muck
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Hallo zusammen,
bei meinem kleinen Projekt, Fakten zu "guten" und "schlechten" Rittern zusammenzutragen, bin ich in der Caterina Sforza-Biographie von Elizabeth Lev auf den Namen Yves d'Allegre (auch d'Alègre) gestoßen und möchte gerne mehr über ihn und eine von Lev geschilderte Episode erfahren. Vielleicht haben wir hier ja Kenner der Geschichte der Borgia und der italienischen Renaissance? Ich erinnere mich z.B. an Beiträge von @Shinigami und @El Quijote in diese Richtung.
Im Internet und in Bowds 'A Brief History of the Italian Wars' findet man zu d'Allegre nicht viel, außer, dass er 1450 geboren wurde und in mehreren Schlachten auf der Halbinsel kämpfte, zuerst unter Ludwig XII., dann (leihweise) unter Borgia. Lev berichtet nun, dass sich während der Belagerung von Forlì Folgendes zugetragen habe:
Cesare Borgia sei durch den vehementen Widerstand der Sforza (vor allem einen Versuch, ihn mit einer List gefangen zu nehmen) so erzürnt gewesen, dass er einen persönlichen Hass gegen sie entwickelte und eine Belohnung auf ihren Kopf setzte.
Das französische Kontingent unter d'Allegre hingegen habe sich zu immer neuen Höhen der Verehrung verstiegen und sogar seine Kanonen nach Caterina Sforza und ihren zahlreichen Spitznamen benannt, sodass Cesare die Belohnung bis auf 10.000 Dukaten hochschrauben musste.
Besonders Caterinas heldenhafter Endkampf nach dem Fall der Schildmauer habe Cesare als absoluten Tölpel dastehen lassen. Marino Sanuto bezeugte in den 'Diarii', dass (die im Schwertfechten ausgebildete) Caterina die ganze Belagerung über in Rüstung gekämpft und viele Männer verwundet habe, und Borgia den Bergfried nur durch Verrat nehmen konnte. Laut Bernardi (s.u.) habe Borgia selbst gesagt: Hätten alle ihre Männer gekämpft wie die Gräfin von Forlì, hätte er niemals siegen können.
Nach Caterinas Gefangennahme sei Cesare aber mit seinen Franzosen in Streit geraten, weil er nur 2.000 Dukaten herausrücken wollte. Außerdem sei d'Allegre von Caterina beeindruckt gewesen und habe befürchtet, Cesare werde sie ermorden lassen. Er habe sie unter seinen Schutz gestellt, was gleichzeitig den Schutz Ludwigs XII. symbolisierte, und es sei sogar zur bewaffneten Konfrontation zwischen Borgias Leibwache und d'Allegres Entourage gekommen, als Cesare auf ihre Herausgabe beharrte.
Schließlich habe Cesare die vereinbarten 10.000 Dukaten gezahlt, um die Franzosen zufrieden zu stellen, und d'Allegre (bereits fünfzigjährig) habe zurückstehen müssen, weil seine Leute das Geld nehmen wollten. Caterina Sforza war zwar formal eine Gefangene des französischen Königs, aber Cesares Obhut anvertraut.
Dieser habe daraufhin seinen Hass an der Gefangenen ausgelassen, sie vielfach vergewaltigt und für die Dauer der nächsten achtzehn Monate (ihrer verbürgten Gefangenschaft in der Engelsburg) mit psychischer Folter (wie Scheinhinrichtungen) gequält, um sie dazu zu bringen, der Herrschaft über Forlì und Imola zu entsagen.
D'Allegre sei davon schockiert gewesen, habe Caterina aber nicht schützen können, da zur gleichen Zeit Ludovico Sforza die Rückeroberung von Mailand in Angriff nahm und das französische Kontingent vom König dorthin abberufen wurde.
1501 sei d'Allegre jedoch nach Rom gekommen, habe bei Papst Alexander VI. vorgesprochen und sich über Cesare, Caterinas Behandlung und die Beleidigung des französischen Königs beschwert. Alexander verweigerte die Herausgabe, da Caterina einen Giftanschlag auf ihn unternommen habe.
Daraufhin habe D'Allegre dem Papst explizit mit einem französischen Angriff auf Rom gedroht, um sie zu befreien. Erst daraufhin habe Alexander nachgegeben und ihrer Freilassung zugestimmt. D'Allegre habe Caterina Sforza daraufhin politisch und militärisch beraten und sie sicher auf eigene Kosten per Schiff nach Florenz gebracht.
Ende der Geschichte.
Bowd erwähnt diese ganze Episode nicht. Er schreibt nur, dass Caterina Sforza sich erst ergeben habe, als kein kampffähiger Mann mehr bei ihr im Bergfried war, und sie sich dem Vogt von Dijon ausgeliefert habe, weil sie von den Franzosen eine bessere Behandlung erwartete. Die Franzosen hätten sie schließlich doch an die Borgias ausgeliefert, da der Papst sie des Mordversuchs an sich selbst beschuldigte. D'Allegre wird nur kurz erwähnt.
Lev beruft sich für die ganze Episode auf die aus Forlì stammenden Chronisten Andrea Bernardi und Leone Cobelli, wobei sich ersterer während der Belagerung in der Nähe von Forlì aufgehalten habe und letzterer zumindest gute Kontakte gehabt haben muss. Damit könnten sie auf den ersten Blick als gute Primärquellen gelten. Mein Problem dabei: Lev stellt beide in ihrem Buch als angreifbar und tendenziell schwache Quellen dar. Außerdem gibt es Unstimmigkeiten.
Bernardi war nach ihrer Darstellung so etwas wie der offizielle Chronist Cesare Borgias in Forlì, der seine Texte auch redigiert und möglicherweise verändert habe. Borgia mag ja amoralisch bis zum Gehtnichtmehr gewesen sein, aber er war nicht dumm. Es erscheint mir zweifelhaft, dass er sich mit der Vergewaltigung einer Gefangenen gebrüstet habe, die in Italien bewundert wurde und unter dem Schutz des französischen Königs stand.
Außerdem enthalten zumindest die zitierten Abschnitte von Bernardi nichts zu D'Allegre, wohl aber harsche Kritik an den Franzosen, die alle Berichte von Galanterie konterkarieren. So hätten sich die Franzosen zum Weihnachtsfest 1499 wie "Gottlose" aufgeführt und durch ihre Grausamkeit ungeachtet von Geschlecht und Stand die ganze Romagna verängstigt. Es fragt sich, warum Cesare ihm solche Zeilen über seine Verbündeten durchgehen lassen sollte, aber das ist eine andere Geschichte.
Cobelli hingegen erscheint bei Lev als regelrechter Stalker, der erst vehement parteiisch für Caterina eingetreten sei, nach einer harten Strafe für seine Neugierde aber immer bitterer über sie schrieb und Gefallen an ihrem Unglück gefunden habe. Außerdem: Ich kenne zwar ihre Chroniken nicht und Lev erwähnt nicht, was nach dem Fall von Forlì aus den beiden wurde, aber nichts in dem Buch lässt vermuten, dass sie etwas von d'Allegres angeblichem Auftritt in Rom wussten.
Außerdem muss ich zugeben, dass mir Lev in den Zeilen nicht als objektiv begegnet ist. Kritik an Caterina Sforza kommt z.B. so gut wie nicht vor, und die Autorin glaubt an vielen Stellen des Buches (wortwörtlich), Caterinas Gedanken und Gefühle zu kennen. Das wirft natürlich auch Zweifel auf.
Deswegen meine Frage: Hat irgendjemand von Euch etwas zu dem Namen D'Allegre parat, oder kann die obige Episode auf andere Weise verifizieren? Oder ist sie zu schön, um wahr zu sein?
bei meinem kleinen Projekt, Fakten zu "guten" und "schlechten" Rittern zusammenzutragen, bin ich in der Caterina Sforza-Biographie von Elizabeth Lev auf den Namen Yves d'Allegre (auch d'Alègre) gestoßen und möchte gerne mehr über ihn und eine von Lev geschilderte Episode erfahren. Vielleicht haben wir hier ja Kenner der Geschichte der Borgia und der italienischen Renaissance? Ich erinnere mich z.B. an Beiträge von @Shinigami und @El Quijote in diese Richtung.
Im Internet und in Bowds 'A Brief History of the Italian Wars' findet man zu d'Allegre nicht viel, außer, dass er 1450 geboren wurde und in mehreren Schlachten auf der Halbinsel kämpfte, zuerst unter Ludwig XII., dann (leihweise) unter Borgia. Lev berichtet nun, dass sich während der Belagerung von Forlì Folgendes zugetragen habe:
Cesare Borgia sei durch den vehementen Widerstand der Sforza (vor allem einen Versuch, ihn mit einer List gefangen zu nehmen) so erzürnt gewesen, dass er einen persönlichen Hass gegen sie entwickelte und eine Belohnung auf ihren Kopf setzte.
Das französische Kontingent unter d'Allegre hingegen habe sich zu immer neuen Höhen der Verehrung verstiegen und sogar seine Kanonen nach Caterina Sforza und ihren zahlreichen Spitznamen benannt, sodass Cesare die Belohnung bis auf 10.000 Dukaten hochschrauben musste.
Besonders Caterinas heldenhafter Endkampf nach dem Fall der Schildmauer habe Cesare als absoluten Tölpel dastehen lassen. Marino Sanuto bezeugte in den 'Diarii', dass (die im Schwertfechten ausgebildete) Caterina die ganze Belagerung über in Rüstung gekämpft und viele Männer verwundet habe, und Borgia den Bergfried nur durch Verrat nehmen konnte. Laut Bernardi (s.u.) habe Borgia selbst gesagt: Hätten alle ihre Männer gekämpft wie die Gräfin von Forlì, hätte er niemals siegen können.
Nach Caterinas Gefangennahme sei Cesare aber mit seinen Franzosen in Streit geraten, weil er nur 2.000 Dukaten herausrücken wollte. Außerdem sei d'Allegre von Caterina beeindruckt gewesen und habe befürchtet, Cesare werde sie ermorden lassen. Er habe sie unter seinen Schutz gestellt, was gleichzeitig den Schutz Ludwigs XII. symbolisierte, und es sei sogar zur bewaffneten Konfrontation zwischen Borgias Leibwache und d'Allegres Entourage gekommen, als Cesare auf ihre Herausgabe beharrte.
Schließlich habe Cesare die vereinbarten 10.000 Dukaten gezahlt, um die Franzosen zufrieden zu stellen, und d'Allegre (bereits fünfzigjährig) habe zurückstehen müssen, weil seine Leute das Geld nehmen wollten. Caterina Sforza war zwar formal eine Gefangene des französischen Königs, aber Cesares Obhut anvertraut.
Dieser habe daraufhin seinen Hass an der Gefangenen ausgelassen, sie vielfach vergewaltigt und für die Dauer der nächsten achtzehn Monate (ihrer verbürgten Gefangenschaft in der Engelsburg) mit psychischer Folter (wie Scheinhinrichtungen) gequält, um sie dazu zu bringen, der Herrschaft über Forlì und Imola zu entsagen.
D'Allegre sei davon schockiert gewesen, habe Caterina aber nicht schützen können, da zur gleichen Zeit Ludovico Sforza die Rückeroberung von Mailand in Angriff nahm und das französische Kontingent vom König dorthin abberufen wurde.
1501 sei d'Allegre jedoch nach Rom gekommen, habe bei Papst Alexander VI. vorgesprochen und sich über Cesare, Caterinas Behandlung und die Beleidigung des französischen Königs beschwert. Alexander verweigerte die Herausgabe, da Caterina einen Giftanschlag auf ihn unternommen habe.
Daraufhin habe D'Allegre dem Papst explizit mit einem französischen Angriff auf Rom gedroht, um sie zu befreien. Erst daraufhin habe Alexander nachgegeben und ihrer Freilassung zugestimmt. D'Allegre habe Caterina Sforza daraufhin politisch und militärisch beraten und sie sicher auf eigene Kosten per Schiff nach Florenz gebracht.
Ende der Geschichte.
Bowd erwähnt diese ganze Episode nicht. Er schreibt nur, dass Caterina Sforza sich erst ergeben habe, als kein kampffähiger Mann mehr bei ihr im Bergfried war, und sie sich dem Vogt von Dijon ausgeliefert habe, weil sie von den Franzosen eine bessere Behandlung erwartete. Die Franzosen hätten sie schließlich doch an die Borgias ausgeliefert, da der Papst sie des Mordversuchs an sich selbst beschuldigte. D'Allegre wird nur kurz erwähnt.
Lev beruft sich für die ganze Episode auf die aus Forlì stammenden Chronisten Andrea Bernardi und Leone Cobelli, wobei sich ersterer während der Belagerung in der Nähe von Forlì aufgehalten habe und letzterer zumindest gute Kontakte gehabt haben muss. Damit könnten sie auf den ersten Blick als gute Primärquellen gelten. Mein Problem dabei: Lev stellt beide in ihrem Buch als angreifbar und tendenziell schwache Quellen dar. Außerdem gibt es Unstimmigkeiten.
Bernardi war nach ihrer Darstellung so etwas wie der offizielle Chronist Cesare Borgias in Forlì, der seine Texte auch redigiert und möglicherweise verändert habe. Borgia mag ja amoralisch bis zum Gehtnichtmehr gewesen sein, aber er war nicht dumm. Es erscheint mir zweifelhaft, dass er sich mit der Vergewaltigung einer Gefangenen gebrüstet habe, die in Italien bewundert wurde und unter dem Schutz des französischen Königs stand.
Außerdem enthalten zumindest die zitierten Abschnitte von Bernardi nichts zu D'Allegre, wohl aber harsche Kritik an den Franzosen, die alle Berichte von Galanterie konterkarieren. So hätten sich die Franzosen zum Weihnachtsfest 1499 wie "Gottlose" aufgeführt und durch ihre Grausamkeit ungeachtet von Geschlecht und Stand die ganze Romagna verängstigt. Es fragt sich, warum Cesare ihm solche Zeilen über seine Verbündeten durchgehen lassen sollte, aber das ist eine andere Geschichte.
Cobelli hingegen erscheint bei Lev als regelrechter Stalker, der erst vehement parteiisch für Caterina eingetreten sei, nach einer harten Strafe für seine Neugierde aber immer bitterer über sie schrieb und Gefallen an ihrem Unglück gefunden habe. Außerdem: Ich kenne zwar ihre Chroniken nicht und Lev erwähnt nicht, was nach dem Fall von Forlì aus den beiden wurde, aber nichts in dem Buch lässt vermuten, dass sie etwas von d'Allegres angeblichem Auftritt in Rom wussten.
Außerdem muss ich zugeben, dass mir Lev in den Zeilen nicht als objektiv begegnet ist. Kritik an Caterina Sforza kommt z.B. so gut wie nicht vor, und die Autorin glaubt an vielen Stellen des Buches (wortwörtlich), Caterinas Gedanken und Gefühle zu kennen. Das wirft natürlich auch Zweifel auf.
Deswegen meine Frage: Hat irgendjemand von Euch etwas zu dem Namen D'Allegre parat, oder kann die obige Episode auf andere Weise verifizieren? Oder ist sie zu schön, um wahr zu sein?