Wurde die östliche Aristokratie anerkannt?

S

SergejKorolev

Gast
Grüß euch!

Also, im Rahmen meiner Arbeit am Filmprojekt hat sich bei mir eine frage (die eigentlich weniger mit der im Film gezeigten Schlacht zu tu hat) aufgetan:

Wurde eigentlich die östliche, nicht-katholische Aristokratie im Westen anerkannt?

War ein russischer oder bulgarischer Boyar in den Augen der westlichen Ritter soviel Wert wie sie selbst? Haben sich die westlichen Ritter und die östlichen Adeligen (zB Boyaren) auf Augenhöhe unterhalten?

Ich hoffe das ich hier richtig bin, und bin gespannt auf eure Antworten...


Gruß

SK
 
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Als Laie auf dem Gebiet kann ich nur folgende Vermutungen (zumindest für den bulgarischen Adel) anstellen:

Da das Bulgarische Reich wirtschaftlich, kulturell und politisch wahrscheinlich überwiegend auf Byzanz ausgerichtet war, werden die Kontakte zu Westeuropa sowohl von Händlern als auch Aristokraten sehr gering gewesen sein (Handel mit "Luxusgütern" von und nach Westeuropa über Byzanz?) - zumindest vor 1204.

Als Folge der Eroberung Konstantinopels im 4. Kreuzzung 1204 und der anschließenden Errichtung lateinischer Reiche in Konstantinopel, Thessaloniki und Griechenland (Achäa/Morea, Athen) werden die Kontakte zu den benachbarten Bulgaren natürlich zwangsläufig intensiver geworden sein.

Ich fürchte aber, dass wie in allen Kreuzfahrerstaaten auch der einheimische griechische und somit ebenso der bulgarische Adel (der ja, wenn ich mich nicht irre, auch für die Byzantiner noch als halb-barbarisch galt) zumindest am Beginn in der Verwaltung weitgehend übergangen wurde, bzw. natürlich als eher gering geschätzt worden ist.
Denn als Folge der Kreuzzüge in das Heilige Land hatte sich die Beziehung zwischen Byzanz und dem Westen bereits merklich verschlechtert. Wären die Byzantiner hoch geschätzt worden, hätte der vierte Kreuzzug ja auch kaum in der Eroberung Konstantinopels geendet.

Da die Lateinischen Staaten aber bald nach der Gründung von diversen (teils sich gegenseitig bekämpfenden) Byzantinischen Kaisern bedroht war und auch die Bulgaren wieder ihre Macht erweitern wollten, werden die Beziehungen eher sehr feindlich gewesen sein - und die Bulgaren vermutlich nicht viel höher als z.b. die meisten Araber geschätzt worden sein.

In späterer Zeit, nach Wiederherstellung des Byzantinischen Reiches werden die Kontakte zur westeuropäischen Aristokratie natürlich wieder sehr selten geworden sein (eventuell noch mit Ungarn - als Staat mit einer Mittlerrolle zwischen Westeuropa und dem Balkan), bzw. in Osmanischer Zeit überhaupt geendet haben.

Soweit meine ersten Gedanken dazu, falls sich ein Experte auf dem Gebiet findet, kann er mich gerne korrigieren/ergänzen.
 
"Adlige" in Norwegen, Ungarn, Polen, Russland (wahrscheinlich auch auf dem Balkan) haben andere Wurzeln als die im HRR aus Beamtenadel und Lehensverhältnis hervorgegangenen. Es sind mehr "Freiherren", die auf dem Hof auch selbst mit anpacken mussten. Die polnische Bevölkerung bestand zu 15% oder mehr aus solchen Adligen ("Szlachta"), die nahezu "demokratisch" ihren König wählten (sog. "Adelsrepublik"). Auch in Athen hatte es kaum mehr Wahlberechtigte gegeben....
In Ungarn, Norwegen, Russland (Bojaren) sah es ähnlich aus. Die Adligen waren eher "Gutsherren" als "Grafen". Ein russischer Bojar vererbte nicht einmal seinen Titel...

Seit dem 18. Jh. wurde dieser eher "Wildwuchs" von den starken zentralistisch denken Monarchen durch ein dem HRR angelehntes System von Grafen und Baronen als Dienstadel/Hofadel ersetzt.
 
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Auch wenn du sicherlich mehr über bulgarische Ritter erfahren möchtest, hast du die Frage doch weiter gefasst, so dass ich hier mal ein Zitat einfügen möchte:

"Maria Todorova kann drei Charakteristika südosteuropäischer Gesellschaften (mit Ausnahme Rumäniens) benennen, die sich auf osmanisches Wirken zurückführen lassen: das Fehlen eines feudalen Adels, die Existenz einer relativ freien Bauernschaft sowie die grundsätzliche Unterordnung der Stadt unter den feudalen Staat. Todorovas Hinweise jedoch, dass nicht die Osmanen ein Erbe auf dem Balkan seien, sondern der Balkan ein Erbe der Osmanen sei, und dass die Osmanen nicht als Fremdkörper betrachtet werden sollten, der auf den christlichen Völkern Südosteuropas gelastet habe, müssen in der Öffentlichkeit südosteuropäischer Staaten immer noch als ketzerisch gelten."
Hieraus:
http://www.geschichtsforum.de/f42/h...chfolgestaaten-des-osmanischen-reiches-15768/

Weiterhin werden einige Angaben gemacht, zur Beziehung des russ. Zaren zum Westen und zum Osm. Reich und dem Prozess der Anerkennung des Titels in dieser Dissertation:
Der Weg des russischen Zarentums
zur Anerkennung in der Zeit
von 1547 bis 1722
(Eine völkerrechtlich – historische Studie)


hieraus:
http://www.geschichtsforum.de/f40/die-erben-von-byzanz-heute-6702/index13.html#post254221

Ciao, und gutes Kaffeetrinken.
 
Grüße!

Also wenn ich richtig verstehe, waren für die westeuropäischen Ritter der ost- und südosteuropäische Adel mehr "Bauern" und "Gutsherren" als Adelige, und es gab schon damals eine Art extremer Ost-West-Trennung. Und es ging in Südosteuropa im Vergleich zu Westeuropa verhältnisäßig demokratisch zu.

Da stellt sich bei mir noch eine Frage zu einem (hypothetischen, vielleicht niemals stattgefundenem Ereignis)

Angenommen ein russischer oder bulgarischer Bojar kommt aus irgend einem Grund nach Westeuropa (nehmen wir das Heilige Römische Reich im 13. Jhdt), und möchte gerne (weil er vielleicht zufällig vorbeikommt) bei einem Tjost mitmachen. Würde man diesen Bojaren dann eigentlich teilnehmen lassen (er war ja im Prinzip adelig)?
 
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Ich denke, man würde ihn als "Ritter" anerkennen :)
Um die Hand der Grafentochter würde er aber vergeblich anhalten...
 
Schön wäre es, da zeitgenössische Berichte (und nicht nur einen "Roman") zu haben über die Zulassung eines "Fremden Ritters"... Habe ich aber nicht....
Ein Turnier erfolgte im 13. Jh in "schwerer Rüstung", sowas konnte man sich nicht irgendwo ausleihen. Jemand, der in voller Montur (und mit der notwendigen Equipage) erschien, hatte ausreichend Geld und "kannte sich aus"... Den Herolden musste er natürlich irgendwas über seine Herkunft erzählen. Idealerweise war er ein Königssohn aus Albanien, das zog immer. Aber ich vermute (!), dass "niederer Adel" aus Polen und Spanien auch ausreichen sollte: Wenn ich auch oben den Bauernhof in den Vordergrund gestellt habe, so bildete die Szlachta und auch die spanischen Hidalgos letztlich das Rückgrat des Militärs.

Doch ich weiß es wirklich nicht: Ein Turnier war auch ein "Ritual", nicht nur ein sportlicher Wettkampf. Wenn dort ein König mitkämpfte, dann wollte man sicherlich jeden Schlagetot mit dabei haben...

Das 13. Jh. war genau die Umbruchszeit vom "hochadligen" zum "niederadligen" Ritter. Im 14. Jh. war die wesentliche Eigenschaft eines Ritters, "reichsunmittelbar" zu sein und auf eine mehre Generationen lange edle Familie zurückzublicken. Genau das waren auch die Eigenschaften eines balkanischen (oder spanischen) Adelssprosses.
 
Eine recht interessante Frage, @Sergej! Die Turnierfähigkeit war ein überaus wichtiges Element ritterlichen Selbstverständnisses. In der Regel mussten vier ritterbürtige Ahnen vorhanden sein, damit ein Bewerber an einem Turnier teilnehmen durfte. in der Spätzeit des Turnierwesens verschärften vor allem die Turniergesellschaften die Kriterien für die Teilnahme.

Dann müsste man sich überlegen, ob es sich beim Turnier um ein höfisches Fest eines Fürsten oder Königs oder aber um ein Turnier, das von Turniergesellschaften organisiert wird. Sofern ein Bewerber die nötige adelige Abkunft nachweisen konnte, wird man ihm in den meisten Fällen die Teilnahme am Turnier gestattet haben. Wenn ein Bewerber aus einem fremden, exotischen, kaum bekannten Land antrat, erhöhte er das Ansehen des Turnierveranstalters, der sich sagen konnte, dass das Ansehen seines Hofes bis in exotische Länder vorgedrungen war. In Osteuropa war das Turnierwesen nur marginal entwickelt, dass Russen oder Bulgaren an Turnieren teilgenommen hätten, darüber habe ich bisher noch nie etwas gehört. Böhmische und ungarische Adelige dagegen, wussten sich bei ihren Turnierbesuchen durchaus auch gegen die renommierte französische Ritterschaft zu behaupten, und ein Spanier namens Tafur hat eine Art Memoirenwerk über seine Teilnahme an Turnieren im Reich und in Frankreich hinterlassen.


Es ist ein sehr teures Buch, doch die Lektüre ist sicher nicht nur für dich interessant:

Josef Fleckenstein (Hrsg), "Das ritterliche Turnier".

Darin sind auch Teilartikel über das Turnierwesen in Böhmen und Ungarn:
(Josef Macek, Das Turnier im mittelalterlichen Böhmen S.371-390,
Erik Fügedi, Turniere im mittelalterlichen Ungarn S. 390- 401).
 
Zitat:"Ich denke, man würde ihn als "Ritter" anerkennen :)
Um die Hand der Grafentochter würde er aber vergeblich anhalten."

Nun, ich würde mal davon ausgehen das der östliche Ritter ein orthodoxer Christ gewesen wäre und ein mitteleuropäischer Edelmann wohl höchstwahrscheinlich ein Katholik war......wer würde seine Tochter einen Ungläubigen heiraten lassen? ;)
 
Also das Szenario ist zwar schwierig, scheint aber höchst interessant zu sein..

Ich denke, man würde ihn als "Ritter" anerkennen :)
Um die Hand der Grafentochter würde er aber vergeblich anhalten...

Das ist sicher, obwohl ich glaube das eine bulgarische Prinzessin mit einem "Wessi" verheiratet wurde (habe leider vergessen wer)...

Eine recht interessante Frage, @Sergej! Die Turnierfähigkeit war ein überaus wichtiges Element ritterlichen Selbstverständnisses. In der Regel mussten vier ritterbürtige Ahnen vorhanden sein, damit ein Bewerber an einem Turnier teilnehmen durfte. in der Spätzeit des Turnierwesens verschärften vor allem die Turniergesellschaften die Kriterien für die Teilnahme.

Dann müsste man sich überlegen, ob es sich beim Turnier um ein höfisches Fest eines Fürsten oder Königs oder aber um ein Turnier, das von Turniergesellschaften organisiert wird. Sofern ein Bewerber die nötige adelige Abkunft nachweisen konnte, wird man ihm in den meisten Fällen die Teilnahme am Turnier gestattet haben. Wenn ein Bewerber aus einem fremden, exotischen, kaum bekannten Land antrat, erhöhte er das Ansehen des Turnierveranstalters, der sich sagen konnte, dass das Ansehen seines Hofes bis in exotische Länder vorgedrungen war. In Osteuropa war das Turnierwesen nur marginal entwickelt, dass Russen oder Bulgaren an Turnieren teilgenommen hätten, darüber habe ich bisher noch nie etwas gehört. Böhmische und ungarische Adelige dagegen, wussten sich bei ihren Turnierbesuchen durchaus auch gegen die renommierte französische Ritterschaft zu behaupten, und ein Spanier namens Tafur hat eine Art Memoirenwerk über seine Teilnahme an Turnieren im Reich und in Frankreich hinterlassen.

Ich Glaube das in Osteuropa es eigentlich gar nicht wirklich entwickelt war, da ja mW sich der Tjost aus dem Training der (entschuldigung, ich kenne nur die englische Bezeichnung) "couched lance" entwickelt hatte. im Osten wurde das kaum praktiziert.

Schön wäre es, da zeitgenössische Berichte (und nicht nur einen "Roman") zu haben über die Zulassung eines "Fremden Ritters"... Habe ich aber nicht....
Ein Turnier erfolgte im 13. Jh in "schwerer Rüstung", sowas konnte man sich nicht irgendwo ausleihen. Jemand, der in voller Montur (und mit der notwendigen Equipage) erschien, hatte ausreichend Geld und "kannte sich aus"... Den Herolden musste er natürlich irgendwas über seine Herkunft erzählen. Idealerweise war er ein Königssohn aus Albanien, das zog immer. Aber ich vermute (!), dass "niederer Adel" aus Polen und Spanien auch ausreichen sollte: Wenn ich auch oben den Bauernhof in den Vordergrund gestellt habe, so bildete die Szlachta und auch die spanischen Hidalgos letztlich das Rückgrat des Militärs.

Doch ich weiß es wirklich nicht: Ein Turnier war auch ein "Ritual", nicht nur ein sportlicher Wettkampf. Wenn dort ein König mitkämpfte, dann wollte man sicherlich jeden Schlagetot mit dabei haben...

Das 13. Jh. war genau die Umbruchszeit vom "hochadligen" zum "niederadligen" Ritter. Im 14. Jh. war die wesentliche Eigenschaft eines Ritters, "reichsunmittelbar" zu sein und auf eine mehre Generationen lange edle Familie zurückzublicken. Genau das waren auch die Eigenschaften eines balkanischen (oder spanischen) Adelssprosses.


Da ein weiteres Asprkt. Ich bezweifle es, das im 13. Jahrhundet ein katholischer König mit einem orthodoxen Adeligen verkehren wollte.

Ausserdem ist auch die Brustpanzerung über dem Kettenhemd (die sich aufgrund der Couched Lance entwickelt hat) nicht im Osten (zumindest nicht von Bulgaren und Russen) verwendet worden. Man blieb immer noch bei kompletter Kettenrüstung.
 
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Nun, ich würde mal davon ausgehen das der östliche Ritter ein orthodoxer Christ gewesen wäre und ein mitteleuropäischer Edelmann wohl höchstwahrscheinlich ein Katholik war......wer würde seine Tochter einen Ungläubigen heiraten lassen?

SergejKorolev schrieb:
Das ist sicher, obwohl ich glaube das eine bulgarische Prinzessin mit einem "Wessi" verheiratet wurde (habe leider vergessen wer)...

Der französische König Heinrich I. (mitte 11. Jahrhundert) war mit der russischen Fürstentochter Anna verheiratet die auch Königin wurde. Nach Heinrichs Tod heiratete sie den Grafen Raoul von Valois.
 
Na Hoppla! Hat denn wenigstens der Bischof von Rom einen bösen Brief verfasst? :D

Warum sollte er? Schließlich kam das oft genug vor; da hätte er gerade auch in königlichen Häusern viel zu tun gehabt.
Hier noch ein Beispiel:
amalrich_1_koenig_von_jerusalem_+_1174
maria_komnena_koenigin_von_jerusalem_+_um_1217

Abgesehen davon galten die nichtlateinischen Christen - insbesondere die Anhänger des griechischen Ritus oder die Anhänger des armenischen Ritus - keineswegs als "Ungläubige". So nannte man gewöhnlich die Muslime - noch nicht einmal die Juden wurden gemeinhin als "Ungläubige" bezeichnet.
 
Bis 1054 war das Christentum aber noch nicht in orthodoxe u. katholische Kirche gespalten. D.h. bis zu dieser Zeit war das "theologisch" kein Problem.

Um genau diesem Einwand vorzubeugen, hatte ich noch ein Beispiel aus der Zeit nach 1054 genannt.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit... :fs:
 
Was ich so bis jetzt über adeliges Verhalten gelesen habe, entspricht eben dem Argument, dass v.a. der offensichtliche Wohlstand ausschlaggebend war. Ein Adeliger reiste ja auch zumeist nicht völlig mittellos und ein mittelloser Adeliger, hätte auch kaum versucht, auf einem Turnier mitzumachen. Interessant wäre es, ob diese osteuropäischen Adeligen, sich dann betont osteuropäisch auch auf dem Turnier gewandeten oder dann zu west- oder mitteleuropäischen Rüstungen usw. griffen.
 
@Brissotin: Ein Adeliger reiste ja auch zumeist nicht völlig mittellos und ein mittelloser Adeliger, hätte auch kaum versucht, auf einem Turnier mitzumachen.

Das ist ein Irrtum. Viele Adlige, meist nachgeborene Söhne, hatten außer ihrer Herkunft nicht mehr als sie am Leibe trugen und MUSSTEN versuchen, bei Turnieren zu Geld und einem Lehnsherrn zu kommen. Unterlagen sie, waren sie auch noch Pferd und Rüstung los. Dann blieb ihnen meist nur noch der Gang zum Juden, um ihr Eigentum wieder auslösen zu können.
 
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