Klaus Weissgerber hat in einem Artikel "Zwischen Echnaton und Kambyses" auch etwas zur "Seevölker-Problematik" gesagt. Er folgt Velikovsky und Illig hinsichtlich Chronologie, nicht aber hinsichtlich kämpfender Herrscher:
"Zur >Seevölkerschlacht<
Ramses III. hat im Tempel von Medinet Habu umfangreiche bebilderte Inschriften hinterlassen, die allgemein so gedeutet werden, dass er nach Ägypten eindringende >Seevölker< vernichtend geschlagen hatte. Sowohl Velikovsky [1983, 45-90] swie auch Illig [H/I 1990, 193] haben Argumente dafür vorgetragen,dass diese Schlacht nicht um -1200, sondern in der Mitte des -1.Jtsd. stattgefunden haben muss, denen ich mich voll anschließe. (Allerdings teile ich nicht Velikovskys Ansicht, dass es sich um eine Schlacht des Nektanebos I. gegen die Perser gehandelt hat.)
Bereits 1996 hatte ich in Aeg. I [260 f.] die These vertreten, dass die <Seevölkerschlacht> mit der Entscheidungsschlacht des Amais gegen Apries identisch war, wobei ich auf die auffallenden Übereinstimmungen des Schlachtverlaufs, wie er in der bereits zitierten Inschrift der Elephantine-Stele des Amais und dem Bericht des Ramses III. beschrieben wurde, hinwies. Ich zitierte damals Velikovsky [19833b, 71]: "Jetzt drangen die ["Leute der"; heutige Erkänzung von K.W.] nördlichen Länder [...] in die Arme der Nilmündung ein. [...] Seine Majestät stürmte wie ein Wirbelwind gegen sie. [...] wer an Land kam, wurde überwältigt und niedergemacht. [...] Sie, die in der Nilmündung eingedrungen waren, waren wie Vögel, die im Netz abgefangen waren."
Damals stützte ich mich nur auf die Schlachtschilderung Velikovskys; jetzt liegt mir der vollständige Text der Inschrift des Ramses III. vor [Breasted IV, 1-50; Kitchen V, passim]. Wie Helk/Drenkhahn [ 250, Anm. G 29] betonten, handelt es sich um einen schwierigen Text, dessen richtige Übersetzung sehr umstritten ist. So wurde der Begriff "Länder" zumeist, wie auch von Velikovsky, als "Völker" übersetzt; logischerweise muss es " Leute aus den Ländern" heißen, wodurch der Text natürlich den Sinn verliert, der ihm bewußt oder unbewußt, von konventionellen Ägyptologen gegeben wurde. Helck/Drenkhahn [ 250, Anm. 31,33] haben deutlich gemacht, dass es sich um unrichtig gedeutete Passiv-Partizpialkonstruktionen handelte.
Wegen der gebotenen Seitenzahl ist es nicht möglich, hier den umfangreichen Text des Ramses III. zu interpretieren. Wesentlich ist: Sowohl in diesem wie auch in dem Amasis-Text wurde betont, dass es sich um einen Kampf zu Wasser und zu Land handelte.
Im Text des Ramses III. findet sich nirgens der Begriff <Seevölker>; es wurde lediglich die Herkunft der gegnerischen Kämpfer angegeben: Sie kamen <vom Meer> (jam) oder <von den Inseln inmitten des Meeres> [Helk/Drenkhahn 110]. Eine besondere Rolle spielen in der Schlacht die Seeleute. Helk/Drenkhahn [113-121] bewiesen in ihrer eingehenden Analyse, dass ursprünglich Seepiraten als Söldner <angeheuert> wurden; sie wurden als<Elitetruppe> [ebd.,121] eingesetzt.Auch die zu Land kämpfenden Streiter waren nach dieser Analyse nichts anderes als gedungene Söldner. Dass ihnen ein Tross mit<Familien und Kastenwagen> [ebd., 118] folgte, war in Söldnereinheiten damals ( und auch noch im Dreißigjährigen Krieg!) normal.
<Zusammenfassend kann man feststellen, dasß es keine Völkerwanderung germanischer Art war, die nach langem Zug durch die Welt von Ramses III. geschlagen wurde> [ebd., 118]
Im Bericht Ramses III. erscheinen wieder die aus der "Israel-Stele" des Menrenptah bekannten <Sardin> (<Schindanu>) und <Turus> (<Turscha>). Nach den Analysen von Helk/Drenkhahn waren die Sardin offenbar Elitesoldaten zu Land, die Turus Elitesoldaten zur See. Neu sind die <Pulsata>, die als die biblischen Philisteridentifiziert wurden, die aus Kreta (<Kaphtor>) kamen [z.B. Deut 2:23; Jer. 27:4; Amos 9:7]. Helk/Drenkhahn [115] beendeten ihre ethnische Analyse mit dem Satz:
<Sieht man die möglichen Herkunftsgegenden dieser Seeräubergruppen zusammen, so zeigt es sich, dass sie alle an der kleinasiatischen Küste saßen. Dabei konzentrierte sich die erste Gruppe in der Ägäis an der Westküsten Anatoliens, während die zweite Gruppe aus Kreta und von der Südküste Anatoliens zu kommen scheint.>
Mit anderen Worten: Es waren zumeist Griechen! Obwohl Helk/Drenkhahn diese Schlußfolgerung nicht zogen, habe ich keine Zweifel, dass diese mit den ionischen und karischen Söldnern im Heer Apries, die zu Wasser und zu Land gegen Amasis kämpften, identisch waren. Übrigens hat Ramses III., wie er in seiner Inschrift betonte, nach seinem Sieg <Schindana>, die er als tapfere Kämpfer bezeichnete, in seine eigenen Truppen übernommen. Sie wurden auch in seinem späten Rechenschaftsbericht, dem Papyrus HarrisI, als seins <Elitetruppe> (...) besonders erwähnt [hierzu z.b. Meyer III, 327].
Viele Historiker haben den <Anmsturm der Seevölker> gewissermaßen als zu einer Art Weltkrieg hochstilisiert, dem auch das Hethiterreich und syrische Städte zum Opfer gefallen sein sollen. Gegen diese Auffassung hat sich Helk in mehren Beiträgen gewandt, Krauss [ 1978, 199] zitiert ihn mit seiner ausdrücklichen Zustimmung:
<Auf keinen Fall darf aus diesem Satz eine tatsächliche Verantwortung der Seevölker für das Ende des hethitischen Staates oder einer Zerstörung von Karkemisch herausgelesen werden. Es liegt hier einer der typischen Fälle ägyptischer historischer Inschriften vor, wo Tatsachen, Forderungen eines mythischen Weltbildes und Tradition der Phrasologie ineinander übergehen>.
In Hethiter IV [56 f.] hatte ich schon dargelegt, dass es keinerlei Beweis dafür gibt, dass Chattuscha von <Seevölkern> zerstört wurde. Bezeichnend ist, dass von konventionellen Historikern sogar Hinweise in der Inschrift von Medinet Habu ignoriert werden, aus denen sich eindeutig ergibt, dass Ramses III. noch nach der <Seevölkerschlacht> in Syrien gegen <Amurru> und <Cheta> (Hethiter) kämpfte; hierauf hatte schon Maeyer [III, 320; mit Anm. 102] gestützt auf den Breasted-Text, hingewiesen. In der Inschrift am <Hohen Tor>heißt es z.B., dass die Ägypter zwei von Cheta verteitigten Festungen einnahmen, von denen eine wohl Arzawa hieß [Breasted IV, 120]. Gefesselte Gefangene, darunter neben dem Amurru-Fürsten auch ein Fürst der Cheta (<gewiss nicht der Großkönig selbst>), wurden auch bildlich dargestellt [Breasted IV, 126]
Auch in späteren Darstellungen aus der Zeit des Ramses III. ,(nach meiner Konzeption aus der Zeit nach dem Friedens vertrag) wurden Hethiter (Chatti) erwähnt:
<Eine Darstellung von Medinet Habu zeigt, wie ausländische Gesandte, Chatti und Semiter, den bei einem Fest aufgeführten Ring- und Kampfspielen zuschauen> [Meyer III, 321 mit Anm. 109].
Zur Datierung der Entscheidungsschlacht
Ramses III. datierte in seiner berühmten Inschrift die <Seevölkerschlacht> in sein 8. Regierungsjahr, obwohl nach meinen Erkenntnissen erst mit dieser seine eigentliche
Herrschaft begann. Ich habe lange darüber nachgedacht, wie diese Angabe mit der realen Chronologie in Einklang zu bringen ist und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass es nur eine Lösung dieses scheinbaren Widerspruchs gibt: Ramses III. ignorierte die Regierungsjahre seiner Vorgänger Merenptah und Sethos II. und lies seine Ära bewußt mit dem Tode Ramses II. beginnen! Schon Meyer [III, 322] hatte erkannt, dass Ramses III. <in allem versucht>, es seinem Vorgänger gleichzutun. Deshalb nahm er nach seiner Machtübernahme den Eigen- und Thronnamen des Ramses II. an. Als Usurpator war Ramses III. (Amasis) gezwungen, seine Mchtübernahme zu legitimieren. Ramses II. war für ihn der Sieger von Kadesch, wie er nicht nur in Inschriften, sondern auch im späteren Freidensvertrag mit Chattuschili III. bezeichnet wurde. Außerdem hatte Ramses II. (Necho II.) viele weitere Verdienste: Er begann mit dem Bau des Verbindungskanals zwischen Nil und Rotem Meer; seine Schiffe versuchten, Afrika zu umrunden, was ihnen anscheinend auch gelungen ist.
So ist auch zu erklären, dass Ramses III. seine Herrschaft folgerichtig ab dem Tod des Ramses II. datiert hat. Deshalb wurde eine von Merenptah in seinem ersten Jahr verfasste <Hymne an den Nil> auf einer anderen Stele, die den gleichen Text enthielt, in das erste Regierungsjahr des Ramses (III.) datiert [Schmidt 23, 1-B]. Aus den Synchronismen zur Asiatischen Geschichte ergibt sich, dass sowohl der spätere Friedensvertrag mit Chattuschili III. wie auch alle weiteren Inschriften Ramses III. nach dieser neuen Ära datiert wurden.
Da nach meiner Rekonstruktion Ramses II. im Realjahr -518 starb, fand somit die Entscheidungsschlacht zwischen Apries und Amasis im Jahr -510 statt. Sein Aufstand begann etwa 2 Jahre vorher; nach meiner Rekonstruktuion also im Todesjahr des Psammetich II. Das war bestimmt kein Zufall; nach dem Tode dieses offenbar legitimen Herrschers begann, wie dargelegt, auch der Aufstand des Amenmesse. Somit war die Zeit der unmittelbaren Regierungszeit des Apries eine Zeit der Bürgerkriege, was deutlich in mehren Schriftquellen zum Ausdruck kommt. Im historischen (letzten) Teil seines umfangreichen Rechenschaftsberichtes, des Papyrus I [Breasted IV, 397-412], betonte Ramses III., dass seiner Herrschaft blutige Unruhen vorausgingen, denen sein Vater und er ein Ende bereiteten. Dies Unruhen hielten auch noch in seinen ersten Regierungsjahren an ( Aufstand der Tausret). So schrieb Amasis auf der Elephantine-Stele, dass trotz des Todes von Apries <die Unruhen immer noch andauerten und Horden das Land unsicher machten. Daraufhin befahl Amasis seinen Truppen Säuberungsaktionen zu übernehmen> [Kienitz 1953, 163]."