19. Jahrhunderts zwar nicht im Detail voraussehen, aber in den Grundzügen doch erahnen.
 
Zu erst einmal danke! Die Informationen waren wirklich sehr interessant!:);) So was fehlt halt in den meisten Schulbüchern komplett. Die Schulbücher, die wir in Geschichte hatten, jedenfalls die, welche was getaugt haben, waren damals schon ich glaube 25 oder 30ig Jahre alt.:po_O

Ich gehörte zu ersten Schülern, die mit den "neuen Fächern" beglückt wurden! Wir hatten dann nicht mehr Physik oder Chemie sondern PCB. Und nicht mehr Geschichte und Sozialkunde. Sondern GSE!:mad: Und mal ehrlich, so sahen dann auch die Bücher aus! Da kann ich mich noch glücklich schätzen, dass es in unsere Dorfschule, noch jede Menge "alte Bücher" gab. Die Waren zwar laut Stempel von Ende der 60iger bis Mitte der 70iger. Aber mit denen konntest wenigsten ordentlich lernen! Diese neuen Dinger waren für den Arsch! 3 Schulfächer in ein Buch gequetscht! So sah dann auch der Stoff aus! Viele bunte Bildchen, Sprechblasen und Farbe. Aber verwertbare Infos Pustekuchen.
Ich habe mir dann sehr oft entweder mit dem Internet oder mit den alten Büchern meiner Mutter beholfen.
Gottlob, musste man damals selber kaufen! Deswegen hat meine Mutter sie auch aufgehoben und sie mir dann geschenkt bzw. geliehen. Zumindest die Geschichtsbücher.
 
@Griffel: Du kritisiert Schulbücher als "inhaltsleer". Dein Beiträg in #9 beinhaltetet wenig zum Thema und viel Smalltalk. Du gehst mit einem denkbar schlechten Beispiel voran.
 
Ich wollte damit eigentlich nur sagen, dass auch schon in der Schule viele Fakten, oft vernachlässigt wurden.:eek: Und ich mit den alten Büchern besser klar kam. Das ändert allerdings nichts daran, dass viele "wichtige Dinge" wie die angesprochene Industriealisierung, oder die unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung, so gut wie nie zur Sprache kamen. Ferner, wollte ich mich nochmal für die oben genannten Links bedanken. Ganz einfach deshalb weil, sie Informationen enthalten, welche man in den meisten Schulbüchern vergeblich sucht.

Es sei denn, man ist bzw. war Gymnasiast. Aber zumindest, wird das Ganze dadurch endlich mal greifbar.
Nochmals Danke.
 
Ich wollte damit eigentlich nur sagen, dass auch schon in der Schule viele Fakten, oft vernachlässigt wurden.:eek: Und ich mit den alten Büchern besser klar kam. Das ändert allerdings nichts daran, dass viele "wichtige Dinge" wie die angesprochene Industriealisierung, oder die unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung, so gut wie nie zur Sprache kamen. Ferner, wollte ich mich nochmal für die oben genannten Links bedanken. Ganz einfach deshalb weil, sie Informationen enthalten, welche man in den meisten Schulbüchern vergeblich sucht.

Es sei denn, man ist bzw. war Gymnasiast. Aber zumindest, wird das Ganze dadurch endlich mal greifbar.
Nochmals Danke.

Das hat mit dem Gymnasium nichts zu tun sondern einfach damit, dass der Stoff insgesamt viel zu umfangreich ist, um solche Themen erschöpfend in der Schule abhandeln zu können.
Dafür bietet dann auch der Leistungskurs in der Sekundarstufe 2 nicht genug Raum.

Ich kann dazu nur sagen, dass ich mit meinen Schulbuch in der Oberstufe auch immer unzufrieden war, kann aber nicht behaupten, dass ich daraus nichts gelernt hätte.
Natürlich sind die Darstellungen dort verkürzt.

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Im Hinblick auf die Industrialisierung und was die tieferen Ursachen angeht, möchte ich dir noch einen Blick in das Buch "Grubengold" von Brüggemeier empfehlen, und in, falls du das in irgendeiner Bibliothek auffinden kannst in "Kohle und Eisen im Weltkriege und in den Friedensschlüssen" von "Ferdinand Friedensburg" mal einen Blick zu werfen.*

Um einige wichtige Punkte dabei zusammen zu fassen:

Im Hinblick auf die industrielle Entwicklung, hatte Frankreich das grundsätzliche Problem, dass es zwar über recht ergibige Erzgruben verfügte, aber über relativ wenig nennenswerte Steinkohlelagerstätten, die zu einigermaßen marktüblichen Preisen ausgebeutet werden konnten.

Die wirklich ergibigen Steinkohlelagerstätten Europas befinden sich in Nordenglang, in Belgien, im Ruhrgebiet in Oberschlesien und im Donbas.
Warum ist es für die industrielle Entwicklung jetzt so eminent wichtig Steinkohle- und nicht Erzvorkommen am Ort zu haben?
Einfach deswegen, weil mit der damaligen Technologie (auch wenn das effizienter wurde), es immer mehrere Tonnen Steinkohle oder Steinkohleprodukte benötigte, um eine einzige Tonne Erz verarbeiten zu können.

Hätte man also die Kohle zu den Erzrevieren gebracht, hätte das eines deutlich größeren und deutlich kostenintensiveren Transportsystems bedurft, als umgekehrt. Entsprechend entwickelten sich die Industriereviere tendenziell eher in der Lage der Kohle- als der Erzlagerstätten, was für Frankreich einen deutlichen Standortnachteil mit sich brachte.
Dann lohnt es sich im Hinblick auf die Industrialisierung mal einen näheren Blick auf die territoriale Entwicklung Preußen-Deutschlands zu werfen.

Auf den ersten Blick stand Preußen mit seinen zwei großen Steinkohlerevieren da natürlich in einer blendenden Ausgangsposition, nur wiesen beide Reviere, erhebliche Schönheitsfehler auf, diese Entwicklung verzögerten und auch zu Folgeproblemen führten.

Oberschlesien brachte gegenüber anderen Standorten erstmal das Problem der Grenznähe mit sich. Im Grunde genommen, auch wenn sich das in modernen Darstellungen kaum noch so findet, ist die historische Landschaft Schlesien ab dem 18. Jahrhundert auf drei verschiedene Staaten aufgeteilt.
Einmal auf Preußen, mit dem Löwenanteil des Territoriums, einmal mit Österreich, dass einige Restbestände im Südosten der Region, um die Orte Troppau und Teschen herum bis zum Untergang der Monarchie behielt, während der östliche Teil um Sosnowiec im 19. Jahrhundert erstmal zu "Kongresspolen" kommt und dann durch die faktische Annexion an Russland geht.

Entsprechend der Tatsache, dieser Grenzlage und der erstmal begrenzten Reichweite und Kapazität der Eisenbahn und mit Rücksicht auf die bestehenden Zollgrenzen, fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, dass dieses Revier nur einen begrenzten Raum hatte, mit dem es wirtschaftlich ohne Probleme eine größere wirtschaftliche Einheit bilden konnte. Das ist erstmal im wesentlichen die schlesische Provinz, Brandenburg und Posen, mit dem Zollverein kommt dann in der Erweiterung ab den 1830er Jahren Sachsen hinzu.

Die Grenzlage dieser Region machte natürlich zum einen eine potentielle Verteidigung auch immer schwierig, im Besonderen, so lange Preußen vor den "Einigungskriegen" mehr oder minder noch in der zweiten garde der Großmächte stand und mehr oder minder dazwischen lavierte der Juniorpartner Österreichs oder Russlands zu sein. Eine weitere Hypothek für die Entwicklung wirtschaftliche Entwicklung, musste hier auch die Mehrsprachigkeit der Region darstellen.
Die "Eindeutschung-" und "Ostsiedlungs-Phantasien", der preußischen und der Reichsregierung, gab es am Beginn des 19. Jahrhundert noch nicht und auch noch keine wirklich greifende Schulpolitik, die mindestens auf eine dezidierte Bilingualisierung der polnischsprachigen Bevölkerung hinaus lief.
Das sind Entwicklungen, die sich über das gesamte 19. Jahrhundert hinziehen, und auch zum Zeitpunkt des Ausbruchs des Weltkrieges, weißt die Bevölkerung der Region, noch einen erheblichen Anteil an Personen auf, die nur einer der beiden en gros benutzten Sprachen in der Region mächtig waren.
Das bedeutete für die innerbetrieblichen Abläufe, dass entweder die Sprachbarriere am Arbeitsplatz hingenommen werden musste, was dann natürlich zur Behinderung, Verlangsamung und Verkomplizierung,cder Arbeitsabläufe führte oder aber, dass man für einen Betrieb oder für Teile davon eine Lingua Franca forschrieb, die dann aber selbstverständlich auch dafür sorgte, dass das Arbeitskräfte-Reservoir nicht voll ausgeschöpft werden konnte.

Die Preußische Berggesetzgebung, sah z.B. zeitweise vor, dass niemand unter Tage arbeiten dürfe, der der deutschen Sprache nicht mächtig war.
Man kann sich vorstellen, was das mitunter gerade in der oberschlesisichen Grenzregion, dann für den Nachschub an "Menschenmaterial", in den Kohlezechen bedeutete.
 
2.

Das Rheinisch-Westfälische Industriegebiet, hatte demgegenüber als erstem Entwicklungshindernis erstmal damit zu kämpfen, dass die gesammte Landmasse im Westen des dann entstandenen Deutschen Bundes, nach Jahrhunderten territorialer Zersplitterung, mit dem Wiener Kongress zum ersten mal, zu einer großräumigen Einheit zusammengefasst wird.
Da gibt es erstmal noch überhaupt keine funktionierende Verwaltung, die erstmal aufgebaut werden musste. Dann fiel die provinziale Aufteilung in eine Rheinprovinz und in Westfalen, für die Entwicklung der Industrie im Ruhrgebiet auch nicht wirklich optimal aus, weil damit eine administrative Grenze mitten durch diesen wirtschaftlichen Raum hindurch gezogen wurde (gut, dass konnte man damals, als das passierte noch nicht absehen), und die beiden Hälften des späteren Industriereviers dann mit sehr ländlichen Regionen zusammengeschlossen wurden, was in der Lokalpolitik natürlich einen gewissen Zwang zum Interessenausglich mit den ländlichen Gebieten nach sich zog.

Eine weitere Hypothek für diesen Standort, war der fehlende Zugang zum Meer über preußischen Staatsgebiet. Bis 1866/1867, verfügte Preußen ja über keinen Zugang zur Nordsee, der mit diesem Gebiet verbunden gewesen wäre und eine territoriale Verbindung zur Hauptmasse des Staatsgebietes im Osten gab es auch nicht.

Oberschlesien, konnte seine Produkte in den angrenzenden Regionen, nur bedingt absetzen, wegen der Zollgrenzen zu Russland und Österreich, verfügte über die Oder und mit Stettin aber über ein potentielles Ausfalltor nach Übersee. Das war natürlich sicherlich kein Ausfalltor erster Klasse, zumal es den Nord-Ostsee-Kanal noch nicht gab, jeder Export außerhalb des Ostseeraumes damit erstmal durch den Öresund und um Jütland herum musste, was, so lange Preußen auch noch keine Marine hatte, um das erzwingen zu können, nicht zuletzt auch vom Goodwill Dänemarks und Schwedens abhängig war, aber es war immerhin ein Ausfalltor, mit einem natürlichen Verkehrssystem.

Das galt für das Rheinisch-Westfälische Industrierevier in dieser Form nicht, dass war in seiner wirtschaftlichen Entwicklung, so lange es noch kein raumgreifendes Eisenbahnsystem gab und Preußen nicht über weitere Gebiete verfügte, auf den Rhein als natürlichen Transportweg verwiesen, und das funktionierte nur bis an die niederländische Grenze problemlos, zumal sich hier auch so schnell keine andere Lösung fand, da das Königreich Hannover dem Zollverein nicht beitrat und ein nicht durch Binnenzölle belasteter, alternativer Weg zur Nordsee, damit erst mit der Annexion des Kgr. Hannover durch Preußen nach dem Krieg von 1866/1867, dauerhaft in Aussicht kommt.

Daneben gibt es in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts noch eine kleine transtporttechnische Revolution und die heißt "Suez-Kanal" und sollte nicht unterschätzt werden.
Vor dem Zeitalter der Dampfschiffahrt und dem Bau des Suezkanals, ist der Mittelmeerraum handelspolitisch im 18. und frühen 19. Jahrhundert weitgehend abgemeldet und der europa verlassende Handel, spielt sich, so nicht von der iberischen Halbinsel oder den britischen Inseln, ausgehend weitgehend in den Hafenstädten der Nordsee, des Kanals und des Ostatlantik ab, was gerade den französischen Hafenstädten Bordeaux, Nantes, La Rochelle etc. sehr zu gute kam.
Die behalten als Umschlagplätze für Westafrika und die beiden Amerikas natürlich weiterhin eine gewisse Rolle, aber mit dem Suez-Kanal, als wirklich sinnvoll nutzbarer Alternative verliert Frankreich als Handelsumschlagplatz, für alles, was die ostafrikanische Region und vor allem den lukrativen Asien-Hande betrifft, massiv an Bedeutung, zu Gunsten letztendlich des neu entstehenden Italiens und der Donaumonarchie letztendlich auch Russland, dessen Schwarzmeerhäfen, auch wenn das "Meerengen-Problem", weiterhin bestand, im Hinblick auf den Welthandel, jedenfalls sofern es Asien betraf, mit einem Schlag wesentlich interessanter wurden.



Insofern, wenn man Frankreich und den deutschsprachigen Raum mit einander vergleicht, läuft in Sachen Industrie und Handelsmöglichkeiten im 19. jahrhunder wahrnehmbar alles gegen Frankreich.

1. Durch die Neuordnung des Wiener Kongresses, bekommt der Westen des alten Reiches um den Rhein herum überhaupt erstmal die Möglichkeit, sich zu einem zusammenhängenden und wirklich funktionierenden Wirtschaftsraum zu entwickeln.
2. Die für das späte 19. und beginnende 20. Jahrhundert interessanten Rohstoffe, sind für Preußen-Deutschland einfach wesentlich günstiger verteilt, als für Frankreich.
3. Mit dem Zollverein und der späteren territorialen Erweiterung Preußens in Norddeutschland, wird Preußen wirtschaftlich überhaupt erstmal zu einem Player mit eigenen Ausfalltoren und dem Potential im größeren Maßstab im entstehenden Welthandel zu agieren.
4. Durch den Suez-Kanal und die Dampfschiffahrt, ist es mit einem Schlag, für die Regionen in Süd- und Westdeutschland, eher uninteressant, ihren Außenhandel, sofern der Asien betrifft, über Frankreich oder die flandrischen und niederländischen Städte abzuwickeln. Von den französischen Städten profitiert von den Anfängen des Kolonialismus, sicher auch vor allem Marseille, aber für Waren, die aus Zentraleuropa kommen und nach Asien sollen oder für Improte asiatischer Waren nach Zentraleuropa hinein, sind auf einmal Genua, Venedig und Triest oder weiter im Osten Varna, Constanta und Odessa, sehr viel interessantere, weil verkehrsgünstiger gelegene Umschlagplätze, als die Traditionellen Plätze, die sich seit dem Aufstieg des atlantischen Handels durch die Entdeckung Amerikas und die Seewege nach Asien etabliert hatten.
Dies zum Schaden der Handelszentren an der französischen Atlantikküste.

Wen man sich im Hinblick auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten die überseeischen Entwicklungen anschaut, nutzt das, was da passiert, zunächst mal auch nicht unbedingt den Franzosen.

Zunächst mal, muss man sich dafür vergegenwärtigen, dass mit dem Ende der Napoleonischen Epoche, die alten, atlantischen Imperien, der europäischen Mächte im Grunde zusammenbrechen.

Lateinamerika sagt sich in den folgenden Jahrzehnten, von den iberischen Kolonialmächten los, Frankreich hatte mit dem "Louisiana Purchase" im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts seine letzten nordamerikanischen Besitzungen abgetreten, blieb zunächst auf die verbliebenen karibischen Besitzungen, einige Stützpunkte auf dem Weg nach Asien beschränkt und begann erst ab den 1830er Jahren wieder eine koloniale Politik in Algerien, die über ihre gesammte Dauer vermutlich mehr Kosten als Nutzen verursachte, da es sehr lange dauerte, das eroberte Terrain einigermaßen zu pazifizieren.
Im Grunde genommen, hält, lediglich der britische Staat mit Kanada und seinen Besitzungen am Kap und in Australien noch wirklich flächendeckend große Gebiete außerhalb Europas.

Große Teile des indischen Subkontinents, sind zu diesem Zeitpunkt zwar im Besitz der East-India-Company, aber nicht direkt im Besitz des britischen Staates, insofern konnte man da noch einigermaßen unabhängig von der Londoner Politik agieren.
Insofern es in Übersee wenig koloniale "Staatlichkeit" gab, stand Frankreich, was seine Handelsmöglichkeiten angeht, auch ohne eigene Besitzungen dort, eigentlich glänzend da, denn in diesem Zustand, konnte es Handels und informelle Kolonial- und Einflusspolitik im Windschatten der britischen Seemacht, gewissermaßen als Trittbrett-Fahrer betreiben.
Die Briten als größter Handelsakteur, sicherten mit ihrer Flotte die Seewege, konnten aber die anderen Mächte in diesem System nicht durch von london verfügte administrative Maßnahmen, von der Teilnahme am Handel ausschließen, was Frankreich mit seinen vorteilhaften geographischen Positionen und seiner vergleichsweise großen Handelsflotte sehr zu gute kam.

Das ändert sich allerdings radikal im Jahr 1858, als die East-India-Company liquidiert, und ein weiter Teil des indischen Subkontinents, britische Kolonie wird und damit quasi über nacht unter Londoner Jurisdiktion fällt. Womit eine weitgehende Abschottung dieses Marktes gegenüber der französischen Konkurrenz mindestens mal möglich wurde.
Von, spätestens dem Moment an, war Frankreich für einen Teil seiner Handelsinteressen auf eine eigene, aktive Kolonialpolitik verweisen.

Das zweite Momentum kommt mit den "Opium-Kriegen" und der erzwungenen "Öffnung" Japans durch die USA, was beides dazu führt, dass die Bedeutung des Asien-Handels schlagartig zunahm was zeitlich dann auch noch einigermaßen mit dem Bau des Suez-Kanals übereinfiel.


Frankreich war also handelspolitisch, ohne eigenes Verschulden, sondern weil sich die Rahmenbedingungen veränderten, im 19. Jahrhundert im Grunde kontinuierlich auf dem absteigenden Ast, während sich im Deutschen Raum Entwicklungspotentiale erst ergaben.
 
3.

Neben der chronischen Knappheit an Kohle, stand Frankreich zudem auch vor dem Problem der geographischen Verteilung seiner Ressourcen.
Weite Teile der Minette-Vorkommen und der rentablen Kohlegruben, lagen in unmittelbarer Grenznähe, entweder zum gerade neu entstandenen Deutschen Kaiserreich, oder aber in der Nähe der Grenze zu Belgien, also in einem Gebiet, dass in den vergangenen Jahrhunderten, eigentlich immer ein traditioneller Kriegsschauplatz der europäischen Mächte gewesen war, von den Burgundischen Herzögen, über die Kriege Karl V., über den Abfall der Niederlande von Spanien, den 30-Jährigen Krieg, die Kriege Ludwig XIV., den Spanischen und den Österreichischen Erbfolgekrieg, bis hin zur Niederlage Napoléons bei Waterloo.

Im Falle einer Auseinandersetzung mit Deutschland, waren diese Positionen und die dazugehörigen Industrieanlagen, ähnlich, wie sich das in Deutschland mit Oberschlesien gestaltete, strategisch natürlich grundsätzlich in fürchterlicher Gefahr durch den Feind genommen oder beschädigt oder völlig zerstört zu werden.

Verkehrstechnisch lagen sie auch nicht unbedingt besonders vorteilhaft, was ein Absetzen der Produkte nach Übersee betraf (mindestens die Erzvorkommen in Lothringen) und Import von Rohstoffen im größeren Stil aus Übersee, war zu marktüblichen Konditionen nur sehr begrenzt möglich, insofern mitunter schon sinnvoller Fertigungsstätten direkt in den Kolonien auszubauen.


Frankreichs Demographie ist bereits angesprochen worden. Zu Beginn des 19. jahrhunderts war Frankreich, wenn man Russland mal außer Acht lässt, das mit Abstand bevölkerungsreichste Land Europas, verfügte also stets über mehr Manpower als jeder einzelne mögliche Gegner.
Im Moment der Reichsgründung haben Frankreich und Deutschland mehr oder minder gleichgroße demographische Potentiale, am Vorabend des 1. Weltkriegs, ist Deutschlands Bevölkerung auf an die 60 Millionen Menschen angewachsen, während Frankreich mehr oder minder bei 40 Millionen stagniert.

Das ist in Deutschland zum einen der industriellen Entwicklung geschuldet, die mit einer ganz anderen Dynamik vor sich ging und dann auch dem Umstand, dass die durchschnittliche Geburtenrate im Deutschen Reich noch immer höher lag, als die Französische, die durchschnittliche Deutsche Familie zu dieser Zeit noch auf 3 Kinder kommt, die Französische Familie im Durchschnitt noch auf 2.

Dazu muss man an dieser Stelle auch sagen, dass natürlich die Sozialwissenschaft und die Demographie als Disziplinen noch in den Kinderschuhen steckten, die moderne Konsumgesellschaft noch unbekannt war und auch deren mehr oder minder natürliche Auswirkungen auf die "Reproduktionsquote" der Bevölkerung.
Der Sozialstaat, der in Sachen Fürsorge die Großfamilie ersetzte, begann sich ja auch gerade erst heraus zu bilden.
Insofern, muss man den Zeigenossen auf die demographischen Daten noch eine andere Sichtweise zugestehen, nämlich, dass ihnen die heute banal erscheinende Vorstellung fehlte, dass mit wachsendem Wohlstand und Fortschreiten der industriellen Entwicklung und der Partizipation der Bevölkerung die Bevölkerungen insgesamt deutlich älter werden und die Geburtenraten drastisch zurück gehen.
Insofern nahmen die Zeitgenossen die stagnierende Bevölkerung in Frankreich und die wachsende Bevölkerung in Deutschland und Großbritannien wahr und nahmen mitunter, ohne das im Grundastz zu hinterfragen, eine Fortsetzung dieser Entwicklung für die Zukunft an.
Es gibt aus der Zeit populäre Prognosen im Hinblick auf die Bevölkerungsentwicklung, die dahin gehen, dass im späten 20. Jahrhunder Frankreich vielleicht bei 50-60 Millionen Bewohnern stehen würde, während Großbritannien und Deutschland in diesem Zeitraum bereits über 100 Millionen Einwohner haben würden oder gar deutlich darüber.
Das hat das mitunter populäre Bild von Frankreich als "sterbender Nation" geprägt.

Wenn man sich bewusst macht, dass man in der französischen Öffentlichkeit, solche Prognosen mitunter sehr ernst nahm, fällt es nicht schwer zu verstehen, dass allein im Hinblick auf das demographische Potential, Deutschland in Zukunft, vom Standpunkt des ausgehenden 19. Jahrhunderts her betrachtet, als wenigstens potentiell schwere Bedrohung erscheinen musste.
Im Übrigen ist nicht gesagt, dass es nicht ohne die Brüche von 2 Weltkriegen und die damit verbundenen sozialen Umwälzungen genau so hätte kommen können, wenn sich die Transformation in einen modernen Sozialstaat und eine moderne Konsumgesellschaft, langsamer vollzogen hätten und die Großfamilie ihre soziale Bedeutung erst in einem langsameren Prozess eingebüßt hätte.
Ein Beispiel für eine solche Entwicklung, wäre etwa Japan, dass zur Zeit der Deutschen Reichsgründung etwa 35 Millionen Einwohner hatte, was von den Zahlen Deutschlands so weit weg nicht ist und das im Ausgang des 20. Jahrhunderts bei über 120 Millionen Einwohnern angekommen war.
 
4.

Aus der Demographie und dem Grad der Industrialisierung, dem reichlichen Vorhandensein von Kohle als Energieträger und der im Vergleich zu Frankreich relativ hohen Bevölkerungsdichte, resultiert im späten 19. Jahrhundert völlig logisch, auch ein überlegenes Eisenbahnnetz.
Belgien und Deutschland, sind in Europa mit Abstand die Länder mit dem bestausgebautem Eisenbahnnetz.

Ein überlegenes Eisenbahnnetz aber, bedeutet im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert die Fähigkeit mehr Truppen in kürzerer Zeit zu mobilisieren und einen besseren Nachschubdurchsatz für die eigenen Truppen leisten zu können. Entsprechend musste man von französischer Seite, wenn man einen Konflikt mit Deutschland vom Standpunkt der militärischen Ratio her dachte, davon ausgehen, dass Deutschland schneller mobilisieren wird können, als Frankreich und damit eventuell in der Lage sein würde, die Grenzgebiete (wo die französische Industrie zu veritablen Teilen stand), zu überrennen, bevor man selbst mobilisiert haben würde.

Da wir dann spätestens seit den "Einigungskriegen", aber eigentlich bereits seit dem amerikanischen Bürgerkrieg von dezidiert industrialisierten Kriegen reden, musste in Frankreich auch klar sein, dass man durch das wesentlich größere Deutsche Insustriepotential, nicht nur nummerisch, sondern auch im Hinblick auf die Waffen- und Munitionsproduktion dem Kaiserreich deutlich unterlegen sein musste, so lange es nicht gelang, dieses von Schlüsselrohstoffen abzuschneiden und sich Verbündete zuzulegen, die die eigenen Rückstände hier, würden ausgleichen können.


Das zu den demographischen und wirtschaftlichen Grundlagen potentieller Auseinandersetzungen.

Oben drauf, kommt noch das zunehmend ausgedenhte Kolonialreich, das zwar mindestens in Teilen durchaus seinen Wert hatte (da denke ich an Marokko, Madagaskar und Indochina, vor allen Dingen), dass durch seine größere Ausdehnung als das Deutsche Kolonialreich allerdings auch immer ein größeres Maß an Truppen band, um die koloniale Ordnung aufrecht erhalten zu können. Diese konnten natürlich nicht gleichzeitig in Europa zur Verfügung stehen.


Warum sollte man in Frankreich annehmen, dass Deutschland an einem solchen Krieg interessiert sein könnte?
Ganz einfach, weil sich schon damals das beobachten ließ, was die Kaiserreich-Forschung dann später als "halbhegemoniale Stellung" Deutschlands bezeichnet hat.
Deutschland war am Ende des 19. jahrhunderts zum mit Abstand stärksten Einzelakteur des europäischen Kontintinents geworden, der im Grunde nur noch durch eine antihegemoniale Koalition in Schach gehalten werden konnte.
Derlei kannte man in Frankreich aus der eigenen Geschichte gut, immerhin, vom 30-Jährigen Krieg, bis zum Wiener Kongress, hatte Frankreich ja eine ganz ähnliche Stellung inne. Im 18. Jahrhundert bedurfte es einer mehrfach neu aufgelegten Koalition aus Österreich, diversen Kleinstaaten innerhalb des Reiches, den Niederlanden und Großbritanniens um eine groß angelegte Dominanz Frankreichs auf dem europäischen Kontinent zu verhindern, in der Napoléonischen Epoche bedurfte es dazu am Ende gar Großbritanniens, Russlands, Österreichs und Preußens um eine Übermacht Frankreichs zu verhindern.
Frankreich hat, so lange es die tonangebende Macht auf dem Kontinent war versucht diese halbhegemoniale Stellung zu einer vollständig hegemonialen Stellung auszubauen, mal mit militärischen Mitteln, man (Verbindug mit Habsburg seit Maria Theresia) auf dem dynastischen Weg.
Warum sollte sich Deutschland anders verhalten, als es Frankreich seinerzeit getan hatte und den Versuch unterlassen, diese Koalitionen zu sprengen um die Herrschaft auf dem Kontinent zu bekommen?

Wenn es das anstrebte, musste es entweder Krieg gegen Russland oder gegen Frankreich führen um die Machtstellung eines der beiden Staaten zu untergraben oder mindestens dauerhaft zu schwächen.

Welches von beiden hätte sich angeboten?

In Russland hätte man von Deutscher Seite nicht so viel zu gewinnen gehabt. Das wirtschaftlich eher mittemmäßig interessante Baltikum, als Sehnsuchtsobjekt deutsch-völkischer Lesarten der Geschichte im Hinblick auf die deutsche Ostkolonisation vielleicht, das sich, mindestens im Bezug auf Kur-, Liv- und Estland durch die baltendeutsche Oberschicht auch einigermaßen problemlos nach Preußen hätte integrieren lassen, vielleicht. Aber sonst?
Die wirtschaftlich wirklich interessanten Regionen in der Ukraine direkt zu beherrschen oder gar weiter östliche liegendes, war schlicht nicht sinnvoll vorstellbar, ein dezidierter ukrainischer Nationalismus, der weg von Russland will, ist auch etwas, was im ausgehenden 19. Jahrhunder noch kein Massenphänomen ist, insofern wäre zu dem Zeitpunkt auch die Lösung eines Vasallen-Staaten, wie sich dass dann später in den Ost-Plänen der 3. OHL und der annexionistsichen Politiker des Weltkriegs darstellt, nicht wirklich realitätsnah gewesen. Auf solche Gedanken und überhaupt den Zustand der inneren Instabilität Russlands konnte man ab 1905 verstärkt kommen, aber eigentlich kaum vorher.
Ein Stück Polen hätte man sich noch einverleiben können.
Aber damit hätte man zum einen den polnischen Teilungskonsens aufgelöst und zum anderen, Russlands Rolle, als repressiveste Unterdrückungsmacht des polnischen Volkes beendet.
Das hätte die Polen überhaupt in der Folge vermutlich wesentlich anfälliger für panslavistische Narrative gemacht, als sie es jemals waren oder realiter sein konnten und sie damit, wenn dem so gekommen wäre, zur potnetiellen 5. Kolonne des Zarenreichs gemacht.

Was hatte Frankreich interessantes zu bieten?

Ertmal im grenznahen Bereich wirtschaftlich wirklich interessante Regionen, wie das Erz-Revier von Longwy-Briey, dass dem Deutschen Defizit an Erzproduktion Abhilfe geschafft und seine Montanindustrie noch mehr hätte boomen lassen.
Mit nicht allzuviel Phantasie, im Hinblick auf die historisch verklärenden Geschichtsbilder der Zeit, hätte man auf Deutscher Seite ohnehin auf die Idee kommen können, dass Lothringen und die Franche-Comté Deutschland sowiso zustünden, da in der frühen Neuzeit von Frankreich "gerabubte"** Reichsgebiete.
Außerdem hätte eine weitere Schwächung Frankreichs es Deutschland mehr oder weniger erlaubt Luxemburg und Belgien entweder zu "schlucken" oder aber zu faktischen deutschen Vasallenstaaten herabzudrücken.

Ansonsten hatte Frankreich ja mittlerweile auch einiges an Kolonialbesitz angehäuft, dass zu übernehmen für Deutschland zunehmend interessant hätte sein können.







*Ich möchte bei diesem Werk allerdings ausdrücklich davor warnen den gesamten Inhalt für bare Münze zu nehmen, es stammt in seiner ursprünglichen Fassung aus der Zwischenkriegszeit und ist gerade, was politische Inhalte angeht mit einigen Mythen beladen, liefert allerdings einige interessante, retrospektive Aspekte über Urganisation und funktionieren der europäischen Montanwirtschaft vor dem 1. Weltkrieg.

** Wie gesagt, in der nationalistisch-verklärenden Wahrnehmung der Zeit, unter heutigen und vernünftigeren Gesichtspunkten, sind solche Narrative natürlich nicht haltbar, aber vor dem Hintergrund der damals national orientierten Geschichtsschreibung und dem Narrativ der "Erbfeinfschaft", durchaus denkbar.
 
Natürlich weis ich, dass der "gute alte Otto von Bismarck", einen Krieg gegen Frankreich vom Zaun gebrochen hat!:eek::rolleyes:

Diese Aussage ist unzutreffend.

Ich habe einen alten Beitrag von mir, mit ein paar kleinen Korrekturen, einfach mal kopiert.

Frankreich hatte geradezu panische Sorge, das der Norddeutsche Bund sich unter der Führung Preußens will heißen Bismarcks mit dem Süddeutschen Staaten vereinigen könnte. Es war nämlich klar, das dadurch Frankreich seine halbhegiomoniale Position in Europa verlieren würde. Es ging also darum das werdende Deutschland zu verhindern. Die Franzosen fühlten sich von noch immer von Bismarck, Stichwort 1866 und die ausgebliebene Kompensation (Luxemburg) für Frankreich, über den Tisch gezogen. Bismarck hatte dies zwar nicht explizit zugesagt, aber im Prinzip zu verstehen gegeben, das dies wohl kein Problem darstellen würde. Bekanntermaßen ist es denn ganz anders gekommen. Die Franzosen verlangten "Rache für Sadowa." Sie haben es ihrem Kaiser Napoleon III. nicht so recht verziehen, dass er bei dem deutschen Bruderkrieg tatenlos zugesehen hat. Ein Regime, wie das Napoleons war auf außenploitische Erfolge und den damit verbundenen Prestige aber angewiesen, damit sein Kaisertum vom Volke mitgetragen wird. Und 1870 sah es nicht gerade rosig um die Monarchie Napoleons aus.

Als dann die Thronkandidatur Leopolds bekannt wurde, haben im Frankreich sämtlich Glocken Sturm geläutet. Es galt zu verhindern, das ein Prinz der Hohenzollern auf dem Thron Karl V. Platz nimmt. Die französische Diplomatie ist dabei gleich sehr aggressiv zu Werke gegangen, was nicht zuletzt am dem französischen Außenminister Gramont, ein ausgesprochener Preussenhasser, gelgen hat. Es ist aber auch zu berücksichtigen, das natürlich er auch unter dem Druck der Öffentlichkeit stand. Gramont ist es darum gegangen, Preussen zu demütigen und hat dabei kräftig mit Feuer, hier eben dem Krieg, gespielt. Des Weiteren hatte Gramont aber auch die internationalen Absichten und Reaktionen kolossal falsch eingeschätzt bzw. hatte aus den Berichten seiner Botschafter das herausgelesen, was er lesen wollte.

In der französischen Nationalversammlung führte er unter anderem aus:
„Frankreich würde nicht dulden, dass der Prinz von Hohenzollern oder sonst irgendein preußischer Prinz den spanischen Thron besteigt. Um diesen möglichen Fall zu verhindern, zählt die Regierung zugleich auf die Klugheit des deutschen Volkes und auf die Freundschaft des spanischen Volkes. Sollte es jedoch anders kommen, so wüssten wir kraft Ihrer (der Abgeordneten) Unterstützung und derjenigen der Nation ohne Zögern und ohne Schwäche unsere Pflicht zu tun.“ (Quelle Wickipedia)

Die französische Regierung hat die Geister, die sie nicht mehr los wurde, doch selbst am 04.Juli durch Eröffnung der Pressekampagne im offiziösen Constitutionnel durch einen aufsehenerregenden Artikel, Mitverfasser war der französische Außenminister Gramont, herbeigerufen. (1)

Gramont hatte selber Interesse an einen Krieg gegen Preußen. Sobald er Kenntnis von dem Verzicht Leopolds, ausgesprochen durch dessen Vater Karl Anton, erhalten hatten, ging es für ihm nicht mehr um die Frage der Thronkandidatur, sondern schlicht um die militärische Auseinandersetzung Frankreichs mit Preußen. (2)

Gramont ging wohl davon aus, das er mit der Unterstützung Österreichs rechnen könne, obwohl Kaiser Franz Joseph hier im Vorfeld des Krieges unmissverständlich Auskunft erteilt hat.
Was die französische Öffentlichkeit angeht, so ist wohl festzuhalten, dass diese es wohl primär, anders als bei Gramont und Eugenie, darum ging, einen Hohenzollern auf dem spanischen Thron zu verhindern. Anderseits ist aber auch ganz klar, dass der Preussenhass seit Königgrätz und der ausgebliebenen Kompensation ziemlich ausgeprägt war.

Am 23.Juli schrieb Napoleon an La Valette: "Die in Frankreich herrschende Begeisterung ist unglaublich. Der Präfekt von Marseille teilte mir einige Tage vor der Kriegserklärung mit: Selbst ein ehrenhafter Friede wird die öffentliche Meinung nicht mehr zufrieden stellen, und wenn selbst Marseille, eine friedliche Stadt par execellence, in dieser Stimmung schwelgt, können Sie sich alles weitere unschwer ausmalen." (3)

Ollivier und Gramont standen unter erheblichen Druck. Während einer Unterredung mit dem preussischen Botschafter Werther verlangte Ollivier zur Beilegung der Krise nun doch eine Beteiligung des Königs. Von diesem Schritt hatte ihn Gramont überzeugt und dieser wiederum hatte sich mit Napoleon und Eugenie auf diese Vorgehensweise geeinigt. (4)

Ollivier berief sich gegenüber Werther auf die übersteigerte Erregung der Öffentlichkeit. „Ich (Ollivier) sagte zu den Botschafter, daß….es in einer so gespannten Lage nötig sei, in ganz besonderer Weise Wert zu legen auf die öffentliche Meinung, weil sie in diesen Zeiten der Krise eine Macht gewinne, die größer sei als die der Kabinette, die mit ihr zu tun haben. Das sei so wahr, das wir glaubten versichern zu können, das kein Ministerium, welches es auch immer sei, von nun an das Vertrauen der Kammer und der öffentlichen Meinung behalten könne, wenn es einer Regelung zustimme, die nicht irgendeine Garantie für die Zukunft enthalte.“

Preußen sollte also gedemütigt werden, damit die französische Regierung wieder fest im Sattel sitzt.


(1) Becker, Bismarcks spanische Diversion und der preußisch-deutsche Reichsgründungskrieg

(2) Dittrich Bismarck, Frankreich die Thronkandidatur der Hohenzollern

(3) Willms, Napoleon III,

(4) Entscheidung 1870, Aufsatz Muralt

(5) Dittrich, Bismarck, Frankreich und die spanische Thronkandidatur der Hohenzollern
 
Damals, haben halt andere Zeiten geherrscht! Leider. Ich bin mir sicher, es hätte auch einen anderen Weg geben müssen, die Deutschen zu vereinigen. Aber es ist nun mal anders gekommen.
Es zeigt sich mal wieder, dass wenn man einen Grund für Krieg finden will, man ihn auch finden kann! Vielleicht, hätte ein preußischer Prinz Spanien, ganz gutgetan? Spanien war seinerzeit doch sehr rückständig und auch ziemlich fragil.

Was man Otto zugutehalten muss: Wäre es nach ihm gegangen, wäre der ganze Kram mit der Reichsgründung usw. auf deutschem Boden erfolgt.:rolleyes:o_O Was er dem Kaiser auch nahegelegt hat. Der aber wollte nicht hören. Es gab schon eine Menge an Scheiß-Aktionen, die nicht hätten sein müssen. Alleine die Tatsache, dass man die schönen Hallen von Schloss Versailles, als Pferdeställe genutzt hat, war eine Sauerei. Genauso wie die Ausrufung im Spiegelsaal. Gegen das alles hat Bismarck, sich ja gewehrt
 
Damals, haben halt andere Zeiten geherrscht! Leider. Ich bin mir sicher, es hätte auch einen anderen Weg geben müssen, die Deutschen zu vereinigen.

Wir wissen, das für Frankreich die Mainlinie nicht überschritten werden durfte; und das ausgerechnet von Napoleon III. .

Es zeigt sich mal wieder, dass wenn man einen Grund für Krieg finden will, man ihn auch finden kann!

Frankreich hatte schon einen bedeutenden diplomatischen Sieg errungen gehabt. Es hatte allen Grund zufrieden zu sein!
Das reichte aber einen Gramont nicht aus. Preußen sollte gedemütigt werden. Und wie man angesichts der eigenen beträchtlichen numerischen Unterlegenheit der eigenen Landstreitkräfte und der nicht vorhandenen Bündniszusagen von Österreich-Ungarn, Dänemark und Italien trotzdem in dem Krieg geht, das ist schon fahrlässig.

Es gab schon eine Menge an Scheiß-Aktionen, die nicht hätten sein müssen. Alleine die Tatsache, dass man die schönen Hallen von Schloss Versailles, als Pferdeställe genutzt hat, war eine Sauerei. Genauso wie die Ausrufung im Spiegelsaal. Gegen das alles hat Bismarck, sich ja gewehrt

Was möchtest du uns jetzt genau eigentlich genau mitteilen. Kriege bringen, leider, Verwerfungen mit sich. Sachschäden sind da wohl noch das kleiner Übel.
 
Die Landstreitkräfte Frankreichs waren ja nicht nur nummerisch sondern auch taktisch/strategisch unterlegen.
Aus dem Mexikoabenteuer wurde wenig gelernt. Das Chassepot war den deutschen Gewehren weit überlegen und die Franzosen hatten das Salvengewehr. Dieses wie Artillerie einzusetzen zeugt nicht gerade von Weitsicht. Auch die französische Stabsarbeit ist zu bemängeln. Ich denke mal, die Entscheidungsträger auf französischer Seite waren sich der erheblichen Mängel ihrer Armee nicht bewußt.
 
Zurück
Oben