Woher, kam die Angst Frankreichs?

Die alleine war wohl nicht entscheidend.
Die Kruppgeschütze waren alles andere als perfekt. Da gab es während des Feldzuges durchaus häufiger Verschlussschäden.
 
Die Mitrailleuse ist ja auch falsch eingesetzt worden, solch eine Waffe dient der Bekämpfung von anstürmender
Infanterie. Außerdem sind aus Geheimhaltungsgründen kaum Soldaten daran ausgebildet worden.
 
;) Einen schönen Abend! Ich möchte mal die Zeit nutzen, um etwas in Erfahrung zu bringen, was weder der Geschichtsunterricht, noch jede Menge Dokumentationen, im Fernsehen bewerkstelligen konnten.
Da es hier um das Deutsche Reich geht bzw. seine Entwicklung, stelle ich das Thema mal hier rein. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass die Beantwortung dieser Frage, fast zwangsläufig zum 1. WK und die Zeit danach führt.:confused:

Also hoffe ich mal dass ich das richtige Unterforum gefunden habe.

Meine Überschrift, sagt es ja eigentlich schon; ich wüsste mal gerne, woher die starke Angst Frankreiches vor dem Deutschen Reich kam? Natürlich weis ich, dass der "gute alte Otto von Bismarck", einen Krieg gegen Frankreich vom Zaun gebrochen hat!:eek::rolleyes:

Aber davon mal abgesehen. Vielleicht, habe ich auch gepennt, als das dran war. Aber je länger ich darüber nachdenke, um so weniger logisch scheint mir das Ganze! Und ich meine damit nicht die Tatsache, dass Frankreich den Krieg auf Grund unglücklicher Umstände so rasch verlor. Nein! Ich meine danach. Wo doch alles für Frankreich und gegen Deutschland sprach bzw. spricht.

Frankreich, war ja bereits seit Jahrhunderten vorher, schon ein relativ gefestigter Nationalstaat. Wenn, man mal von der Periode des 19.Jhrds. absieht.

Das Deutsche Reich, war ja gerade erst gegründet worden; oder ausgerufen. Wie auch immer. Aber! Das Kaiserreich, war ja zu Beginn, industriell eher unterentwickelt. Und auch auf dem Wissenschaftssektor, kam man erst relativ spät in tritt! Peinlich genug wenn, ihr mich fragt. Das mit dem Volk von den Dichtern und Denkern, stimmt nämlich so auch nicht. Zumindest was das Denken angeht!:p Vorausgesetzt, man geht bei denken von forschen aus.
Frankreich hingegen, hatte bereits damals eine sehr aktive universitäre Landschaft und war auch technisch in manchen Dingen den Deutschen weit vorraus. Außerdem besaß man ja auch schon damals seine Kolonien.
Man konnte also doch ganz zufrieden sein.


Frankreich war doch in so gut wie allem, ziemlich nahe an Großbritannien dran. Und somit konnte das damalige Deutschland, doch eigentlich gar keine echte Konkurrenz für Frankreich sein? Auch das Thema Kolonien, kam ja erst mit Wilhelm Zwo auf. Was ja zu solchen Aktionen wie dem Panthersprung führte usw.
Aber alles in allem, verstehe ich die Furcht Frankreichs vor Deutschland nicht.

Dann erleuchtet den guten Griffel mal.

Der "gute alte Bismarck" hat ein bisschen an der Emser Depesche gefeilt und vielleicht ein kleines bisschen an der Eskalationsschraube gedreht, er hat den Krieg diplomatisch sehr gut vorbereitet, den Krieg vom Zaun gebrochen, hat aber Napoleon III..

Frankreich hatte es bisher mit Preußen, der kleinsten der europäischen Großmächte zu tun gehabt. Das kleine Preußen in Allianz mit den verbündeten deutschen Staaten hatte Frankreich vernichtend besiegt, im Spiegelsaal von Versailles war das deutsche Reich gegründet worden-eine Demütigung ohne gleichen, und jetzt hatte man es mit einer neuen, aufstrebenden Großmacht zu tun. Deutschland war die dynamischste in vielem modernste europäische Großmacht.

Was du hier über über die Dichter und Denker vom Stapel lässt kommentiere ich nicht. Ich habe an anderer Stelle schon mal darauf hingewiesen, das deutsche Universitäten in keiner Weise den Vergleich mit der Sorbonne oder Oxford und Cambridge, Harward oder Yale zu scheuen brauchen. Im Gegenteil! Auf dem Gebiet der Medizin und der chemischen Industrie hatte Deutschland im 19. Jahrhundert GB und Frankreich sehr bald überholt. Friedrich Sertürner hatte 1806 als Erster Morphin extrahiert, Justus Liebig bereits lange vor der Reichsgründung den Fleischextrakt entwickelt. Deutschland war auf dem Gebiet der chemischen Industrie führend in Europa und bis zur Jahrhundertwende selbst den USA voraus. Bis zum 1. Weltkrieg ging ein Nobelpreis nach dem anderen an deutsche Wissenschaftler.

Carl Friedrich Gauß und Gottfried Wilhelm Leipnitz waren berühmte Mathematiker lange vor der Reichsgründung. Johannes Kepler und Leonhard Euler bekannte Astronomen. Alexander von Humboldt und Georg Forster verfassten im 18. Jahrhundert berühmte Berichte über ihre Forschungsreisen in Südamerika und der Südsee. Gerhard Rohlfs und Heinrich Barth erforschten die Sahara Jahre vor der Reichsgründung.
Das Automobil, das Luftschiff und der Computer wurden von Deutschen entwickelt. Beim Telefon ist nicht ganz klar, ob Philipp Reis oder Alexander G. Bell zuerst darauf kam. Hamburg überholte bis 1900 London und Rotterdam als größter Hafen.

Frankreich war bei weitem nicht so stark industrialisiert wie GB. In Flandern, im Artois, in Lothringen und der Ile de France gab es Industriereviere, und F verfügte auch über eine sehr aktive und sehr gut organisierte Arbeiterbewegung. Die Mehrzahl der Provinzen lebte aber von der Landwirtschaft oder vom Weinbau. In Deutschland und den deutschen Ländern nahm die industrielle Revolution spät erst Fahrt auf, dafür aber war sie recht rasant und überaus dynamisch verlaufen. Bei der Reichsgründung hatte D mit Frankreich schon gleichgezogen, und es war bereits damals abzusehen, dass Deutschland Frankreich in kurzer Zeit abhängen würde. Bis zur Jahrhundertwende hatte das DR auch GB überholt. Deutschland war um 1900 nach den USA die stärkste Industrienation. Es verfügte über die stärkste Volkswirtschaft und die stärkste Armee. Es war die bei weitem stärkste Großmacht Europas. Der wachsende Einfluss D Ende des 19. Jahrhunderts kann man wohl durchaus mit der Dynamik Chinas Ende des 20.Anfang des 21. Jahrhunderts vergleichen.

Von Angst würde ich auch nicht sprechen, obwohl so manches in diesem Reich einem durchaus Angst machen konnte. Aber mit Sorge musste man schon aus französischer Perspektive auf dieses Reich, auf diesen Nachbarn blicken. Frankreich war besiegt worden, hatte eine Provinz verloren und musste 1 Milliarde Reparationen bezahlen.

Warum also die Sorge wegen D ?

-Deutschland war wirtschaftlich stärker
-Deutschland war demographisch stärker
-es verfügte über die stärkere Armee

- F hatte einen Krieg und eine Provinz verloren.
-Statt vieler schwacher Nachbarn, der deutschen Fürsten, die man gegeneinander ausspielen konnte, die wie Bayern, Württemberg oder Baden wertvolle Verbündete gegen Preußen oder Österreich in der Vergangenheit waren, hatte man es jetzt mit einem sehr starken, einem stärkeren Nachbarn zu tun.
- Puffer- und Klientelstaaten gab es auch nicht mehr, und es war noch dazu davon auszugehen, dass dieser Nachbar auch im nächsten Krieg ein wahrscheinlicher potenzieller Gegner sein würde.
- Ein Gegner, bei dem F mindestens eine andere europäische Großmacht als Verbündeten brauchen würde, um sich gegen D behaupten zu können.
 
Damals, haben halt andere Zeiten geherrscht! Leider. Ich bin mir sicher, es hätte auch einen anderen Weg geben müssen, die Deutschen zu vereinigen. Aber es ist nun mal anders gekommen.

Wie genau hätte der aussehen sollen?
Der andere Weg Deutschland zu vereinigen wäre der von 1848 gewesen und wenn dabei dann ein Großdetuschland oder gar eine großösterreichische Lösung herumgekommen wäre, hätte das in Frankreich wahrscheinlich noch weit größere Befürchtungen geweckt von diesem neuen Akteur marginalisiert zu werden.

Es zeigt sich mal wieder, dass wenn man einen Grund für Krieg finden will, man ihn auch finden kann! Vielleicht, hätte ein preußischer Prinz Spanien, ganz gutgetan? Spanien war seinerzeit doch sehr rückständig und auch ziemlich fragil.

Fragil seinerzeit schon, rückständig nicht unbedingt.
Z.B. gab es in Spanien lange geschriebene, für das ganze Land gültige Verfassungen, bevor es so etwas z.B. im Preußen oder Österreich gab.

Ob gerade ein ausländischer Monarch geeignet gewesen wäre die inneren Konflikte des Landes zu befrieden mag dahin gestellt sein.
So etwas kann funktionieren, wenn alle Streitparteien bereit sind einen solchen von außerhalb kommenden Akteur als Schiedsinstanz zu akzeptieren, sind sie es nicht, wird ein solcher Herrscher ohne jede Hausmacht i.d.R. schneller wieder entthront, als er sich umschauen kann.

Was man Otto zugutehalten muss: Wäre es nach ihm gegangen, wäre der ganze Kram mit der Reichsgründung usw. auf deutschem Boden erfolgt.:rolleyes:o_O Was er dem Kaiser auch nahegelegt hat.

Die Reichsgründung, die Erstellung der Vertragswerke dazu, die Abstimmungen der süddeutschen Parlamente zum Beitritt etc. all das hat auf deutschem Boden stattgefunden.
Was in Versailles stattgefunden hat, war die Kaiserproklamation. Die war nun sicherlich ein Tritt vor das Schienbein der Franzosen, auf der anderen Seite konnte man insofern die Frage nach dem Ort einer potentiellen Kaisererhebung umgehen, die möglicherweise wieder für böses Blut gesorgt hätte, weil es darauf hinausgelaufen wäre, dass die Bundesfürsten in Berlin zur Kaisererhebung hätten antreten müssen, was sie möglicherweise als kompromittierend empfunden hätten, gerade was Bayern betrifft oder möglicherweise auch den König von Sachsen, wenn man bedenkt wie massiv die preußische Vormacht in Norddeutschland ab dem 17. Jahrhundert auf Kosten Sachsens aufgebaut worden war.
Nach Versailles konnten sie alle ohne Gesichtsverlust gehen und sei es mit der Begründung, dass sie aus landesherrlicher Führsorge nicht gänzlich abseits stehen konnten, wenn ihre Untertanen sich im Krieg befanden, in den sie sie geschickt hatten.

Davon einmal abgesehen, gemessen daran, wie sich 2 Generationen vorher der 1. Napoléon in Teilen nach seinen Siegen aufgeführt hatte z.B. damit, dass er in Berlin die Quadriga hatte mitgehen lassen (in Venedig ähnliches), dass er in Tilsit Friedrich-Wilhelm III. nicht einmal am Katzentisch hat sitzen lassen, als er auf der Memel mit Zar Alexander I. die Zukunft Preußens beschloss, etc. war eine Kaiserproklamation in Versailles eher eine Demütigung niederer Qualität.

Es gab schon eine Menge an Scheiß-Aktionen, die nicht hätten sein müssen. Alleine die Tatsache, dass man die schönen Hallen von Schloss Versailles, als Pferdeställe genutzt hat, war eine Sauerei.

So weit mir bekannt, hat man sie vor allem als Lazarett genutzt.

Irgendwo musste man mit den Verletzten und dem Kriegsmaterial nun einmal hin. Eine weit größere Sauerei wäre es gewesen, wenn man statt die Prunkbauten einer abgedankten Dynastie dafür in Beschlag zu nehmen die einfache Bevölkerung aus ihren Wohnquartieren ausgewiesen und dort Quartier gemacht hätte.

Der Krieg hatte sich nun einmal bis in den Winter hinein gezogen (woran nicht unmaßgeblich die Franzosen die Verantwortung trugen, sie hätten sich auf einfach nach Sedan um einen Friedensschluss auf realistischer Basis bemühen können) und man kann wohl schlecht bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt verlagen, dass die eigene Armee unter freiem Himmel kampiert, wenn es vor Ort andere Möglichkeiten gibt.

Ein Heer von 1.400.000 Mann (Gesamtzahl der Mobilisierten) lässt sich nun einmal nicht auf die gerade nicht benötigten Scheunen von ein paar Bauern verteilen.

So sehr ich einiges, was im Kaiserreich gelaufen ist, im Bezug auf Außenpolitik kritisierbar finde und auch einiges, was Bismarck so veranstaltet hat, dass hier ist aufgebauscht.
 
Die Reichsgründung
;)

Frankreich war doch in so gut wie allem, ziemlich nahe an Großbritannien dran. Und somit konnte das damalige Deutschland, doch eigentlich gar keine echte Konkurrenz für Frankreich sein? Auch das Thema Kolonien, kam ja erst mit Wilhelm Zwo auf. Was ja zu solchen Aktionen wie dem Panthersprung führte usw.
Aber alles in allem, verstehe ich die Furcht Frankreichs vor Deutschland nicht.

Dann erleuchtet den guten Griffel mal.

Leider noch näher an Deutschland. Zwischen Dover und Calais liegen immerhin knapp 40 km Wasser, zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich lagen nicht mal mehr die Vogesen.

Die meisten deutschen Kolonien: Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwest, Kamerun und Togo wurden noch vor Wilhelms II. Regierungsantritt erworben. Eigentlich kamen unter Wilhelm II. nur Kiautschou-Tsingtau, Deutsch-Samoa und 1911 Neu-Kamerun ein Teil des französischen Kongo dazu. Dazu trat Deutschland im Gegenzug den sogenannten "Entenschnabel" in Nord-Kamerun an Frankreich ab.
Zu erwähnen ist vielleicht noch der sogenannte Caprivi-Zipfel in Deutsch-Südwest. Dieses Gebiet kam 1890 zu Deutschland im Helgoland-Sansibar-Vertrag. Deutschland trat Sansibar für Helgoland und eben diesen Caprivi-Zipfel an GB ab. Deutsche Kolonialenthusiasten waren der Meinung, dass sich das Reich über den Tisch ziehen ließ.

Bismarck war kein Kolonialenthusiast, ihm war klar, dass die Kolonien im Ernstfall schwer zu verteidigen waren und Investitionen benötigen würden. Er hatte nichts gegen französische Kolonialprojekte und glaubte, je mehr Saharasand und Indo-China-Dschungel Frankreich annektierte, es weniger problematisch in Europa sein würde. Bismarck war aber bewusst, dass ein Großteil der deutschen Bevölkerung Kolonien wünschte. Das deutsche Kolonialreich wurde dennoch schon unter Bismarck begründet, und unter Bismarcks Vorsitz fand 1885 in Berlin die Kongo-Konferenz statt, bei der Afrika unter den europäischen Mächten aufgeteilt wurde.

Nach der Kongo-Konferenz gab es in ganz Afrika, abgesehen von lokalen Königen, die wie die M´Tesa Kabaka von Uganda unter britischem Protektorat ein hohes Maß von Autonomie genossen, nur zwei afrikanische Staaten die keine Kolonie waren: Liberia, eine Gründung amerikanischer Abolitionisten und Äthiopien. Gegen Äthiopien führten die Briten 1867 eine Strafexpedition, Äthiopien blieb aber selbstständig, und konnte 1897 auch die Italiener abwehren.
 
Deutschland trat Sansibar für Helgoland und eben diesen Caprivi-Zipfel an GB ab. Deutsche Kolonialenthusiasten waren der Meinung, dass sich das Reich über den Tisch ziehen ließ.
Allerdings war Sansibar bei Abschluss des Vertrages ein freies Sultanat und keinstenfalls eine deutsche Kolonie, die man hätte abtreten können. Deutschland hatte lediglich - genauso wie Großbritannien - Interesse an der Insel Sansibar bekundet und Deutschland hatte dessen Festlandsbesitz (Deutsch-Ostafrika) für sich reklamiert.
 
Was in Versailles stattgefunden hat, war die Kaiserproklamation. Die war nun sicherlich ein Tritt vor das Schienbein der Franzosen, auf der anderen Seite konnte man insofern die Frage nach dem Ort einer potentiellen Kaisererhebung umgehen, die möglicherweise wieder für böses Blut gesorgt hätte, weil es darauf hinausgelaufen wäre, dass die Bundesfürsten in Berlin zur Kaisererhebung hätten antreten müssen, was sie möglicherweise als kompromittierend empfunden hätten, gerade was Bayern betrifft oder möglicherweise auch den König von Sachsen, wenn man bedenkt wie massiv die preußische Vormacht in Norddeutschland ab dem 17. Jahrhundert auf Kosten Sachsens aufgebaut worden war.

Man hätte das natürlich auch einfach in Frankfurt, dem traditionellen Krönungsort der römisch-deutschen Könige, bzw. später erwählten Kaiser, machen können.
 
Als Maximilian II. 1562 als Verlegenheitslösung in Frankfurt direkt am Wahlort gekrönt wurde, firmierten sie längst als erwählte Kaiser. Und zwar ab der Wahl. Gekrönt wurde immer zum römisch-deutschen König. Wegen des 80jährigen Krieges und aus Bequemlichkeit wurde Frankfurt dann beibehalten.

Irgendwo im Forum war schon mal Thema, dass ein Bezug zum HRR nicht opportun war. Ich vermute, dass auch die Erinnerung an die Akklamation durch das Heer über die Geschichtsschreiber im Hinterkopf zumindest mitschwang. Da Frankfurt mittlerweile preußisch war, wäre es auch nicht mehr so schön neutral.
 
Nachdem Frankfurt 5 Jahre zuvor durch Preußen geplündert worden war?

Sorry, ich hatte nicht mehr auf dem Schirm, dass Frankfurt im Deutsch-Deutschen Krieg auf der Seite der Kriegsgegner Preußens kämpfte und annektiert wurde.

Dennoch denke ich, dass es in Deutschland Alternativen zu Berlin als Ort der Kaiserproklamation gegeben hätte, wenn man eine Proklamation in Versailles hätte vermeiden wollen.

Z. B. in Nürnberg oder Regensburg (als kleine Überredungshilfe für den bayrischen König) oder in Lübeck als einem der kleinsten Teilstaaten mit langer Tradition.
 
Man hätte das natürlich auch einfach in Frankfurt, dem traditionellen Krönungsort der römisch-deutschen Könige, bzw. später erwählten Kaiser, machen können.

Nein, hätte man nicht, denn dann hätte man symbolisch einen Anschluss an das alte Reich vollzogen.

Das aber hätte bedeutet auch den Anspruch einer Suprematie des Kaisers gegenüber den Fürsten zu erheben, was dem Modell des Reiches, wie Bismarck es sich dachte, als Bund der Fürsten, diametral entgegenstand.

Eine Proklamation oder ein Krönungsakt in Frankfurt und damit ein Anschluss an das alte Reich, hätte genau die Problemtatik aufgeworfen, die sich schon mit dem "Kaiser von Deutschland" als der von Wilhelm I. gewünschten Titulatur stellte.


Ich lese nebenher gerade "Der 99-Tage-Kaiser, Friedrich III. von Preußen, Prinz, Monarch, Mythos" von Frank Lorenz Müller*.

Das Buch thematisiert in einem doch recht ausführlichen Kapitel, dass im Vorfeld der Reichsgründung der Kronprinz Friedrich Wilhelm immer wieder versucht hatte den Bezug zum alten Reich herzustellen.
Er soll sich wohl sogar mit dem Ansinnen einer Erkundigung an Wien gewandt haben, ob es denn nicht im Bereich des möglichen wäre, die ruhenden Reichsinsignien an Berlin abzugeben (worauf er allerdings zur Antwort erhielt, dass man in Wien lieber erneut zu Felde ziehen würde, als das zu tun).
Außerdem soll er wohl später bei der Wahl seines eigenen Herrschernamens wohl anfangs drauf bestanden haben, nicht als Friedrich III. sondern als Friedrich IV. tituliert zu werden, um sich damit explizit in die Tradition der römisch-deutschen Kaiser zu stellen.

Mit diesen Ideen eckte Friedrich Wilhelm massiv an, sowohl in Wien, als auch bei Bismarck, der vom alten Reich nichts wissen wollte, weil ihm klar war, dass die Fürsten nicht bereit sein würden sich in eine solche Kontinuität zu stellen.




Dennoch denke ich, dass es in Deutschland Alternativen zu Berlin als Ort der Kaiserproklamation gegeben hätte, wenn man eine Proklamation in Versailles hätte vermeiden wollen.

Z. B. in Nürnberg oder Regensburg (als kleine Überredungshilfe für den bayrischen König) oder in Lübeck als einem der kleinsten Teilstaaten mit langer Tradition.

Nürnberg oder Regensburg zum Ort der Kaiserproklamation hätte als eine direkte Beleidigung des Hauses Wittelsbach aufgefasst werden können, immerhin hätte das dem bayerischen Monarchen abverlangt sich auf dem eigenen Territorium einer größeren Autorität zu unterwerfen.

Wenn man bedenkt, dass in Bayern ja ohnehin die Partikularinteressen sehr stark waren, und die Frage ob Bayern dem Reich überhaupt beitreten sollte doch recht lange in der Schwebe hing, hätte ein solcher Akt möglicherweise den Ausschlag dazu geben können, dass es das eben nicht tat.

Lübeck?
Lübeck war ein republikanisch organisierter Stadtsstaat, der sich mit seiner eigenen Staatsideologie ein gutes Stück weit in Konflikt gebracht hätte, hätte er sich freiwillig als Ort für die Erhebung eines Monarchen hergegeben.

Mal davon abgesehen, Lübeck hat 1871 knapp 40.000 Einwohner und ist zu diesem Zeitpunkt von dem her eine bessere Provinzsstadt.
Nicht wirklich die geeignete große Bühne für eine wirklich repräsentative Zeremonie.

Königsberg wäre gegangen.

Vor allem, wenn man der liberalen Bewegung mit Gewalt vor's Schienbein treten wollte.
Königsberg war einmal so spezifisch preußisch, wie es nur eben ging und hatte (bis auf die Episode von 1848-1851) nicht einmal zu den deutschen Ländern im engeren Sinne des deutschen Bundes gehört.

Königsberg wäre Sinnbild für die Herrschaft eines Großpreußens über Deutschland gewesen.



Hätte man mit der Proklamation und der Gründung des Kaiserreiches, bis nach dem Friedensschluss gewartet, hätte möglicherweise Straßburg ein passender Ort sein können, weil es in der Folge zu keinem der deutschen Staaten direkt gehörte, einigermaßen repräsentativ gewesen wäre und weil sich mit dem "Wiedergewonnenen" Straßburg als Symbol des nationalen Zusammenhalts wahrscheinlich alle irgendwie hätten identifizieren können.

Allerdings fraglich ob das in Frankreich weniger große Wellen ausgelöst hätte und fraglich auch ob es im Sinne einer Bindung der Elsässer an das Reich klug gewesen wäre, sie gerade in diesem Moment mit so etwas zu konfrontieren.
















* Nebenbei sei dieses Buch sehr empfohlen als Kontrastprogramm zu der recht populären Vorstellung, das Deutschland unter der Führung dieses Mannes, sich wesentlich vorteilhafter entwickelt haben würde, als unter Wilhelm II.
Es zeigt ganz gut auf, dass sich dadurch möglicherweise weniger außenpolitische Probleme ergeben hätten, dafür Friedrich Wilhelm romantisierende Ideen im Bezug auf das HRR und vorstellungen von Zentralisierungsmodellen hatte, die, hätte man ihn damit gewähren lassen mit Sicherheit in eine massive innenpolitische Kriese geführt, hätten.
 
Nebenbei sei dieses Buch sehr empfohlen als Kontrastprogramm zu der recht populären Vorstellung, das Deutschland unter der Führung dieses Mannes, sich wesentlich vorteilhafter entwickelt haben würde, als unter Wilhelm II.

Das Buch steht ei mir im Regal und ich teile deine Empfehlung.
 
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