Wurden die Menschen damals unter dem Hitlerregime zum Jubeln gezwungen?

@Scorpio Wurde der Hitlergruß nicht erst nach dem 20. Juli 1944 zur Pflicht, und das nur für die Wehrmacht? Oder habe ich das falsch in Erinnerung?
 
@Scorpio Wurde der Hitlergruß nicht erst nach dem 20. Juli 1944 zur Pflicht, und das nur für die Wehrmacht? Oder habe ich das falsch in Erinnerung?
Hast du falsch in Erinnerung. Der Hitlergruß wurde von der Zivilbevölkerung erwartet (sozialer Druck), wobei man dabei durchaus ambivalent war: Von gewissen Leuten wollte man ihn ausdrücklich nicht und in bestimmten Regionen auch nicht zu bestimmten Zeiten, etwa im Rheinland zum Karneval nicht.
Bzgl. der Wehrmacht galten dort bis zum Juli '44 die üblichen militärischen Grüße und wurden nach dem missglückten Staufenberg-Attentat gegenüber der bisherigen Praxis verpflichtend eingeführt.
 
Augenblick, ich verstehe nicht ganz – die "üblichen militärischen Grüße" wurden danach verpflichtend eingeführt? Verpflichtend waren sie doch gewiss schon vor dem Attentat?
 
Bzgl. der Wehrmacht galten dort bis zum Juli '44 die üblichen militärischen Grüße und wurden nach dem missglückten Staufenberg-Attentat gegenüber der bisherigen Praxis verpflichtend eingeführt.

Augenblick, ich verstehe nicht ganz – die "üblichen militärischen Grüße" wurden danach verpflichtend eingeführt? Verpflichtend waren sie doch gewiss schon vor dem Attentat?
Sorry, es muss heißen:
Bzgl. der Wehrmacht galten dort bis zum Juli '44 die üblichen militärischen Grüße und nach dem missglückten Staufenberg-Attentat wurde der Hitlergruß gegenüber der bisherigen Praxis verpflichtend eingeführt.
 
Und wenn man das Regime nicht mochte, und nur so tat, als ob man es gut fände, indem man Hitlerbild aufhing und den Gruß machte, konnte man dann relativ unbehelligt sein normales Leben leben?
In einem totalitären Staat kann niemand "unbehelligt" leben, auch nicht die überzeugten Unterstützer.
Denn wie Du ja schon andeutest sind die ja von vorgeblichen Unterstützern nicht leicht zu unterscheiden.
Unvermeidlich herrschen Mistrauen und auffällige "Säuberungen" sind Konsequenz.
Niemand ist sicher. Das ist die Basis eines totalitären Regimes.
..und man kann sich auch nicht gewiss sein, dass man den Ariertest besteht.
Das ist dann die verschärfende rassistische Komponente des 3. Reichs.


War das eigentlich damals Pflicht an solchen Veranstaltungen teilzunehmen und wurde man bestraft, wenn man nicht hin ging?
Oder konnte man damals einfach fernbleiben und keinem fiel das auf`?
Es ist sicher aufgefallen, wenn das Kind nicht bei der Hitlerjugend mitmachte.
Was ja darauf zurückgeführt werden musste, dass die Eltern dies unterbanden, denn die Kameraden gingen ja hin.
Und schließlich wurde es eine Zwangsmitgliedschaft und die Machthaber werden sich gemerkt haben, welche Eltern sich weigerten ihnen das Kostbarste ihres Lebens auszuliefern: ihre Kinder.
 
Leute, die sich in die innere Emigration zurückzogen, die aus Karrieregründen der Partei beitraten oder eben die Pflichtveranstaltungen mitmachen, konnten, sofern sie sich politisch nicht gegen die Nazis betätigten, sofern sie nicht aus rassistischen Gründen verfolgt wurden, konnten schon einigermaßen unbehelligt im Nazireich leben. Es gab etliche Leute, die auch ohne Parteibuch Karriere machten, und

die durchaus in ihrer Nische sich so einrichten konnten, dass sie das Dritte Reich kaum zur Kenntnis nahmen und die durchaus auch relativ ungestört leben konnten. Vielleicht dazu mehr "Freiheit" oder zumindest mehr Spielraum zur freien Entfaltung der Persönlichkeit als es z. B. in der Sowjetunion möglich gewesen wäre.

An Barbarei übertraf das Nazi-Reich die SU bei weitem, aber Deutschland war eine sozial differenziertere Gesellschaft, als Russland.
Solche barbarischen Mittel der Repression konnte man in Deutschland erst im Verlauf des Krieges anwenden- und selbst da noch versuchten die Nazis noch, das deutsche Volk bei der Stange zu halten. Das viele Deutsche auch eine relativ normale Lebensplanung in Deutschland verfolgen konnten, dürfte auch zu den Zustimmungswerten zum NS beigetragen haben.

Viele Tausend Deutsche, die sich als unpolitisch verstanden, haben ja tatsächlich mehr oder weniger unangefochten ihr Leben gelebt ohne Konfrontation mit dem NS-System.


@babylon Deutschland

Ich glaube, du machst dir in vielen Punkten ein falsches Bild vom Charakter des NS-Staates. Wenn du Filme aus der NS-Zeit ansiehst, da gab es zwar Propagandastreifen wie SA-Mann Brandt" oder Hitlerjunge Quex, dazu die "Dokumentarfilme" von Leni Riefenstahl, die braune Bataillone wie Prätorianerkohorten aussehen ließ.

In den meisten Filmen kommt das Dritte Reich gar nicht vor. Nehmen wir einen Film, die alten Säcke kennen den alle Die Feuerzangenbowle. Der Film spielt in einer fiktiven Kaiserzeit. Der einzige Charakter, der in dem Film NS-Ideologie verbreitet, ist der Lehrer Dr. Brett. Die Sympathien der Zuschauer auch der damaligen liegen aber bei Professor Bömmel, der de Dampfmaschin" erklärt, seine Schüler nicht einmal bestraft, als die ihm die Schuhe verstecken. Die Sympathien liegen bei Professor Crey, der Heidelbeerwein im Chemieunterricht ausschenkt.
Der Film die Komik des Films funktioniert schlicht nicht, wenn der Schüler Pfeiffer mit drei f oder die Lehrer sich konform zur NS-Ideologie verhalten würden. Also eine gewisse Subversivität war selbst im NS gegeben. Und eine gewisse Subversivität solange sie nicht wirklich dem NS gefährlich wurde, die wurde bis zu einem gewissen Punkt auch toleriert oder musste toleriert werden oder eben auch nicht-während des Krieges hat mancher für lächerliche Lappalien mitunter das Leben verloren.

Es gab Tausende von Deutschen, die vielleicht, weil sie einen Sport weiterbetreiben wollten, einer Parteiorganisation beitraten oder gleichgeschaltet wurden, die aber ansonsten nicht viel mit den Nazis am Hut hatten, die das ein oder andere gut fanden (den 1. Mai als Feiertag oder das Kindergeld) die auch mit Teilen konform gingen, ohne dass sie überzeugte Nazis waren,

Die auch keineswegs besondere Linientreue zur Schau stellten und trotzdem unbehelligt lebten,
 
Leute, die sich in die innere Emigration zurückzogen, die aus Karrieregründen der Partei beitraten oder eben die Pflichtveranstaltungen mitmachen, konnten, sofern sie sich politisch nicht gegen die Nazis betätigten, sofern sie nicht aus rassistischen Gründen verfolgt wurden, konnten schon einigermaßen unbehelligt im Nazireich leben.
War das die sog. schweigende Mehrheit?
 
War das die sog. schweigende Mehrheit?
Nein, das war die schweigende Minderheit. Der Zuspruch der überragenden Mehrheit der deutschen Bevölkerung zum NS-Staat bis fast zum Schluss ist evident. Die ständigen militärischen Niederlagen ab 1943 (die vom Staat gar nicht verschwiegen wurden und die, obwohl meistens verklausuliert formuliert, von jedem verstanden wurden), sowie die mehr und mehr in Trümmer versinkende Städtelandschaft bewirkten keinesfalls eine wahrnehmbare innere oder äußerliche Abkehr dieser Mehrheit von den Nazis, sonsern in den meisten Fällen Trotz und ein jetzt-erst-recht-Gefühl. Diese Menschen konnten sich schlicht und ergreifend ein Deutschland, das bedinungslos kapituliert, besetzt und nicht mehr nationalsozialistisch war, gar nicht vorstellen. Der Gedanke, dass sich die Niederlage des I. Weltkrieges wiederholen könnte, plus das drohende Szenario, dass sich Amerikaner, Briten, Franzose und Sowjets (vor allem letztere) dauerhaft in Deutschland niederlassen könnten, war dieser Mehrheit so unwirklich und erschreckend, dass man sich gar nicht anders verhalten wollte und konnte, als dem NS-Staat treu zu bleiben.

Selbst in den letzten Kriegstagen und -stunden funktionierte der Gehormsamsapparat in Gebieten, die noch nicht besetzt waren, einwandfrei. Deserteure und sogenannte Saboteure wurden noch in letzter Sekunde ermordet, selbst wenn die Amerikaner schon vor den Toren der Stadt standen. Die Ämter arbeiteten normal, die Post wurde ausgeliefert, Gehälter ausbezahlt, Rekruten eingezogen, Panzer und Flugzeuge zusammengeschraubt. Jedenfalls überall dort, wo der "Feind" noch nicht die Kontrolle hatte, beziehungsweise, wo es noch Strom, Gas und fließend Wasser gab. Kommandeure befahlen gegen jede Vernunft Dörfer zu verteidigen oder völlig sinnlose Kleinoffensiven zu unternehmen. Man war schließlich auf den "Führer" vereidigt - übrigens eine der perfindesten Maßnahmen, die Hitler je unternommen hat und die ungeheure Wirkung hatte. Erst als die alliierten Panzer durch die Straßen rollten, hängte man die weißen Bettbezüge aus dem Fenster. Was für die Mehrheit keineswegs einen Grund zum Jubel bedeutete - siehe oben. Bestenfalls Erleichterung, dass nun alles vorbei war. Dass aber "Führer" und Staat an der gesamten Misere Schuld waren, das konnte man sich mehrheitlich 1945 überhaupt nicht vorstellen.
 
Der Gedanke, dass sich die Niederlage des I. Weltkrieges wiederholen könnte, plus das drohende Szenario, dass sich Amerikaner, Briten, Franzose und Sowjets (vor allem letztere) dauerhaft in Deutschland niederlassen könnten, war dieser Mehrheit so unwirklich und erschreckend, dass man sich gar nicht anders verhalten wollte und konnte, als dem NS-Staat treu zu bleiben.
Da sprechen die letzten Monate des Krieges, jedenfalls im Westen Deutschlands allerdings eine etwas andere Sprache. Jedenfalls wurde im Westen Deutschlands, spätestens, nachdem die Amerikaner und Briten über den Rhein waren, allenfalls noch symbolisch Widerstand geleistet, de facto kapitulierten die meisten Ortschaften kampflos, sobald die alliierten Bodentruppen anrückten.

Im Osten sah das freilich etwas anders aus.
 
Mein Vater war bei der Luftwaffe, hatte vor dem Einsatz in Ungarn Januar 1945 den letzten Heimaturlaub im Oberbergischen bis zum 16.12.1944. Sein Vater war Beamter im mittleren Dienst. Sein 16jähriger Bruder war wegen Schilddrüsenüberfunktion dauerhaft wehruntauglich geworden, nach Einsatz bei der Flak am Flughafen in Köln-Wahn.
Die Stimmung war gedrückt. Die beiden Brüder kannten die technischen Details und die Überlegenheit der deutschen Strahlflugzeuge, die sie im Einsatz gesehen hatten, zugleich aber die reale Situation des nahen Kriegsendes. Der Geschützdonner aus der Eifel war aus mehr als 100 km Entfernung zu hören.
"Was wird aus unserem armen Deutschland?", fragte der Vater.

Aber: es gab ein Tabu: man durfte keine "defaitistischen" Äußerungen machen. Es wurde verklausuliert gesprochen, auch in der Familie. Die Todesanzeigen gemeinsamer Freunde wurden ausgetauscht, kleine Karten ähnlich schmal wie Lesezeichen, in denen stiller Protest der Eltern in der Trauer sichtbar war.
Dennoch: Das verklausulierte Reden reichte bis in die Intimität der Familie hinein, auch bei denen die nicht mehr an den Sieg glaubten.
 
Selbst in den letzten Kriegstagen und -stunden funktionierte der Gehorsamsapparat in Gebieten, die noch nicht besetzt waren, einwandfrei. Deserteure und sogenannte Saboteure wurden noch in letzter Sekunde ermordet, selbst wenn die Amerikaner schon vor den Toren der Stadt standen. Die Ämter arbeiteten normal, die Post wurde ausgeliefert, Gehälter ausbezahlt, Rekruten eingezogen, Panzer und Flugzeuge zusammengeschraubt. Jedenfalls überall dort, wo der "Feind" noch nicht die Kontrolle hatte, beziehungsweise, wo es noch Strom, Gas und fließend Wasser gab. Kommandeure befahlen gegen jede Vernunft Dörfer zu verteidigen oder völlig sinnlose Kleinoffensiven zu unternehmen. [...] Erst als die alliierten Panzer durch die Straßen rollten, hängte man die weißen Bettbezüge aus dem Fenster. Was für die Mehrheit keineswegs einen Grund zum Jubel bedeutete - siehe oben. Bestenfalls Erleichterung, dass nun alles vorbei war.
Das finde ich argumentativ schwierig. Gegen Ende des Kriegs wurde das diktatorische Element noch einmal erheblich angezogen, man spricht von den Endphaseverbrechen, die Nazis, Funktionäre wie Fanatiker wurden ziemlich nervös und das machte sie für Menschen, für die sie bis dahin noch nicht (so) gefährlich waren, gefährlicher, jetzt wurden kleinste Vergehen mit dem Tode bestraft. Ein kritisches (defätistisches) Wort, ein gestohlenes Lebensmittel, als Soldat mitunter nicht bei der Einheit angetroffen, selbst wenn die Einheit nur noch auf dem Papier bestand. Also, dass alles - der Gehorsamsapparat, wie du es ausdrückst - bis zum Ende funktionierte, ist kein Indikator für die Zustimmung zum Regime, sondern eher für den Druck, den das Regime und seine Funktionäre zum Schluss auf die Bevölkerung machten. Und natürlich... was machen Menschen? Sie funktionieren. Wenn alles zusammenbricht, da hat niemand etwas von.

Dieser Widerspruch wiederum ist nicht als Entschuldungs*-Argumentation zu verstehen, dass etwa die Mehrheit der Deutschen von einer kleinen Clique Nazis unterdrückt worden sei.

Die Meldungen aus dem Reich (inlandsgeheimdienstliche Berichte des SD) berichten von einer gewissen Skepsis der Menschen, aber nicht von einer regelrechten Anti-Stimmung.



*Entschuldungs- nicht Entschuldigungs-
 
Also, dass alles - der Gehorsamsapparat, wie du es ausdrückst - bis zum Ende funktionierte, ist kein Indikator für die Zustimmung zum Regime, sondern eher für den Druck, den das Regime und seine Funktionäre zum Schluss auf die Bevölkerung machten. Und natürlich... was machen Menschen? Sie funktionieren. Wenn alles zusammenbricht, da hat niemand etwas von.

Hmm, das unterschreibe ich teilweise. Natürlich wirkte der Terrorapparat, gar keine Frage. Aber dann gab es immer die - und das waren verdammt viele! - die gar keinen Druck brauchten, um hinter dem Regime zu stehen, die freiwillig und überzeugt im Sinne der nationalsozialistischen Führung dachten und handelten, bis zum Schluss und darüber hinaus, zumindest was das Denken angeht. Mit dem 8. Mai 1945 endeten ja nicht schlagartig Nazitum, Antisemitsmus und Rassimus in Deutschland, wie die Geschichte der frühen Bundesrepublik eindrucksvoll beweist. Das gilt natürlich auch für die DDR, egal, wie sehr die SED versuchte, die DDR als nazifreie Zone darzustellen. Wir wissen ja schon lange, dass das reiner Quatsch war. Ja, es ist heute schwer sich vorzustellen, geradezu absurd (war es ja auch), dass abermillionen Deutsche sich trotz Zerstörung des Landes unbeirrt zum Nationalsozialismus bekannten. War aber so.
 
Das
Hmm, das unterschreibe ich teilweise. Natürlich wirkte der Terrorapparat, gar keine Frage. Aber dann gab es immer die - und das waren verdammt viele! - die gar keinen Druck brauchten, um hinter dem Regime zu stehen, die freiwillig und überzeugt im Sinne der nationalsozialistischen Führung dachten und handelten, bis zum Schluss und darüber hinaus, zumindest was das Denken angeht. Mit dem 8. Mai 1945 endeten ja nicht schlagartig Nazitum, Antisemitsmus und Rassimus in Deutschland, wie die Geschichte der frühen Bundesrepublik eindrucksvoll beweist. Das gilt natürlich auch für die DDR, egal, wie sehr die SED versuchte, die DDR als nazifreie Zone darzustellen. Wir wissen ja schon lange, dass das reiner Quatsch war. Ja, es ist heute schwer sich vorzustellen, geradezu absurd (war es ja auch), dass abermillionen Deutsche sich trotz Zerstörung des Landes unbeirrt zum Nationalsozialismus bekannten. War aber so.
Was du schreibst, ist alles richtig. Mir ging es nur um dein Argument, dass das Funktionieren bis zum Schluss ein Indikator für die Zustimmung gewesen sei.
 
Ja, es ist heute schwer sich vorzustellen, geradezu absurd (war es ja auch), dass abermillionen Deutsche sich trotz Zerstörung des Landes unbeirrt zum Nationalsozialismus bekannten. War aber so.

Ich finde das gar nicht so schwer sich das vorzustellen.

Letztendlich gibt es zwei mögliche Lehren/Erklärungsansätze, die eine Person aus dem Umstand des vollständigen Zusammenbruchs ziehen kann und die als Verarbeitungsstrategie und Weg in die Zukunft zu denken aufgefasst werden können:

a) Die Erklärung, nach der das vorherige System, wie immer es aussah aus strukturellen Gründen nachteilig und zum Scheitern verurteilt war, weswegen es und seine Bestandteile entfernt werden müssen, um ohne diesen Ballast einem vielversprechenderem Syste für die Zukunft dem Weg ebnen und sich diesem zuwenden zu können. (= radikale Abkehr vom gescheiterten System)

b) Die Erklärung, nach der das vorherige System, wie immer es aussah, strukturell eigentlich vorteilhaft/überlegen war, und nach der es deswegen gescheitert ist, weil es nur in unzureichendem Maße umgesetzt wurde, sei es auf Grund irgendwelcher unglücklichen Umstände oder inkompetenten Führungspersonals und des Fehlens von Fähigkeiten im Sinne der Theorie entsprechend durchzugreifen um das Land auf Linie zu bringen
(= Zustimmung zum bisherigen System und Verlangen danach es in Zukunft radikaler zu gestalten um in größerem Maßsstab die angestrebten Effekte zu erziehlen).

Das sind die wesentlichen zwei Optionen beim Zusammenbruchs eines wie auch immer gearteten politischen Systems oder einer Machtstruktur.

Angesichts des Umstands, wie viele Personen in Deutschland irgendwie mit dem NS-System verbandelt waren und bei denen das auch bekannt war (von einer Jugend, die in dieses System hineinsozialisiert wurde nicht zu reden) wundert es eigentlich nicht, dass es für viele der einfacherer Weg war, die Schuld für den Zusammenbruck statt am System an irgendwelchen Sündenböcken fest zu machen, denn fundamentale Auseinandersetzung mit dem NS hätte ja dann fundamentale Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle im System und den eigenen Fehlern bedeutet.
Die Einsicht, die Verantwortung für den Ruin des eigenen Landes zu haben (neben allem anderen, was noch auf das Konto der NS-Herrschaft ging) ist allerdings verständlicherweise unangenehm.
Das erfordert schon in Fällen Mut, in denen das Unglück kleiner und die Verbrechen des Systems deutlich weniger umfangreich und schockierend waren, als bei den Nazis, man vergleiche mit dem 1. Weltkrieg.
Leute, wie Mathias Erzberger, Walther Rathenau oder Gustav Stresemann, (die Sozialdemokraten mal außenn vor, weil die den Annexionismus nicht mittrugen) die im Krieg das System mitgetragen hatten und danach bereit waren Verantwortung dafür zu übernehmen und ernsthaft darüber nachzudenken, ob man selbst möglicherweise großem Mist gebaut hatte, waren rah gesesäht.

Man darf sich das ja nicht so vorstellen, als hätten die Leute damals keine Vergangenheit gehabt und hätten von dem her ohne persönliche Vorbelastung die Dinge ansehen können, wie das uns heute möglich ist.
Damit möchte ich, um das ganz klar zu machen, nicht die "Unbelehrbaren" rechtfertigen, sondern lediglich aufzeigen, warum es aus ihrer Warte möglicherweise technisch Sinn machte, (Verantwortsungsvermeidung) unbelehrbar zu sein.





Was das Funktionieren des Systems bis zum Schluss betrifft, ist, denke ich die Vorstellung unzutreffend, dass es dafür einer Mehrheit oder besonders großen Gruppe in der Bevölkerung bedürfte um das zu gewährleisten.
Die benötigt ein autoritäres/totalitäres System nicht. Um seine Grunsätzliche Existenz zu sichern, reicht es, wenn sich die Bevölkerung passiv/Wohlwollend neutral demgegenüber verhällt.
Das kann man derzeit an Russland schön sehen. Das Regime hat sich bis dato keine besondere Mühe gegeben die Bevölkerung für den Krieg gegen die Ukraine zu mobilisieren, sondern es hat sich vor allem darum bemüht die Bevölkerung damit nicht zu behelligen und ihr damit durch Aufrechterhaltung der Normalität im Inneren eine weitgehend passive Rolle zu ermöglichen.
Mehr braucht ein solches Regime im Prinzip nicht um funktionieren zu können.

Natürlich musste die Bereitschaft zur Passivität im um so größeren Maße schwinden, wie Deutschland im 2. Weltkrieg von den Kriegshandlungen selbst betroffen war, nur schwanden in dem Moment objektiv auch die Optionen sich noch von den Nazis und ihrer Politik sinnvoll lösen zu können, weil im Besonderen im Osten ohnehin mit Vergeltung für das zu rechnen war, was die Deutschen in den vorrangegangenen Jahren angerichtet hatten.
Insofern wird man bei vielen, die in diese Verbrechen verstrickt waren, oder die darum wussten, durchaus auch unterstellen können, dass der Grund für das Durchhalten bis zum Schluss objektiv mangelnde andere Optionen waren, so lange sie damit rechnen mussten für die eigenen Taten oder die der deutschen Kräfte, im Besonderen im Osten selbst zur Verantwortung gezogen zu werden.
 
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